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15. Wahlperiode
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   124. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 10. September 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Heute vor 15 Jahren, am 10. September 1989, gab der ungarische Außenminister den Beschluss seiner Regierung bekannt, dass ab Mitternacht DDR-Bürger mit ihren Pässen, Personalausweisen oder Rot-Kreuz-Papieren die Volksrepublik Ungarn in ein Drittland verlassen können, das bereit ist, sie aufzunehmen. Diese Entscheidung der ungarischen Regierung öffnete den Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern der DDR, die in den vorangegangenen Wochen in Ungarn Zuflucht gesucht hatten, den Weg in die Freiheit. Bis Ende September hatten bereits über 32 000 Personen die Grenze überschritten.

   Der mutige Schritt der ungarischen Regierung stellte den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung dar, die sich immer schneller vollzog und die uns alle den geschichtlichen Wandel förmlich spüren ließ. Ob der Beginn des Abbaus des Eisernen Vorhangs an der österreichisch-ungarischen Grenze am 2. Mai 1989, das Durchschneiden der Grenzanlagen durch Außenminister Gyula Horn und seinen österreichischen Kollegen Alois Mock am 27. Juni 1989, das Paneuropäische Picknick in Sopron am 19. August 1989 – all diese Ereignisse markierten den unfassbaren Aufbruch, der Europa ergriff und der am Ende des Jahres 1989 der Teilung unseres Landes durch Beton, Stacheldraht und Todesstreifen ein Ende bereitet hatte.

   In der Folge dieser Ereignisse, die das ungarische Volk und seine Regierung durch ihren Mut und ihre Entschlossenheit ermöglicht und beschleunigt haben, ist auch Europa zusammengewachsen. Seit dem 1. Mai 2004 ist Ungarn selbst Mitglied der Europäischen Union und wir gestalten gemeinsam ein demokratisches Europa.

   Ungarn hat eine Werbekampagne aus Anlass des 15. Jahrestages der Öffnung des Eisernen Vorhangs unter das Motto gestellt: Heute so wie damals – eine grenzenlose Freundschaft. Diesem Motto schließen wir uns gerne an.

(Beifall)

   Aufgrund des Mandatsverzichts der Kollegin Tanja Gönner sind in einigen Gremien Nachbesetzungen vorzunehmen. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt für die Nachfolge im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung den Kollegen Helge Braun als ordentliches Mitglied vor, im Gemeinsamen Ausschuss gemäß Art. 53 a des Grundgesetzes den Kollegen Clemens Binninger als stellvertretendes Mitglied, im Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ den Kollegen Ralf Göbel als stellvertretendes Mitglied und in der Gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung den Kollegen Michael Grosse-Brömer als stellvertretendes Mitglied. Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die genannten Kollegen wie vorgesehen in die jeweiligen Gremien gewählt bzw. entsandt.

   Wir setzen jetzt die Haushaltsberatungen – Tagesordnungspunkt 1 – fort:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005

(Haushaltsgesetz 2005)

– Drucksache 15/3660 –

Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008

– Drucksache 15/3661 –

Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuss

   Ich erinnere daran, dass wir am Dienstag für die heutige Aussprache zum Bundeshaushalt dreieinhalb Stunden beschlossen haben.

   Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

   Als erste Rednerin hat die Bundesministerin Edelgard Bulmahn das Wort.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Die Natur macht es uns vor: Der Wandel und die Fähigkeit, sich zu verändern, sind die Grundbedingungen aller Existenz. Deshalb sind Fortschritt und Innovation die Garanten für eine lebenswerte Zukunft. Für unser Land und unsere Gesellschaft darf nichts anderes gelten. Der veränderte Altersaufbau unserer Gesellschaft und der sich verschärfende internationale Wettbewerb stellen uns vor grundlegend neue Herausforderungen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Eine gute Regierung braucht man auch! – Gegenruf des Abg. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Kampeter macht schon gleich den angemessenen Auftakt!)

   Die wirksamste Antwort, die wir darauf geben können, sind Investitionen in Bildung und Forschung. Das, Herr Kampeter, wird sicherlich auch der Opposition nützen. Bildung ist der Schlüssel zu Teilhabe und Beschäftigung,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zu wirtschaftlichem Wachstum und Spitzenforschung. Durch Forschung entstehen Ideen für neue Produkte, Konzepte für bessere Verfahren und innovative Dienstleistungen. Beides zusammen schafft die Grundlage für Wohlstand, wirtschaftliches Wachstum und die Arbeitsplätze von morgen und damit auch die Sicherheit und die Zukunftschancen, die die Menschen benötigen.

   Aus diesem Grund hat die Bundesregierung mit der Agenda 2010 längst fällige Reformen in Angriff genommen, Reformen, die spätestens in den 80er-Jahren hätten in Angriff genommen werden müssen, vor denen Sie sich aber gescheut haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Flach (FDP): Und was war Anfang der 80er-Jahre, Frau Bulmahn? Vielleicht sogar Ende der 70er! – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nostalgische Betrachtungen zur Zukunftspolitik!)

Wir haben sie in Angriff genommen, weil wir davon überzeugt sind, dass wir jetzt handeln müssen, um innovativer und international wettbewerbsfähiger zu werden.

   Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, setzt aber voraus, dass es uns allen ernst ist mit der Kürzung von Subventionen der Vergangenheit

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und neuen Weichenstellungen hin zu Investitionen in die Zukunft. Wenn am Sonntag die Bedeutung von Investitionen in die Köpfe betont und gefordert wird, am Montag aber gesagt wird, nein, wir investieren in Beton, dann ist das nicht glaubwürdig. So können wir die Menschen nicht für die Zukunft gewinnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund (CDU/CSU): Man kann auch eine bessere Wirtschaftspolitik machen!)

   Unser Vorschlag, woher zusätzliches Geld, auch für die Länder und Kommunen, kommen soll, liegt auf dem Tisch. Wir wollen die Eigenheimzulage abschaffen und die frei werdenden Mittel – das sind immerhin 6 bis 7 Milliarden Euro – in Bildung und Forschung, in Innovation, also in unsere Zukunft, investieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Länder können mit diesem Geld endlich die Lehrer und Hochschullehrer einstellen, die wir an unseren Schulen und Hochschulen so dringend brauchen.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Meinen Sie jetzt Juniorprofessoren?)

   Deshalb, meine Herren und Damen von der Union, denken Sie um! Geben Sie Ihre bisherige Blockadehaltung auf und sagen Sie Ja zu Investitionen in die Zukunft!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Kopf ist rund, damit unser Denken die Richtung wechseln kann. Nutzen Sie diese Chance!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): In welchem Kalender haben Sie den Spruch denn gefunden?)

   Für Bildung und Forschung werden im BMBF im kommenden Jahr insgesamt 10 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Im Einzelnen sind das: 8,464 Milliarden Euro im Etat des BMBF, im Einzelplan 30, 1 Milliarde Euro für das Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung und 445 Millionen Euro für BAföG-Darlehen, also für die Studienfinanzierung. Wir werden damit im Haushalt 2005 die Ausgaben für Bildung und Forschung gegenüber 1998 um rund 36,4 Prozent erhöhen. Das ist eine klare Trendumkehr gegenüber den Jahren der Kürzungen unter der Kohl-Regierung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zwischen 1992 und 1998 wurden rund 670 Millionen Euro aus diesem Zukunftsbereich herausgestrichen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben damals durch diese massiven Mittelkürzungen und auch durch den absoluten Stillstand bei notwenigen Reformen, zum Beispiel im Bildungsbereich, einen gewaltigen Rückstand verursacht, den wir heute teilweise noch immer spüren.

(Ulrike Flach (FDP): Wir haben jetzt wieder den Schuldenstand der deutschen Einheit, Frau Bulmahn!)

Wir bekennen uns klar zu mehr Investitionen in Bildung und Forschung. Wir werden dabei auch neue Wege einschlagen.

   Zu einer guten Innovationspolitik gehören auf der einen Seite die finanziellen Investitionen. Dazu haben wir einen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Auf der anderen Seite gehört dazu auch die Schaffung neuer, zeitgerechter Strukturen. Die Innovationsinitiative, die wir Anfang des Jahres gestartet haben, beinhaltet drei Kernpunkte. Ich will sie hier nennen.

   Erster Punkt. Ich bin davon überzeugt, dass die Hochschulen unseres Landes, die eine so wichtige Schlüsselrolle für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes spielen, weiter gestärkt werden müssen,

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Das ist ja überraschend! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss (SPD): Ach, ist auch der Rachel wach? Guten Morgen, Herr Rachel!)

wenn wir im Wettbewerb um die besten Köpfe sowie um exzellente Forschungsergebnisse und innovative Produkte international konkurrenzfähig bleiben wollen. Dafür ist in den vergangenen Jahren bereits eine ganze Menge geschehen und in Bewegung gesetzt worden. Stichworte sind beispielsweise: das neue Besoldungsgesetz – es sieht eine leistungsgerechte Bezahlung von Professoren vor; endlich gehen die Länder daran, dieses Gesetz umzusetzen –, die Bachelor- und Masterstudiengänge, die Einführung der Juniorprofessur wie auch die Programme zur Nachwuchsförderung, die wir gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf den Weg gebracht haben.

(Zuruf der Abg. Katherina Reiche (CDU/CSU))

Die Juniorprofessur ist ein international akzeptierter Karriereweg. Frau Reiche, im Übrigen haben die Wissenschaftsminister aller Länder gesagt, dass sie diesen Karriereweg für wichtig und notwendig erachten.

(Beifall bei der SPD – Jörg Tauss (SPD): Das hat Frau Reiche nicht begriffen!)

   Nach diesen wichtigen Strukturveränderungen und Erneuerungen, die wir im Hochschulbereich umgesetzt haben, muss es jetzt auch darum gehen, das Profil unserer Hochschulen so zu schärfen, dass sie weltweit erkennbar sind und als Spitzenhochschulen eine wichtige Rolle spielen. Gerade weil wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen brauchen, gerade weil wir ein sehr leistungsfähiges Wissenschaftssystem haben, müssen wir unsere Anstrengungen erhöhen. Denn auch unsere Nachbarn tun dies. Daher brauchen wir in unserem Land forschungsstarke Spitzenuniversitäten.

   Ich bin davon überzeugt, dass wir gute Chancen haben, unsere Universitäten durch diesen Wettbewerb so zu stärken und zu positionieren, dass sie weltweites Renommee besitzen und als Orte gelten, an denen hervorragend gelehrt und hervorragend geforscht wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Von uns aus kann es losgehen.

(Lachen bei der CDU/CSU – Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Nach sechs Jahren wird es auch Zeit!)

Ich frage Sie, meine sehr geehrten Herren und Damen von der CDU – ich sage ganz bewusst: von der CDU –: Wollen Sie den Hochschulen tatsächlich diese Chance rauben, nur weil einige Ihrer Ministerpräsidenten Parteitaktik an die erste Stelle setzen?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Mittel für den Wettbewerb – das will ich hier noch einmal ausdrücklich betonen – werden den Hochschulen zusätzlich zur Verfügung gestellt.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Vorher haben Sie an den Hochschulen gekürzt!)

Das heißt zugleich, dass wir die Breitenförderung der Hochschulen so fortsetzen wie in den vergangenen Jahren und in diesem Jahr. Wir fördern den Hochschulbau weiterhin jährlich mit 925 Millionen Euro. Das ist im Übrigen immer noch deutlich mehr als das, was Sie in den 90er-Jahren in den Hochschulbau investiert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Vor zwei Jahren haben Sie die Mittel aber abgeschmolzen!)

Um es ganz klar zu sagen: Sie haben damals wirklich massiv gekürzt. Wir investieren mehr. Wir werden das auch fortsetzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Insgesamt stehen im kommenden Jahr rund 3,27 Milliarden Euro für den Hochschulbereich zur Verfügung. Das sind 23 Prozent mehr als noch 1998. Ich sage ausdrücklich: Wenn in den Jahren vorher eine vergleichbare Steigerungsrate erreicht worden wäre, wenn alle Länder im gleichen Umfang ihre Investitionen für die Hochschulen erhöht hätten, dann stünden wir deutlich besser da. Die Bundesregierung hat hier ein klares Signal gesetzt und die Hochschulen gestärkt. Aber auch von anderer Seite muss es entsprechende Aktivitäten geben.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ostdeutschland ist uns eine ganze Menge wert. Wir erreichen mit diesen Investitionen auch etwas, wie sich immer wieder zeigt.

   Deutschlands Reichtum sind seine Menschen. Ihre Kompetenz, ihr Wissen und ihr Einsatz sind unser Kapital. Innovation und Fortschritt sind nur mit gut ausgebildeten Menschen möglich. Wir müssen also unser Bildungsniveau insgesamt, in der Breite wie in der Spitze, erhöhen.

   Ich erinnere nur daran, dass der Bund hier in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe entscheidender Fortschritte angestoßen hat. Es ist uns mit diesen Anstößen auch gelungen, ideologische Blockaden zu durchbrechen und zu überwinden, die Kindern und Jugendlichen über viele Jahre Bildungschancen genommen haben. Als Beispiel nenne ich die Ganztagsschulen. Hier haben wir es durch die Initiative der Bundesregierung und mit unserem Schulentwicklungsprogramm, für das wir insgesamt 4 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, geschafft,

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): In Beton übrigens! – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Da ist Beton dann plötzlich gut!)

den Kindern und Jugendlichen endlich auch die Bildungschancen zu eröffnen, die sie so dringend brauchen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist toll, mit welchem Engagement und mit welcher Begeisterung die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern vor Ort diese Chance nutzen.

