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Der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD "zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes" (18/9041) stößt bei Experten auf unterschiedliche Einschätzungen. Dies wurde am Montag, 26. September 2016, bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses unter Vorsitz von Ansgar Heveling (CDU/CSU) deutlich. Auf der Tagesordnung standen zudem neben einem zweiten Gesetzentwurf der Koalition "zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes" (18/9040) ein Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke "zur Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes" (18/6640) und ein Antrag der Fraktion mit dem Titel "Parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes verbessern" (18/6645).
Dem ersten Koalitionsentwurf zufolge soll die strategische Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) gesetzlich neu geregelt werden. Bei der sogenannten Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung handelt es sich laut Vorlage um "die strategische Fernmeldeaufklärung von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland vom Inland aus".
Mit dem Gesetzentwurf sollen spezielle rechtliche Grundlagen für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung sowie eine diesbezügliche Kooperation mit öffentlichen Stellen anderer Staaten geschaffen werden. Vorgesehen ist unter anderem die Einrichtung eines "Unabhängigen Gremiums" zur Überprüfung der "Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung".
Mit dem zweiten Koalitionsentwurf soll sichergestellt werden, dass die Kontrollrechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) "intensiver, koordinierter und kontinuierlicher wahrgenommen werden können". Auch soll "die Arbeit der weiteren gesetzlich verankerten Gremien mit Kontrollfunktion für die Tätigkeit der Nachrichtendienste, namentlich die der G 10-Kommission (...) und des Vertrauensgremiums (...), stärker mit der Tätigkeit des PKGr verknüpft werden".
Zu diesem Zweck sieht die Vorlage vor, das Amt eines hauptamtlichen "Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen Kontrollgremiums" zu schaffen. Dieser soll das Kontrollgremium bei seiner Arbeit einschließlich der Koordinierung mit den anderen Gremien unterstützen.
Prof. Dr. Matthias Bäcker vom Karlsruher Institut für Technologie sagte in der Anhörung, dem Gesetzentwurf "zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung" liege die These zugrunde, dass Ausländer im Ausland nicht oder nur stark vermindert grundrechtlich gegen Abhöraktivitäten des BND geschützt sind.
Er halte diese Grundthese, auf der der ganze Entwurf beruhe, für falsch und daher den Gesetzentwurf "in seiner Gesamtheit für verfassungswidrig". Es gebe "keinen einleuchtenden Grund, das Schutzniveau für Ausländer im Ausland so stark zu verringern, wie der Entwurf es unterstellt".
Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht, Dr. Kurt Graulich, machte deutlich, von Bäckers grundrechtlichen Einschätzung des Entwurfs "fundamental" abzuweichen.
Zur Frage, wie sich der Entwurf zum Grundrechtsschutz verhalte, sagte er, hier werde "eine Art von pragmatischem Notprogramm gefahren, indem dem Nachrichtendienst Voraussetzungen für sein Handeln benannt werden und dann aber auch verschiedene Schutzregimenter, natürlich unterhalb der verfassungsrechtlichen Schwelle". Dies sei ein "guter Versuch".
Der frühere BND-Präsident Gerhard Schindler betonte, angesichts vieler besorgniserregenden Entwicklungen in der Welt könne es nur darum gehen, die Leistungsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes zu stärken. Dieses Ziel sei bei den beiden Koalitionsentwürfen gegeben. Auch gesetzliche Klarstellungen trügen zur Leistungsfähigkeit bei, weil sie die erforderliche Rechtssicherheit im Alltag bieten.
Ferner erhöhe eine effiziente parlamentarische Kontrolle die Legitimation auch für risikoreiche Operationen. Diese Legitimation brauche der BND. Wenn die Geheimhaltung beachtet werde, seien "Nachrichtendienst und effiziente parlamentarische Kontrolle kein Widerspruch".
Eric Töpfer vom Deutschen Institut für Menschenrechte begrüßte, dass mit den Vorlagen "erste Lehren aus den Erkenntnissen des NSA-Untersuchungsausschusses gezogen werden sollen, um willkürliches und rechtswidriges Handeln deutscher Nachrichtendienste zu verhindern".
Aus Sicht seines Institutes bestehe aber "erheblicher Nachbesserungsbedarf, um den menschenrechtlichen Anforderungen am Programm strategischer Fernmeldeaufklärung und ihrer Kontrolle zu genügen". So seien etwa die Voraussetzungen der Ausland-Ausland-Aufklärung des BND in dem Gesetzentwurf "deutlich zu weit gefasst".
Dr. Thorsten Wetzling von der Stiftung Neue Verantwortung sagte, er würde die Reform so nicht verabschieden, weil die Kontrolle des BND zu schwach ausfalle. Es bestehe die Gefahr, dass der BND "weiterhin ein Eigenleben führt und Fehler mit erheblichem diplomatischem und strategischem Flurschaden passieren können".
So wie die Kontrolle des BND vorgesehen sei, sei sie unter anderem deshalb zu schwach, weil die Reform eine "Fragmentierung der Kontrolllandschaft mit unterschiedlichen Dienststellen in Berlin und in Karlsruhe in Kauf" nehme. Auch seien die Kontrollbefugnisse des Unabhängigen Gremiums unzureichend.
Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff von der Universität Bayreuth kritisierte unter anderem die vorgesehene Bestellung des Unabhängigen Gremiums.
"Die Bundesregierung sucht sich ihre Kontrolleure selbst aus", monierte er. Dies könne so nicht belassen werden. Die Bestellung müsse sich vielmehr mit parlamentarischer Beteiligung vollziehen. (sto/26.09.2016)