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Berlin: (hib/wid) Der Vorsitzende des Normenkontrollrates Johannes Ludewig vermisst in Deutschland den "klaren politischen Willen", die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben. Es gebe zwar einen IT-Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern, doch dieser bestehe weithin aus Kann-Bestimmungen und sei "an Unverbindlichkeit nicht zu übertreffen", kritisierte Ludewig am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss. Der Normenkontrollrat entstand im September 2006 als unabhängiges Gremium, um die Bundesregierung beim Bürokratieabbau zu beraten, und wird für jeweils fünf Jahre berufen. Seit 2011 lautet sein Auftrag, nicht nur Bürokratiekosten, sondern den gesamten durch Gesetzgebung verursachten "Erfüllungsaufwand" der Wirtschaft im Blick zu behalten.
Im europäischen Vergleich der Effizienz und Bürgernähe staatlichen Verwaltungshandelns sei die Bundesrepublik mittlerweile ins untere Drittel abgerutscht, beklagte Ludewig. Unter 28 EU-Staaten belege sie derzeit den 18. Platz, hinter Italien, aber immerhin vor Zypern. Dagegen halte Österreich einen respektablen sechsten Platz: "Wer hätte mal gedacht, dass Österreich uns um zehn Jahre voraus sein würde?" Als Ursachen des deutschen Rückstandes in der Modernisierung der Verwaltung nannte Ludewig die föderale Vielfalt der Bundesrepublik, aber auch das Desinteresse der Politik. "Die Chance, die die Informationstechnik bietet, hat parteiübergreifend nicht den angemessenen Stellenwert.". Auch im Bundestag sei das Interesse an den Anliegen seines Gremiums "überschaubar" und "steigerungsfähig", bedauerte Ludewig.
Die Dramatik der Lage habe spätestens die Flüchtlingskrise enthüllt, als sich gezeigt habe, dass die IT-Systeme der unterschiedlichen Behörden und Länder allesamt nicht kompatibel waren. Aus diesem Grund habe der "Flüchtlingsstrom zu keinem Zeitpunkt effizient gesteuert" werden können: "Es geht hier nicht um die Portokasse", mahnte Ludewig. "Es geht um ein Strukturdefizit im Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland." Wenn sich die Wirtschaft weiterhin im bisherigen Tempo digitalisiere, während die Verwaltung hinterherhinke, werde dies früher oder später zu Spannungen führen, die dann auch negative Folgen für das Wirtschaftswachstum haben könnten: "Da muss Deutschland einfach besser, beweglicher, da müssen wir einfach unruhiger werden. Das kann so nicht weitergehen."
Ludewig zog andererseits eine positive Bilanz der Tätigkeit des Normenkontrollrats, dem er seit seiner Gründung vor knapp zehn Jahren vorsteht. Es sei in diesem Zeitraum gelungen, die Bürokratiekosten der Wirtschaft von damals 49 Milliarden Euro bis 2013 um zwölf Milliarden zu senken. Dies entspreche der Verringerung um 25 Prozent, die die damalige Bundesregierung sich vorgenommen habe. Das Gremium habe auch gesetzgeberische Innovationen angestoßen, von denen weitere Effizienzgewinne zu erwarten seien. So gebe es seit drei Jahren die Bestimmung, dass alle Gesetze, deren Folgekosten mehr als ein Million Euro betragen, nach drei bis spätestens fünf Jahren auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen sind: "Das hat es in der deutschen Rechtsgeschichte bislang nie gegeben. Darauf bin ich ein bisschen stolz."
Seit Anfang diesen Jahres gelte zudem die Regel, dass die Bundesregierung alle Vorschläge der EU-Kommission, deren Folgekosten europaweit 35 Millionen übersteigen, im voraus auf ihre Auswirkungen auf Bürger, Wirtschaft und Verwaltung in Deutschland "im Detail zu analysieren" hat.
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