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Die Fraktionen des Bundestages sind sich einig in dem Ziel, mehr Inklusion auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen und so mehr Menschen mit Behinderung in Arbeit zu bringen. Ob dazu jedoch das seit Kurzem als Referentenentwurf vorliegende Bundesteilhabegesetz einen Beitrag leisten kann, wurde bei der Debatte am Donnerstag, 28. April 2016, von den Oppositionsfraktionen in Zweifel gezogen.
Für die Linksfraktion kritisierte Katrin Werner, dass „so gut wie nichts“ aus dem Antrag ihrer Fraktion (18/5227), der im Anschluss an die Debatte mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD abgelehnt wurde (18/8118), in den Entwurf übernommen wurde. Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte, dass „wesentliche Forderungen“ von Behindertenverbänden in dem Entwurf fehlten. Es sei zu früh, ein Gesetz zu beerdigen, bevor es parlamentarisch beraten wurde, befand hingegen Uwe Schummer (CDU/CSU). Kerstin Tack (SPD) vertrat die Ansicht, dass vieles, was die Linksfraktion in ihrem vor einem Jahr eingebrachten Antrag fordert, schon umgesetzt oder in dem Referentenentwurf enthalten sei.
„Wir sind an vielen Stellen schon mindestens so weit, wie sie es fordern“, sagte Tack an die Linksfraktion gewandt. So habe die Fraktion in dem Antrag mehr Unterstützung für Arbeitgeber gefordert, damit die sich dazu entscheiden, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Das sei geschehen, so Tack. „Wir haben mit der ,Initiative Inklusion‘ bis zum Jahr 2018 140 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt“, sagte die SPD-Abgeordnete.
Mit der Initiative „Wirtschaft inklusiv“ wiederum sei zudem ein Programm auf den Weg gebracht worden, um Unternehmen besser über Fördermöglichkeiten bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung zu informieren, was in dem Antrag ebenfalls gefordert worden sei. Mit dem Bundesteilhabegesetz liege nun eine Regelung vor, die durch das Budget für Arbeit mehr Eigenständigkeit für die Betroffenen beim Einsatz der finanziellen Hilfen ermögliche.
Katrin Werner begrüßte es zwar, dass der Referentenentwurf vorgelegt und damit eine Forderung ihrer Fraktion erfüllt wurde. Von einem „alles gut“ könne gleichwohl nicht die Rede sein, urteilte die Abgeordnete der Linksfraktion. Es werde eben keine „einkommens- und vermögensunabhängige Assistenz in allen Lebenslagen und Lebensphasen“ geschaffen. „Damit bleibt die gesellschaftliche Teilhabe vom Geldbeutel der Menschen mit Behinderung abhängig“, sagte Werner. Das sei menschenrechtswidrig.
Auch die Forderung ihrer Fraktion, Sonderarbeitswelten abzubauen und umzugestalten, werde nicht umgesetzt. Vielmehr würden diese weiter verfestigt. Inklusion, so Werner, sei eben nicht zum Spartarif zu haben – genau das versuche die Bundesregierung aber.
„Was gut ist, das machen wir. Was wir nicht machen, das ist nicht gut“, lautete Uwe Schummers Bewertung des Antrags. Der Unionsabgeordnete verwies auf positive Entwicklungen der letzten Jahre. So gebe es einen Aufwuchs an Menschen mit Behinderung im ersten Arbeitsmarkt. Arbeit, so Schummer, sei der Schlüssel für gelungene Teilhabe. „Wir wollen den Paradigmenwechsel, den die UN-Behindertenrechtskonvention vorgibt. Wir wollen nicht mehr auf die Defizite schauen, sondern auf die Potenziale, die die Menschen mitbringen“, sagte der CDU-Politiker.
Kritische Worte richtete er an Unternehmen, die die Potenziale der Menschen nicht nutzen. „Sie behindern nicht nur die Menschen, die betroffen sind, sondern auch ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolg.“ Wichtig sei es, die Information der Unternehmen zu stärken. „Wir müssen von guten Beispielen, von guten Geschichten erzählen“, forderte Schummer.
Nach wie vor sollen Einkommen und Vermögen herangezogen werden, um beispielsweise Assistenz zu finanzieren, kritisierte Corinna Rüffer. Das sei ein Verstoß gegen die Menschenrechte, urteilte die Grünen-Abgeordnete. Der Referentenentwurf, so Rüffer weiter, sei sogar noch eine Verschlechterung im Vergleich zu einem zwischendurch gekannt gewordenen Arbeitsentwurf.
In der aktuellen Vorlage sei geregelt, dass Menschen, die sowohl Eingliederungshilfe als auch Hilfen zur Pflege bekommen, was im Grunde alle Menschen mit Behinderungen seien, mit Verschlechterungen rechnen müssten, sobald sie ein entsprechendes Einkommen erzielen. „Das ist eine Sauerei“, befand Rüffer. Es bedeute nichts anderes, „als dass behinderte Menschen arbeiten können, wie sie wollen – sie werden am Ende immer arm bleiben“. Das sei nicht akzeptabel und habe mit guter Arbeit nichts zu tun. (hau/28.04.2016)