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Acht Monate nach der Wiedervereinigung verabschiedete der Bundestag den ersten gesamtdeutschen Haushalt. © ZB-Fotoreport
Vor 25 Jahren, am 7. Juni 1991, verabschiedete der Deutsche Bundestag mit dem Haushaltsgesetz 1991 (Drucksachen 12/100, 12/494, 12/501 bis 12/531) zum ersten Mal einen gesamtdeutschen Haushalt. Nach der Zusammenführung des bisherigen Bundes- und des bisherigen DDR-Haushalts mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 war der erste gesamtdeutsche Haushalt zunächst im dritten Nachtragshaushalt zum Haushaltsgesetz 1990 entstanden. Angesichts der Dynamik der politischen Ereignisse hatte die Bundesregierung im Sommer 1990 beschlossen, keinen gesonderten Haushalt 1991 für das bisherige Bundesgebiet mehr aufzustellen. Erst nach den gesamtdeutschen Wahlen im Dezember 1990 hatte die schwarz-gelbe Regierungskoalition im Februar 1991 einen Haushaltsentwurf für 1991 beschlossen und im März an den Bundestag übersendet.
Viel zu spät, wie der Vorsitzende des Haushaltsausschusses Rudi Walther (SPD) kritisierte. Zum einen, führte er aus, weil im Vorgriff auf den noch nicht verabschiedeten Haushalt bereits Ausgaben in beträchtlichem Umfang getätigt worden seien, die weder rückgängig zu machen noch auf eine andere Art und Weise vom Parlament zu beeinflussen waren.
Und zum anderen habe die verspätete Vorlage zu einer unerträglichen Beeinträchtigung des parlamentarischen Budget- und Kontrollrechts geführt und in fataler Weise die parlamentarischen Gestaltungsmöglichkeiten eingeengt. Eine Umschichtung des Haushalts, um ihm die Struktur zu geben, die nach der Einigung sachgerecht gewesen wäre, sei so weitgehend unmöglich gewesen.
Der stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses Dr. Klaus Rose (CDU/CSU) hingegen mahnte, die Bewertung des Haushalts müsse im Zusammenhang mit dieser einmaligen historischen Situation erfolgen. Als sich im Sommer 1990 die baldige deutsche Einheit abzeichnete, sei es die einzig sinnvolle Entscheidung gewesen, den endgültigen Haushalt erst nach dem Vollzug der Einheit aufzustellen, um damit eine realistische Basis für die künftige Haushaltspolitik zu gewinnen.
Die Bundesregierung habe — anders als es die Opposition behaupte — rechtzeitig vor der Wahl die Eckpunkte für diesen Haushalt und für die Finanzplanung der kommenden Jahre vorgelegt. Die Rahmendaten zur Begrenzung der Nettokreditaufnahme und zur Entlastung des Bundeshaushalts seien konsequent umgesetzt und sogar noch verbessert worden, widersprach Rose.
Auch Bundesfinanzminister Dr. Theodor Waigel (CDU/CSU) verteidigte die Verschiebung des Haushalts als notwendig und sinnvoll. „Wir säßen doch sonst heute bereits wieder vor dem ersten Nachtragshaushalt. Niemand hätte doch im Oktober, November all das voraussehen können, was wir heute relativ wirklichkeitsnah und situationsgerecht vornehmen können. Dennoch, am Geld und an den Möglichkeiten zu investieren hat es zu keinem Zeitpunkt gefehlt.“
Während sich die Vertreter der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP sowie der Bundesfinanzminister zufrieden zeigten, dass es trotz der enormen finanziellen Herausforderungen durch die deutsche Einheit gelungen sei, durch strenge Ausgabendisziplin den erfolgreichen Konsolidierungskurs der letzten Jahre fortzusetzen, war nach Ansicht der Opposition der Haushaltsentwurf der Bundesregierung in wesentlichen Punkten schon überholt, bevor er überhaupt verabschiedet wurde.
Dieser Haushalt gebe keine ausreichende Antwort auf die gewaltigen Probleme in den neuen Bundesländern, kritisierte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Hans-Jochen Vogel. Er vernachlässige auch in den alten Bundesländern den ökologischen Umbau ebenso wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Wohnungsnot, während er bei den Rüstungsausgaben mögliche und notwendige Kürzungen unterlasse.
Warum das Militärflugzeug „Jäger 90“ beispielsweise noch immer in diesem Haushaltsplan mitgeschleppt und weitergeführt würde, sei ihm unverständlich. Außerdem verschleiere dieser Haushalt die Tatsache einer extremen Neuverschuldung des öffentlichen Sektors von über 200 Milliarden DM durch die Aufteilung der Verschuldung auf eine Vielzahl von Schattenhaushalten, die fast ebenso viel Kredite aufnehmen würden wie der Haushalt selbst.
Der Vertreter der PDS/Linke Liste Dr. Ulrich Briefs konstatierte: „Ihre Haushaltspolitik ist, für jedermann und jede Frau nachvollziehbar unsolide, konzeptionslos, perspektivlos. Sie ist unsozial und den Aufgaben des Staates in dieser Situation nicht angemessen. Sie ist das Ergebnis einer falschen wirtschaftspolitischen Grundkonzeption.“ Notwendig sei ein Soforthilfeprogramm, mit dem im Osten ökologisch und sozial sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen würden.
Briefs nannte den Infrastrukturausbau einschließlich der Telekommunikation, die Modernisierung und den Ausbau der Eisenbahnnetze und des öffentlichen Personennahverkehrs und den Aufbau einer dezentralisierten, kommunalisierten Energieerzeugung, verbunden mit vielfältigen Maßnahmen zur Energieeinsparung. Auch die Alt- und Neubaumodernisierung in Verbindung mit Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds und der Wärmedämmung sprach Briefs an.
In der Koalition wisse man natürlich, dass der Bundeshaushalt und die Staatsfinanzen durch die Aufgaben der deutschen Einheit über alle Maßen beansprucht würden, und auch, dass dahinter große Risiken stünden, entgegnete der Fraktionsvorsitzende der FDP, Dr. Hermann Otto Solms. Der Staatshaushalt werde jedoch verantwortlich geführt, und die Risiken seien zwar gefährlich, aber doch noch im Rahmen des Verantwortbaren, erklärte Solms.
Deshalb sollte diese Politik auf der Basis dieser Vorsicht weitergeführt werden. Gerade deswegen habe man den Solidaritätsbeitrag eingeführt, denn dieser belaste die Bürger entsprechend ihrer steuerlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit. „Das Gesetz sagt eindeutig: Das gilt für ein Jahr“, fügte er an die Opposition gerichtet hinzu. Abschließend stellte er klar: „Die FDP-Fraktion widmet sich mit aller Energie der Aufgabe, die deutsche Einheit herbeizuführen.“
Und auch der Bundesfinanzminister war sich sicher, dass dank des erfolgreichen Konsolidierungskurses der öffentlichen Haushalte in den vergangenen Jahren die Finanzpolitik für diese schwierige Lage gut gerüstet sei und betonte: „Meine Damen und Herren, mit äußerster Sparsamkeit haben wir diesen Haushalt zusammengefügt, und äußerste Sparsamkeit bleibt auch die Richtschnur und die Leitlinie unserer Finanzpolitik.“
Mit 344 Stimmen der Regierungskoalition gegen 214 Oppositionsstimmen verabschiedeten die Abgeordneten in namentlicher Abstimmung das Haushaltsgesetz 1991 in der durch den Haushaltsausschuss geänderten Fassung (Drucksachen 12/100, 12/494, 12/501 bis 12/531). (klz/31.05.2016)