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EZB-Präsident Draghi verteidigt Nullzinspolitik


Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Prof. Dr. Mario Draghi, hat im Bundestag seine vor allem in Deutschland hart kritisierte Nullzinspolitik verteidigt. „Unsere Maßnahmen sind effektiv“, betonte er am Mittwoch, 28. September 2016, vor Pressevertretern direkt im Anschluss an ein nichtöffentliches Gespräch mit Bundestagsabgeordneten. Die Wirtschaft in der Eurozone erhole sich langsam, aber kontinuierlich, und auch die Arbeitslosigkeit sinke. „Wenn wir die gegenwärtige Situation mit der vor vier Jahren vergleichen, als ich das letzte Mal in den Bundestag eingeladen war, müssen wir anerkennen, dass die Lage definitiv besser ist“, betonte Draghi.

„Mit Sicherung der Preisstabilität fortfahren“

Bei den Abgeordneten bedankte sich Draghi dafür, dass sie Respekt vor der Unabhängigkeit der EZB und der Schwierigkeit ihrer Aufgabe gezeigt hätten. Er versicherte, dass sich die EZB der Risiken einer langandauernden Niedrigzinsphase und ihrer Auswirkungen auf Sparer, Rentenfonds, Versicherungen und Banken durchaus bewusst sei. Dennoch, betonte er, werde sie mit ihren Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität fortfahren. Ziel sei und bleibe es, die Inflationsrate nahe, aber unter zwei Prozent zu halten und so das Wachstum in der Eurozone wieder anzukurbeln.

Der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU/CSU), sagte, im Ausschuss habe es „Zustimmung und Kritik“ an Draghis Kurs gegeben. Er selbst stellte klar, dass die Niedrigzinspolitik nur vorläufigen Charakter haben dürfe. Zwar hätten Draghis Worte von 2014, er werde alles tun, um den Euro zu erhalten, beruhigend auf die Märkte gewirkt. Zudem sei die EZB ihrem Ziel, den Euro stabil zu halten, immer gerecht geworden.

„Niedrigzinsphase birgt Gefahren“

Doch berge die anhaltende Niedrigzinsphase, die zu mehr Investitionen ermutigen solle, auch Gefahren. Gerade langlaufende Sparprozesse seien nicht mehr lukrativ, die Lebensversicherungsgesellschaften gerieten unter Druck, genauso wie die heimischen Volksbanken und Sparkassen, die ihre Geschäftsmodelle vor allem auf der Kreditwirtschaft aufbauten.

Im Ausschuss sei auch angesprochen worden, dass die Niedrigzinspolitik „wie ein verstecktes Rettungspaket“ wirke, berichtete Krichbaum. Dem habe der Bundestag allerdings nie seine Zustimmung gegeben. Er fügte hinzu: „Wir respektieren die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, aber das gleichwohl innerhalb ihres Mandats.“

„Strukturreformen notwendig“

Einigkeit zwischen den Abgeordneten und Draghi bestand laut Krichbaum in der Erkenntnis, dass Strukturreformen in vielen europäischen Ländern, „gerade auch in den südeuropäischen Ländern“, notwendig seien. „Sie müssen beherzter angepackt werden, damit die EZB den Spielraum hat, aus der expansiven Geldpolitik wieder aussteigen zu können.“ Dies liege in der Verantwortung der Mitgliedstaaten und weniger in der der EZB.

Draghi hatte sich vor seinem Gespräch mit zahlreichen Abgeordneten aus dem Europa-, Haushalts- und dem Finanzausschuss des Bundestages mit Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert getroffen. (joh/28.09.2016)