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Abgas-Ausschuss beginnt mit Anhörungen

Mit der Befragung von Motoren-Spezialisten sowie Gesundheits- und Umweltexperten beginnt der 5. Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Diesel-Abgasaffäre am Donnerstag, 8. September 2016, mit der Sacharbeit. Ab 12 Uhr sollen acht Sachverständige im Paul-Löbe-Haus im Sitzungssaal E 700 zu bisherigen und neuen Testverfahren für Abgasemissionen befragt werden. Danach stehen Gesundheits- und Umweltaspekte erhöhter Stickstoffemissionen im Mittelpunkt. Der Ausschuss unter Vorsitz von Herbert Behrens (Die Linke) hatte sich am 7. Juli konstituiert.

Die Anhörung zu den Gesundheits- und Umweltaspekten erhöhter Stickstoffemissionen wird ab 15 Uhr live im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.

Labortests gelten als wenig real

Für die Typenzulassung bei Autos maßgeblich ist heute der NEFZ, der Neue Europäische Fahrzyklus. Den gibt es seit Anfang der 90er Jahre. Getestet wird auf dem Rollenprüfstand im Labor. Die Bedingungen dort gelten als wenig real, etwa bei den Geschwindigkeiten sowie den Bedingungen beim Beschleunigen und Bremsen. Durch Tricks versuchen Hersteller, Verbrauch und Emissionen im Labor weiter zu drosseln, etwa durch abgeklebte Luftschlitze, das Entfernen der Ausstattung oder spezielle Reifen. 

Volkswagen hat ferner eine verbotene Software eingesetzt, um die Abgaswerte bestimmter Dieselmotoren zu manipulieren. Die Aufdeckung in den USA brachte die Affäre ins Rollen und war Auslöser für den Untersuchungsausschuss des Bundestages. Ein ähnliches Gremium des Europaparlaments ist seit März aktiv.

ADAC bemüht sich schon lange um realitätsnahe Tests

Abgelöst werden soll der NEFZ im nächsten Jahr durch den WLTC, den World Harmonized Light-Duty Vehicles Test Cycle. Der Verbrauch soll weiter im Labor, die Abgaswerte aber auf der Straße ermittelt werden. Hier kommen die Real Driving Emissions (RDE) ins Spiel, die ab Herbst 2017 gelten sollen. Die Straßentests sollen Fahrbedingungen realistischer abbilden. Der Automobilclub ADAC versucht mit seinem Ecotest schon seit 2003, realitätsnahe Werte für Abgase zu bekommen. Neben dem NEFZ und dem Weltzyklus bezieht der ADAC heute auch die sogenannten Well-to-Wheel-Emissionen ("von der Quelle bis zum Rad") ein, also die gesamte Emissionskette ausgehend von der Kraftstoffherstellung.

Anhören will der 5. Untersuchungsausschuss unter anderem Prof. Dr. Christian Beidl von der Technischen Universität Darmstadt. Er leitet dort seit 2008 das Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe. Beidl war zuvor 15 Jahre lang in der Motorenentwicklung beim österreichischen Unternehmen AVL List tätig und gilt als Experte in Sachen Abgasnachbehandlung. Beidl hat an der Technischen Universität Graz studiert, von dort kommt sein ebenfalls geladener Kollege Prof. Dr. Stefan Hausberger. Der Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik forscht unter anderem auch zu den Abgas-Emissionen auf Rollen- und Motorenprüfständen.

Kann Harnstoff das Stickoxid-Problem lösen?

Der Leiter des Technikzentrums des ADAC, Dr. Reinhard Kolke, wird den Parlamentariern die Erfahrungen mit dem Ecotest erläutern, der allerdings keine rechtliche oder zulassungstechnische Relevanz hat. Aus Sicht von Kolke ist die Technik vorhanden, damit Diesel die Grenzwerte einhalten können. Neben der Abgasrückführung, die auch ältere Dieselmodellen haben, verfügten viele neue Modelle mit der Euro-Norm 6 über ein SCR-System, beim dem Stickoxide durch Einspritzung von Harnstoff chemisch umgewandelt werden.

Prof. Dr. Thomas Koch, seit 2013 Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen in Karlsruhe und zuvor zehn Jahre bei Daimler tätig, glaubt daher an eine "glänzende Zukunft" des Diesels. Die Euro-6-Modelle hätten kein Stickoxid-Problem mehr, sagte er den "Stuttgarter Nachrichten". Auch Koch soll vom Ausschuss befragt werden. Ein weiterer Sachverständiger ist der Umweltphysiker Dr. Denis Pöhler von der Universität Heidelberg. Ein Team um Pöhler hatte eine fahrende Messstation entwickelt, die Abgase von einem vorausfahrenden Auto erfassen kann.

Gefahren durch überhöhte Stickoxidwerte

Thematisieren wollen die Abgeordneten ferner die Umwelt- und Gesundheitsgefahren durch überhöhte Stickoxidwerte. Hierzu ist unter anderem Prof. Dr. Thomas Kuhlbusch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geladen. Kuhlbusch leitet die Arbeitsgruppe "Gefahrstoffmanagement" und könnte darlegen, ob die Gefahrstoffverordnung ausreichend vor Dieselabgasen schützt.

Befragen wollen die Abgeordneten zudem den Münchner Toxikologen Prof. Dr. Helmut Greim und Prof. Dr. Annette Peters vom Helmholtz Institut für Epidemiologie München. Peters forscht an der Auswirkung von Stickoxide auf den Menschen. Für sie eine erhöhte Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs durch hohe Stickoxidbelastungen erwiesen. (stu/02.09.2016)

Zeit: Donnerstag, 8. September 2016, 12 Uhr
Ort:  Berlin, Paul-Löbe-Haus, E 700

Interessierte Besucher können sich beim Sekretariat des Ausschusses (E-Mail: 5.ua@bundestag.de) unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums anmelden.

Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden. 

Liste der geladenen Sachverständigen