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Michail Gorbatschow und Helmut Kohl unterzeichneten den Vertrag am 9. November 1990 im Bonner Palais Schaumburg © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Vor 25 Jahren, am 25. April 1991, hat der Deutsche Bundestag den „Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) ratifiziert. Einstimmig befürworteten die Abgeordneten den ersten internationalen Vertrag des vereinigten Deutschlands. Der Präsident der Sowjetunion Michail Sergejewitsch Gorbatschow und Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hatten den deutsch-sowjetischen Vertrag am ersten Jahrestag der Maueröffnung, am 9. November 1990, im Bonner Palais Schaumburg unterzeichnet.
20 Jahre nachdem der damalige Bundeskanzler Willy Brandt und der sowjetische Ministerpräsident Alexej Kossygin mit ihrer Unterschrift unter den sogenannten Moskauer Vertrag die politische Grundlage für eine künftige europäische Zusammenarbeit legten und mit dem ersten der „Ostverträge“ den Weg zur Entspannungspolitik geebnet hatten, verpflichteten sich nun das wiedervereinte Deutschland und die Sowjetunion ihre souveräne Gleichheit, ihre territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit zu achten. Die 22 Artikel des Partnerschaftsvertrages enthalten weitreichende Absichtserklärungen zu einer umfassenden Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft, Technik, Arbeits- und Sozialwesen, Umweltschutz, Kultur, zwischenmenschliche und Gruppenkontakte, Medien, Rechtshilfe, Denkmal- und Kriegsgräberpflege und internationale Beziehungen.
Beiden Staaten verpflichten sich, alle Grenzen in Europa als unverletzlich anzuerkennen. Außerdem vereinbarten sie unter Bezugnahme auf die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) weder Gewalt anzuwenden noch diese anzudrohen. Durch verbindliche, wirksam nachprüfbare Vereinbarungen sollen Streitkräfte und Rüstungen wesentlich reduziert werden. Die KSZE-Ziele sollen unterstützt, gestärkt und weiterentwickelt werden. Regelmäßige gegenseitige Konsultationen sollen die bilateralen Beziehungen vertiefen und internationale Streitfragen klären.
Die Bundesrepublik Deutschland verpflichtete sich, sowjetische Denkmäler für die Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft und Kriegsgräber in Deutschland zu erhalten und zu pflegen. Sowjetischen Bürgern deutscher Nationalität soll es ermöglicht werden, ihre nationale, sprachliche und kulturelle Identität zu entfalten. Verschollene oder unrechtmäßig verbrachte Kunstschätze sollen an die Eigentümer oder Rechtsnachfolger zurückgegeben werden.
In ihren Erklärungen zur Vertragsunterzeichnung unterstrichen Kohl und Gorbatschow die Bedeutung des Vertrages für den Frieden in Europa und den Willen zur Zusammenarbeit. Einhellig bekräftigten auch die Abgeordneten des Bundestages die Bedeutung des Vertrages für einen dauerhaften Frieden in Europa und den Beginn einer neuen Ära.
„Wir Deutschen wollen das Verhältnis zur Sowjetunion in freundschaftlichem Geist mit dem Willen zur Zusammenarbeit gestalten. Wir stehen nicht am Ende, sondern am Anfang einer neuen Phase in den deutsch-sowjetischen Beziehungen. Die Beziehungen zwischen unseren Ländern gründen sich auf gegenseitiges Vertrauen“, betonte auch Bundesaußenminister Dr. h.c. Hans-Dietrich Genscher (FDP).
Zusammen mit der Sowjetunion leiste man mit dem deutsch-sowjetischen Vertragspaket einen wichtigen Beitrag zur Schaffung des neuen Europas des Friedens. Diese Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Sowjetunion diene dem Frieden des ganzen Europa und aller seiner Menschen, war der Außenminister sicher.
Dem konnte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karsten Dietrich Voigt, nur beipflichten. Das heute zur Ratifizierung vorliegende Vertragswerk kennzeichne den Übergang von der Entspannungspolitik zum Ende des Ost-West-Konflikts, betonte auch er. Im deutsch-sowjetischen Verhältnis sei jetzt die Nachkriegszeit zu Ende. Die Siegerrechte seien erloschen. Das Zeitalter der gleichberechtigten Partnerschaft beginne, freute er sich und unterstrich: „Wir wollen diese Partnerschaft. Wir wollen eine vertrauensvolle, sich ständig vertiefende deutsch-sowjetische Zusammenarbeit.“ Gleichzeitig mahnte er aber auch: Der sich mit dem Vertrag verbindende Wunsch die Vergangenheit endlich abzuschließen, dürfe nicht das Verdrängen und Vergessen des Leidens und der Schrecken des deutschen Angriffskriegs vor 50 Jahren auf die Sowjetunion bedeuten.
Trotz aller Probleme, die Chance war noch nie so groß, aus großen Worten halbwegs auch große Taten werden zu lassen, unterstrich der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Dr. Karl-Heinz Hornhues. Besonders betonte er, dass der Vertrag den Sowjetbürgern deutscher Nationalität das Recht auf Entfaltung ihrer eigenen sprachlichen und kulturellen Identität zusichere.
Für Bündnis 90/Die Grünen begrüßte ihr außenpolitischer Sprecher Gerd Poppe den Vertrag. „Wir anerkennen die Bereitschaft beider Staaten, die sich früher in gegenseitiger Konfrontation befanden, sich auf neue Beziehungen miteinander einzulassen, und teilen den Wunsch nach endgültigem Gewaltverzicht, nach Verständigung und Zusammenarbeit.“
Auch die PDS/Linke Liste erteilte dem Vertrag ihre volle Zustimmung. Der zur Ratifizierung vorliegende Vertrag eröffne den Weg zur Herstellung und zum Ausbau guter Nachbarschaft, kooperativer Partnerschaft und allseitiger Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR, führte ihr Ehrenvorsitzender Dr. Hans Modrow zur Begründung aus.
Einstimmig verabschiedeten die Abgeordneten das Gesetz zu dem Vertrag vom 9. November 1990 über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (12/390). Der deutsch-sowjetische Partnerschaftsvertrag (12/199) trat am 5. Juli 1991 in Kraft.
Ebenfalls geschlossen stimmten die Parlamentarier für das Gesetz zu dem Vertrag vom 9. November 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik (12/198, 12/414). Dieser Vertrag trat drei Wochen später am 26. Juli 1991 in Kraft. Nach der Auflösung der Sowjetunion zum 21. Dezember 1991 galten die Verträge mit Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR weiter. (klz/18.04.2016)