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Badria Zeino-Mahmalat ist mit drei Pässen ausgestattet. Den deutschen und den syrischen Pass verdankt sie ihrem Vater, einem Syrer mit deutscher Staatsangehörigkeit, der in Deutschland studiert, promoviert und auch lange gearbeitet hat. Aufgewachsen ist sie jedoch in Marokko, dem Heimatland ihrer Mutter. „Ich bin stolz darauf, Deutsche, Syrerin und Marokkanerin zu sein“, betont die 24-Jährige.
Dabei weiß sie, dass einige ihrer marokkanischen Landsleute zuletzt in Deutschland eher negativ aufgefallen sind – etwa im Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht. „Kein Land ist perfekt“, sagt sie. Es gebe überall gute und schlechte Menschen – gebildete und ungebildete. „Ich versuche immer das gute Bild von Marokko zu zeigen“, fügt sie hinzu. Dazu hatte die studierte Politikwissenschaftlerin in den vergangenen Monaten ausreichend Gelegenheit. Badria Zeino-Mahmalat absolvierte im Rahmen des Internationalen Parlamentsstipendiums des Deutschen Bundestages (IPS) ein Praktikum im Büro des CSU-Abgeordneten Dr. Georg Nüßlein.
Zwei Sachen haben die junge Marokkanerin am IPS besonders beeindruckt. Da ist zum einen die Internationalität des Programms. „Ich bin in einem internationalen Umfeld aufgewachsen, habe auch schon Auslandssemester in Frankreich gemacht und in Deutschland lange studiert – aber das ist kein Vergleich“, schwärmt sie. „Man lernt beim IPS nicht nur die Menschen kennen, sondern auch die jeweiligen politischen Systeme, die Kulturen und Religionen.“
Und dann ist da natürlich die Arbeit der Parlamentarier. „Hier im Bundestag habe ich gesehen, wie effizient ein Abgeordneter arbeitet, aber auch, wie er im Wahlkreis mit den Leuten umgeht“, sagt sie.
Badria Zeino-Mahmalat hatte schon vor dem IPS Erfahrungen mit dem Leben in Deutschland gemacht. Von 2011 bis 2015 studierte sie in Mannheim Politikwissenschaft und Soziologie. Ihr Urteil über Deutschland: „Kein Land ist perfekt, aber im Vergleich mit anderem Ländern ist das Wohlstandsniveau in Deutschland schon ziemlich hoch. Es gibt eigentlich keinen Grund, sich zu beschweren.“ Im deutschen Grundgesetz sei festgeschrieben, dass das Land ein Sozialstaat ist. „Das merkt man auch. Das muss man auch schützen“, findet sie.
Ihre Zuneigung zu Deutschland begann mit einem Sprachkurs in Dortmund. „Meine Eltern meinten, wenn ich nun schon den deutschen Pass habe, sollte ich auch die Sprache können.“ Schon nach kurzer Zeit war ihr klar: Ich will auch hier studieren. Und dennoch: Ihre Zukunft sieht Badria Zeino-Mahmalat in Marokko. Zwar könne sie sich vorstellen, „hier ein paar Jahre zu arbeiten, um Erfahrungen zu sammeln“. Dabei wäre ihr Ziel, „durch meine kulturelle Identität die Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen Marokko, Deutschland und Syrien weiterzuentwickeln“. Aber: „Marokko braucht mich mehr als Deutschland. Bei uns werden junge gebildete Leute, die eine Idee für die Zukunft des Landes haben, dringend benötigt“, lautet ihre Einschätzung.
Marokko – das sei ein Land im Transformationsprozess, in dem es seit 2011 erhebliche Fortschritte gegeben habe, sagt Badria Zeino-Mahmalat. „Es gibt einen größeren Handlungsspielraum für Parlament und Ministerpräsident gegenüber dem König. Auch bei der Gleichstellung von Männer und Frauen sind wir vorangekommen“, sagt sie. Viele kleine Schritte seien gemacht worden. „Es bleibt aber noch viel zu tun.“
Will sich die junge Marokkanerin möglicherweise selber parteipolitisch engagieren? Sie wisse es noch nicht, sagt sie. Einen „Probelauf“ gab es schon. Politisch interessiert sei sie schon sehr früh gewesen. „In der Schule wollte ich prüfen, ob ich einer Partei zugehören kann. Daher habe ich in der Jugendorganisation der liberalen Partei angefangen“, erzählt sie. 2013 hat sie noch ein Praktikum in der zweiten Kammer des marokkanischen Parlaments gemacht. Jetzt noch das IPS – die 24-Jährige erscheint nicht ganz unvorbereitet für eine politische Karriere.
Zumal sie auch ihre politischen Ansichten deutlich formulieren kann. Stichwort Syrienkrieg. Dreimal sei sie in ihrem Leben in Syrien gewesen. Das letzte Mal im Jahr 2006. „Wir haben eine große Rundreise gemacht, Familie und Verwandte besucht, aber auch Sehenswürdigkeiten angeschaut“, erinnert sie sich. Beeindruckt sei sie gewesen von der Kultur Syriens „und auch davon, wie gebildet die Menschen dort sind - vor allem im Vergleich zu Marokko, wo 30 Prozent Analphabeten sind“. Auch die Sicherheitslage sei seinerzeit gut gewesen. „Als der arabische Frühling in Syrien angefangen hat, war ich ziemlich optimistisch“, sagt sie. Und wurde eines Besseren belehrt. Heute ist ihre Auffassung „Lieber hundert Baschar al-Assads als die IS-Leute“. Und dabei sei sie alles andere als ein Assad-Anhänger.
Wie kann es im Syrienkonflikt weitergehen? Politischer Dialog sei besser als der Einsatz von Soldaten, findet Badria Zeino-Mahmalat. „Man muss mit der Assad-Regierung sprechen. Man muss die Syrer entscheiden lassen, ob sie Assad wollen oder nicht“, fordert sie. War es also aus ihrer Sicht ein Fehler, dass der Westen so stark auf den Abschied Assads gedrungen hat? „Ja, schon – das hätten die Syrer selber entscheiden müssen“, lautet ihre Antwort.
Eine Folge des Krieges sind die vielen Geflüchteten. Deutschland reagiert darauf unter anderem damit, nordafrikanische Staaten - unter anderem Marokko - zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, um die Anzahl der Asylanträge aus diesen Staaten zu verringern. Badria Zeino-Mahmalat hat dafür Verständnis. „Marokko ist ein sicheres Land – es ist nicht perfekt, aber wir haben unter dem neuen König viele Fortschritte gemacht“, sagt sie. Fortschritte, die auch im täglichen Leben spürbar seien. „Es gibt beispielsweise mehr Rechte, um zu demonstrieren.“
Der Krieg in Syrien und das Erstarken der Terrormiliz „Islamischer Staat“ haben auch das Thema Terror und Islam in den Vordergrund gerückt. Aus Sicht der Muslima gibt es da keinen Zusammenhang. „Die Extremisten missbrauchen den Islam – deren Tun hat nichts mit der Religion zu tun“, sagt sie. Angesichts von Milliarden friedlicher Muslime in aller Welt seien die Parteigänger des IS eine totale Minderheit. Badria Zeino-Mahmalat bringt es klar auf den Punkt: „Für mich sind das keine Muslime.“ (hau/25.07.2016)