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Neuer Anlauf zur Eindämmung von „Gestaltungsmöglichkeiten“ bei der Besteuerung von Kapitalerträgen: Dies ist Bestandteil des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (18/8045, 18/8345, 18/8461), das der Bundestag am Donnerstag, 9. Juni 2016, beschlossen hat. Der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (18/8739) folgten die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD. Die Linke stimmte dagegen – bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen.
Fritz Güntzler (CDU/CSU) hob auf das hochkomplexe Gesetz ab und sprach von einem „Steuerrecht für Feinschmecker“. Er lud die Opposition zur Zustimmung ein: „Die Zutaten passen, es ist angerichtet.“ Neben dem Stopfen von Schlupflöchern sei es um eine Ausgestaltung entsprechend dem Europarecht gegangen, dazu um eine Vereinfachung. „Wir können heute ein gutes Gesetz beschließen“, befand er. Allerdings sei keine Aussage darüber möglich, ob es „auch für die Zukunft ganz sicher“ sei vor Missbrauch. Es müsse „schnell nachjustiert“ werden können.
Speziell ging er auf die „Cum/Cum-Geschäfte“ als besondere Form der Gestaltungsmöglichkeiten ein. Ob diese legitim oder nicht legitim seien, ließ Güntzler dahingestellt. In jedem Fall werde ihnen ein Riegel vorgeschoben. Denn es gelte: „Wir wollen eine gerechte Besteuerung in Deutschland.“
Richard Pitterle (Die Linke) griff den Feinschmecker-Vergleich auf: Deutschland brauche „endlich Hausmannskost“. Das Steuerrecht werde nun noch „komplizierte als bisher“. Und bei Abschaffung einiger Möglichkeiten zur Steuergestaltung würden nun „zahlreiche neue Möglichkeiten geschaffen“. Der Fiskus habe das Nachsehen, während die „Schwachstellen“ des Gesetzes „längst auf den Radarschirmen der Beratungsindustrie“ seien.
Zwar hatte auch die Linke den speziellen Anti-Cum/Cum-Regelungen im Finanzausschuss zugestimmt. Doch dem Gesetz werde seine Fraktion die Zustimmung verweigern, weil es „weiterhin Anfälligkeit für Steuergestaltung“ gebe. Bei den Finanzbehörden fehle es „an allen Ecken und Enden an Personal und Sachmitteln“.
Lothar Binding (SPD) gestand ein: „Das Gesetz ist objektiv recht kompliziert“. Aber das sei nun mal die Wirklichkeit. Darauf die Antwort zu geben, gehe nicht immer durch „ganz einfache Gesetze“. Er zitierte eine Gesetzespassage aus „einfachen Formulierungen mit nur deutschen Worten“, die gleichwohl kaum verständlich erschien. Das werde den vielen Bürgern nicht gerecht, die sich an Fonds beteiligen. Er wies darauf hin, dass die Gesetzesänderung so ausgestaltet sei, dass der Staat nicht mehr Steuern als bisher einnehmen werde.
Das Wichtigste sei gewesen, Schlupflöcher zu schließen. Doch ihm sei klar: Es werde wieder „Schlupflöcher geben, die wir noch gar nicht kennen“. Deshalb sei es gut, dass eine Evaluierung vorgesehen sei.
Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) strich heraus, dass das Gesetz in Sachen Cum/Cum im Finanzausschuss „nachgeschärft“ worden sei. Und stellte die Frage, warum der Entwurf des Finanzministeriums „so schwach“ gewesen sei. Jetzt werde es „extrem wichtig“, dass die Behörden eine „gezielte Marktbeobachtung“ betrieben: „Greift das Gesetz oder muss es noch nachjustiert werden?“
Seine „Hauptkritik“ an der Formulierung des Gesetzentwurfs: „Komplexität kann man nicht mit Komplexität bekämpfen.“ Er verband dies mit einer „persönlichen Erklärung“. Die Komplexität führe dazu, dass er „nicht mehr wirklich erfassen kann, was wir tun“. Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages habe abgewinkt: Er habe „keine Expertise“.
Der Haushaltsausschuss hatte zu der Neuregelung einen Bericht (18/8741) vorgelegt. Generelles Ziel ist es, die Besteuerung von Publikums-Investmentfonds – also Fonds, die jedem Anleger offen stehen – zu vereinfachen. Inländische Publikumsfonds müssen Steuern auf aus deutschen Einkunftsquellen stammenden Dividenden, Mieterträgen und Gewinnen aus dem Verkauf von Immobilien abführen. Im Gegenzug müssen Anleger die Erträge der Fonds nicht mehr vollständig zu versteuern, sondern es erfolgt eine Teilfreistellung. Bei der Kapitalanlage in Aktienfonds bleiben beim Privatanleger in Zukunft 30 Prozent steuerfrei, bei Mischfonds sind es 15 Prozent.
Um die Cum/Cum-Geschäfte auszubremsen, wird in Zukunft keine Anrechnung von Verlusten mehr gewährt, wenn Steuerpflichtige innerhalb eines 91-tägigen Zeitraums rund um den Dividendentermin nicht an 45 Tagen Eigentümer der Wertpapiere sind. Damit soll die Vermeidung von Kapitalertragsteuern durch Verrechnung mit Verlusten durch Verkäufe unmittelbar nach der Dividendenausschüttung unterbunden werden. Die Beweislast wird umgekehrt. (fla/09.06.2016)