Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Die Opposition hat das Verhalten von EU-Kommission und Bundesregierung im Streit um die Parlamentsbeteiligung am europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) scharf kritisiert: „Bei Ceta kann man weder der Kommission noch der Bundesregierung trauen“, erklärte Klaus Ernst (Die Linke) in einer Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestag am Mittwoch, 6. Juli 2016.
Die Handelspolitik der EU-Kommission, die zunächst eine Beteiligung der nationalen Parlamente abgelehnt und der dann doch zugestimmt hatte, erinnere ihn an eine Fernsehserie mit dem Titel „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“. Die Kehrtwende, von Ernst als „Schmierentheater“ bezeichnet, erklärte er mit einem Zitat von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir Schritt für Schritt weiter, bis es kein Zurück mehr gibt.“
Diesmal sei der Aufschrei zu groß gewesen, sagte Ernst, der davon sprach, Ceta solle jetzt „mit List und Tücke“ vorangetrieben werden. Zwar sei klar, dass Bundestag und Bundesrat zustimmen müssten, aber möglicherweise sollten ab 23. September Teile des Abkommens schon vorläufig in Kraft treten. Ernst warnte davor, mit einer vorläufigen Inkraftsetzung von Teilen des Abkommens vor Beschlussfassung von Bundestag und Bundesrat über das gesamte Abkommen Fakten zu schaffen. Er forderte: „Hören Sie auf mit diesen Tricksereien.“
Der Bundesrat werde nicht beteiligt. „Das ist Sache dieses Parlamentes und nicht des Bundesrates“, entgegnete Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU), der das Abkommen massiv verteidigte. 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werde durch Außenhandel erwirtschaftet. Nach Kanada gebe es Exporte von 9,9 Milliarden Euro und Importe von vier Milliarden Euro.
„Das zeigt, wie stark die deutsche Wirtschaft ist. Das funktioniert aber nur mit vernünftigen Außenhandelsabkommen“, erklärte Fuchs. Er verwies auf das Handelsabkommen mit Südkorea, das zu einem Zuwachs der Exporte um 55 Prozent geführt habe. Behauptungen, das Ceta-Abkommen sei nicht transparent, bezeichnete Fuchs als „Märchen“.
Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich erfreut, dass Juncker seine Ankündigung nicht wahrgemacht hat, „dieses so wichtige Abkommen ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages durchdrücken zu wollen“. Es gebe Spielregeln, und die könnten nicht umgangen werden, „wenn man Angst davor hat, dass so ein Abkommen in den nationalen Parlamenten scheitern würde“.
Diese Verfahrenstricks würden die Menschen nicht verstehen. Mängel wie bei der Schiedsgerichtsbarkeit seien nicht behoben worden. Das Vorsorgeprinzip, der Grundpfeiler des europäischen Verbraucherschutzes, fehle im Vertrag. Außerdem werde die Handlungsfähigkeit der Kommunen durch Ceta beeinträchtigt.
„Desinformation“ warf Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, der Opposition vor. Kein Parlament werde ausgehebelt.
Die Sozialdemokraten hätten sich immer dafür eingesetzt, dass der Bundestag und der Bundesrat über Ceta beraten und beschließen. „Und jetzt passiert es“, stellte Beckmeyer fest. Der Bundesrat werde „ebenfalls beraten und beschließen“, versicherte der Staatssekretär, der Ceta als „gutes Abkommen“ bewertete.
Bernd Westphal (SPD) begrüßte, dass Ceta von der EU-Kommission als gemischtes Abkommen betrachtet werde. Ceta sei jetzt von allen nationalen Parlamenten und auch vom Bundesrat zu ratifizieren.
Nach dem Freihandelsabkommen mit Vietnam sei Ceta das zweite Abkommen, in dem die EU-Kommission einen „modernen Investitionsschutz mit Investitionsgerichten“ habe vereinbaren können. Ceta sei ein fortschrittliches Abkommen für fairen Handel mit Vorbildcharakter. (hle/06.07.2016)