   Als ein weiteres Beispiel nenne ich die berufliche Bildung. Auch hier ist es uns gelungen, eine ideologische Barriere zu durchbrechen. Der Ausbildungspakt zeigt Wirkung. Mit diesem Ausbildungspakt haben wir in den Kammern, den Unternehmen und Regionen ein ungeheures Engagement ausgelöst. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge deutlich zu erhöhen. Ich weiß, dass wir das Ziel noch nicht erreicht haben. Aber mit dem Engagement, das hier gezeigt wird, wird uns dies gelingen; das scheint mir ganz offensichtlich zu sein.

   An dieser Stelle danke ich den beiden Präsidenten Phillip und Braun ganz ausdrücklich für ihren persönlichen Einsatz. Ich wünsche mir, dass dieses Engagement auch in den kommenden Wochen und Monaten an jedem Ort von allen Abgeordneten, vor allen Dingen aber auch von allen Unternehmen gezeigt wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Meine sehr geehrten Herren und Damen, wir werden in den kommenden Wochen über das Berufsbildungsgesetz noch einmal miteinander diskutieren, weil es ja nicht nur um quantitative Fragen, also um mehr Ausbildungsplätze, sondern auch um Qualität geht. Die Modernisierung der beruflichen Bildung ist auf einem guten Weg. Bereits heute wird jeder zweite Jugendliche in einem modernisierten Beruf ausgebildet. Ich hoffe sehr und wünsche mir, dass wir kreativ und engagiert zusammenarbeiten. Dies ist eine der wichtigen Voraussetzungen dafür, dass das innovative Deutschland von morgen entsteht. Überall dort, wo Menschen dazu bereit sind, wird es auch entstehen. Dafür wünsche ich mir viele Verbündete.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt Kollegin Katherina Reiche von der CDU/CSU-Fraktion.

Katherina Reiche (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Debatte geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Da sind Sie ja falsch am Platze!)

Doch das, was die Ministerin gerade vorgetragen hat, war eine Bilanzfälschung. Zudem strahlte sie bei ihrer Rede den Charme einer Büroklammer aus.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das war aber nicht zukunftsfähig, was Sie gerade gequatscht haben!)

So, wie Sie Ihr Amt verwalten, haben Sie auch Ihre Rede vorgetragen: technokratisch, ohne Herz und Verständnis für Wissenschaft und Forschung

(Lachen bei der SPD)

und vor allem ohne Leitbild. Es wurde nicht deutlich, wo die Wissenschaftsnation Deutschland in zehn oder 15 Jahren stehen soll.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): So ist es!)

Sie können offenkundig nicht mit Begeisterung über Wissenschaft und Forschung sprechen, über die Universität der Zukunft, über Bildung im ganzheitlichen Sinne. Forschung ist für Sie nur dann gut, wenn sie ökonomisiert ist. Freie Forschung um des Erkenntnisgewinns willen scheint Ihnen völlig fremd zu sein.

(Lachen bei der SPD – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sozialdemokraten wollen immer planen können!)

Der Sinn höherer Bildung ist für Sie nicht, was oder wie gelehrt wird; für Sie ist die Hauptsache, dass alle hin können. Duale Ausbildung funktioniert zumeist dann gut, wenn der Staat noch ein bisschen mitmischt, zum Beispiel in Form einer Zwangsabgabe. Den Leertitel haben Sie vorsichtshalber im Haushalt belassen.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Nachtigall, ick hör dir trapsen!)

   Die Gleichheit ist Ihr politisches Ziel. Das tropfte förmlich aus allen Sätzen, die Sie uns hier vorgetragen haben.

   Sie stolpern von Missgriff zu Missgriff:

(Beifall bei der CDU/CSU)

eine misslungene Dienstrechtsreform, eine mangelhafte BAföG-Reform, der verkorkste Versuch, Eliteunis per Dekret zu verordnen, gescheiterte Hochschulrahmenrechtsnovellen. Die Juniorprofessur ist Ihnen, Frau Bulmahn, vom Bundesverfassungsgericht um die Ohren gehauen worden.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Zu Recht!)

Sie haben nicht einen Satz dazu gesagt. Auch das Studiengebührenverbot wird Ihnen um die Ohren fliegen.

(Jörg Tauss (SPD): Warten Sie mal ab!)

   Es kam der Aufruf an die Länder, die Forschungsorganisationen möglichst gleich an den Bund abzutreten und die Leibniz-Institute am besten zu zerschlagen. Sie gängeln die geisteswissenschaftlichen Auslandsinstitute und versuchen, den Ländern Bildungsstandards zu oktroyieren.

(Jörg Tauss (SPD): Was ist das jetzt wieder?)

Frau Bulmahn, ich frage mich, wie weit man eigentlich von der Realität entfernt sein muss, um eine solche Liste von Niederlagen in nicht einmal sechs Jahren zu produzieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin: Um solch eine Rede zu halten, Frau Reiche!)

Ihnen muss eigentlich ganz schwindelig werden.

   Dabei steht uns das Wasser bis zum Hals. Immer mehr innovative Industriebranchen sagen dem Standort Deutschland leise Adieu. Sie verlagern nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Forschung ins Ausland, und zwar keineswegs nur nach Osteuropa, sondern auch in die Schweiz und nach Österreich.

   Sie haben die Innovationsbremse noch fester gezogen, zum Beispiel in der Gentechnik, wo der DFG-Präsident Winnacker mit Blick auf Sie resümierte, das neue Gentechnikgesetz sei enorm forschungsfeindlich.

(Nicolette Kressl (SPD): Wollen wir mal Frau Böhmer fragen!)

– Frau Kressl, wenn Sie ein bisschen aufgepasst hätten, wüssten Sie, dass das Gentechnikgesetz etwas mit der Grünen Gentechnik zu tun hat. Ich kann aber bei Ihnen wahrscheinlich nicht annehmen, dass Sie das durchblicken.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das ist ziemlich arrogant, was Sie da sagen!)

   Nach den Berechnungen des ZEW müssten in Deutschland fünf Jahre lang die Forschungsausgaben um mindestens 5 bis 6 Prozent steigen, um dorthin zu kommen, wo Japan jetzt ist. Bislang gab es eine Steigerung des BMBF-Haushaltes um nominal 2,45 Prozent; real ist es deutlich weniger. Es ist anzunehmen, dass sich das, was wir 2004 erlebt haben, nämlich das Plündern des Forschungshaushaltes für die Rentenkasse, 2005 durchaus wiederholen kann. Vielleicht müssen Sie dann Löcher, die durch Hartz IV entstehen, damit stopfen. Das sind die neuen Wege, von denen Sie reden.

   Das Jahr der Innovation besitzt keine Schubkraft. Es wird geredet, es wird diskutiert, ein Innovationskongress jagt den nächsten. Wo ist aber der Innovationsschub? Wo ist das Wachstum?

(Jörg Tauss (SPD): Wo sind Ihre Vorschläge?)

Sie haben bislang Innovationslyrik produziert. Frau Bulmahn, Sie haben nicht einmal versucht, für einen höheren Haushalt zu kämpfen. Sie bräuchten jährlich mindestens 400 Millionen Euro mehr, um das 3-Prozent-Ziel von Lissabon zu erreichen. Sie haben schlappe 250 Millionen Euro gefordert, mit dem Hinweis, Sie verfolgten eine Politik der kleinen Schritte. In Wahrheit haben Sie so gut wie nichts bekommen.

(Jörg Tauss (SPD): Der Austermann, der will kürzen! Wo ist der Austermann? Den holen wir jetzt mal her!)

   Ihr Haushalt ist das Ergebnis vieler Operationen. Operation Nummer eins ist Trickserei. Sie rechnen uns eine Steigerung von 300 Millionen Euro vor und vergleichen Äpfel mit Birnen. Sie vergleichen nämlich den Haushalt 2004, der um den Rentenbeitrag und andere Dinge gekürzt wurde, mit dem Ziel, was Sie 2005 erreichen wollen. Das ist unseriös.

   Operation Nummer zwei ist Luftbuchung. 63 Millionen Euro des Zuwachses sind bereits von vornherein bis zum Wegfall der Eigenheimzulage gesperrt. Nur ist es so, dass 93 Prozent der Menschen die Eigenheimzulage für ein wichtiges Instrument der Familienförderung und der Altersvorsorge halten. Ihre Beamten rechnen schon hektisch nach, wie die Löcher für den Fall, dass die Operation Eigenheimzulage misslingt, mit neuen Kürzungen gestopft werden können.

(Dr. Uwe Küster (SPD): Man muss jedem auch mal das dritte Eigenheim gönnen! Das muss sein!)

   Operation Nummer drei sind Umbuchungen. 47 Millionen Euro fließen Ihnen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zu, nämlich für die komplette Übernahme des Meister-BAföGs. Das ist aber nicht, wie Sie, Frau Bulmahn, uns das vorrechnen, neues Geld; es ist schlichtweg ein Übertrag. Zufällig sind auf dem Weg vom BMWA zum BMBF auch noch 10 Millionen Euro verloren gegangen. Das ist wahrlich kein Meisterstück.

   Operation Nummer vier sind falsch kalkulierte Ansätze. Ihr Ansatz für das Studenten-BAföG ist nach wie vor zu niedrig. Mir bleibt es zumindest ein Rätsel – ich hoffe, Sie können es lösen –, wie Sie mit weniger Geld immer mehr Studenten fördern wollen. Die Wahrheit ist auch, dass sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland so darstellt, dass immer mehr junge Leute bedürftig werden und BAföG beantragen werden, weil es ihren Eltern schlechter geht. Auch das ist ein Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Ergebnis heißt das aber, dass bei der Projektförderung gekürzt werden muss, weil die Ansätze bedient werden müssen.

   Sie setzen zudem falsche Prioritäten. Sie sparen nicht an der Werbung. Sie sparen nicht an Beraterverträgen. Sie sparen nicht an Programmen, mit denen Sie die Gewerkschaftsklientel bedienen können.

Nein, Sie sparen an Biotechnologie, Sie sparen an der Grünen Gentechnik, Sie sparen am nationalen Raumfahrtprogramm. Sie haben die Rücknahme der Mittel im Hochschulbau nicht ausgeglichen. Sie kürzen zudem an der Forschung an Fachhochschulen, die Sie angeblich für so wichtig halten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Völlig falsche Prioritäten!)

   Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend eine Wende in der Bildungs- und Forschungspolitik. Bildung und Forschung brauchen zunächst Verlässlichkeit und Konstanz. Sie machen seit Jahren das Gegenteil. Zugesagte Mittel können nicht abgerufen werden. Die Forschungsorganisationen können sich nicht auf das verlassen, was ihnen zugesagt wird. Sie erleben haushälterische Achterbahnfahrten. Der Projektförderung geht es ebenso. UMTS brachte durchaus einen kurzzeitigen Segen. Aber danach kam der große Kater. So kann man mit der Forschung nicht umgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach (FDP) – Jörg Tauss (SPD): Stellen Sie mal die Kürzungen vor, die Herr Austermann fordert!)

   Bildung und Wissenschaft brauchen Freiheit. Aber Ihnen erscheint der Wert der Freiheit suspekt. Sie wollen reglementieren. Sie wollen kontrollieren. Sie wollen dekretieren.

(Lachen bei der SPD – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die Wahrheit tut weh!)

Sie misstrauen dem Wettbewerb. Sie misstrauen den Menschen aus Angst vor der Freiheit. Das unterscheidet Ihre Politik ganz deutlich von der unseren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das muss jetzt einmal gesagt werden!)

   Das zeigt sich ganz deutlich an Ihrer Hochschulpolitik. Sie haben den Hochschulen ein zum Teil verfassungswidriges Hochschulrahmenrecht übergestülpt.

(Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Jawohl!)

Die Habilitation sollte mit der Brechstange weg. Die Juniorprofessur sollte sie vollständig ersetzen. Frau Bulmahn, das ist genau das Gegenteil von Freiheit. Die Juniorprofessur ist im Ansatz richtig. Das haben wir nie bestritten.

(Jörg Tauss (SPD): Ach!)

Aber der Starrsinn hat sie ins Desaster geführt, das nicht nur Sie beschädigt hat, sondern vor allem auch diejenigen, die sich darauf verlassen haben, dass das Gesetz verfassungskonform ist. Sie sind die Leidtragenden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Aus ideologischen Gründen die Verfassung gebrochen! Das ist schlimm!)

Frau Bulmahn, das Verfassungsgerichtsurteil vom 27. Juli ist Ihr bildungspolitisches Waterloo. Das Urteil weist den Bund nämlich ganz klar in seine Grenzen. Sie hatten sie trotz aller Warnungen ignoriert.

   Unsere Hochschulen brauchen zudem dringend mehr Geld für mehr Qualität. Doch wer das Verbot von Studiengebühren für eine „kulturelle Errungenschaft“ hält, wie Sie es sagen,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Oh Gott!)

der ist offensichtlich nicht zu einer Antwort auf die Herausforderungen befähigt.

