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Ehrmann: Mehr Geld für den Kulturgüter-Ankauf

Der Vorsitzende des Kultur- und Medienausschusses, Siegmund Ehrmann (SPD), spricht sich für eine Erhöhung der Etats zum Ankauf von national wertvollen Kulturgütern aus. Die Verabschiedung des Kulturgutschutzgesetzes sei mit der Erwartung verbunden, „dass der Bund mehr Geld für die Ankaufetats zur Verfügung stellt“, sagte Ehrmann in einem am Montag, 27. Juni 2016, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“. Ehrmann spricht sich dafür aus, im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung eine Konstruktion zu schaffen, um das Geld der Kulturstiftung der Länder bereitzustellen. Der Bund habe zwar das Gesetz gemacht, aber im Wesentlichen müssten es die Bundesländer umsetzen. Das Interview im Wortlaut:


Herr Ehrmann, von der Veröffentlichung eines ersten Referentenentwurfs bis zu Verabschiedung des Kulturgutschutzgesetzes ist fast ein Jahr vergangen und die massive Kritik von Kunsthändlern und Sammlern ist nicht verstummt. Ist es so schwer, ein Gesetz gegen diese Lobby durchzusetzen?

Die Debatte um das Gesetz hat sicherlich keinen guten Verlauf genommen. Im Sommer letzten Jahres wurde ein Referentenentwurf geleakt, der von Staatsministerin Monika Grütters (CDU) nicht abgesegnet war. In diesem Entwurf waren in der Tat krude Regelungen enthalten, die ein Übermaß an Eingriffen in die Privatsphäre von Kunstsammlern bedeutet hätten. Der Aufschrei in der Kunstszene hat mich deshalb nicht überrascht. Dieses aufgeheizte Klima hat die folgende Debatte bestimmt. Als der endgültige Gesetzentwurf dann im Herbst veröffentlicht wurde, war eine sachliche Kommunikation kaum noch möglich. Mir wurde allerdings auch klar, dass das Bewusstsein in Deutschland, dass es für unsere Identität bedeutsame Kulturgüter gibt, die nicht in alle Welt verkauft werden sollten, unterentwickelt ist.

Der Kulturausschuss hat am Gesetz vor seiner Verabschiedung umfangreiche und gravierende Änderungen vorgenommen. War der Entwurf so schlecht oder die Kritik doch berechtigt?

Der Gesetzentwurf war gut, aber an manchen Punkten nicht präzise genug. Darauf wurden wir hingewiesen und darauf haben wir reagiert.

Zum Beispiel?

Wir haben mit dem Gesetz alle öffentlichen Sammlungen als nationales Kulturgut definiert und besonders bedeutsame Objekte mit einem Beschädigungsverbot versehen. Das hätte beispielsweise Paläontologen vor ein Problem gestellt, da sie von Exponaten Proben entnehmen müssen, um sie analysieren zu können. Diesen Einwand gegen den ursprünglichen Gesetzestext haben wir berücksichtigt.

Mit dem Gesetz soll die Ausfuhr von Kulturgütern, die als national besonders wertvoll gelten, verhindert werden – erstmalig auch in den EU-Binnenmarkt. Ist es nicht anachronistisch, die nationale kulturelle Identität in einer Zeit zu beschwören, in der stets die europäische Kultur und Geschichte beschworen wird?

Bereits das Kulturgutschutzgesetz von 1955 schützte das gelistete nationale Kulturgut vor Ausfuhren ohne Genehmigung. Mit der Einführung des europäischen Binnenmarktes wurde eine EU-Verordnung erlassen, die die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU reglementiert. Inzwischen haben 26 von 28 EU-Ländern diese Verordnung auch auf den Binnenmarkt übertragen. Diesen Schritt haben wir jetzt nachgeholt. Und dies ist kein national-chauvinistischer Schritt – im Gegenteil. Alle Länder schützen ihr Kulturgut. Das Gesetz betrifft wenige ausgewählte Einzelfälle. Ich erinnere nur an die Humboldt-Tagebücher, die aus Deutschland ausgeführt und in London zum Verkauf angeboten wurden. Diese Reise-Tagebücher sind Unikate und für die Ideengeschichte unseres Landes von herausragender Bedeutung. Ohne eine Genehmigungspflicht für den außereuropäischen Handel hätten sie auch außerhalb Europas verkauft werden können. Es war schließlich der Kulturförderung der Länder und anderen Förderern zu verdanken, dass die Tagebücher durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erworben werden konnten. Natürlich steht das kulturelle Erbe der gesamten Menschheit zu, aber es ist auch regional und national zuzuordnen.

