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Die Grünen dringen auf eine weitere Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in Deutschland. Der Grünen-Parlamentarier Volker Beck betonte am Freitag, 23. September 2016, im Bundestag bei der ersten Lesung eines von seiner Fraktion eingebrachten Gesetzentwurfs zur „Erleichterung der Einbürgerung und zur Ermöglichung der mehrfachen Staatsangehörigkeit“ (18/5631), man wolle eine umfassende Liberalisierung „unter der Überschrift ,Wir wollen mehr Mehrstaatigkeit wagen‘“. Während von der Fraktion Die Linke und auch von der SPD-Fraktion Unterstützung für den Grünen-Vorschlag kam, lehnte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, den Vorstoß entschieden ab.
Ziel des Gesetzentwurfs ist die "Ermöglichung einer weitgehenden Angleichung von Wohn- und Wahlbevölkerung". Künftig soll nach dem Willen der Fraktion bei der Anspruchseinbürgerung die Mindestaufenthaltsdauer auf fünf Jahre und für anerkannte Flüchtlinge und ihnen gleichgestellte Personen auf drei Jahre herabgesetzt werden.
"Familienangehörige einbürgerungswilliger Personen können früher eingebürgert werden", heißt es in der Vorlage weiter. Die Anspruchseinbürgerung soll laut Entwurf fortan allen Personen offen stehen, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis sind "oder aus anderen Gründen aufenthalts- oder freizügigkeitsberechtigt sind".
Den bisherigen Ausschluss bestimmter Aufenthaltserlaubnisse will die Grünen-Fraktion abschaffen. Die Sicherung des Lebensunterhalts soll nach ihren Vorstellungen "von jungen Menschen, die sich in der Ausbildung befinden, sowie von älteren Menschen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt verlangt" werden.
Auch sollen der Vorlage zufolge Kenntnisse der deutschen Sprache von Menschen, die sie aufgrund von Krankheit, Behinderung oder Alter nicht erwerben können, "nicht mehr oder nur noch eingeschränkt verlangt" werden. Ferner sollen Alternativen zum Einbürgerungstest eingeführt und für bestimmte Personengruppen solle die Einbürgerungsgebühr abgeschafft beziehungsweise ermäßigt werden.
In einem Antrag (18/9669), der ebenfalls erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums stand, fordert die Grünen-Fraktion zudem die Bundesregierung auf, "gegenüber den Ländern darauf hinzuwirken, dass in Deutschland lebende britische Staatsangehörige rasch und unkompliziert eingebürgert werden, wenn sie es beantragen". Wie die Abgeordneten schreiben, werden britische Staatsangehörige nach geltendem Recht - wie alle Staatsangehörigen eines anderen EU-Staates - unter Beibehaltung ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert.
In der Begründung verweist die Fraktion darauf, dass der bevorstehende EU-Austritt Großbritanniens die aufenthaltsrechtliche Situation der in Deutschland lebenden Briten infrage stelle. Beck sagte, man solle „ein Signal setzen: Die Briten gehören zu Europa, die Briten sind uns in Deutschland willkommen“. Auch schlage seine Fraktion „ganz wesentliche Veränderungen“ im Staatsangehörigkeitsrecht vor. So wolle sie grundsätzlich vom Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatigkeit abrücken, das in einer globalisierten Welt nicht zeitgemäß sei.
Mayer hielt den Grünen vor, sie wollten sich „ein neues Staatsvolk“ schaffen. Dafür sei die CDU/CSU nicht zu haben. Die Grünen wollten eine „Einbürgerungsoffensive“ in Deutschland, doch der Großteil der deutschen Bevölkerung wolle dies nicht. „Wir brauchen keine Einwanderungsoffensive“, sagte Mayer. Gerade in einer Zeit, in der man „eine Polarisierung der Gesellschaft“ erlebe, wäre eine solche Offensive kontraproduktiv. Eine Umsetzung des Gesetzentwurfs wäre nicht integrationsfördernd, sondern integrationshemmend.
Als überflüssig bezeichnete Mayer den Antrag zur Einbürgerung von Briten. Noch hätten die Verhandlungen über den britischen EU-Austritt nicht begonnen. Auch gebe es keinen Grund für eine „Zwangsgermanisierung der Briten in Deutschland“.
Für Die Linke erwiderte ihre Abgeordnete Sevim Dağdelen, es gehe um eine „Einbürgerungsoffensive“ und nicht um eine „Einwanderungsoffensive“. Mayer baue mit einer solchen Formulierung „einen Pappkameraden auf, um Stimmung zu machen gegen das Thema Einbürgerung“.
Ihre Fraktion unterstütze den Grünen-Vorstoß, weil die Erleichterung der Einbürgerung längst überfällig sei. Wer auf Dauer in Deutschland lebe, solle auch gleichberechtigt am politischen Leben teilhaben können. Hier lebende Migranten dürften nicht länger „Bürger zweiter Klasse“ sein.
Der SPD-Parlamentarier Rüdiger Veit betonte, alles, was in dem Grünen-Gesetzentwurf stehe, sei aus Sicht der Sozialdemokraten grundsätzlich zu unterstützen. Er plädierte dafür, im kommenden Bundestagswahlkampf dafür zu sorgen, dass es danach die parlamentarischen Mehrheiten gibt, „um derartige Vorschläge, wie sie die Grünen jetzt gemacht haben, umzusetzen“.
In der derzeitigen Koalition gehe das „leider nicht“, doch müsse die SPD „zum Koalitionsvertrag bis zum Schluss koalitionstreu“ sein. (sto/23.09.2016)