   Frau Bulmahn, auch Ihr Forschungsverständnis ist falsch. Forschung kann man nicht nur auf Missionen orientieren. Forschung ist die Gesamtheit von geisteswissenschaftlicher Forschung, Grundlagenforschung und angewandter Forschung. Ihr Wunsch, Forschung ausschließlich auf den Nutzen auszurichten und nur noch das zu fördern, was nach Ihrer Auffassung schnell Arbeitsplätze schafft, ist verhängnisvoll.

(Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): So ist es! – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr kurzsichtig!)

Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass Basisinnovationen vor allem aus der freien Grundlagenforschung heraus entwickelt wurden.

   Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass es im Kabinett Schröder keine einheitliche Innovationsstrategie gibt, dass Forschung in Gut und Böse eingeteilt wird.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ja!)

Kerntechnik, Fusionsforschung, Grüne Gentechnik und Chemie werden insbesondere von den Grünen erbittert bekämpft.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): So ist es!)

Das Gentechnikgesetz macht Ihren vernünftigen Ansätzen in der Grünen Gentechnik den Garaus.

(Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Im Keim erstickt!)

Frau Bulmahn, Sie konnten sich gegen Frau Künasts ideologischen Feldzug nicht zur Wehr setzen.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Wollte sie ja auch gar nicht!)

Der faktische Ausstieg aus der Grünen Gentechnik, den wir jetzt haben, wird genau so verheerende Folgen wie der Ausstieg aus der Kerntechnik haben. Denn nicht einmal mehr Sicherheitsforschung ist möglich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Bildungs- und Forschungspolitik muss vor allem Orientierung haben und neue Anstöße liefern. Der Grundfehler im Bildungs- und Forschungsministerium liegt neben seiner schlechten Führung vor allem in seiner Struktur. Nach 1998 wanderten die Luftfahrt und die Mittelstandsförderung ins Wirtschaftsministerium. Die Energieforschung wurde aufgeteilt, zerschlagen; große Teile gingen zu Herrn Trittin. Frau Künast ist für die Vorgaben in der Gentechnik zuständig. Sie haben diesen Aderlass klag- und widerspruchslos hingenommen. Das rächt sich.

   Wir brauchen ein strategisches Innovationsministerium, das alle Forschungsaktivitäten bündelt. Sie haben ein Schulministerium daraus gemacht und wundern sich, dass aus den Innovationen nichts wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Völlig falsche Prioritäten!)

   Bei den vor uns liegenden Haushaltsberatungen werden wir auf Korrekturen drängen. Wir werden Ihnen konkrete Vorschläge für Änderungen im Haushalt machen.

(Klaus Barthel (Starnberg) (SPD): Bis jetzt haben wir keine gehört!)

Bei Beraterverträgen, bei Werbung und bei Steinkohle kann gespart werden. Wir bieten Ihnen an, tatsächlich 300 Millionen Euro mehr für Bildung und Forschung in den Haushalt einzustellen. Wir wollen Ihnen auf die Sprünge helfen, damit das Jahr der Innovationen wenigstens irgendwie seinen Namen verdient.

Ich fordere Sie im Interesse des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes Deutschland auf: Nehmen Sie unser Angebot an!

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Da wurdet ihr ja richtig abgewatscht! Das war auch dringend notwendig!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Josef Fell vom Bündnis 90/Die Grünen.

Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums für das Jahr 2005 liegt um 202 Millionen Euro, das heißt um 2,45 Prozent, über dem für das Jahr 2004.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist nicht überragend, aber gut. Wie als Teil der Agenda 2010 versprochen, werden die institutionellen Forschungsmittel um 3 Prozent erhöht. Das ist ein starkes Signal von Rot-Grün, dass Bildung und Forschung auch weiterhin gestärkt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Auch die Projektforschungsmittel steigen um 61 Millionen Euro. Das ist ein Plus von fast 2,8 Prozent. Leichte Zuwächse gibt es bei der Nanotechnologie, der Mikrosystemtechnik und der Gesundheitsforschung. Allerdings – das will ich zugestehen – sehen wir bei den Projektforschungsmitteln insgesamt eine zu große Enge.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie bereiten uns tatsächlich Sorge. So bedauern wir Grüne die im Regierungsentwurf vorgenommenen Kürzungen bei der Bauforschung sehr. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Mobilitäts- und Bauforschung unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit weiterhin gefördert wird.

   Meine Damen und Herren von der Union, Sie fordern mehr Geld für die Forschung.

(Jörg Tauss (SPD): Nein, Kürzungen fordern sie! Herr Austermann und Herr Stoiber! – Gegenrufe von der CDU/CSU: Unwahrheit! – Herr Tauss, das ist doch Quatsch! – Erst zuhören, dann quatschen!)

– Darauf komme ich noch zu sprechen. – Dann schauen wir uns doch jetzt einmal die von Ihnen hinterlassen Altlasten an. Anstatt Geld in die Hybridtechnologie zur Entwicklung sparsamer Autos zu investieren, müssen wir es in den Abriss von alten Atomreaktoren und in die Lagerung des gefährlichen Atommülls stecken.

(Ulrike Flach (FDP): Oh nein, Herr Fell!)

Wegen der von Ihnen, von Union und FDP, betriebenen falschen Energiepolitik und der falschen Verpflichtungen, die Sie eingegangen sind, müssen die entsprechenden Ausgaben in diesem Haushalt von 80 auf 160 Millionen Euro ansteigen.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

   Noch einmal: In diesem Haushalt werden 160 Millionen Euro für Vergangenheitsbewältigung aus dem Fenster geworfen. Die Staaten, die sich den Irrweg der Atomforschung erspart haben, können ihr Geld nun in Nanotechnologie, Hybridtechnologie und erneuerbare Energien investieren, während wir für den Abriss von Forschungsreaktoren zahlen,

(Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Das sind doch Ammenmärchen! Lachhaft!)

und dies aus Steuergeldern statt aus den satten Gewinnen der Atomkonzerne. Das war eine grandiose Fehlleistung der Regierung Kohl.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Nun zu einem anderen großen Thema: der dramatischen Entwicklung auf dem Weltrohölmarkt. Dieses Jahr wird der globale Nachfragezuwachs höher ausfallen als der Verbrauch in Deutschland. Gleichzeitig geht die Ölproduktion in der Nordsee zurück und Indonesien wandelt sich vom Erdölexporteur zum importland. Die Weltwirtschaft läuft auf eine dramatische Situation zu, die weitaus schlimmer sein dürfte als die der vergangenen Ölkrisen von 1973 und 1980. Währungs- und inflationsbereinigt stand der Ölpreis 1980 bei 101 US-Dollar. Da wir den Chinesen aber nicht das Autofahren verbieten können, müssen wir uns bald auf noch deutlich höhere Rohölpreise einstellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hätten Sie wohl gerne, was?)

Unsere Devise, auch für die Forschung, kann daher nur heißen: weg vom Öl!

   Deswegen werden wir im Haushalt von Renate Künast

(Zuruf von der CDU/CSU: Ich denke, wir reden hier über Forschung!)

für die Forschung und Markteinführung in den Bereichen Bioenergie und Biochemie mehr Geld ausgeben und im Haushalt von Jürgen Trittin werden wir für Solarenergie, Windenergie und Erdwärme mehr Geld ausgeben. Rot-Grün unternimmt ernste Anstrengungen hinsichtlich Forschung und Entwicklung also nicht nur im Einzelplan 30, sondern im gesamten Bundeshaushalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Wollen Sie die Subventionen noch weiter erhöhen?)

   Wenn Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, jetzt einwenden, das alles sei zu wenig, dann sollten Sie sich klar machen, dass Sie gar keinen Aufwuchs, sondern eine reale Senkung fordern, wenn die Eigenheimzulage für Sie zukunftsweisender als die Forschungsförderung ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich fordere Sie von der Union auf, uns im Bundesrat endlich zuzustimmen, damit die Mittel für die Eigenheimzulage zugunsten von Bildung und Forschung umgeschichtet werden können.

(Cornelia Pieper (FDP): Und was ist mit der Steinkohle?)

Ganz nebenbei bemerkt: Durch eine pauschale fünfprozentige Kürzung des Bundeshaushalts, wie sie Ministerpräsident Stoiber vorschlägt, würden die Mittel für Bildung und Forschung um 423 Millionen Euro verringert. Da bliebe nichts mehr für all die Wünsche übrig, die Sie geäußert haben, zum Beispiel für Investitionen in Forschungseinrichtungen, Nanotechnologie oder Bildung. Wir landeten im wahrsten Sinne des Wortes wieder im letzten Jahrtausend, in dem Sie während der Ära Kohl laufend die Forschungsausgaben senkten.

(Jörg Tauss (SPD): Das ist richtig!)

   Wir investieren aber nicht nur in Forschung, nein, auch in Köpfe. So haben wir das BAföG für Studierende und Schülerinnen und Schüler weiter gesteigert. Auch die Förderung derjenigen, die sich im Beruf weiterbilden, unterstützen wir durch die Steigerung des Meister-BAföGs. Nicht zu vergessen, es läuft so ganz im Hintergrund auch noch das Ganztagsschulprogramm der Koalition. Binnen vier Jahren fließen 4 Milliarden Euro in die Bundesländer, um Ganztagsschulen aufzubauen, die Sie immer bekämpft haben.

   Ich muss Ihnen da, meine werten Kolleginnen und Kollegen vor allem von der CSU, eine Geschichte über ein Gymnasium in Münnerstadt in Unterfranken erzählen, wo ich selbst einstmals unterrichtete.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Gut, dass Sie nicht mehr dort sind!)

Dieses Gymnasium wurde mit Mitteln aus dem Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ zur Ganztagsschule ausgebaut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Edmund Stoiber wird demnächst zur feierlichen Eröffnung anreisen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die bayerische Debatte über das Ganztagsschulprogramm. Frau Hohlmeier und Herr Stoiber schimpften gemeinsam, dass die Eltern doch selbst entscheiden sollten, wie ihre Kinder nachmittags betreut würden. Sie meinten damit, die CSU will keine Ganztagsschulen.

   Aber erst jetzt, da dank der Anschubmittel dieser Bundesregierung auch in Bayern das Ganztagsschulangebot gestiegen ist, haben die Eltern und Kinder diese Wahl. Ich finde es wunderbar, dass sich Herr Stoiber jetzt freut, dass seine Enkelkinder bald in solch schöne Schulen gehen können. Ich hoffe nur, dass er bei der Einweihungsfeier in Münnerstadt auch sagt, dass Rot-Grün dieses Ganztagsschulprogramm durchgesetzt hat – gegen seinen Willen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Nennen Sie einmal den Betrag!)

   Werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie haben sich Anfang des Jahres auch furchtbar dagegen gewehrt, dass die deutschen Hochschulen in einen Wettbewerb eintreten sollten, der ihnen dringend benötigte zusätzliche Mittel bringen kann. Glücklicherweise haben sich Ihre Fachministerinnen und Fachminister aus den Ländern nicht abhalten lassen, dies mitzutragen. Im Frühsommer stand ein Konzept, das vier wichtige Elemente vereint: zur Nachwuchsförderung einen Wettbewerb, in dem circa 40 Graduiertenschulen ausgeschrieben werden; zur Forschungsförderung einen Wettbewerb um die Förderung von 30 Exzellenzclustern, in denen Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Unternehmen kooperieren; zur Signalwirkung nach innen und außen einen Wettbewerb der Spitzenuniversitäten; als vierter Punkt die Exzellenzförderung in der Lehre durch die Länder.

   Dieses Konzept schien Anfang Juni zu stehen, Anfang Juli wurde es dann aber nicht beschlossen. Jetzt wird es frühestens Anfang November beschlossen – vier Monate, in denen nicht nur die Hochschulen nicht wissen, ob sich diese große Entwicklungschance wirklich für sie auftun wird. Nein, auch die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, um die Sie sich, werte Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, doch immer so lautstark sorgen, fragen sich ratlos, ob ihre Zukunft in Deutschland liegt oder doch anderswo in Europa oder in den USA. Die notwendige Reform des Föderalismus ist gut und schön, aber hier trifft sie möglicherweise die Falschen. Hören Sie auf zu blockieren! Machen Sie mit bei den notwendigen Reformen wie bei der Juniorprofessur, damit auch die Jungen eine Chance in der Wissenschaft bekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulrike Flach von der FDP-Fraktion.

Ulrike Flach (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Fell, es ist schon bemerkenswert, wie Sie uns nach dem Ausstieg aus der Kernenergie, bei dem Sie ja einen Kapitalvernichtungsakt sondergleichen durchgezogen haben,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

uns jetzt vorwerfen, dass wir Ihren Haushalt belasten.

(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe nur über Forschungsreaktoren gesprochen!)

So etwas geradezu Bizarres habe ich mein Lebtag noch nicht gehört.

(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat nichts mit dem Kernenergieausstieg zu tun!)

Aber wir sind ja heute zum Haushaltsentwurf 2005 hier und sollen darüber diskutieren, Frau Bulmahn. Sie haben uns eben erzählt, dass der Haushalt um 3,6 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro steigt. Wie immer haben Sie in diesem Zusammenhang natürlich die Mittel für die Ganztagsschulen und auch die BAföG-Mittel, die ja eigentlich nicht zu Ihrem Haushalt gehören, sondern aus anderen Haushalten kommen, dazugezählt. Darüber wollen wir schon gar kein Wort mehr verlieren.

