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Berlin: (hib/PK) Gesundheits- und Sicherheitsexperten unterstützen die Bemühungen der Bundesregierung, die zunehmende Verbreitung von sogenannten Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS) mit einem weitreichenden Verbot zu unterbinden. Fachleute machten am Mittwoch anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschuss über den vorliegenden Gesetzentwurf (18/8579) und in ihren schriftlichen Stellungnahmen deutlich, dass die Drogen, die auch als "Legal Highs" bezeichnet werden, keineswegs so harmlos sind, wie ihre Bezeichnungen oft klingen, sondern sogar tödliche Wirkungen entfalten können.
Nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) beinhalten NPS synthetische Cannabinoide, Phenylethylamine oder Cathinone. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) registriere seit Jahren eine Zunahme dieser Stoffe. Bis Ende 2015 seien 560 NPS ermittelt worden, wobei die chemische Grundstruktur immer so geändert werde, dass die neuen Präparate keinen gesetzlichen Regelungen unterlägen, obwohl die psychoaktive Wirkung bestehen bleibe.
Zu den am häufigsten beschriebenen Neben- und Nachwirkungen gehören laut BPtK Herzrasen, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, Übelkeit, Angst und Panik sowie vereinzelt auch Sehstörungen und aggressives Verhalten der Konsumenten. Aufgrund der vielen unterschiedlichen und wenig untersuchten Substanzen steige das Risiko für gefährliche Überdosierungen.
Wie eine Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in der Anhörung sagte, macht die Aggressivität der Süchtigen den Suchtkliniken im Alltag sehr zu schaffen. Über die Langzeitfolgen sei wenig bekannt, jedoch zeige die Erfahrung, dass es erhebliche Probleme in der Therapie gebe, wenn Menschen über mehrere Jahre diese Drogen genommen hätten. Mit dem Verbot werde insbesondere den Jugendlichen klar signalisiert, dass diese Substanzen sehr gefährlich sind.
Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) begrüßt die Gesetzesinitiative und sieht in den NPS "ein besonderes Gefahrenpotenzial". Grundsätzlich befürworte der BDK einen repressiven Umgang mit Anbietern illegaler Drogen und setze sich zugleich für eine Entkriminalisierung der Konsumenten ein. Bei der Verfolgung von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gehe es in rund 70 Prozent der Fälle um Konsumentendelikte. Die Bearbeitung dieser Fälle sei unökonomisch und binde Ressourcen im Kampf gegen den Drogenanbau und Drogenhandel. Es sei daher zu begrüßen, dass laut der Gesetzesvorlage Konsumentendelikte im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens bearbeitet werden und Drogen ohne Strafverfahren eingezogen werden könnten.
Aus Sicht des Juristen Jörn Patzak ist der Gesetzentwurf sinnvoll und auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Die gesetzliche Änderung werde dazu führen, dass weniger der Drogen verfügbar sind und auch nachgefragt werden. So würden sich die Betreiber der einschlägigen online-Shops vermutlich vom deutschen Markt zurückziehen. Da die Stoffe künftig nicht mehr legal erhältlich seien, könne auch mit einer geringeren Nachfrage gerechnet werden. Zudem sei die chemische Definition der Stoffgruppen eindeutig und genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz von Artikel 3 Absatz 2 der Verfassung. Durch den reduzierten Strafrahmen sei auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Patzak sagte in der Anhörung, statt eines Schwarzmarktes gebe es derzeit einen Weißmarkt, bei dem unterstellt werde, dass die Substanzen sauber und ungefährlich seien.
