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Berlin: (hib/PST) Im Ansatz richtig, aber noch mit Mängeln behaftet ist nach Ansicht von sieben Sachverständigen ein Gesetzentwurf (18/4613) der Bundesregierung, mit dem die strafrechtlichen Maßnahmen gegen den Menschenhandel an eine EU-Richtlinie von 2011 angepasst werden sollen. Bei einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss wurde ein Änderungsantrag, den die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD in die Ausschussberatungen eingebracht haben, bereits in die Begutachtung einbezogen. Der Gesetzentwurf selbst fügt den bestehenden Straftatbeständen des Menschenhandels zum Zweck der Arbeitsausbeutung und der sexuellen Ausbeutung Taten hinzu, bei denen ins Land gebrachte Menschen zu strafbaren Handlungen oder zum Betteln gezwungen oder ihnen Organe entnommen werden sollen. Der Änderungsantrag schlägt darüber hinaus neue Straftatbestände der Ausbeutung der Arbeitskraft, der Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung sowie eine Regelung zur Strafbarkeit von Kunden sexueller Dienstleistungen von Menschenhandelsopfern vor, die sogenannte Freier-Strafbarkeit.
Die Berliner Staatsanwältin mit Schwerpunkt Menschenhandel und Schleuserkriminalität, Leonie von Braun, äußerte in der Anhörung Einwände gegen die vorgesehenen Mindeststrafen für die einzelnen Deliktarten, die nicht immer im richtigen Verhältnis zueinander und zu denen bei anderen Verbrechen stünden. So sei die Mindeststrafe bei schwerer Ausbeutung von Opfern des Menschenhandels wesentlich niedriger als bei erpresserischem Menschenraub, obwohl die Tat genauso schlimm sei. Der Tübinger Strafrechts-Professor Jörg Eisele monierte Überschneidungen mit anderen Gesetzen beziehungsweise Gesetzesvorhaben, etwa den ebenfalls gerade in den Ausschussberatungen befindlichen Regelungen gegen Zwangsprostitution. Wenn zudem, wie zu erwarten, bei der Reform des Sexualstrafrechts eine "Nein-heißt-Nein-Lösung" für sexuelle Übergriffe beschlossen werde, erfasse diese auch Freier von Zwangsprostituierten. Dann drohe die in den Menschenhandels-Paragrafen geplante Kronzeugenregelung leerzulaufen, welche Freier von Zwangsprostituierten von Strafe freistellt, wenn sie aussagen.
An der gesamten Systematik des Gesetzesvorhabens und auch an den darin verwendeten Begrifflichkeiten hatte der Strafrechtler und Rechtstheoretiker Joachim Renzikowski von der Universität Halle-Wittenberg einiges auszusetzen. Im Ergebnis werde die Strafbarkeit in einigen Bereichen deutlich ausgeweitet, in anderen, zum Beispiel der Arbeitsausbeutung, aber eingeschränkt. Dagegen sieht der Gruppenleiter in der Staatsanwaltschaft Augsburg Christian Grimmeisen in dem Änderungsantrag eine "echte Verbesserung" des ursprünglichen Gesetzentwurfs; nur hier und da müsse man noch an einer Stellschraube drehen. So hält er es bei der Freierstrafbarkeit für notwendig, auch "leichtfertiges Handeln" unter Strafe zu stellen, damit sich Freier von Zwangsprostituierten nicht damit herausreden könnten, sie hätten nicht darauf geachtet, in welcher Situation sich die Frau befindet.
Diese Situation hatte zuvor Sabine Constabel, Sozialarbeiterin in einer Anlaufstelle im Stuttgarter Rotlichtbezirk, eindringlich dargestellt. In den dortigen Bordellen arbeiteten zu fast hundert Prozent Ausländerinnen, überwiegend aus Osteuropa, vor allem aus Rumänien. Die allermeisten seien zwischen 18 und 25 Jahre alt. Jeder ihrer Schritte werde kontrolliert. Alle litten sie unter Schmerzen, sie seien aber nicht krankenversichert und könnten sich keinen Arztbesuch leisten. Ihre Zuhälter hinderten sie zudem oft daran, die von ihrer Beratungsstelle angebotene, kostenlose ärztliche Versorgung wahrzunehmen, berichtete Constabel.
Dass gegen solche Zustände nichts unternommen werden kann, liegt, wie in der Anhörung immer wieder deutlich wurde, an der Abhängigkeit einer Strafverfolgung von der Aussage des Opfers. Diese seien dazu aus verschiedenen Gründen meist nicht bereit, unter anderem, weil im Heimatland zurückgebliebene Familienangehörige bedroht würden. Helga Gayer, die sich im Bundeskriminalamt mit diesem Deliktfeld befasst, hält es deshalb für vordringlich, von dieser Abhängigkeit von der Opferaussage wegzukommen. Von den geplanten neuen Regelungen verspreche sich die Polizei schon eine wirksamere Verfolgung, wobei einzelne auch zu neuen Umsetzungsproblemen führen könnten. Der Augsburger Staatsanwalt Grimmeisen brachte noch den Wunsch nach mehr Telekommunikationsüberwachung ein, um objektive Beweismittel zu erhalten und nicht nur von der Aussage des Opfers abhängig zu sein.
Von mehreren Sachverständigen wurde kritisiert, dass Freiern von Zwangsprostituierten bei einer Aussage automatisch Straffreiheit gewährt werden soll, während es dem Staatsanwalt überlassen bliebe, ob er auf eine Strafverfolgung des Opfers wegen Verstößen gegen das Ausländerrecht verzichtet. Naile Tanis, Geschäftsführerin des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel KOK, forderte zudem, Opfern von Menschenhandel ein Aufenthaltsrecht unabhängig von ihrer Kooperationsbereitschaft im Strafverfahren zu gewähren. Viele seien traumatisiert und bräuchten erst eine längere "Bedenk- und Stabilisierungsfrist", bevor sie vor Gericht aussagen könnten. Zudem behaupte jetzt die Gegenseite oft, dass eine Zeugin nur gegen sie aussage, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Dieser Einwand ziehe dann nicht mehr. Tanis wies zudem darauf hin, dass nach ihrer Erfahrung ein großer Teil der Opfer gar nicht dauerhaft in Deutschland bleiben, sondern zu ihren Angehörigen zurück wolle.
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