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Unterschiedlich bewerten Experten den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich (18/8334). Dies wurde am Mittwoch, 1. Juni 2016, bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur unter Vorsitz von Martin Burkert (SPD) deutlich. Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung die Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums in deutsches Recht umsetzen. Die Regelungen betreffen die Struktur der Eisenbahn, den Zugang zu Eisenbahnanlagen und Serviceeinrichtungen und die Erhebung von Entgelten für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Ebenfalls angepasst werden soll der Bereich der Genehmigungen für Eisenbahnverkehrsunternehmen, die wie bisher im Allgemeinen Eisenbahngesetz geregelt werden sollen.
Dr. Martin Henke vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bezeichnete in der Anhörung den Gesetzentwurf als Fortschritt gegenüber dem jetzigen Status. Dies gelte insbesondere für die Schaffung höherer Rechtssicherheit bei der Prüfung der Trassenpreise. Es verblieben jedoch einige Bereiche, in denen der Entwurf Verbesserungspotenzial und Korrekturbedarf aufweise.
So forderte er unter anderem eine generelle Befreiung kleiner und mittelgroßer Eisenbahnen von den Vorschriften über die Struktur der Eisenbahnen und von der Erhebung von Entgelten für den Zugang zu Eisenbahnanlagen und Serviceeinrichtungen. Auch sollten nach seiner Auffassung Schmalspurbahnen vom Anwendungsbereich des Eisenbahnregulierungsgesetzes ausgenommen werden.
Frank Miram von der Deutschen Bahn AG setzte sich für die "Eins-zu-eins-Umsetzung" der EU-Richtlinie in deutsches Recht ein. Überschießende Regulierungsvorhaben sollten vermieden werden, um die ohnehin schwierige Wettbewerbsposition der Schiene nicht zusätzlich zu belasten.
Entscheidend sei, dass der Regulierungsrahmen verlässlich und mit unternehmerischen Investitionen vereinbar sei. Diesem Anspruch werde der vorherige Gesetzentwurf doch nur zum Teil gerecht. In der Summe werde er zu einer erheblichen Stärkung des Regulierungsrahmens aber auch zu mehr Rechtssicherheit führen, sagte er.
Für Michael Köhler von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) muss der Entwurf "nachgebessert" werden. Die EVG lehne wichtige Passagen ab, da insbesondere die vorgeschlagene Anreizregulierung im Ergebnis den Verkehrsträger Schiene insgesamt zu schwächen drohe, betonte er. Zwar sei der grundsätzlichen Orientierung an den Vorgaben der EU zuzustimmen. Mit der konkreten Ausgestaltung einzelner Regulierungsthemen schieße der deutsche Gesetzentwurf aber über das durch die europäische Gesetzgebung vorgegebene Ziel ausgerechnet in den Kernfragen der Sicherung von Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit der Infrastrukturnetze hinaus.
Eine Beseitigung der bestehenden Wettbewerbsnachteile der Schiene finde weiterhin nicht statt, heißt es in seiner Stellungnahme. Stattdessen würden zurückliegende Entscheidungen der Bundesregierung etwa auf dem Gebiet der Lkw-Maut zu einer weiteren zusätzlichen Schwächung der Schiene führen.
Peter Westenberger, Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), begrüßte die grundsätzliche Zielrichtung von mehr Wettbewerb im Schienengüterverkehr. Es seien aber "erhebliche" Nachbesserungen nötig. So müsse mehr Zuverlässigkeit in das System gebracht und der Preisauftrieb gestoppt werden.
Trotzdem solle das Gesetzgebungsverfahren schnell abgeschlossen werden, um die lange überfälligen Verbesserungen in Kraft zu setzen und den Blick frei zu machen für weitergehende Reformen.
Für Claus Weselsky von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist der Gesetzentwurf weniger geeignet, die aktuellen und erheblichen Probleme des Verkehrsträgers Schiene zu lösen. So werde vor allem das wesentliche Ziel "Gewährleistung eines sicheren, leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs der Eisenbahninfrastruktur" nur unzureichend berücksichtigt. Nach seiner Auffassung wird das System Eisenbahn in Deutschland zunehmend vernachlässigt. Die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur müsse erhalten und nicht reduziert werden, forderte Weselsky.
Bernhard Wewers, Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr (BAG-SPNV), sah einige gute Ansätze, deren Auswirkungen jedoch häufig nicht vollständig durchgeprüft wirkten. Dreh- und Angelpunkt bleibe die bisherige Prämisse des Bundes, den Vollkostenansatz weiter zu verfolgen. Mehr Verkehr könne jedoch nur mit einem Grenzkostenansatz auf die Schiene gebracht werden. (mik/01.06.2016)