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Der Bundestag setzt sich für die Weiterentwicklung der transatlantischen Beziehungen ein. „Die transatlantische Partnerschaft ist neben der europäischen Integration der wichtigste Pfeiler deutscher Außenpolitik“, heißt es in einem Antrag von CDU/CSU und SPD (18/8072), den das Parlament am Freitag, 15. April 2016, gegen das Votum der Opposition angenommen hat. Die Bundesregierung wird damit unter anderem aufgefordert, „den offenen Dialog mit den USA auf Augenhöhe und auf allen Ebenen weiter zu intensivieren und zu pflegen, um das gegenseitige Vertrauen zu stärken“.
Dazu gehören etwa die enge Abstimmung zur Lösung der Konflikte in der Ukraine und in Syrien sowie zur Bekämpfung des „Islamischen Staates“ und weiterhin die Zusammenarbeit in internationalen, sicherheits-, entwicklungs- und menschenrechtlichen Fragen, etwa mit Blick auf die Versorgung syrischer Flüchtlinge sowie auf die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen.
Die Bundesregierung soll zudem weiterhin die Verhandlungen zu einer Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen USA und der EU (TTIP) unterstützen und sich dabei für die verbindliche Einhaltung hoher Umwelt-, Menschenrechts- und Sozialstandards einsetzen.
Peer Steinbrück (SPD) gestand in der Debatte ein, dass die transatlantischen Beziehungen „nicht frei von mancher Entfremdung“ seien. Er führte dafür unter anderem die Entwicklungsgeschichte des Irak-Krieges und die Bespitzelungsaktivitäten der NSA ins Feld. Zur Wahrheit gehöre aber, dass man sich jenseits des Atlantiks häufig über die europäische Kritik an der Polizistenrolle der USA ärgere, während die Europäer sich andererseits oft genug wegducken würden, wenn es darum gehe, die USA als Ordnungsmacht zu unterstützen.
Wenn die USA vom Mittelmeer aus Einsätze gegen den „Islamischen Staat“ flögen, „dann ist uns das ganz recht“, sagte Steinbrück. In einer gefährlichen Welt bleibe die transatlantische Rückversicherung für Europa von zentraler Bedeutung. „Sie verlangt von uns aber einen Beitrag“ – und dieser erstrecke sich eben auch auf die Abschreckungs- und Einsatzfähigkeit der Nato.
Der Sozialdemokrat plädierte zudem dafür, die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA (TTIP) als Chance für eine „Revitalisierung der Beziehungen“ zu begreifen. Trotz aller offenkundigen Probleme und Sorgen habe das Abkommen angesichts globaler demografischer und geopolitischer Verschiebungen „strategischen Stellenwert“ im Verhältnis zwischen der USA und Europa.
Stefan Liebich (Die Linke) sprach davon, dass die Beziehungen zwischen Europa und den USA „erwachsen geworden“ seien. Noch 2001, nach den Terroranschlägen von Al-Qaida in den USA, habe das Dogma der „uneingeschränkten Solidarität“ gegolten. Doch sei es richtig gewesen, dass die Bundesregierung wenige Jahre später den US-Plänen zum Irak-Krieg widersprochen habe. „Die Folgen dieses Krieges bekommen wir heute mit dem ‚Islamischen Staat‘ zu spüren.“ Trotz solcher Differenzen: „Es ist für uns nicht egal, wer dieses Land regiert“, sagte Liebich mit Blick auf den US-Vorwahlkampf.
Auf der einen Seite stehe ein Kandidat wie Donald Trump, ein „Sexist und Rassist, der eine Mauer zu Mexiko errichten will und der für Folter ist“, auf der anderen Seite ein Kandidat wie Bernie Sanders, ein „demokratischer Sozialist, der Superreiche besteuern und den Mindestlohn anheben“ wolle. Die USA seien „mehr als Pentagon, Langley und Wall Street“, und schon deshalb könne Antiamerikanismus niemals links sein, sagte Liebich.
Peter Beyer (CDU/CSU) nannte die transatlantischen Beziehungen eine der „wichtigsten Säulen unserer Außen-, Sicherheits- und auch Wirtschaftspolitik“. Zwischen Europa und den USA gebe es mehr Verbindendes als Trennendes. „Wir sind strategischer Partner.“ Auf beiden Seiten des Atlantiks wisse man, dass man die großen Herausforderungen der Zeit – Terrorismus, Klimawandel, Welthandel – nicht mehr einzelstaatlich lösen könne. „Auf wen sonst sollte man sich in den USA stützen als auf uns Europäer?“, fragte Beyer.
Trotz mancher Zweifel seien die Freihandelsabkommen mit den USA und mit Kanada (Ceta) ein Gebot geostrategischer Klugheit. Die Europäer wollten auch künftig in Sicherheit und relativem Wohlstand leben „Dafür braucht es einen starken Partner und da sind uns die USA und die Kanadier am nächsten“, sagte Beyer.
Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) teilte zwar diese strategische Analyse, ließ aber an den TTIP-Verhandlungen kein gutes Haar: Hier werde ein „bürokratisches Monster“ erschaffen, das wirtschaftliche Einzelinteressen bedienen solle. Statt von der jeweils anderen Seite die fortschrittlicheren Sozial-, Umwelt- oder Verbraucherschutzstandards zu übernehmen, würde man sich in diesen Fragen gegenseitig unterbieten.
Trittin wehrte sich gegen den Vorwurf, eine solche Kritik sei antiamerikanisch. „Nur fairer Handel ist freier Handel.“ Trittin zog zudem eine vorläufige Bilanz der Präsidentschaft Barack Obamas. Obama sei ein starker Präsident, weil er mit „kluger Realpolitik“ und durch Kooperation die „Überdehnung der einstigen Supermacht“ unter seinem Vorgänger George W. Bush beendet habe. Zu Obamas Verdiensten gehörten das Zustandekommen des Klimaabkommens von Paris ebenso wie die Verhinderung eines nuklearen Wettrüstens in Nahost und eine weitere Eskalation der Ukraine-Krise. (ahe/15.04.2016)