Für Bernd Werse und den Schildower Kreis, der sich gegen die Prohibition und Repression in der Anti-Drogen-Politik einsetzt, ist der vorgesehene straflose Besitz von NPS zu begrüßen. Jedoch werde dies dadurch unterlaufen, dass Online-Käufer unter den Passus "Anstiftung zum Inverkehrbringen" fielen. Dies könne zu der absurden Situation führen, dass ein Konsument, der sich NPS beim örtlichen Dealer besorgt, straflos bleibe, während ein Käufer im Internet eine Strafe zu erwarten habe. Die Definition von Stoffgruppen verstoße zudem gegen den Bestimmtheitsgrundsatz der Verfassung. Nach Ansicht Werses ist eine Regulierung nötig, jedoch nicht in Form eines Totalverbots. In den meisten europäischen Ländern hätten Stoffgruppenregelungen nicht den gewünschten Effekt einer substanziellen Nachfragereduktion gehabt.
Der Suchtmediziner Rainer Thomasius machte deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Der Konsum von NPS berge neben dem Abhängigkeitsrisiko erhebliche psychische, soziale und körperliche Risiken. Der expandierende Markt für NPS stelle eine enorme gesundheitspolitische Herausforderung dar. Thomasius geht davon aus, dass mit dem Reformgesetz sowohl Angebot wie auch Nachfrage zurückgehen. Da es sich um einen internationalen Markt handele, sollten jedoch entsprechende Strafnormen und Strafregelungen auch in der EU angestrebt werden. In der Anhörung wies der Suchtmediziner darauf hin, dass handelsübliche Drogentests bei NPS oft nicht funktionierten. "Wir behandeln oft ins Dunkle hinein, weil wir die Stoffe nicht nachweisen können", sagte er. Hier müsse die Forschung intensiviert werden.
Der Einzelsachverständige Hubert Wimber, ehemals Polizeipräsident in Münster, räumte ebenfalls Handlungsbedarf ein, bezweifelt aber den Erfolg der Novelle. Die Prohibitionsregelungen im BtMG könnten keine drogenbezogenen Probleme lösen, sondern verursachten die drogenbedingten gesundheitlichen und sozialen Risiken maßgeblich mit, wie das auch im Antrag (18/8459) der Fraktion Die Linke zum Ausdruck komme. Zudem werde eine wirksame Prävention und Schadenminderung erschwert. Positiv zu bewerten sei, dass im Gesetzentwurf darauf verzichtet werde, den Erwerb und Besitz der Drogen zum Eigenkonsum unter Strafe zu stellen.
Alexis Goosdeel von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht verdeutlichte in der Anhörung den Umfang des internationalen Marktes und die Gewinnchancen mit einer kleinen Zuckertüte für Kaffee, die, falls sie NPS enthielte, auf dem freien Markt einen sechsstelligen Betrag einbringen würde.
Mit dem Verbot der Neuen psychoaktiven Stoffe will die Bundesregierung der zunehmenden Verbreitung dieser Drogen entgegenwirken. Die in immer neuen chemischen Varianten auf den Markt gebrachten Stoffe stellten eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, heißt es im Gesetzentwurf.
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Juli 2014, wonach bestimmte NPS nicht unter den Arzneimittelbegriff fallen, könnten diese Stoffe in der Regel nicht mehr im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) eingeordnet werden. Dadurch sei eine Regelungs- und Strafbarkeitslücke entstanden, die noch nicht in die Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen worden sei.
Das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) sieht ein Erwerbs-, Besitz- und Handelsverbot vor. Zudem soll die Weitergabe solcher Substanzen unter Strafe gestellt werden. Das Verbot bezieht sich auf Stoffgruppen, um eine Verbreitung in immer neuen Varianten zu verhindern. Die Substanzen werden mitunter als Kräutermischungen, Badesalze, Dünger oder Raumlufterfrischer vertrieben.
Die Linke fordert in ihrem Antrag eine wissenschaftliche Evaluation der positiven und negativen Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts. Ferner müsse der Anbau von Cannabis zum Eigenbedarf erlaubt werden. In dem Zusammenhang sollten Optionen für regulierte und nichtkommerzielle Abgabemodelle geprüft und gegebenenfalls erprobt werden. Das Betäubungsmittelgesetz sollte geändert werden mit dem Ziel, Drogenkonsumenten nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen.
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