   Aber Sie haben auch etwas anderes getan: Sie haben hier mit Zahlen hantiert und versucht, den großen Popanz der Eigenheimzulage wieder hochzuziehen,

(Jörg Tauss (SPD): Popanz?)

hinter dem Sie sich ein bisschen verstecken, um in Zukunft, in den nächsten Monaten, den Gegner auf der anderen Seite entsprechend beschimpfen zu können. Ich muss Ihnen sagen: Sie arbeiten hier mit Zahlen, die alles andere als seriös sind.

   Sie haben die berühmte Eigenheimzulage, über alle Haushaltsetats verteilt, mit rund 150 Millionen Euro angesetzt. Es sind aber nur exakt 95 Millionen Euro. Das heißt, erstens hantieren Sie hier mit einer Eigenheimzulage, die es in dieser Höhe nie geben wird, weil die CDU/CSU nicht zustimmen wird, und zweitens arbeiten Sie mit Zahlen, die vorne und hinten nicht stimmen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss (SPD): Hochinteressant! Das ist Innovation! Das ist Klasse!)

   – Herr Tauss, Sie haben Frau Reiche vorhin doch gehört.

   Ohne diese Mittel ergibt sich im Endeffekt nur eine minimale Steigerung des Haushalts. Wenn wir die Unwägbarkeiten des BAföGs und die globale Minderausgabe von 145 Millionen Euro, die Sie schließlich erwirtschaften müssen, hinzuziehen, dann gibt es im nächsten Jahr real nicht mehr Geld für diesen Haushalt.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): So ist es!)

Frau Bulmahn, das Ganze ist heiße Luft. Sie bauen auf Sand. Das Schlimmste für uns Liberale ist, dass Sie dabei die großen Linien Ihrer Politik verloren haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hat sie nie gehabt!)

   Sehen Sie sich doch die einzelnen Haushaltsposten an! Dieser Haushalt hat keinen Schwerpunkt,

(Jörg Tauss (SPD): Was?)

keine erkennbare Richtung und vor allem keine große Vision.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Viele Löcher! – Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Sehr viele Löcher! Wie ein Schweizer Käse!)

Sie setzen Ihre Taktik fort, dort zu erhöhen, wo Sie in den letzten Jahren gekürzt haben. Sie erhöhen jetzt bei der Mikrosystemtechnik, bei der Softwaretechnik und bei der Nanoelektronik. Frau Bulmahn, das sind Pflästerchen auf die Wunden des letzten Jahres.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss (SPD): Falsch!)

Dafür werden andere Positionen, wie zum Beispiel Verkehr und Mobilität – das finde ich sehr erstaunlich – und das System Erde, gekürzt. Herr Fell, ich weiß gar nicht, wie Sie damit leben können.

   Sie verhalten sich wie eine Gärtnerin, die ein großes Feld voller Unkraut liebevoll begießt, aber nun wirklich nicht weiß, wo sie etwas Neues anpflanzen soll. So gießen Sie überall mit Ihrer 3-Prozent-Gießkanne, wobei ich es schon ganz witzig finde, dass Sie die 3 Prozent überall durchhalten, ohne, wie die internationale Konkurrenz, große, milliardenschwere Schlüsseltechnologiezentren hochzuziehen. Frau Bulmahn, Sie kleckern auf mittlerem Niveau.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die FDP-Fraktion sage ich, dass das besser ist, als Kürzungen vorzunehmen; das erkennen wir auch an. Das ist aber eben nicht der große Wurf, auf den wir in diesen Zeiten alle warten.

   Was ist der Grund dafür? Aus unserer Sicht liegt der Grund dafür viel tiefer als nur bei Hans Eichel und seinen Sparverpflichtungen. Sie haben sich nämlich im Gewirr der föderalen Zuständigkeiten und der koalitionsinternen Ansprüche verfangen.

(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Grund liegt bei der Union und beim Bundesrat!)

Ihre Visionen sind an den Betonmauern der Länder und nicht zuletzt an denen Ihres grünen Koalitionspartners zerplatzt.

(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin (FDP))

Sie sind praktisch mit allen Reformvorhaben der letzten Zeit gescheitert bzw. ins Stocken geraten oder Sie haben sich ganz einfach nicht durchsetzen können

   Frau Reiche hat vorhin schon darauf verwiesen: Das Bundesverfassungsgericht hat Ihre 5. HRG-Novelle gekippt und das aus unserer Sicht richtige Juniorprofessorenprogramm für verfassungswidrig erklärt.

(Jörg Tauss (SPD): Von wem kommt das denn?)

Frau Bulmahn, Sie haben das größte Projekt Ihrer Hochschulpolitik sehenden Auges glatt gegen die Wand gefahren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich erinnere mich: Wir alle haben hier gestanden und Sie vor diesen Risiken gewarnt. Sie sind ohne Rücksicht auf Verluste durchgefahren. Am Schlimmsten finde ich es, dass Sie dies ohne Rücksicht auf diejenigen getan haben, die an den Hochschulen lehren und arbeiten müssen. Für diese Leute gibt es jetzt einen rechtsfreien Raum.

(Jörg Tauss (SPD): Dank der CDU/CSU!)

Das wird dazu führen, dass sich manche von ihnen einklagen werden.

   Gehen Sie jetzt einmal an die Hochschulen! Gehen Sie zum Beispiel an eine Hochschule im Ruhrgebiet wie die in Bochum! Dort sind 200 Leute betroffen. Diese Hochschule hat einen verzweifelten Kanzler und einen verzweifelten Rektor, die nicht wissen, wie es weitergeht. Das ist das Produkt Ihrer größten Aktion in dieser Legislaturperiode.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Nein, von denen da drüben!)

   Das Schauspiel wird sich im Herbst aufgrund des Verbots von Studiengebühren grausam wiederholen, in diesem Falle aber mehr für Sie als für die Hochschulen. Die Folgen Ihrer Blindflugaktionen sind Verunsicherung und Irritationen in der deutschen Hochschullandschaft.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Mit dem Programm zur Förderung von Spitzenforschung an Hochschulen sind Sie genauso stecken geblieben. Ich halte Ihr Vorgehen einfach für einen schlichten taktischen Fehler. Man geht einfach nicht auf eine Pressekonferenz und erzählt, dass es seine Aktion gewesen ist, wenn man vorher mit anderen Leuten darüber verhandelt hat. Das kann nicht gut gehen. Auch die Politiker in den Ländern haben ihre Eitelkeiten. Das müssen auch wir Bundespolitiker manchmal erkennen.

(Jörg Tauss (SPD): Ach, Eitelkeiten sind hier im Spiel! Das ist eine gute Erklärung!)

Herr Tauss, auch das ist doch ein Grund dafür, weshalb wir eine seriöse Politik machen müssen.

   Erst wollen Sie Spitzenhochschulen einrichten, dann werden die Leute vorgeführt und am Ende liegt alles auf Eis. Im Herbst kommen wir mit viel Glück vielleicht so weit, endlich Spitzenhochschulen zu installieren, die wir schließlich alle wollen. Es gibt doch hier im Raum keinen, der sie nicht haben will.

(Birgit Homburger (FDP): Doch, der Herr Tauss!)

   Ähnliches kann man auch über Ihren Pakt für die Hochschulen sagen; davon habe ich schon lange nichts mehr gehört. Kurzum: Sie haben sich im Klein-Klein des Föderalismus verfangen, statt sich auf das zu konzentrieren, Frau Bulmahn, was Sie wirklich können – das will ich Ihnen gar nicht absprechen – und auch dürfen, nämlich auf das große innovative Feld der Forschung, auf die Struktur und auf Verbesserungen der Forschung in diesem Land. Schauen Sie sich doch die Bio- und Nanotechnologie an! Nach wie vor fehlt eine konsequente Strategie.

   Dazu will ich niemanden aus unseren Reihen zitieren. Ihr eigener Kanzlerberater, Herr Professor Wahlster – er ist nicht ganz unbekannt –, aus dem Saarland

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Aus dem gut regierten Saarland!)

erklärt dazu in der „Wirtschaftswoche“:

Dieses Gießkannenprinzip ist Verschwendung. Es bringt nichts, in jedem Bundesland ein Bio- und ein Nanotechnologiezentrum zu etablieren.
(Jörg Tauss (SPD): Wer macht denn das?)
Bei einem neuen Innovationsfeld müssen die Mittel nach einem Wettbewerb auf zwei, drei Zentren, die absolute Spitze sind, konzentriert werden.
(Ute Berg (SPD): Sie sind unter Ihrem Niveau!)

   Frau Bulmahn, Ihr eigener Berater erkennt sehr klar, dass Sie am Föderalismus und am Kirchturmsdenken scheitern und offensichtlich nicht in der Lage sind, das zu tun, was in allen Ländern der Welt umgesetzt wird, nämlich Konzentration auf das Wichtigste in der Forschungslandschaft. Sie zersplittern sich und kleckern statt zu klotzen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Lassen Sie mich noch zu einigen anderen Themen Stellung nehmen. Nicht nur bei der Forschung sind wir nicht dort, wo wir eigentlich sein müssten. Sie sind bei den Bildungsstandards ausgebremst worden. Sie haben uns eben erzählt, Sie würden im Hochschulbau Gewaltiges leisten. Frau Bulmahn, noch immer steht in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung, dass Sie die Mittel hierfür auf 750 Millionen Euro senken wollen. Dazu habe ich von Ihnen nichts Gegenteiliges gehört. Dazu müssen Sie sich äußern.

(Beifall bei der FDP)

   Lassen Sie mich also zusammenfassen: Ihr Haushalt steht auf tönernen Füßen. Ihre Mittelverteilung lässt keine Vision erkennen. Ihre Reformvorhaben stagnieren, sind blockiert oder kränkeln.

   Obwohl Sie es nicht mehr hören können, Frau Bulmahn, will ich von Ihnen endlich einen Wissenschaftstarifvertrag. Ich will die wettbewerbliche Orientierung der Forschungsförderung. Ich will eine Patentverwertung, die wirklich funktioniert. Ich will die Umsetzung der Biopatentrichtlinie. Sie können sicher sein, dass daran, ob wir das schaffen, unser Forschungsstandort gemessen wird. Sie aber schaffen es nicht.

(Beifall bei der FDP – Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Dafür brauchen wir eine neue Bundesregierung!)

   Frau Bulmahn, Sie kämpfen sehr oft einsam und zu leise. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich der Kollegin Reiche anschließen, die gefragt hat: Wo war denn die Forschungsministerin, als es um das Gentechnikgesetz ging? Wo waren Sie denn, als die Wissenschaftler in Deutschland – noch vor wenigen Tagen – erklärt haben, dieser Forschungsstandort ist dank Herrn Fell und seinen Kollegen tot? Forschung in der grünen Gentechnik wird nicht mehr stattfinden.

   Wo waren Sie denn, als Herr Clement gestern an dieser Stelle erklärt hat, er wolle die Stammzellforschung wieder aktivieren? So etwas erwarte ich nicht vom Wirtschaftsminister, sondern von Ihnen, Frau Bulmahn.

(Beifall bei der FDP – Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Da erwarten Sie zu viel!)

Wir befinden uns inzwischen in der Situation, dass jeder zweite Stammzellforscher dieses Land zu verlassen beabsichtigt. Ein Forscher in Köln hat gesagt: Ich will gerne weiterforschen, aber die Gesetzgebung hindert mich daran.

(Jörg Tauss (SPD): Frau Böhmer, übernehmen Sie mal!)

   Diese Beispielliste ließe sich unbegrenzt fortsetzen, Frau Bulmahn. Bei Ihnen läuft es immer folgendermaßen ab: ein großer medialer Auftakt, gefolgt von Unentschlossenheit und Blockade aus den eigenen Reihen. Auf diese Weise kommen wir einfach nicht weiter und wissen nicht mehr, wie es vorwärts gehen soll. Gleichzeitig leben wir in einer Welt – mehrere Kollegen waren mit mir vor einigen Wochen in China – mit Regionen, in denen es steil nach oben geht. Schauen Sie sich zum Beispiel in Singapur das Stammzellzentrum an! Schauen Sie sich die Technologiezentren in den chinesischen Vorstädten an! Diese 40 riesigen Technologiezentren sind so groß wie bei uns ganze Städte. Das ist unsere Konkurrenz, Frau Bulmahn, nicht der Kleckerkram, den Sie uns hier vorgetragen haben.

In diesem Zusammenhang – daran setzen wir als Liberale an; das möchte ich betonen – kann man nicht nur von diesem Haushalt sprechen. Wenn wir von Innovationspolitik reden, müssen wir die Politik aller Ressorts im Blick haben. Frau Bulmahn, wir haben uns sehr kritisch Ihre Kollegen angeschaut. Was sehen wir da? Große Ankündigungen von Ihrer Seite, gleichzeitig verzeichnet die Leibniz-Gemeinschaft bei den Mitteln vom Bundeskanzleramt, vom Außenminister und von Frau Künast ein Minus von über 1 Million Euro.

   Der DAAD, die Nachwuchswissenschaftlerförderung, die Beziehungen zwischen deutschen und ausländischen Wissenschaftlern und die Goethe-Institute haben ein Minus von 5 Millionen Euro bei den Geldern aus dem Hause von Herrn Fischer zu verkraften. Frau Künast hat offensichtlich völlig die Lust an der Forschung verloren. Sie spart bei Forschungsinstituten 12 Millionen Euro. Herr Clement, der Oberinnovator, haut der Mittelstandsforschung die Beine weg. Dort gibt es ein Minus von 47 Millionen Euro.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Hört! Hört!)

