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Nein zur paritätischen Beitragsfinanzierung


Die Opposition ist mit zwei Anträgen zur vollständigen paritätischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gescheitert. Union und SPD lehnten am Donnerstag, 29. September 2016, im Bundestag die Anträge der Fraktion Die Linke (18/7237) und von Bündnis 90/Die Grünen (18/7241) nach einer neuerlichen kontroversen Debatte ab, obwohl die SPD eigentlich auch für die Parität eintritt. Damit bleibt es dabei, dass die Versicherten die Zusatzbeiträge allein bezahlen.

Zusatzbeiträge im Schnitt bei 1,1 Prozent

Mit dem ,,Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung" wurde mit Jahresbeginn 2015 ein neues System eingeführt. Seither wird unterschieden zwischen einem allgemeinen festen Beitragssatz, der bei 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens liegt und jeweils zur Hälfte (7,3 Prozent) von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen wird, und einem kassenindividuellen Zusatzbeitrag in variabler Höhe, der ausschließlich von der Arbeitnehmerseite zu zahlen ist.

Inzwischen liegen die Zusatzbeiträge der Krankenkassen im Schnitt bei 1,1 Prozent. Gesundheitsökonomen befürchten einen kontinuierlichen und deutlichen Anstieg der Zusatzbeiträge in den nächsten Jahren, unter anderem bedingt durch kostspielige Reformen im Gesundheitswesen sowie den medizinisch-technischen Fortschritt.

"Halbe-halbe muss wieder hergestellt werden"

Die Fraktion Die Linke verlangte in ihrem Antrag die Abschaffung der Zusatzbeiträge. Millionen Versicherte müssten 2016 mehr Geld für ihre Krankenversicherung ausgeben. Über den Zusatzbeitrag würden die Arbeitnehmer in diesem Jahr um mehr als 14 Milliarden Euro höher belastet als die Arbeitgeber. Deshalb müsse das Prinzip "halbe-halbe" zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern wieder hergestellt werden.

Auch die Grünen forderten in ihrem Antrag eine faire Lastenverteilung. Mit der paritätischen Finanzierung würde auch der Anreiz für die Arbeitgeberseite, auf eine effizientere und wirtschaftlichere Versorgung hinzuwirken, wieder gestärkt.

"Kein Grund, Arbeitgeber gezielt zu entlasten"

In der Debatte prallten die unterschiedlichen Auffassungen zu dem Thema erneut aufeinander. Redner der Union erinnerten daran, dass der frühere Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent für die Arbeitnehmer 2005 von der rot-grünen Koalition eingeführt worden sei.

Die SPD hielt dagegen, dass damals die Wirtschaftslage mit fünf Millionen Arbeitslosen sowie auch die wirtschaftliche Lage der Krankenkassen wesentlich schlechter gewesen sei als heute. Inzwischen gebe es keinen Grund mehr, die Arbeitgeber gezielt zu entlasten.

CDU/CSU: Spreizung des Beitrags gerechtfertigt

Erich Irlstorfer (CDU/CSU) entgegnete, die Zusatzbeiträge stiegen bisher nur moderat. Es gehe weiterhin um eine gerechte Lastenverteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie um einen funktionierenden Preis- und Qualitätswettbewerb der Krankenkassen. Er erinnerte daran, dass die Arbeitgeber die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall allein zahlten, das werde oft vergessen.

Union und SPD hätten zudem die jetzt gültigen Beitragssätze im Koalitionsvertrag beschlossen, und nun blieben sie auch bestehen. Das bedeute aber nicht, dass die Beitragssätze für immer in Stein gemeißelt seien. Über bestimmte Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung könne man sich immer austauschen.

Thomas Stritzl (CDU/CSU) verwies auf die hohe Bedeutung der Lohnnebenkosten für die wirtschaftliche Stärke der Unternehmen. Es gehe auch darum, in Zeiten der Globalisierung Arbeitsplätze zu sichern. Eine "Spreizung des Beitrags" sei daher gerechtfertigt, zumal der größte Anteil am Krankenkassenbeitrag weiter paritätisch finanziert werde.

SPD: Wir sind vertragstreu

Redner der SPD rechtfertigten ihr Abstimmungsverhalten mit der Koalitionsvereinbarung. Dr. Edgar Franke (SPD) betonte: "Wir sind vertragstreu." Gleichwohl trete die SPD für die Parität ein und hoffe, dass auch die Union über diese Frage noch einmal neu nachdenke. Franke fügte hinzu, die Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre trage eine sozialdemokratische Handschrift. Noch nie seien in einer Wahlperiode so viele Gesundheitsgesetze beschlossen worden, darunter epochale Verbesserungen für die Versicherten.

Die Reformen wie auch der medizinische Fortschritt kosteten jedoch auch viel Geld. Es könne nicht richtig sein, dass diese Errungenschaften künftig allein von den Versicherten finanziert würden. Es sei daher vernünftiger und sozial gerechter, zur Parität zurückzukommen, als in den Gesundheitsfonds zu greifen und so die Zusatzbeiträge zu stabilisieren, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf Pläne der Bundesregierung, den Kassen für 2017 einmalig 1,5 Milliarden Euro aus dem Fonds zukommen zu lassen.

Sabine Dittmar (SPD) räumte ein, es sei damals eine schmerzhafte Entscheidung gewesen, von der Parität abzuweichen, aber angesichts der desaströsen wirtschaftlichen Lage unvermeidlich.

Die SPD habe auch verhindern wollen, dass die Leistungen der Kassen eingeschränkt werden. Heute gehe es der Wirtschaft wieder gut, die Kassen hätten Rücklagen. Jede Zeit brauche ihre Antworten, daher sollte nun wieder die Parität gelten.

Linke: Ein Skandal ersten Ranges

Von der Opposition kam scharfe Kritik auch am Abstimmungsverhalten der SPD. Harald Weinberg (Die Linke) warf der SPD vor, sich völlig widersprüchlich zu verhalten und die große Chance auf Rückkehr zur paritätischen Finanzierung verstreichen zu lassen. Es gehe hier auch nicht um Kleinigkeiten, betonte Weinberg und rechnete die langfristigen Belastungen für die Versicherten hoch, darunter auch die Zuzahlungen.

Die Umverteilung zulasten der Versicherten sei eine "Verarschung" der Menschen und ein "Skandal ersten Ranges". Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sei zudem keine Wohltat der Arbeitgeber, sondern ein durch langwierige Streiks erkämpftes Recht.

Grüne: Es gibt kein tragfähiges Finanzierungskonzept

Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Sozialpartnerschaft habe in Deutschland eine jahrzehntelange Tradition, an die nun die Axt gelegt werde. Die Versicherten hätten immer mehr den Eindruck, sie würden geschröpft.

Wenn die Regierung nun 1,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds an die Kassen weiterleite, gehe es nur darum, im Wahljahr 2017 einen Anstieg der Zusatzbeiträge zu verhindern. Die Entscheidung sei sachfremd und zeige, wie sehr Tricks bemüht würden, weil es kein tragfähiges Finanzierungskonzept gebe. (pk/29.09.2016)