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Mehr Schutz für in Obhut genommene Kinder

"Isoliert, eingeschüchtert, ausgepowert" - so beschrieb Patricia Baron von MOMO Hamburg, einer Beratungsstelle für Straßenkinder, ihre Erfahrungen als Jugendliche in einer geschlossenen Einrichtung. In einem öffentlichen Expertengespräch sprach die Kinderkommission unter Vorsitz von Norbert Müller (Die Linke) am Mittwoch, 6. Juli 2016, über das Thema "Inobhutnahme, geschlossene Unterbringung und Auslandsverbringung".

"Der Willkür der Erzieher ausgeliefert"

Seitdem Baron 15 Jahre als ist, wurde sie in verschiedene Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, unter anderem den Kinderjugendnotdienst, gesteckt - auch gegen ihren Willen. Abhauen war für sie oftmals die einzige Lösung. Nach einer gewissen Zeit wurde sie in das Heim Schönhof in Mecklenburg-Vorpommern geschickt, eine formal offene Einrichtung, die mit einem "ähnlichen Konzept arbeitet oder gearbeitet hat wie die Haasenburg". Haasenburg war eine Einrichtung mit geschlossener Unterbringung in Brandenburg, die 2013 als Ergebnis einer vom Landesministerium für Bildung, Jugend und Sport veranlassten Untersuchung aufgrund etlicher Gewalt- und Missbrauchsvorwürfe gegen Erzieher und Betreuer geschlossen wurde.

"Wir mussten Uniform tragen, durften keine Fragen stellen, Mädchen mussten ab zwölf Jahre die Pille einnehmen - wir waren der Willkür der Erzieher restlos ausgeliefert", so Baron. Zu Gesprächen mit ihren Eltern oder Jugendamtsbetreuern kam es - nach einigen Nachfragen ihrerseits - nie. 

Gerichtliche Urteile müssen vorliegen

Dr. Martin Hoffmann, Diplom-Psychologe und damaliger Leiter der Untersuchungskommission Land Brandenburg gegen die "Haasenburg", kritisierte die nicht vorhandenen rechtlichen Grundlagen für die geschlossene Unterbringung von Kindern und Jugendlichen. "Die Schwelle für Zwangsmaßnahmen muss erhöht werden", so Hoffmann. "Wenn ein Kind nachts angebunden werden soll, dann muss es dafür ein richterliches Urteil geben." Bis heute, so Hoffmann, könnten solche "rigiden Maßnahmen" vollstreckt werden, sofern sie überhaupt notwendig seien.

In vielen Einrichtungen passierten gewaltsame Dinge, für die den Eltern normalerweise das Sorgerecht entzogen werden würde, so Hoffmann. Er kenne Fälle, in denen die Eltern unterschreiben müssten, dass die Einrichtung solche Maßnahmen durchführen darf. Gewaltanwendung werde dann mit pädagogischen Gründen erklärt.

Grundrechtsverletzungen verhindern

So auch Norbert Struck vom Paritätischen Gesamtverband, der vorbrachte, dass Grundrechtsverletzungen nicht nur in der Freiheitsberaubung zutreffen. "Auch Isolation, Missbrauch oder gegen den Willen des Kindes agieren - auch das sind Grundrechtsverletzungen, die klargemacht werden müssen", so Struck.

"Das ist keine Form der zulässigen Pädagogik", sagte er und forderte mehr Partizipation, genaue Dokumentation der Behandlung und keine Handlungen gegen den Willen des Kindes oder Jugendlichen. (abb/05.08.2016)

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