Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
„Chancen für unbewaffnetes ziviles Peacekeeping“ lautete der Titel eines öffentlichen Expertengesprächs des Unterausschusses „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ am Montag, 14. März 2016. Ein nicht ganz einfaches Thema, wie Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) – unter deren Vorsitz die Sitzung stattfand – zu Beginn anmerkte. Da in Krisensituationen gewalttätige beziehungsweise bewaffnete Konflikte regelmäßig auftreten, erscheint der Ansatz, darauf mit Hilfe von Zivilisten und dazu noch unbewaffnet zu reagieren, auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig. Dass ein zweiter Blick allerdings lohnt und vor allem nachhaltigere Ergebnisse verspricht, darin waren sich die angehörten Experten einig.
Dr. Rachel Julian von der Universität Leeds betonte, dass Gewalt in der Regel wiederum Gewalt erzeuge und unbewaffnetes ziviles Peacekeeping besser geeignet sei, diesen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Zentrale Aufgaben von zivilen Peacekeepern seien das Beobachten und das Recherchieren zu den lokalen Verhältnissen.
Hieraus müssten dann wirksame Strategien für die Friedenserhaltung für die Menschen vor Ort entwickelt werden. Die Zusammenarbeit mit lokalen Kräften sei hier von immenser Bedeutung, da diese näher an der Basis seien und so mit ihren direkten Informationen eine schnelle Reaktion auf lokale Ereignisse ermöglichen würden.
Auch der Einsatz von zivilen Kräften sei ein entscheidender Faktor für derartige Missionen, so Dr. Julian weiter. Militärische Kräfte seien für Befriedung von gewalttätigen Konflikten oft unerlässlich. Zivile Kräfte seien hingegen bei der Friedenserhaltung oft effizienter, da sie hier authentischer agieren könnten als bewaffnete Einheiten.
Um gewaltfrei friedliche Zustände zu erhalten, sei ein Eingehen von Zivilisten auf die Bedürfnisse der Menschen, die vor Ort Gewalt erfahren haben, wichtig, um die Transformation von einer Konfliktsituation in eine gewaltfreie Gesellschaft gelingen zu lassen.
Tiffany Easthom von der Organisation Nonviolent Peaceforce fokussierte auf die wichtige Arbeit mit allen lokalen Kräften am Beispiel der Arbeit ihrer Organisation in einer stark umkämpften Region um Bentiu in Südsudan. Hier hätten die Information aller Konfliktbeteiligten über die Präsenz der zivilen und unbewaffneten Peacekeeper sowie die Analyse von Zeiten und Orten gewaltsamer Vorfälle dazu geführt, dass man einer Gruppe von Frauen, die zuvor bei Alltagserledigungen außerhalb ihres Dorfes ständig attackiert wurden, habe helfen können.
An die notwendigen Informationen zu gelangen und entsprechendes Vertrauen bei den Konfliktparteien aufzubauen, sei die zentralste aber auch schwierigste Aufgabe für die zivilen Friedensbewahrer. Dies könne mitunter eine längere Zeit brauchen, aber ermögliche den Kräften vor Ort dann genau den Raum für Nachhaltigkeit zu kreieren, in dem sich eine gewalt- und konfliktfreie Umgebung entwickeln kann.
Als konkrete Werkzeuge zivilen Peacekeepings führte Tiffany Easthom die Einrichtung von Frühwarnsystemen und die damit einhergehende Möglichkeit an, auf Krisenfälle vorbereitet zu sein und konkret reagieren zu können. So habe in einer Konfliktregion der Überfall einer rivalisierenden Gruppe ein Dorf völlig unvorbereitet getroffen.
Alte und kranke Menschen seien völlig schutzlos gewesen und hätten nicht fliehen können. Durch die Einrichtung eines Frühwarnsystems und das Einrichten von mit notwendigen Lebensmitteln ausgestatteten Fluchtpunkten haben bei einem folgenden Angriff alle Bewohner das Dorf rechtzeitig verlassen und sich auch um Alte und Kranke präventiv kümmern können.
Alexander Hug, Principal Deputy Chief Monitor der Beobachtermission für die Ukraine der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), bestätigte Dr. Rachel Julians Einschätzung, dass es für zivile Kräfte mitunter einfacher ist, den für die Friedenserhaltung notwendigen Dialog zu führen. Die größte Herausforderung dabei sei es, die Sicherheit für die zivilen Mitarbeiter einer solchen Mission zu gewährleisten.
Hug berichtete von einem Vorfall im ukrainischen Mariupol, bei dem seine Mitarbeiter an der Weiterfahrt in umkämpftes Gebiet gehindert wurden, obwohl das entsprechende OSZE-Mandat unter anderem die Bewegungsfreiheit der Mitarbeiter garantiert. Die militärischen Kräfte verwiesen bei diesem Hinweis lediglich auf das mitgeführte Gewehr und konstatierten, dass über dem Mandat noch „Mr. Kalaschnikow“ stünde und hier dessen Regeln gelten würden.
Für den Erfolg einer zivilen und unbewaffneten Peacekeeping-Mission sei eine gute Beobachtung der lokalen Verhältnisse und Beteiligten nötig. Darüber hinaus seien Sicherheitsgarantien für die Missionsmitarbeiter wichtig; und zwar solche, die nicht nur auf dem Papier existierten. Hierfür bedürfe es des uneingeschränkten Vertrauens aller Seiten in die die Mission betreibende Organisation, in seinem Fall der OSZE. Dieses Vertrauen aufrecht zu erhalten, sei mitunter der schwierigste Teil. Denn oft hätten die Konfliktparteien überzogene Erwartungshaltungen an die Friedensmissionen. Für das sofortige Stoppen eines Konflikts oder auch die Entwaffnung der Konfliktparteien seien diese Art von Missionen nicht geeignet.
Tiffany Easthom zog zum Abschluss der Anhörung ein gleichlautendes Resümee, in dem sie betonte, dass zivile und unbewaffnete Peacekeeping-Missionen keine umfassende Antwort auf Krisen seien, sie würden aber ein äußerst effektives Tool zur nachhaltigen Friedenswahrung bieten. (eb/15.03.2016)