Einer Ausfuhrgenehmigung können auch Kunstwerke unterliegen, die sich in einer privaten Sammlung befinden, zu der die Öffentlichkeit keinen Zugang hat. Wo liegt dann der Gewinn für die Gesellschaft, wenn sie im Ausland nicht verkauft werden dürfen?

Wenn ein Kunstwerk als national bedeutsam eingestuft wird und einer Ausfuhrgenehmigung unterliegt, dann sind damit Steuerprivilegien verbunden. Dies bedeutet aber auch, dass das Kunstwerk öffentlich zugänglich sein muss. In der Diskussion war auch das britische Modell, nach dem die Ausfuhr eines Kulturgutes genehmigt wird, wenn es durch den Staat nicht aufgekauft wird.

Warum hat sich der Bundestag nicht für dieses Modell entschieden? In staatlicher Hand wären Kulturgüter doch am besten geschützt?

Die Briten haben uns über ihre Erfahrungen berichtet. Dort fallen etwa 12.000 Anträge im Jahr auf Ausfuhren von Kulturgütern an. Doch nur in ganz wenigen Einzelfällen nutzt der Staat sein Vorkaufsrecht, weil das nötige Geld fehlt, den Marktpreis zu bezahlen. Und wenn der Kauf nach einem halben Jahr nicht zustande gekommen ist, dann muss die Ausfuhrgenehmigung erteilt werden. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, ein staatliches Ankaufsrecht zu schaffen, das aber keinen Einfluss auf die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung hat. Natürlich stellt es einen Eingriff in die Eigentumsrechte eines Sammlers dar, wenn er ein Gemälde nicht ausführen und nur auf dem nationalen Markt verkaufen darf. Die Expertengremien in den Bundesländern, die darüber zu entscheiden haben, sollen zukünftig deshalb zugleich einen Vorschlag für einen Kaufpreis machen, zu dem es der Staat erwerben kann.

Erwarten sie in Deutschland denn zukünftig mehr Ankäufe durch den Staat? Das muss ja auch finanziert werden.

Wir haben das in unsere Fraktion sehr wohl mit der Erwartung an die Haushaltspolitiker verbunden, dass der Bund mehr Geld für die Ankaufetats zur Verfügung stellt. Der Bund hat zwar das Gesetz gemacht, aber im Wesentlichen müssen es die Bundesländer in ihrer Kompetenz umsetzen. Deshalb ist für den Ankauf vor allem die Kulturstiftung der Länder und nicht des Bundes zuständig. Wir müssen also im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung eine Konstruktion schaffen, wie der Bund dieses Geld bereitstellen kann. Dies ist auch ein Thema für die kommenden Haushaltsberatungen.

In den Wochen vor Verabschiedung des Gesetzes wurden offenbar Kulturgüter im größeren Stil ins europäische Ausland ausgeführt. Ein Akt der Erpressung durch den Kunsthandel?

Darüber will ich mir kein Urteil bilden. Ich halte aber dagegen, dass die Ausfuhrbeschränkungen für den außereuropäischen Raum bereits gegolten haben. Zudem ist uns von Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses bescheinigt worden, dass sich das neue Kulturgutschutzgesetz bezüglich der staatlichen Kontrolle im europäischen Vergleich im unteren Drittel bewegt. In vielen anderen EU-Staaten gelten deutlich striktere Regelungen. Wir haben zudem verabredet, dass Gesetz nach zwei Jahren zu evaluieren, um objektive Daten über seine Wirkung zu gewinnen. Ich bin mir sicher, dass in der Praxis alles halb so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird.

Schärfer kontrolliert werden sollen auch die Einfuhren von Kulturgütern durch Ausfuhrgenehmigungen der Herkunftsländer, um den illegalen Handel zu unterbinden. Müsste der Zoll dafür aber nicht besser ausgestattet werden, um dies auch umzusetzen?

Auf jeden Fall. Die zweifelsfreie Provenienz eines Kulturgutes zu erkennen, erfordert ein sehr hohes Maß an Professionalität und Fachwissen. Deshalb fordern die Koalitionsfraktionen auch eine Stärkung des bestehenden Expertennetzwerkes zwischen dem Bundes- und den Landeskriminalämtern, um die Behörden und Verwaltungen entsprechend zu unterstützen. Ich bin aber optimistisch, dass das Gesetz hierfür die nötigen Voraussetzungen schafft.

(aw/27.06.2016)