Menu | Plenum | Parlaments-TV |
Humanitäre Hilfen und die Bekämpfung von Fluchtursachen bleiben für Abgeordnete von Koalition und Opposition absehbar vordringlichste Aufgaben der Außenpolitik. Man werde jede geplante Ausgabe im Etat des Auswärtigen Amtes für das nächste Jahr darauf hin prüfen, ob sie auf dieses zentrale Ziel einzahlen – so formulierte es der CDU-Abgeordnete Jürgen Hardt in der Debatte über den Haushaltsentwurf 2017 (18/9200, Einzelplan 05) am Mittwoch, 7. September 2016.
Vertreter der Opposition kritisierten, dass die Bundesregierung trotz der ungelösten Konflikte im Nahen Osten die Mittel für die humanitäre Hilfe im Etat kürzen wolle. „Der humanitäre Hilfsbedarf wächst dramatisch an“, warnte der Grünen-Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen). Laut Entwurf sind für das Auswärtige Amt im kommenden Jahr Ausgaben in Höhe von 4,6 Milliarden Euro vorgesehen, das wären rund 205,98 Millionen Euro weniger als 2016.
Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) kündigte in der Debatte an, seine Bemühungen um einen Waffenstillstand in Syrien fortzusetzen. „Es wäre unverantwortlich, das nicht zu versuchen.“ Die Konflikte im Nahen Osten aber auch in Libyen seien allerdings nicht ohne Ankara zu lösen.
„Die Türkei ist ein Schlüsselland für uns“, sagte Steinmeier. Man müsse - wo immer notwendig - Kritik üben an der türkischen Führung, aber man dürfe andererseits nicht so tun, „als könnte man sich Beziehungen zur Türkei ersparen oder wegwünschen“.
Michael Leutert (Die Linke) nannte es hingegen eine völlig „absurde Situation“, dass der Nato-Partner Türkei Bundestagsabgeordneten den Zugang zu Bundeswehrsoldaten im türkischen Incirlik verwehrt habe, die dort einen Beitrag zur Lagebilderstellung im Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ leisten. Dies sei genauso wie der EU-Türkei-Flüchtlingspakt und wie die Distanzierung der Bundesregierung von der Armenien-Resolution des Bundestages Folge einer „Erpressungssituation“, in der die Türkei am längeren Hebel sitze: „Wer sich einmal erpressen lässt, tut das auch ein zweites Mal“, sagte Leutert.
Als unverantwortlich bezeichnete er mit Blick auf den Etat, dass die Bundesregierung angesichts der internationalen Krisen beim Auswärtigen Amt 200 Millionen Euro einsparen wolle. „Es passt einfach nicht zusammen, das geht so nicht.“ Das sei das Gegenteil vom Anspruch, außenpolitisch mehr Verantwortung zu übernehmen.
Frithjof Schmidt (Grüne) kritisierte die Zurückhaltung Steinmeiers gegenüber der Türkei, die unter anderem mit ihren Militäroperationen gegen kurdische Kräfte die Anti-IS-Allianz „in Stücke schießt“. Es sei überdies den eingeschlossenen Zivilisten in Aleppo nicht zu vermitteln, dass ebendiese Allianz in der Lage sei, täglich Bomben über syrischen Kampfgebieten abzuwerfen, nicht aber humanitäre Hilfen über der umkämpften syrischen Stadt.
Schmidt kritisierte, dass die Bundesregierung angesichts solcher Krisen die Mittel für humanitäre Hilfen von 1,1 Milliarden im laufenden Jahr auf nur noch 730 Millionen Euro im kommenden Jahr zusammenstreichen und gleichzeitig den Verteidigungshaushalt um mehr als zwei Milliarden Euro erhöhen wolle. Beim Thema Flucht und Migration würden sich alle in den Forderungen nach der Bekämpfung von Fluchtursachen überbieten, dabei betreibe die Bundesregierung eine Politik, die im Gegenteil die Schere zwischen Militärausgaben einerseits und Konfliktverhütung, humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit noch vergrößere, sagte Schmidt.
Jürgen Hardt argumentierte dagegen, dass die „operativen Ausgaben“ des Auswärtigen Amtes gegenüber dem Vorjahr steigen würden und das Minus im Gesamtetat vor allem den von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallenden deutschen UN-Beiträgen geschuldet sei. Er signalisierte aber zugleich für seine Fraktion „Gesprächsbereitschaft“ für mehr Mittel für die humanitäre Hilfe.
Hardt warb dafür, der Türkei trotzt der Irritationen in Folge des Putschversuches im Juli und trotz der Irritationen wegen ihrer Rolle im syrischen Konflikt die Fortsetzung der EU-Beitrittsgespräche nicht zu verwehren - schon allein, um die proeuropäischen Kräfte zu stärken. „Beitrittsverhandlungen sind ein Weg, um die Verhältnisse in der Türkei zum Besseren zu befördern“, sagte Hardt. (ahe/07.09.2016)