Das Ganze wird von Herrn Struck gekrönt, der in Zeiten höchster Unsicherheit und Befürchtungen in der Bevölkerung 50 Millionen Euro im Forschungshaushalt spart. Erstaunlich!

   Das ist keine Innovationspolitik. Das ist nicht das Jahr der Innovation. Das ist ein Gekleckere, wie wir es seit vielen Jahren haben. Sie, Frau Bulmahn, spielen dabei leider nicht die tragende Rolle, die wir uns gewünscht hätten. Ihre Rolle ist in den letzten Monaten zunehmend tragisch geworden. An uns soll es nicht liegen. Wir würden Ihnen, Frau Bulmahn, gerne helfen und wir werden uns bei den Haushaltsberatungen weiter darauf konzentrieren. Ich befürchte allerdings das Schlimmste, nämlich dass wir bis zum Jahr 2006 keine Wende erleben werden.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat die Kollegin Andrea Wicklein von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andrea Wicklein (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Reiche,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das war eine gute Rede von Frau Reiche!)

ich muss mich zu Ihrem Ton und der Art und Weise Ihres Vortrages äußern.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Keinen oberlehrerhaften Einstieg!)

Ich wurde durch Ihren Tonfall ein bisschen an die DDR-Fahnenappelle erinnert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Eine Herabwürdigung! Das ist kein guter Stil! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Vielleicht sprechen Sie zur Sache!)

Dieser Ton in diesem Haus bringt uns und Deutschland nicht weiter. Dieses Schlechtreden ist destruktiv.

(Cornelia Pieper (FDP): Sie können keine Kritik vertragen!)

Wir sollten gemeinsam handeln, um die Probleme im Land zu lösen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten notwendige und gewiss auch schwierige Reformen der sozialen Sicherungssysteme und des Arbeitsmarktes auf den Weg gebracht. Doch auch beim Ausbau von Wissenschaft und Forschung werden wichtige Weichen gestellt, die über die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur und des Arbeitsmarktes mit entscheiden werden. Verstärkt in Bildung, Wissenschaft und Forschung zu investieren ist die andere Seite der Agenda 2010. Damit bestimmen wir die Zukunft unseres Landes.

   Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik gehören zusammen. Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands wird zukünftig nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich auf leistungsfähige Hochschulen und Forschungsinstitute stützt und auf Innovationen setzt.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist nicht falsch!)

Gerade in Ostdeutschland haben Wissenschaftseinrichtungen einen entscheidenden Anteil an der Infrastruktur und auch am Wirtschaftsaufbau, wie man es zum Beispiel in Sachsen, aber auch in den Regionen Berlin und Brandenburg sehen kann. Sie sind und bleiben aus meiner Sicht ein wichtiges oder vielleicht sogar das wichtigste Instrument, um Strukturdefizite in Ostdeutschland auszugleichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch ohne Bildung keine Forschung. Deshalb müssen wir verstärkt in die Köpfe der Menschen investieren. Dabei sind vor allem die Länder gefragt, aber auch die Unternehmen; denn zum Weg in die moderne Wissensgesellschaft gibt es für unser Land keine Alternative. Das findet seinen Ausdruck auch im Haushalt für Bildung und Forschung. Trotz der außerordentlich schwierigen Haushaltssituation haben wir den Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung nochmals um 202 Millionen Euro aufgestockt. Hinzu kommen noch BAföG mit etwa 445 Millionen Euro sowie das Ganztagsschulprogramm mit 1 Milliarde Euro.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Steht doch gar nicht so drin!)

   Natürlich sind noch enorme Kraftanstrengungen erforderlich, damit wir das ehrgeizige Ziel erreichen, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Früher hieß es verdoppeln! Daran glaubt doch keiner mehr!)

10 Milliarden Euro mehr als bisher müssten Staat und Wirtschaft für Forschung und Entwicklung aufbringen. Lassen Sie uns gemeinsam an diesem wichtigen Ziel arbeiten!

Für uns ist der Weg klar abgesteckt.

   Leider sehe ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, weit davon entfernt und das will ich an einigen Beispielen deutlich machen:

   Mein erstes Beispiel ist Ihr Existenzgrundlagengesetz. Darin schlagen Sie die Förderung und die Einführung eines Niedriglohnsektors vor und wollen – ich zitiere – „Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor nach Deutschland zurückholen“. Unabhängig davon, dass diese Pläne schlichtweg wirtschafts- und sozialpolitischer Unfug sind,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Was Sie sagen, ist Unfug!)

unabhängig davon, dass Sie damit ein Lohnsenkungsprogramm für ganz Deutschland anstreben, haben Sie auf jeden Fall eines nicht verstanden und das sollten die Menschen in unserem Land wissen: Unser Land wird im weltweiten Wettbewerb nicht als Niedriglohnland bestehen können,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Aha!),

sondern nur als Standort für Wissenschaft, Forschung und innovative Technologien.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Frau Kollegin, das ist die falsche Rede! Die Wirtschaftsdebatte war gestern!)

Unser Plus sind die Ideen und die kreativen Köpfe.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Und die Spritzigkeit! – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Gleich spricht sie von Dynamik!)

Wir brauchen ein Klima, in dem Ideen befördert werden und die Experimentierfreude des Einzelnen von Kindheit an unterstützt wird. Daran müssen wir arbeiten und darin werden wir investieren.

   Ich muss in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Sparpläne von Edmund Stoiber zurückkommen, der die Ausgaben im Bundeshaushalt durchweg um 5 Prozent kürzen will. Ich frage Sie, ob Sie zu den Folgen dieser Vorschläge stehen, gerade im Bereich von Bildung und Forschung? Ich habe Ihre Rotstiftpolitik auf diesen Haushalt umgerechnet: Über 420 Millionen Euro Einsparungen bedeuten 20 Prozent weniger für Hochschulen, Wissenschaft und Ausbildungsförderung. Wie wollen Sie das den Studierenden und den Wissenschaftlern erklären? Wollen Sie künftig nicht nur die Studiengebühren erheben, sondern bei den bedürftigen Studierenden auch noch das BAföG kürzen? Sagen Sie den Menschen in unserem Land, was diese Kürzungsvorschläge konkret bedeuten würden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss (SPD): Ja, das wäre ehrlich!)

Wir brauchen das Gegenteil. Wir brauchen Investitionen in diesen Bereichen.

   Dass notweniges Sparen nicht zulasten von Bildung und Forschung gehen muss, haben wir mit unseren Vorschlägen im Haushaltssicherungsgesetz und im Steuervergünstigungsabbaugesetz bewiesen. Wenn Sie diese Gesetze im Bundesrat nicht blockiert hätten, wäre ein Sparvolumen von 17,5 Milliarden Euro zusammengekommen; so waren mit der Union nur 2,5 Milliarden Euro möglich.

   Damit bin ich schon bei meinem dritten Beispiel, der Eigenheimzulage. Es ist paradox, dass wir sowohl den Bau von neuem Wohnraum als auch den Rückbau von zu viel Wohnraum fördern. Wir müssen uns doch ernsthaft die Frage stellen: Ist es nicht sinnvoller, in Bildung und Innovation zu investieren als in Beton?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben diese Frage ganz klar mit Ja beantwortet. Wir wollen allein im Jahr 2005 63 Millionen Euro aus der Eigenheimzulage für dringend erforderliche Investitionen bei Bildung und Forschung verwenden.

(Cornelia Pieper (FDP): Was ist denn mit den Steinkohlesubventionen, Frau Kollegin?)

Doch dazu brauchen wir die Zustimmung der Union. Ich fordere Sie an dieser Stelle auf: Lenken Sie ein! Unterstützen Sie die Investitionen und Innovationen, die Arbeitsplätze für unser Land schaffen!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das sind doch alles Luftbuchungen, was Sie hier vortragen!)

   Liegt unsere Zukunft nicht eher in der engen Kooperation zwischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, wo neue und innovative Verfahren, Produkte und Dienstleistungen entwickelt und umgesetzt werden? Auch im nächsten Jahr werden wir mit 90 Millionen Euro diese regionalen Netzwerke fördern. Das sind die Keimzellen für Unternehmensansiedlungen und Unternehmensgründungen.

(Jörg Tauss (SPD): Das ist die Vision! Das ist der Schwerpunkt!)

Jedes Jahr machen sich allein aus den Fraunhofer-Instituten mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbstständig. Wir Politikerinnen und Politiker haben die Aufgabe und die Verantwortung, dafür entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erst kürzlich war ich im Wissenschaftspark Golm in Potsdam, nur zehn Minuten von Sanssouci entfernt. Mit der Universität Potsdam, den Max-Planck- und den Fraunhofer-Instituten entwickelt sich dort einer der modernsten Wissenschafts- und Forschungsstandorte der Region. Golm steht heute für Studieren und Forschen sowie zukünftig auch für Gründen. Der Spatenstich für ein neues Technologiezentrum ist vor einigen Tagen erfolgt.

   Diese Beispiele zeigen: Nicht 5-prozentige Kürzungen – so der Vorschlag aus Bayern – oder das sture Festhalten an der Eigenheimzulage, sondern die aktive Unterstützung von wissenschaftlichen Netzwerken schafft Arbeitsplätze und damit Perspektiven.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür lohnt es sich, Starthilfe zu geben. Die Initiative „Unternehmen Region“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung verfolgt genau dieses Ziel und unterstützt damit insbesondere die Entwicklung in Ostdeutschland.

   Lassen Sie mich noch ein Beispiel nennen. Derzeit steht im Rahmen der Debatte über eine Föderalismusreform auch die Mischfinanzierung von Bund und Ländern auf der Tagesordnung.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Davon verstehen Sie im Zweifel nicht sehr viel!)

Wir, die Bildungs- und Forschungspolitiker der SPD, halten an der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern bei der Finanzierung der Forschung und des Hochschulbaus fest. Wir sagen Nein zur Kleinstaaterei im Hochschulwesen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alle Bundesländer, auch die unionsgeführten, müssten ein vitales Interesse daran haben, dass wir bundesweit international wettbewerbsfähige Bedingungen an unseren Hochschulen haben. Wir brauchen auch zukünftig für die Hochschulen eine Mitverantwortung des Bundes.

   Wie schon im vergangenen Jahr werden wir auch 2005 insgesamt 925 Millionen Euro allein für den Hochschulbau zur Verfügung stellen.

(Ulrike Flach (FDP): Warum sparen Sie denn eigentlich bei Leibniz? – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ist Leibniz keine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern?)

Wenn es darum geht, diesen Bereich in die Hände der Bundesländer zu geben, dann sollte auch auf die Folgen für die finanzschwachen Bundesländer hingewiesen werden, für die die Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“ unverzichtbar ist.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Jetzt watscht sie den Vorschlag von Frau Bulmahn ab!)

Es ist doch klar:

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nein, offensichtlich nicht!)

Die Forderung – überwiegend aus der Union – nach Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben und der Mitwirkung des Bundes im Hochschulwesen schadet vor allem den strukturschwachen Ländern und damit dem Osten.

Wissenschaft und Forschung sind in wesentlichen Teilen nationale Aufgaben und kein Spielfeld für Kirchturmspolitik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt vor allem für die Integrationsaufgaben nach 1990.

   Mit dem Haushalt 2005 setzen wir auf verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Wie von Gerhard Schröder zugesagt, erhalten die Forschungsorganisationen 3 Prozent bzw. fast 100 Millionen Euro mehr.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Herr Präsident, Sie sprechen uns aus dem Herzen!)

Andrea Wicklein (SPD):

Dies bedeutet eine enorme finanzielle Kraftanstrengung.

   An die Adresse der Union richte ich abschließend noch einmal den Appell: Blockieren Sie nicht länger die Abschaffung der Eigenheimzulage! Investieren Sie lieber in Ideen statt in Beton und Niedriglöhne! Fordern Sie keinen Ausstieg aus der bundesstaatlichen Solidarität, der ausschließlich auf Kosten der finanzschwachen Länder geht!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus-Peter Willsch von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU):

Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wicklein, es ist schwer zu ertragen, wie Sie hier mit tränenerstickter Stimme vortragen,

(Zuruf der Abg. Nicolette Kressl (SPD))

wie schlimm es sei, dass wir deutlich machten, wie es in diesem Lande sei. Es kann doch nicht sein, dass Sie dieses Land in sechs Jahren Regierungsarbeit zugrunde richten und dass wir nicht einmal beklagen dürfen, was dabei herauskommt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster (SPD): Welche Zeitung lesen Sie denn?)

   Frau Ministerin, auch Sie haben gesagt, dass unser Land leistungsfähig ist.

(Dr. Uwe Küster (SPD): Es ist eines der leistungsfähigsten Länder der Welt!)

Jawohl, die Menschen in unserem Land sind leistungsfähig, aber nicht wegen Ihrer Leistung, sondern trotz der Tatsache, dass Sie sie seit sechs Jahren mit Ihrer missratenen Politik, die für unser Land völlig ungeeignet ist, kujonieren und traktieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster (SPD): Haben Sie Ihre Herztropfen in der Tasche?)

