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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 25. Juli 2016)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Spitzenturner Eberhard Gienger sieht Volksbefragungen über die Ausrichtung Olympischer Spiele kritisch. Im Rückblick auf die Ende 2015 durch ein Referendum gescheiterte Olympiabewerbung Hamburgs für die Sommerspiele 2024 sagte Gienger der Wochenzeitung "Das Parlament" (Montagausgabe), aus seiner Sicht wäre es besser gewesen, auf die Volksbefragung zu verzichten. Er betonte: "Wenn wir schon eine Parlamentarische Demokratie haben, dann sollten wir die nutzen und die gewählten Volksvertreter über solche Fragen entscheiden lassen."
Volksbefragungen werde es vermutlich auch bei künftigen Entscheidungen über solche Sportgroßveranstaltungen geben. Man hätte aus seiner Sicht aber schon in Hamburg bedenken müssen, dass die Olympischen Spiele ganz Deutschland betreffen. "Wenn man also schon die Bevölkerung fragt, dann die im ganzen Land", betonte Gienger und fügte hinzu, er sei optimistisch und würde "einen weiteren Versuch wagen". Das müsste jedoch langfristig angelegt werden. "Man sollte dabei stärker die Vorteile von Olympia herausstellen - etwa für die Infrastruktur. Aber auch die positiven Auswirkungen auf den Breitensport."
Das Interview im Wortlaut:
Herr Gienger, Sie haben als Turner zwei Olympische Spiele mitgemacht. 1976 haben Sie die Bronzemedaille am Reck gewonnen. Was ist das Besondere an Olympia?
Der sportliche Reiz ist, dass der Wettkampf nur alle vier Jahre stattfindet. Außerdem ist es ein Event, bei dem sich Sportler aus vielen Nationen und auch unterschiedlichen Sportarten treffen. Man folgt damit der Idee, die Jugend der Welt zusammenzubringen - es ist ein Friedensprojekt.
Wie haben sie denn 1976 in Montreal den Kontakt mit Sportlern andere Nationen und Sportarten erlebt?
Ich erinnere mich an einen mexikanischen Ruderer. Mit dem habe ich sogar eine Art Trikottausch durchgeführt: Er bekam meine rostbraune Ausgehjacke, auf die er ganz scharf war und ich seinen Sombrero. Aber auf dem zentralen Platz im Olympischen Dorf ist man ständig mit anderen Sportlern in Kontakt gekommen.
Wie präsent war damals das Thema Doping?
So gut wie gar nicht. 1972 gab es vielleicht ein paar Gerüchte. In Montreal fielen dann die DDR-Schwimmerinnen durch ihre tiefen Stimmen auf, was deren Trainer zu der Aussage veranlasste: Die sollen schwimmen und nicht singen.
40 Jahre später gilt systematisches Doping bei Russen zumindest in der Leichtathletik als nachgewiesen. Wie sollte nun mit den russischen Sportlern im Hinblick auf Rio verfahren werden?
Die Entscheidung des Weltleichtathletikverbandes, die russischen Athleten zu sperren, ist richtig. Wenn man keine Konsequenzen zieht, ist das Dopingkontrollsystem gefährdet. Die Entscheidung ist vor allem im Sinne der Sportler, die nicht gedopt haben und bei Olympia nun eine reelle Chance bekommen.
Es kommt aber doch einer Kollektivstrafe gleich...
Mag sein. Ich habe da auch noch nicht den Königsweg gefunden. Eine Kollektivstrafe scheint mir aber angemessen im Rahmen dessen, was gemacht werden muss, um die Anti-Doping-Maßnahmen durchzusetzen.
In Deutschland gibt es seit Kurzem ein Anti-Doping-Gesetz. Die Androhung von Haftstrafen für dopende Spitzensportler war lange umstritten. Ist das Gesetz richtig?
Ja, das denke ich schon. Ich selbst hatte ja meine Zweifel. Aber die Vertreter der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), die auch lange skeptisch waren, sind inzwischen davon überzeugt, dass es ein solches Gesetz braucht. Das hätte ich in dem Maße nicht erwartet. Die Ermittler haben nun andere Möglichkeiten, nicht nur die Athleten, sondern auch die Hintermänner mit Maßnahmen zu verfolgen, die eben nur dem Staat zur Verfügung stehen.
Hat Ihr Vertrauen in die Selbstreinigungskräfte des Sports gelitten?
Die Lösung des Problems ist dem Sport nicht in dem Maße gelungen, wie das dem Staat möglich ist. Mich hat aber vor allem überzeugt, dass auch die Nada diese gesetzlichen Regelungen inzwischen begrüßt. Durch das Gesetz ist auch die Zusammenarbeit zwischen Nada und staatlichen Behörden harmonisiert worden. Telefonüberwachungen sind beispielsweise ein gutes Mittel, um die Durchsetzung des Verbotes zu erleichtern. Über solche Instrumente verfügt der Sport natürlich nicht.
