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Berlin: (hib/STO) Die von der Bundesregierung angestrebte Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten ist unter Sachverständigen umstritten. Dies wurde am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses zu einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/8039) deutlich.
Darin schreibt die Regierung, nur durch eine entsprechende gesetzliche Regelung könne für Behörden und Gerichte gleichermaßen verbindlich festgelegt werden, "dass - vorbehaltlich der Möglichkeit einer Widerlegung der Vermutung der Verfolgungsfreiheit im Einzelfall - ein von dem Staatsangehörigen eines solchen Staates gestellter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist". Bei einer solchen Ablehnung werde das Asylverfahren erheblich beschleunigt. Die Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftsstaaten verbessere daher die Möglichkeit, aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten rascher bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können.
Zugleich betont die Bundesregierung, sie sei nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, "dass in den genannten Staaten gewährleistet erscheint, dass dort generell, systematisch und durchgängig weder Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind".
In der Anhörung verwies Reinhard Boos vom sächsischen Innenministerium darauf, dass im ersten Quartal dieses Jahres die Schutzquote bei Asyl für Bewerber aus Algerien und Tunesien bei null Prozent und 0,2 Prozent bei Marokkanern gelegen habe. Beim Flüchtlingsschutz habe die Quote 0,3 Prozent bei Algeriern betragen, 0,6 Prozent bei Tunesiern und ein Prozent bei Marokkanern. Beim subsidiären Schutz habe die Quote für Bewerber aus allen drei Staaten bei null Prozent gelegen. Er erwarte von den Gesetzentwurf"die Signalwirkung, dass es sich nicht lohnt, Asyl zu beantragen, wenn man keinen Schutzgrund hat". Nach bisherigen Erfahrungen bewirke die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat durchaus einen Rückgang der Asylbewerberzugänge".
Auch Ursula Gräfin Praschma vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) begrüßte den Gesetzentwurf. Davon werde ein Signal ausgehen, das zu einer Verminderung der unberechtigten Asylantragstellungen führen werde. Sie verwies darauf, dass viele Migranten aus den drei Maghreb-Staaten nicht zur Antragsstellung beziehungsweise zur Anhörung erschienen. Dies habe Zweifel aufkommen lassen, "ob hier das Begehren nach internationalem Schutz tatsächlich im Vordergrund" stehe.
Wiebke Judith von der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagte demgegenüber, dass es in den drei Ländern staatliche Repression aufgrund politischen Überzeugungen gebe. Amnesty International habe sowohl in Tunesien als auch in Marokko die Anwendung von Folter dokumentiert. Auch werde in den drei Maghreb-Staaten Homosexualität kriminalisiert. Die "schweren Menschenrechtsverletzungen" in Algerien, Marokko und Tunesien widersprächen einer Bestimmung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten. Bereits die Anwendung von Folter und die Verfolgung von Homosexualität müssten einer solchen Einstufung entgegenstehen.
Auch Rechtsanwalt Reinhard Marx aus Frankfurt am Main verwies auf Berichte über Folter in Marokko und Tunesien. Mit Blick auf Algerien gebe es "eine große Vermutung", das es dort in Polizeihaft zu extralegalen Hinrichtungen gekommen sei. Auch sei festgestellt worden, dass nicht hinreichend vor sexueller Gewalt geschützt und homosexuelle Handlungen nicht nur in Einzelfällen strafrechtlich verfolgt würden.
Professor Daniel Thym von der Universität Konstanz sagte, maßgeblich für sichere Herkunftsstaaten sei im Kern die Abwesenheit von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Maßstab dabei sind Thym zufolge laut Asylqualifikationsrichtlinie "schwerwiegende Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte" und damit "mehr als eine einfache Menschenrechtsverletzung". Dabei bleibe jedoch eine Einzelfallprüfung auch nach einer Einstufung als sicherer Herkunftsstaat möglich.
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