– Das ist ja eine Unruhe hier! Sie werden noch mehr Anlass zur Unruhe haben. Ich freue mich schon auf die Zurufe von Herrn Tauss, die an Lautstärke kaum zu übertreffen sind, zumeist aber an Inhaltsschwere.

Ich möchte mit einer Bemerkung zu Ihnen, Frau Ministerin, fortfahren. Es fehlt wirklich an Visionen und Leitbildern. Man hat den Eindruck, dass Lissabon und Bologna genau wie Maastricht für Sie zwar wohlklingende Namen europäischer Städte sind, aber sonst keine Bedeutung haben. Sie kümmern sich nicht um das, was Ihres Amtes wäre. Wir werden auch in diesem Jahr bei den Beratungen des Haushaltsplanes in Bezug auf den Einzelplan 30 feststellen müssen, dass wir die Chance gehabt hätten, Zeichen für eine wirkliche Innovationsoffensive im Bereich Forschung und Bildung und für die Förderung von Schlüsseltechnologien zu setzen. Zusammengefasst: Wir hätten die Chance gehabt, Zeichen für einen Forschungsstandort Deutschland, für einen Wissenschaftsstandort Deutschland und für einen Wirtschaftsstandort Deutschland zu setzen. Aber wie nach den Erfahrungen der Vorjahre nicht anders zu erwarten war, beinhaltet dieser Haushaltsplanentwurf wiederum Luftbuchungen, Wunschvorstellungen, das Setzen von ideologischen Schwerpunkten, aber nicht das, was man von einem seriösen Haushaltsplanentwurf erwartet.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Das geht – es ist vorhin angesprochen worden; deshalb fokussieren Sie so darauf, Frau Wicklein – in den Vorbemerkungen auf Seite 3 los. Da steht nämlich der Haushaltsvermerk – das ist eine der größten Rosstäuschungen in diesem Haushalt –, dass Ausgaben in Höhe von 63 Millionen Euro gesperrt sind. Sie sind gesperrt, weil sie durch die Abschaffung der Eigenheimzulage erst erwirtschaftet werden sollen. Sie machen einen solchen Haushaltsvermerk, obwohl Sie die Auseinandersetzungen des letzten Jahres erlebt haben und obwohl Sie genau wissen, dass wir dem weder im Bundestag noch im Bundesrat zustimmen werden. Sie täuschen also bewusst vor, 63 Millionen Euro zu haben. Diese 63 Millionen Euro stehen von vornherein nicht zur Verfügung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie spielen hier ein unwürdiges Schwarzer-Peter-Spiel und täuschen der Öffentlichkeit Mittel vor, die Sie in Wirklichkeit nicht haben.

   Hinzu kommt – um beim Haushaltstechnischen zu bleiben –, dass Sie nach wie vor, also auch in diesem Jahr wieder, die globale Minderausgabe mit 145 Millionen Euro viel zu hoch ansetzen. Sie wissen, dass diese um mindestens 45 Millionen Euro zu hoch ausfällt. Das lässt sich leicht ausrechnen. – Wenn man die 63 Millionen Euro und die 45 Millionen Euro zusammenrechnet, dann sind wir schon bei 108 Millionen Euro, die fehlen. Zu dem Fehlen von 108 Millionen Euro in nur zwei Positionen des Einzelplans 30 sage ich noch einmal bewusst: Das ist eine Täuschung.

   Außerdem lässt der Bundesfinanzminister noch nicht die Katze aus dem Sack, was die Frage angeht, welche weitere globale Minderausgabe er den einzelnen Ressorts wegen der nicht gedeckten Finanzmittel zur Umsetzung von Hartz IV verordnen wird.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Aha!)

Nimmt man die globale Minderausgabe Rente vom letzten Jahr als Maßstab, so dürfte man bei mindestens 50 Millionen Euro, vielleicht aber auch beim Doppelten landen. Rechnen wir einmal mit 50 Millionen Euro, damit es nicht ganz so schlimm wird für Sie, Frau Ministerin.

   Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, Sie haben sich schon bei meinen ersten Einlassungen, als ich von Täuschung sprach, so aufgeplustert. Wie soll man es denn anders nennen, wenn bei einem realen Aufwuchs des Plafonds um 200 Millionen Euro im Einzelplan 30 schon 150 Millionen Euro in der Wirklichkeit dieses Landes gar nicht vorhanden sind?

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Täuschungen!)

Ich wiederhole: Die globale Minderausgabe fällt um 45 Millionen Euro zu hoch aus. 63 Millionen Euro sollen aufgrund des Wegfalls der Eigenheimzulage mehr zur Verfügung stehen. Hinzu kommt die globale Minderausgabe Hartz IV mit 50 Millionen Euro.

   Dabei bleiben wir aber nicht stehen; denn es geht noch weiter. Das Meister-BAföG wurde – Frau Flach hat es angesprochen – mit einem Volumen von 47 Millionen Euro vom Wirtschaftsministerium auf den Einzelplan 30 übertragen, damit aber natürlich auch die Auszahlungsverpflichtungen. – Wer in der Grundschule ordentlich aufgepasst hat und die richtige Summe zu bilden weiß, der erkennt: Damit sind wir bei 200 Millionen Euro und damit ist der ganze Aufwuchs verfrühstückt. Was legen Sie uns hier eigentlich vor, Frau Ministerin, Herr Finanzminister? Das ist nun wirklich eine Täuschung der Öffentlichkeit. Sie tun so als ob; aber in Wirklichkeit spielt sich in diesem Einzelplan nichts ab.

   Wir können noch ein bisschen weitergehen. Dabei sind noch nicht so zukunftsträchtige Ausgaben wie 17,7 Millionen Euro Aufwuchs für die Sanierung der Kreuzbauten in Bonn berücksichtigt.

(Jörg Tauss (SPD): Streichen Sie es raus! Furchtbar gerne!)

Sie können nichts dafür. Dennoch berechnen Sie das mit. Für alte Bürogebäude müssen Mittel aufgewendet werden. Gleichzeitig müssen wir uns sagen lassen, dass damit die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöht werden. Das darf ja wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Dann aber kritisieren, dass wir zu viel Geld für Beton fordern!)

   Frau Ministerin, zu dem, was Sie uns hier vorlegen, sage ich: Kosmetik, Perspektivlosigkeit und Rosstäuscherei. Sie sind gescheitert. Frau Ministerin, Sie bringen es nicht fertig, Forschung und Wissenschaft auch im Haushalt in den Vordergrund zu rücken, obwohl der Kanzler jeden zweiten Satz mit diesem Thema beginnt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg Tauss (SPD): Sie reden von 1998!)

   Auch diese stolz angekündigte Erhöhung um 2,8 Prozent bei der Projektförderung sollten wir einmal etwas näher unter die Lupe nehmen, weil auch sie schlichtweg schöngerechnet ist. Bei einer Erhöhung um 2,8 Prozent reden wir von ungefähr 61 Millionen Euro Aufwuchs. Sie müssen sich im Vergleich dazu noch einmal das Volumen der globalen Minderausgaben vor Augen führen und einräumen, was wir alle miteinander wissen, nämlich dass vor allem in dem Bereich die globale Minderausgabe erwirtschaftet werden muss.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nicht bei einer gesetzlichen Leistung!)

Damit relativiert sich diese Zahl schon sehr.

   Sie müssen darüber hinaus einrechnen – Herr Fell, damit komme ich auf das Thema zurück, das Sie schon angesprochen haben, sogar zu Recht –, dass für Stilllegung und Rückbau kerntechnischer Anlagen 77 Millionen Euro ausgegeben werden sollen. Das ist zwar ein 3006er-Titel, aber das ist nun nichts, was wir besonders zukunftsträchtig und innovativ finden.

(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber das haben Sie doch vertraglich festgelegt! Das ist doch Ihre Altlast!)

Herr Fell, für Sie noch ein Hinweis: Sie fahren doch wegen der Ergebnisse der PISA-Studie so gern nach Finnland. Hat es vielleicht etwas mit dem Abschneiden der Finnen in der PISA-Studie zu tun, dass sie jetzt neue Kernkraftwerke bauen? Denken Sie einmal darüber nach!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Finnen werden ihre Forschungsreaktoren auch abbauen müssen!)

   Ich war beim Thema Projektfördermittel. Auch hier gilt, Herr Fell: Wenn Sie nicht blockieren würden, wenn die Bundesregierung endlich ein Endlagerkonzept vorstellen würde, dann brauchten wir zumindest die 25 Millionen Euro für die Endlagerung nicht im Forschungshaushalt bereitzustellen; dann würde das aus einem anderen Haushalt finanziert. Aber das nur am Rande, weil wir hier in der Fachdebatte über den Einzelplan sind. Ich weiß, dass das im Ganzen nichts ändern würde.

   Sie sehen also, meine Damen und Herren: Nicht nur die 200 Millionen Gesamtaufwuchs des Plafonds, sondern auch die 61 Millionen vermeintlicher Aufwuchs in der Projektförderung sind schlichtweg Luftbuchungen, Täuschungen, Verschleierungen, Schönrechnereien und kommen in der Wirklichkeit unseres Landes nicht an.

   Frau Ministerin, ich möchte mich abwenden von – –

(Jörg Tauss (SPD): Wir haben uns schon abgewandt – mit Schaudern!)

Ach, Herr Tauss. Was das Schaudern anbelangt, will ich Ihnen eines sagen: Ich habe mir vorhin die Rednerliste angeguckt und mit Freude festgestellt, dass Sie ganz zum Schluss 15 Minuten haben. Da kann man eine Viertelstunde früher gehen, ohne in dieser Debatte etwas zu verpassen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss (SPD): Ich fürchte, da wird die Frau Merkel kommen!)

   Ich will Ihnen sagen, was wir als Union dagegenstellen. Wir in der Union stehen eindeutig für Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen und Beifall bei der SPD - Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Das haben wir erlebt!)

Deswegen wird es mit uns diese Fantasiezahl von 63 Millionen Euro nicht geben. Wir werden beantragen, die globale Minderausgabe auf ein realistisches Niveau zu senken. Wir werden mit unseren Anträgen eine Schwerpunktsetzung anstreben, die den Namen Innovationsoffensive, also Voranbringen des Bereichs Forschung und Bildung sowie Steigerung der Investitionen, tatsächlich verdient hat.

   Mit der Union wird nicht in den neuen Bundesländern gestrichen. Die Union wird streichen, aber in Ihren Ideologietiteln, in den Titeln für Öffentlichkeitsarbeit, Selbstdarstellung, Selbstbeweihräucherung und in den Titeln, mit denen Sie Projekte fördern, um Ihre gewerkschaftsnahen Institute sponsern und Ihre emanzipatorischen Phantasien ausleben zu können.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr gut! Alles rausgeschmissenes Geld! – Jörg Tauss (SPD): Unverschämtheit!)

Wir werden uns alle Projektlisten anschauen und kürzen, was das Zeug hält, soweit das notwendig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Geld muss in unserem Land zielgerichtet ausgegeben werden und darf nicht für irgendeine Form von Forschung verwendet werden, die wir für nicht zukunftsträchtig halten.

   Die Union wird einen Aufwuchs der Ausgaben um insgesamt 400 Millionen Euro vorschlagen. Wir werden beantragen, den Plafond um 300 Millionen Euro aufzustocken und 100 Millionen Euro an Einsparungen durch Streichungen zu erzielen.

(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie kriegen Sie die 5 Prozent Kürzung hin?)

Wir werden vorschlagen, dieses tatsächlich vorhandene Geld im Einzelplan 30 richtungsweisend für die Zukunft Deutschlands einzusetzen. Dies wird über den Gesamthaushalt eingespart werden; denn auch da wird eine Schwerpunktsetzung stattfinden. CDU und CSU werden die Bereiche Forschung und Bildung sowie Verkehr besser dotieren. Das bedeutet eine tatsächliche Stärkung des Standorts Deutschland. Die Union wird tatsächlich etwas für die Hochschulen tun. Sie redet nicht nur von Spitzenuniversitäten,

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das erzählen Sie mal den Landeswissenschaftsministern, vor allem dem in Niedersachen! Gucken Sie, was da gerade läuft!)

sondern sie wird den Ansatz für den Hochschulbau wieder auf die Höhe des Jahres 2003 bringen, um den Hochschulen die Möglichkeit zu geben, tatsächlich leistungsfähig zu sein. Sie sollen nicht gezwungen sein, sich am Rande des Existenzminimums, des gerade noch Machbaren zu bewegen.

(Jörg Tauss (SPD): Warum eigentlich nicht 1998? Warum denn 2003?)

– Herr Tauss, Sie rufen dazwischen: Warum nicht 1998? Soll ich jetzt entgegnen: Warum nicht 1948?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie regieren seit sechs Jahren in diesem Land. Gewöhnen Sie sich langsam einmal daran, dass man nicht gleichzeitig regieren und immer auf die Opposition zeigen kann. Sie sind sechs Jahre dran. Sie werden keine 16 Jahre erleben, weil in zwei Jahren Schluss ist mit dem Zauber. Trotzdem können Sie nicht ständig mit den Fingern in die Vergangenheit zeigen und sagen: Ihr habt da das und das gemacht. Das ist unseriös.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss (SPD): Ihr habt aber gekürzt!)

