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Die Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschungsaktivitäten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist von den meisten Experten grundsätzlich begrüßt wurden. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Ingrid Arndt-Brauer (SPD) am Montag, 19. September 2016, zu einem von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf (18/7872) erklärte etwa der Verband der Chemischen Industrie, in der Europäischen Union hätten alle Länder bis auf Estland und Deutschland eine steuerliche Forschungsförderung. Die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung sei "unerlässlich".
Nach Vorstellungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sollen KMU für ihre Forschungsausgaben einen "Forschungsbonus" in Höhe von 15 Prozent ihrer Aufwendungen für Forschung und Entwicklung erhalten. Dieser Forschungsbonus solle in Form einer Steuerermäßigung gewährt werden, schreibt die Fraktion.
Der Forschungsbonus soll allen Unternehmen bis 249 Mitarbeitern gewährt werden können und zusätzlich zu bestehenden Projektförderungen eingeführt werden. Die Steuermindereinnahmen durch den neuen Bonus werden von der Fraktion mit 770 Millionen Euro angegeben. Nach Ansicht der Fraktion erreicht die bisherige Innovationsförderung die Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen nicht.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schloss sich dieser Argumentation an: "In Deutschland sieht das Steuerrecht keine systematische Förderung von Forschung und Entwicklung vor. Vielmehr beinhaltet es eine Reihe von Regelung, welche die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Unternehmen be- oder gar verhindern." Im Steuerrecht liege jedoch ein Hebel, um im globalen Innovationswettbewerb weitere Fortschritte zu erzielen.
Der BDI riet jedoch davon ab, die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung auf kleine und mittlere Unternehmen zu beschränken. In der Regelung würden zudem "praktische Abgrenzungs- und Missbrauchsfragen offenbar". Ähnlich argumentierte die chemische Industrie: "Damit eine steuerliche Forschungsförderung ihr volles Potenzial zur Stärkung der deutschen Volkswirtschaft entfalten kann, ist es allerdings nötig, dass Unternehmen aller Größenklassen in den Genuss einer steuerlichen Forschungsförderung kommen." Denn gerade große Unternehmen würden erheblich zur Innovationskraft des Landes beitragen.
Diese Auffassung vertrat auch der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Die Förderung solle unabhängig von der Steuerprogression und auch im Verlustfall gewährt werden.
Dr. Joachim Bühler vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom) verwies auf eine stagnierende Intensität bei den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Zwar sei Deutschland im Bereich der direkten Förderung gut aufgestellt; es sei jedoch im gegenwärtigen Umfeld notwendig, zusätzliche Innovations- und Wachstumseffekte zu generieren. Vor allem für kleine Unternehmen und Start-ups sei eine Steuergutschrift mit Auszahlung im Verlustfall besonders geeignet.
Die bestehende Projektförderung sei zielgenau, erreiche aber nicht so viele Firmen, erklärte Prof. Dr. Monika Schnitzler (Ludwigs-Maximilians Universität München). Sie verwies auf die Erfahrungen anderer Länder, die mit steuerlicher Förderung wesentlich mehr Unternehmen erreichen würden.
Dr. Georg Licht vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sprach sich für Maßnahmen zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen aus. Während die Großunternehmen ihre Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren stark erhöht hätten, sei der Anteil bei den KMU rückläufig. Bei Einführung einer Steuerförderung könne die Zahl der forschenden KMU erhöht werden.
Dagegen erwartet Dr. Heike Belitz (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) "größere Mitnahmeeffekte" von einer steuerlichen Förderung. Es würden erhebliche Zweifel bestehen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen durch Einführung der Steuerförderung zur Teilnahme an Forschung und Entwicklung motiviert werden könnten. "Alternativ sollte die Ausweitung der Projektförderung, vor allem des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand des Bundes (ZIM) in Betracht gezogen werden, um kleine und mittlere Unternehmen zu mehr Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten anzuregen", empfahl Belitz.
Bas Strathof (CPB Nederlands Bureau for Economic Policy Analysis) zeigte Defizite in der Risikokapitalfinanzierung für Deutschland auf. Andere Länder wie die Niederlande oder Großbritannien seien in der Risikokapitalfinanzierung erheblich besser aufgestellt. Er empfahl, die Förderung stärker auf junge Unternehmen und nicht allein auf kleine und mittlere Unternehmen zu konzentrieren. Junge Unternehmen hätten das Potenzial zu schnellem Wachstum, während kleine und mittlere Unternehmen auch feststecken könnten. (hle/19.09.2016)