Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > 201602
Berlin: (hib/wid) Die Terroranschläge des vergangenen Jahres in der Türkei, Tunesien und Ägypten, nicht zuletzt aber auch die Attentate im Januar und November 2015 in Paris haben die Reiselust der Deutschen nachhaltig erschüttert. Die Tourismuswirtschaft sehe einem "sehr, sehr schwierigen Jahr" entgegen, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Dirk Inger, am Mittwoch vor dem Tourismusausschuss. Dramatische wirtschaftliche Konsequenzen bis hin zu wachsender politischer Instabilität seien aber auch für bisherige Zielländer deutscher Urlauber in Krisenregionen zu befürchten. Zu einer Anhörung über Auswirkungen des Terrorismus auf den Fremdenverkehr hatte der Ausschuss außer Inger den stellvertretenden Leiter des Krisenstabes im Auswärtigen Amt Mirko Schilbach sowie den Berliner Büroleiter und den Sicherheitschef des Reiseveranstalters TUI, Frank Püttmann und Ulrich Heuer, eingeladen.
Vor allem der Anschlag im November in Paris und die daraufhin erfolgte Absage eines Fußball-Länderspiels in Hannover hätten in Deutschland die "Stimmung verändert," berichtete Inger. Die Branche beobachte seither eine "sehr, sehr große Zurückhaltung" der Urlauber. Früher beliebte Ferienländer erlebten dramatische Buchungseinbrüche. Im Vergleich zum Jahresbeginn 2015 belaufe sich das Minus für die Türkei auf 40 Prozent, für Ägypten auf 35 Prozent und für Tunesien auf 71 Prozent. Gerade für dieses Land, das einzige in der arabischen Welt, in dem sich nach den Unruhen von 2011 die Hoffnung auf einen demokratischen Wandel nicht zerschlagen hatte, sei dies ein "tragischer Befund".
Im vergangenen Jahrzehnt zählte Tunesien jährlich eine Million deutsche Urlauber. Nach den Unruhen erlebte das Land einen jähen Rückgang auf 270.000 und bis 2014 einen allmählichen Anstieg auf 400.000. Im vorigen Jahr wagten sich dann wieder nur 260.000 Deutsche nach Tunesien. Besorgniserregend seien die Aussichten auch für die Türkei, wo der Tourismus zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitrage, und die Branche 2,1 Millionen Menschen beschäftige. In den vergangenen Jahren hätten jeweils fünf Millionen Deutsche und fünf Millionen Russen Urlaub in der Türkei gemacht. Bereits 2015 habe sich die Zahl der Russen um eine Million verringert. Wegen des aktuellen politischen Konflikts zwischen beiden Ländern habe die Türkei 2016 voraussichtlich keine Russen mehr und nach bisherigem Buchungsstand auch nur etwas mehr als halb so viele deutsche Urlauber wie bisher zu erwarten.
Es werde nicht möglich sein, die 7,5 Millionen Deutschen, die in früheren Jahren ihren Urlaub in den drei betroffenen Ländern verbracht hatten, auf andere Regionen im Mittelmeerraum umzuverteilen, betonte Inger. Portugal verzeichne derzeit einen Buchungsanstieg um 13 Prozent, das spanische Festland um vier und die Kanaren um fünf Prozent. Damit seien aber die Kapazitäten erschöpft. Die Hoffnung der Branche sei, dass die Deutschen ihre Buchungsentscheidungen einfach vertagt hätten. Nicht auszuschließen sei aber auch, dass ihnen 2016 die Lust auf Urlaub generell vergangen sei.
Der weltweit größte Reiseveranstalter TUI zählte zu Beginn des vorigen Jahres in Deutschland 30.000 Buchungen für Tunesien. Derzeit seien es 5000. berichtete der Berliner Büroleiter Püttmann. Er erinnerte daran, dass in den siebziger Jahren der Tourismus in Spanien und Portugal ein wichtiger ökonomischer Faktor zur Stabilisierung des Übergangs zur Demokratie gewesen sei. Ähnliche Hoffnungen hätten jetzt auch für arabische Länder, vor allem Tunesien, bestanden. "Wir fühlen uns in der Verantwortung", sagte Püttmann. "Aber die Sicherheit der Gäste ist letztlich für uns das höchste Gut. Es wird in keiner Weise auch nur irgendeinem Kompromiss ausgesetzt."
Auch unterwegs aktuell informiert mit der kostenlosen App "Deutscher Bundestag" und unter m.bundestag.de.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentsnachrichten
Verantwortlich: Jörg Biallas
Redaktion: Alexander Heinrich, Claudia Heine, Michael Klein, Claus Peter Kosfeld, Hans Krump, Hans-Jürgen Leersch, Johanna Metz, Sören Christian Reimer, Helmut Stoltenberg, Alexander Weinlein