   Wir werden im Kapitel 3006 circa 100 Millionen in die entsprechenden Titel für Projektförderung geben, um Schlüsseltechnologien wie Biotechnologie, Nanotechnologie und nationale Raumfahrt zu fördern. Damit werden wir Chancen für die Zukunft ergreifen. Hier können Arbeitsplätze entstehen. Hier können grundlegende Innovationen durch Forschungen erzielt werden, die neue Märkte eröffnen und unserem Land neue Zukunftschancen geben. Denn wenn wir es nicht schaffen, überall wieder Spitze zu sein, werden wir es als Hochlohnland, als Hochkostenland und als Land mit kurzer Arbeitszeit nicht schaffen, den Standard, den wir heute haben, für unsere Kinder und Kindeskinder zu sichern.

   Frau Ministerin, an Ihre Adresse möchte ich noch einmal sagen: Die Steigerung der Ansätze einiger Titel um 3 Prozent ist weiß Gott nicht die großmütig angekündigte Innovationsoffensive des Herrn Bundeskanzlers. Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie müssten Ihren Kanzler beim Wort nehmen und eine solide Umsetzung seiner Ankündigungen in harte Budgetzahlen einfordern. Stattdessen schauen Sie den Luftballons Ihres Kanzlers, die er ein ums andere Mal aufbläst, sehnsüchtig hinterher, wenn er sie aufsteigen lässt und sie sich dann im Nichts verflüchtigen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): 99 sind das mindestens!)

   Interessant ist, was zur Qualifizierung Ihrer Leistungen in diesem Kabinett seit sechs Jahren die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ am 1. August dieses Jahres geschrieben hat.

(Katherina Reiche (CDU/CSU): Ja, ein guter Artikel!)

Dort steht:

Edelgard Bulmahns politischer Erfolg besteht darin, sich als wenig bekannte, wenig erfolgreiche Ministerin gleichwohl in Regierung und Partei zu behaupten.

Das mag Ihnen genügen, uns ist es zu wenig, Frau Ministerin.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich komme zum Schluss.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD))

Die Union ist es, die für den Einzelplan 30 und damit für die Entwicklung der ganzen Bundesrepublik Deutschland Perspektiven aufweist, die die richtigen Schwerpunkte setzt und somit unser Land aus der von Rot-Grün verschuldeten Depression hinausführt.

(Widerspruch des Abg. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD))

Ich möchte meine Rede ähnlich wie meine letztjährige Haushaltsrede schließen:

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das wird auch Zeit!)

Herr Bundeskanzler, Herr Bundesfinanzminister, Frau Ressortministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, Sie können es nicht. Machen Sie Platz für einen neuen Anfang für unser Vaterland!

   Danke sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Schwülstige Worte ohne Inhalt, wie immer! – Jörg Tauss (SPD): Das war sogar der Hälfte da drüben peinlich!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Reinhard Loske vom Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir erst überlegt, ob ich ebenso wie der Kollege Fell die Rede von Frau Reiche ignorieren soll oder ob ich auf sie eingehen soll. Ich habe mich jetzt für Letzteres entschieden, um an einigen Beispielen wirklich einmal zu prüfen, ob Ihr Reden mit dem Handeln Ihrer Partei in Deckung zu bringen ist. Ich will das an vier Beispielen tun.

   Zunächst einmal haben Sie gefordert, diese Bundesregierung müsse mehr Geld für BAföG ausgeben, sie tue in diesem Bereich zu wenig. Ich habe mir noch einmal kurz die Zahlen herausgesucht. Es sieht so aus, dass im Jahre 1998 für BAföG 780 Millionen Euro geflossen sind. Im Jahr 2005 werden 951 Millionen Euro für BAföG fließen

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

und 445 Millionen für Bildungskredite bei der KfW. Das macht zusammen ungefähr 1,4 Milliarden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Katherina Reiche (CDU/CSU): Den Leuten geht es schlechter in diesem Land!)

Ich habe gelesen, dass Sie mathematisch-naturwissenschaftlich gebildet sind. Dann müssten Sie doch eigentlich wissen, dass 1,4 Milliarden doppelt so viel sind wie 700 Millionen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das hat auch nichts mit einem Blick zurück zu tun. Ich richte damit den Blick nach vorne.

Der zweite Punkt: Sie sagen, man müsse mehr in Zukunft investieren und dürfe nicht mehr Geld in alte Strukturen stecken. Fakt ist, dass Sie bei den Haushaltsberatungen 2004 eine Verweigerungshaltung an den Tag gelegt haben. Wir wollten die Eigenheimzulage abschaffen, Sie haben gesagt: Nein, sie muss bleiben. Wir wollten die Pendlerpauschale kürzen, Sie haben gesagt: Nein, sie muss bleiben. Den Agrardiesel hatte die Koalition bereits herausgenommen, aber Sie haben gesagt, er müsse drinbleiben. Das heißt, Sie reden von Zukunftsinvestitionen, sperren sich aber gegen Subventionsabbau und betreiben Lobbyismus. Das ist vorne und hinten unglaubwürdig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Dritter Punkt. Sie sprechen – das habe ich in Ihrem „FAZ“-Beitrag gelesen – von der Autonomie der Hochschule und sagen, dass man die Universitäten nicht in ökonomischer Hinsicht verzwecken solle. In der Sache stimme ich Ihnen hundertprozentig zu. Aber schauen wir einmal, wie es da aussieht, wo Ihre Partei Verantwortung hat, zum Beispiel in Hamburg. In Hamburg wird gerade vom zuständigen Wissenschaftssenator – es ist ja ein CDU-geführter Senat – vorgeschlagen, die Geisteswissenschaften zu halbieren.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Ich habe hier einen wunderbaren Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die eben schon einmal zitiert wurde, vom 31. August. Dort schreibt Richard Rorty, ein bekannter Kulturwissenschaftler, der in Hamburg einige Zeit als Gastwissenschaftler war, in einem Essay – ich nehme an, viele von Ihnen haben ihn gelesen –:

Den Bericht über die geplante Halbierung der Geisteswissenschaften an der Universität Hamburg ... lese ich mit Verwunderung und Entsetzen. Es ist kaum zu fassen, daß derart weitreichende Entscheidungen, durch die Wesen und Funktion einer bedeutenden Universität substantiell geändert werden, den betroffenen Fakultäten einfach von oben in Form einer politischen Direktive durchgestellt werden.

Das ist Ihre Form von Autonomie!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist verlogen wie sonst was; das muss man ganz klar sagen.

   Viertes und letztes Beispiel – dann komme ich zu meiner eigentlichen Rede –: Stammzellforschung. Sie stellen sich hier hin und tun so, als seien die Beschlüsse des Bundestages bzw. die Regierung das zentrale Hemmnis für das Vorankommen Deutschlands im Bereich der Bioforschung.

(Ulrike Flach (FDP): Nein, Sie, Herr Loske! – Katherina Reiche (CDU/CSU): Ich habe dazu kein Wort gesagt!)

Das passt vorne und hinten nicht zusammen. Einige unter Ihnen, wie Sie, wollen bei der embryonalen Stammzellforschung den Weg sozusagen komplett frei machen, andere sind der Meinung, man brauche hohe moralische, restriktive Standards. Wir lassen Ihnen nicht durchgehen, dass Sie sozusagen mit Reiche und Böhmer für und gegen embryonale Stammzellforschung plädieren. Sie müssen sich schon entscheiden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Katherina Reiche (CDU/CSU): Ich habe kein Wort dazu gesagt! Das war Frau Flach!)

Vor allem lassen wir Ihnen nicht durchgehen, dass Sie hier mit einer besserwisserischen Attitüde auftreten und mit einer unglaublichen Arroganz den Finger in jede Wunde legen, aber die eigenen Defizite nicht beim Namen nennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Jetzt zum Haushalt. Schön, dass Herr Eichel da ist. Für uns lautet die Devise: Wir müssen die Subventionen weiter senken, um Mittel in Bildung, Forschung, Innovationen und Familie umschichten zu können.

(Ulrike Flach (FDP): Was ist denn mit der Seinkohle, Herr Loske?)

Das ist unser Ansatz; es wurde bereits mehrfach gesagt. Wir hoffen, dass die Union da mitmacht. Ich bin nicht so pessimistisch, Frau Flach, zu sagen, dass die Union die Streichung der Eigenheimzulage ganz sicher nicht mitträgt; denn Gott sei Dank haben ja auch die Ministerpräsidenten bestimmte Interessen. Wir werden sehen.

(Ulrike Flach (FDP): Wir werden sehen!)

   Was den Haushalt selber anbetrifft, ist schon einiges gesagt worden. In vielen Zukunftsbereichen – Softwaretechnik, Mikrosystemtechnik, Nanoelektronik, Nanomaterialien, Produktionssysteme, optische Technologien, auch im Bereich Energieforschung und nachwachsende Rohstoffe – ist ein Aufwuchs zu verzeichnen, was sicherlich sehr positiv ist. Wir müssen allerdings kritisch sehen und im Verfahren prüfen, ob es wirklich vernünftig ist, im Bereich der Mobilitäts- und Bauforschung so stark zu kürzen; denn das sind genau die beiden Bereiche, in denen die größten CO2-Minderungspotenziale liegen – Stichwort: Klimaschutz –

(Beifall der Abg. Ulrike Flach (FDP))

und in denen aufgrund der demographischen Entwicklung große Veränderungen anstehen. Da besteht Forschungsbedarf. Das müssen wir im Laufe des Verfahrens prüfen und deshalb möchte ich die Kürzungen mit einem Fragezeichen versehen.

   Im Zusammenhang mit der Biotechnologie möchte ich zwei Punkte ansprechen. Ich glaube, dass es falsch ist, bei der Bionik, also bei der Frage, was wir von der Natur lernen können, beispielsweise für den Flugzeugbau, für Oberflächenbeschichtung usw., so stark zu kürzen, wie es hier vorgesehen ist. Dieses zarte Pflänzchen sollten wir eher gießen, als es herauszurupfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb glaube ich, da müssen wir noch nachlegen.

   Für die bioethische Begleitforschung sind jetzt die 5 Prozent der Mittel für die gesamte Biotechnologieforschung vorgesehen, von denen wir meinen, dass sie für diesen Bereich reserviert werden müssen. Aber ich sehe mit einer gewissen Skepsis, dass daraus voll der Nationale Ethikrat finanziert werden soll. Den Nationalen Ethikrat kann man so oder so sehen, Frau Flach; wir sehen ihn vielleicht nicht beide gleich. Aber die Frage ist, ob er unter die bioethische Begleitforschung fällt. Wenn 2,14 Millionen Euro aus diesem Topf an den Nationalen Ethikrat gehen,

(Ulrike Flach (FDP): Aber Ihre Bundesregierung hat das doch gemacht, Herr Loske!)

dann muss man auch sehen, dass die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages nur 153 000 Euro zur Verfügung gestellt bekommt. Ich glaube, das ist ein Missverhältnis; darüber müssen wir noch einmal reden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Was die Nanotechnologie betrifft, muss man sagen, dass es sich um eine vielversprechende Technologie in der Zukunft handelt. Das ist keine Frage. Aber wir müssen bei dieser Nanotechnologie auch eine Begleitforschung durchführen. Diesbezüglich stehen wir noch sehr am Anfang. Wir müssen vor allen Dingen sicherstellen, dass bei dieser Technologie die Vorsorge beachtet und das Verursacherprinzip berücksichtigt wird. Es macht keinen Sinn, denjenigen Glauben zu schenken, die meinen, demnächst würden Nanoroboter die Weltherrschaft übernehmen. Aber es gibt viele offene Fragen bei der Nanotechnologie hinsichtlich der Gesundheit und der Bioethik. Deswegen brauchen wir auch im Bereich der Nanotechnologie, wie gesagt, eine entsprechende Begleitforschung. Das ist ganz wichtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Was die strukturellen Rahmenbedingungen betrifft, möchte ich Folgendes sagen. Über die Juniorprofessur wurde nur kurz gesprochen. Wir alle fragen uns, ob die Ausstattung ausreicht, ob das Lehrdeputat nicht zu hoch ist und ob sich der Doppelcharakter Qualifizierung und gleichzeitig Vollprofessur durchsetzt. Ich habe mit großem Interesse in der „Zeit“ gelesen, dass diejenigen, die Juniorprofessorinnen oder Juniorprofessoren geworden sind, Spaß daran haben und zufrieden sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ihre Miesmacherei liegt also völlig daneben. Wir müssen diesen Leuten sehr schnell eine klare Perspektive geben. Das heißt, die Länder – das gilt im Wesentlichen für die CDU-regierten Länder – müssen die entsprechenden Regelungen sehr schnell in Landesrecht umsetzen.

   Auch bei den befristeten Beschäftigungsverhältnissen müssen wir die Hängepartie beenden. Es ist klar – das haben wir hier schon gemeinsam mehrfach festgestellt –, dass das Wissenschaftssystem eigene Gesetzmäßigkeiten hat. Es braucht ein höheres Maß an Flexibilität. Deswegen ist das öffentliche Dienstrecht für den Wissenschaftsbereich auf Dauer ohnehin nicht anwendbar. Wir brauchen einen Wissenschaftstarifvertrag. Ich möchte die Bundesregierung, vor allem den Bundesinnenminister, noch einmal auffordern, hier endlich aktiv zu werden, dass die Sache nicht länger unerledigt bleibt.

