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Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) hat ein weiterer Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) die Auffassung bekräftigt, dass seine Behörde gar nicht in der Lage sei, Beihilfe zu tödlichen Drohneneinsätzen des US-Militärs zu leisten. Der Verfassungsschutz verfüge über keinerlei Daten, die geeignet seien, Personen präzise zu orten, betonte der Zeuge Henrik Isselburg in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der heute 42-jährige Historiker ist seit Sommer 2006 Referatsleiter in der für die Abwehr radikalislamischer Bestrebungen zuständigen Abteilung 6 und befasst sich hauptsächlich mit dschihadistischen Netzwerken in Afghanistan und Pakistan.
"Nein, selbstverständlich will und wollte das BfV kein Teil des Drohnenkrieges der Amerikaner sein", entgegnete Isselburg auf eine direkte Frage des Grünen Konstantin von Notz. Er wisse zwar von sechs oder sieben deutschen Islamisten, die vom Verfassungsschutz beobachtet worden und nach ihrer Ausreise ins afghanisch-pakistanische Kriegsgebiet gewaltsam zu Tode gekommen seien. Es gebe aber in keinem Fall einen Zusammenhang zwischen dem Schicksal der Betroffenen und den Informationen über sie, die der Verfassungsschutz zuvor an US-Behörden weitergegeben habe. Dabei handele es sich nämlich allenfalls um Mobilfunkdaten von Verdächtigen. Diese seien aber nach seiner und der Überzeugung aller seiner Kollegen allein nicht geeignet, Personen als Drohnenziele zu markieren.
Isselburg berichtete über die Umstände, die dazu geführt hatten, dass das Bundesinnenministerium am 24. November 2010 den Verfassungsschutz anwies, beim Informationsaustausch mit befreundeten Diensten darauf zu achten, dass gelieferte Daten nicht dazu dienen konnten, Personen zu lokalisieren. In den Jahren 2009 und 2010 hätten sich Hinweise verdichtet, dass eine Serie radikalislamischer Anschläge in Europa unmittelbar bevorstand. Die Ermittlungen dazu hätten deutsche, britische und amerikanische Dienste gemeinsam geführt. Um der Fülle der eingehenden Hinweise Herr zu werden, sei beim Verfassungsschutz eine Sonderauswertungsgruppe unter seiner Leitung gebildet worden, sagte Isselburg.
Im Zuge der Ermittlungen hätten die beteiligten Dienste einen verstärkten Informationsaustausch vereinbart. So habe der Verfassungsschutz im September 2010 den Amerikanern eine Liste mit Namen, Pass- und Mobilfunkdaten zahlreicher Verdächtiger überlassen wollen. Solche Datenübermittlungen seien bis dahin aber nur in Einzelfällen erfolgt. Eine ganze Liste sei noch nie weitergeleitet worden. Er habe sich, sagte Isselburg, daher beim Innenministerium vergewissern wollen, ob das Verfahren statthaft sei. Daraufhin sei im November zunächst mündlich, dann schriftlich der Bescheid gekommen, gegen die Weitergabe der Liste bestehe kein Einwand, "sofern sichergestellt ist, dass mit den übermittelten Daten keine Ortung von Personen möglich ist".
Isselburg widersprach der Vermutung, der Erlass sei eine Reaktion auf den Tod des deutschen Staatsbürgers Bünyamin Erdogan gewesen, der im Vormonat gemeinsam mit einem Begleiter im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet einer Drohnenattacke zum Opfer gefallen war. Der Vorfall stehe in keinem Zusammenhang mit seiner Anfrage beim Innenministerium. Schließlich habe er die Übermittlung der brisanten Liste bereits im September geplant. Erdogan sei aber erst im Oktober zu Tode gekommen: "Der zeitliche Zusammenhang ist schlicht ein unglücklicher Zufall."
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