Stichwort Olympiabewerbung: Hamburg wird sich nicht für die Sommerspiele 2024 bewerben. Hätte man besser auf ein Referendum verzichtet?
Ja. Wenn wir schon eine Parlamentarische Demokratie haben, dann sollten wir die nutzen und die gewählten Volksvertreter über solche Fragen entscheiden lassen.
Sie sind also grundsätzlich kein Freund von Plebisziten?
Nein, wir haben doch gerade in Großbritannien gesehen, wie von Medien eine Kampagne in Richtungen gedreht wird, die gar kein objektives Ergebnis zulassen. Ich denke, dass diejenigen, die sich mit der Materie intensiver auseinandersetzen, doch die besseren Entscheider sind als die Bevölkerung, die sich eher nur oberflächlich damit beschäftigt.
Wie sehen Sie die Chancen, dass Deutschland in absehbarer Zeit Olympische Spiele ausrichten wird?
Ich fürchte, wir kommen von Volksbefragungen nicht mehr weg. Man hätte aber schon in Hamburg bedenken müssen, dass Olympische Spiele kein größeres Sportfest in Hamburg sind, sondern ein Ereignis, das ganz Deutschland betrifft. Wenn man also schon die Bevölkerung fragt, dann die im ganzen Land. Ich bin aber optimistisch und würde einen weiteren Versuch wagen. Das müsste langfristig angelegt werden. Man sollte dabei stärker die Vorteile von Olympia herausstellen - etwa für die Infrastruktur. Aber auch die positiven Auswirkungen auf den Breitensport.
In Deutschland soll die Spitzensportförderung reformiert werden. Darüber verhandeln der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und Bundesinnenministerium (BMI) unter Ausschluss der Öffentlichkeit, aber auch des Parlaments, woran es viel Kritik gibt. Auch von Ihnen?
Völlig ahnungslos sind wir ja nicht. Vom DOSB und BMI haben wir Sportausschussmitglieder durchaus grundsätzliche Informationen erhalten, wo die Reise hingehen soll. Nach den Olympischen Spielen wird auch im Sportausschuss darüber diskutiert und es wird eine Anhörung stattfinden. Es wird aber keine Revolution innerhalb der deutschen Sportorganisationen geben. Ich habe Verständnis dafür, dass man vor den Olympischen Spielen damit nicht an die Öffentlichkeit geht, um die Vorbereitung der Aktiven und Trainer nicht zu stören.
Was halten Sie von der Idee des Schwimm-Bundestrainers, der Millionenprämien für Olympiasieger gefordert hat? Könnte das den deutschen Sport nach vorne bringen?
Einige Verbände im Ausland machen das. Zumindest zahlen sie deutlich höhere Prämien als wir. Ich glaube aber nicht, dass Prämien der Weisheit letzter Schluss sind. Das Argument, dass Athleten dann zu unerlaubten Mitteln greifen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Seit einigen Jahren wird der Sport regelmäßig von Korruptionsskandalen heimgesucht. Was läuft da schief?
Der Sport ist nicht besser und nicht schlechter als die Gesellschaft, aus der er hervorgeht. Korruption kommt in allen gesellschaftlichen Feldern vor. Daher sagen wir: Es braucht Aufklärung, Information und Transparenzregelungen. Wir brauchen aber auch die entsprechenden Strafandrohungen, die wir mit dem Gesetz gegen Spielmanipulationen erreichen wollen.
Eine positive Rolle wird dem Sport bei der Integration der Flüchtlinge in Deutschland zugewiesen. Kann er das leisten?
Ich bin davon überzeugt, dass der Sport die einfachste und beste Möglichkeit ist, den Flüchtlingen die Integration zu erleichtern. Man kommt so ins Gespräch und kann die Eigenarten und Besonderheiten des anderen besser kennenlernen.
Was macht eigentlich der ehemalige Spitzenturner Eberhard Gienger, um fit zu bleiben?
Ich laufe, setze mich gerne aufs Fahrrad, gehe aber auch noch ans Reck, mache Fallschirmsprünge und spiele beim FC Bundestag, der ,,eigentlichen Nationalmannschaft Deutschlands", Fußball. Wir werden schließlich gewählt - die anderen von Jogi Löw berufen.
Das Gespräch führte Götz Hausding
Eberhard Gienger ist sportpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Der ehemalige Turnweltmeister ist seit 2002 Mitglied des Bundestages.