(Beifall des Abg. Stephan Hilsberg (SPD) und der Abg. Ulrike Flach (FDP))

   Ich könnte noch viel zur Grünen Gentechnik sagen. Ich bin mit meiner Redezeit aber fast am Ende. Frau Flach, zur Stellungnahme der DFG kann ich nur sagen, dass Klappern zum Handwerk gehört.

(Ulrike Flach (FDP): Na! – Thomas Rachel (CDU/CSU): Sie klappern eine ganze Menge!)

Wenn mit der Grünen Gentechnik wirklich die gemachten Versprechungen eingelöst werden können – Entwicklung von schädlingsresistenten und hitzetoleranten Arten, was bei einem Klimawandel wichtig ist; bessere Lagerfähigkeit und bessere ernährungsphysiologische Eigenschaften –, dann würde die Akzeptanz vielleicht steigen.

(Ulrike Flach (FDP): Es kommt doch gar nicht mehr zur Forschung!)

Die Politik aber muss Rahmenbedingungen setzen, bei denen das Verursacherprinzip gilt. Es kann da nur eine vernünftige Haftungsregelung infrage kommen.

   Wir müssen die Balance finden zwischen Chancen und Risiken. Für einen Forscher ist die Strategie „No risk, no fun“ – kein Risiko, keine Freude – die richtige Strategie. Aber für die Politik ist es wichtig, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Freiheit des einzelnen Forschers nicht zulasten der Gesellschaft oder der Umwelt geht. Diese Balance müssen wir aushalten. Das schaffen wir auch.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Marion Seib von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Marion Seib (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen schnellstens echte Innovationen in der Wirtschaft und keine schrägen Innovationen bei der Haushaltsaufstellung. Der Einzelplan 30 des Haushalts hätte die Aufgabe, ein Transmissionsriemen zu sein. Sie aber haben ihn zur Handbremse für Forschung, Entwicklung und Wissenstransfer gemacht.

(Beifall des Abg. Thomas Rachel (CDU/CSU) – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Schönes Bild! – Dr. Elke Leonhard (SPD): Leninscher Ausdruck!)

   Weil Innovationen eben nicht kommen, wenn man nur nach ihnen ruft, gibt es viel dafür zu tun, dass sie eine Chance erhalten. Ihnen aber reicht es offensichtlich aus, ein „Jahr der Innovation“, ein „Jahr der Technik“ auszurufen. Ihre Haushaltsvorlage ist Pfusch durch Unvermögen.

   Ich möchte an dieser Stelle einmal klarstellen: Die von der rot-grünen Bundesregierung so oft entschuldigend vorgetragenen „handwerklichen Fehler“ als Bezeichnung für Unvermögen sind eine Beleidigung für unsere tüchtigen Handwerker.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Unglaublich „qualifiziert“!)

   Ihr Haus, Frau Ministerin, hat einen Haushalt ohne jede Rücksicht auf Strategien und unüberlegte Streichorgien anderer Häuser aufgestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Einmal die Priorität falsch gesetzt ist schon schlimm genug. Aber zeitgleich in vielen Häusern die Priorität falsch zu setzen ist eine Katastrophe.

   Bildung und Forschung als Steinbruch für die Steinkohle herzunehmen scheint in dieser rot-grünen Haushaltspolitik der einzig rote Faden zu sein. Werden doch ausgerechnet im Etat des Kanzleramtes Zuschüsse an die Länder für die forschenden Museen mit nationaler Bedeutung wie das Deutsche Museum in München oder das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg gekürzt, obwohl sie zur Leibniz-Gemeinschaft gehören und anerkannte Forschungsinstitut sind.

   Das Wirtschaftsministerium – Herr Finanzminister, hören Sie zu! – legt Mittel im Rahmen des Programms „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ auf Eis. Bereits getätigte unternehmerische Vorleistungen für neue innovative Produkte können nicht in die Wertschöpfungskette aufgenommen werden. Was heute nicht in den industriellen Vorlauf kommt, kann in zwei Jahren auf dem Markt schlicht und einfach nicht erscheinen. Allein aus einem einzigen Bereich, dem der Fügetechnik, sind 14 Vorhaben blockiert: die Plasma-MIG-Technologie für beschichtete Stähle, das Laserstrahlschweißen für Polymere, das Hochleistungsschweißen von hochfesten Aluminiumlegierungen; diese Liste ist fortsetzbar. Durch die Blockade der Vorhaben bei der Klebstofftechnik wird die bisherige Erfolgsgeschichte der Klebetechnik beendet. Wegweisende Forschungsvorhaben werden behindert oder sogar ganz verhindert, weil betroffene Firmen den für Forschung und Entwicklung fehlenden Finanzierungsanteil des Bundes einfach nicht überbrücken können.

   Der Einzelplan 12, der Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, ist eine Katastrophe. Zusätzlich kürzen Sie, Frau Ministerin, beim Titel „Verkehr und Mobilität“ gut 12 Prozent der Mittel. Dabei wäre die Bundesregierung aufgefordert, die Bereiche Verkehr, Mobilität und moderne Infrastruktur zu fördern. Andernfalls erweist sich die Forderung nach einem größeren Anteil an moderner Infrastruktur dauerhaft als Illusion.

   Genauso kurzsichtig wie bei den Verkehrstechnologien agieren Sie beim Titel „Bauen und Wohnen“ mit einer Etatsenkung von sage und schreibe 42 Prozent. Aufgrund der drohenden demographischen Entwicklung sind besonders in diesem Bereich verstärkt wissenschaftliche Anstrengungen erforderlich, um in einer älter werdenden Gesellschaft adäquate Wohnbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen zu entwickeln.

   Wenn man sich dann noch bewusst macht, wie eng die Forschungseinrichtungen mit den Hochschulen zusammenarbeiten, wird deutlich, welcher Schaden für die deutsche Wissenschaftslandschaft entsteht. Kluge und gut eingearbeitete Köpfe aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Firmen und aus den universitären und außeruniversitären Instituten müssen entlassen werden. Sie werden aber keine weitere Verwendung finden, weil alle Häuser zeitgleich und unabgestimmt kürzen. Allein mir liegen fünf Schreiben von betroffenen Instituten vor. Ich denke, Sie machen mit diesem Programm den Weg für den weiteren Braindrain frei. Dies ist nichts anderes als ein grandioses Programm zur Know-how-Vernichtung in Deutschland – und dies vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe.

   In dieser Situation kürzen Sie, Frau Ministerin, die Mittel zur Steigerung der Attraktivität des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Deutschland im Ausland um 3,5 Millionen Euro. Auch bei der Durchsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses wurden die Prioritäten nicht richtig gesetzt. Zwar räumte die Bundesregierung auf der Bologna-Nachfolgekonferenz 2003 hier in Berlin den Hochschulen bei der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschul- und Wissenschaftsraums eine Schlüsselrolle ein; doch der vorliegende Haushaltsentwurf spiegelt diese Schlüsselfunktion der deutschen Hochschulen in keiner Weise wider. Für die nationale Umsetzung des Bologna-Prozesses stehen im Vergleich zum letzten Jahr 37 Prozent weniger Mittel zur Verfügung.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Hört! Hört!)

Eine Sparrunde in dieser Größenordnung ist hier völlig falsch am Platz.

   Spätestens auf der nächsten Bologna-Nachfolgekonferenz in Bergen in Norwegen wird sich dies zeigen. Hier müssen die Teilnehmerstaaten Rechenschaft über ihre Fortschritte im Bologna-Prozess ablegen. Der vereinbarte Schwerpunkt wird dabei in der Fortentwicklung der Qualitätsabsicherung liegen. Auf diesem Feld muss in Deutschland noch einiges getan werden, Frau Ministerin. Mit Akkreditierungsrat und Akkreditierungsagenturen steht zwar die Struktur für die Qualitätsabsicherung zur Verfügung; das allein reicht aber nicht. Es sind erst 670 von 2 500 Bachelor- und Masterabschlüssen akkreditiert. Für eine dauerhafte Akzeptanz der neuen Abschlüsse bei Studierenden und Lehrenden sowie vor allem in der Wirtschaft ist eine durchgehende Qualitätsabsicherung unerlässlich. Hier dürfen die Betroffenen nicht allein gelassen werden. Die Umstellung auf die neuen Studiengänge darf nicht zum Misstrauen gegenüber den Fähigkeiten der Absolventen führen.

   Der Bologna-Prozess stellt für die deutschen Hochschulen eine enorme Chance dar, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die zeitlichen und materiellen Anforderungen an die Hochschulen sind sehr hoch. Dabei sind sie auf ein Mehr und nicht auf ein Weniger an Unterstützung angewiesen.

   Gleiches gilt für die viel beschworene Elitebildung. Elitebildung kann nicht staatlich verordnet werden und bei der Auswahl einiger weniger Elitehochschulen beginnen.

(Jörg Tauss (SPD): Sie haben etwas gegen Wettbewerb!)

Zunächst muss der wissenschaftliche Nachwuchs besser gefördert werden. Im Einzelplan 30 geschieht genau das Gegenteil. Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Die Gelder zur Entwicklung neuer Graduiertenstudiengänge werden gekürzt. Daraus ergibt sich eine paradoxe Situation: Auf der einen Seite wollen Sie die Graduiertenkollegs durch das Eliteprogramm fördern; auf der anderen Seite kürzen Sie still und heimlich die Gelder für die Graduiertenstudiengänge.

(Jörg Tauss (SPD): Das stimmt doch nicht!)

   Das Programm „Jugend forscht“ wird gekürzt, obgleich sich die Notwendigkeit einer möglichst frühzeitigen Förderung bis zur Bundesregierung herumgesprochen haben sollte.

(Zuruf des Abg. Jörg Tauss (SPD))

– Wenn es sich nicht herumgesprochen hat, dann ist es schlecht, Herr Tauss.

(Jörg Tauss (SPD): Ärgerlich, wenn Sie nicht die Wahrheit sagen! Wirklich ärgerlich!)

   Meine Damen und Herren, bekanntlich entsteht Exzellenz nur, wenn Forscher die Möglichkeit haben, ihre Ideen frei und ohne Vorgaben zu entwickeln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der Kernenergieforschung und in der Gentechnik ist dies in Deutschland momentan nicht möglich. Beide Bereiche werden seit Jahren von der rot-grünen Bundesregierung mit List und Tücke ausgebremst. Wir bräuchten aber die Atomkraft und die Gentechnik als technologische Optionen für zukünftige Generationen.

   Auf dem Weltenergiekongress in Sydney wurde gerade in dieser Woche festgestellt, dass sich die Kernenergie als Energieträger weltweit wieder auf dem Vormarsch befinde. Es besteht die Gefahr, dass Deutschland bei der derzeitigen hiesigen Entwicklung den Anschluss verpasst, wie dies bereits in anderen Bereichen geschehen ist.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ziemlich rückwärts gewandt, was Sie da erzählen!)

Mittlerweile ist es in Deutschland für junge Menschen unattraktiv geworden, sich mit der Atomphysik zu beschäftigen. Gerade in diesem Bereich fehlt es an qualifiziertem Nachwuchs, was dazu führt – jetzt hören Sie bitte gut zu –, dass Atomphysiker im Rentenalter für Beratungstätigkeiten herangezogen werden müssen. So weit wird es in der Gentechnik natürlich gar nicht erst kommen. Mit Ihrem Gentechnikgesetz machen Sie innovative Forschungsvorhaben schon von Anfang an unmöglich.

   Meine Damen und Herren, es stimmt verdrießlich, wenn man merkt, dass einerseits etablierte und von allen Seiten als notwendig anerkannte Programme weniger Mittel erhalten, andererseits die pure Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums keinerlei Kürzungen unterliegt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Hochglanzbroschüren statt Forschung, so ist es!)

Ich hoffe nicht, dass dies der Nachweis für das Regierungsmotto „The show must go on“ ist. In diesem Falle gingen im Wissensstandort Deutschland definitiv die Lichter aus.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach (FDP))

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Ernst Dieter Rossmann von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat in diesen Haushaltsberatungen schon viele rhetorische Höhepunkte gegeben. Aus der Debatte vom heutigen Morgen suche ich mir als einen Höhepunkt die Rede von Frau Flach heraus, als sie mehrfach ganz fröhlich und unbeschwert sagte: Ich will, ich will, ich will. – Ist es demgegenüber nicht gut, dass wir eine Regierung haben, die vom „wir“ redet? Bei uns heißt es: Wir machen etwas zusammen.

(Ulrike Flach (FDP): Das ist in diesem Fall das Schlimme!)

Dieses Wir wird in Bezug auf Bildung, Betreuung, Erziehung, Forschung und Entwicklung ganz massiv in den Vordergrund gerückt. Wenn wir nicht nur auf diesen Einzelplan gucken, sondern die Gesamtheit dessen nehmen, was sich bei diesen Haushaltsberatungen in Bezug auf Innovation widergespiegelt hat, dann können wir auch andere Ressorts heranziehen. Wir von der sozialdemokratischen Seite – ich glaube, dies gilt auch für die Grünen – halten es für ausgesprochen gut, dass Innovation ein ressortübergreifendes Anliegen dieser Regierung ist.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die beste Innovation wäre eine neue Regierung!)

   Dies beginnt in der Bildungspolitik da, wo es um Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit geht. Gestern hatten wir eine Diskussion über das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Dies bedeutet Förderung zu Beginn der Erziehung von Kindern und Jugendlichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beim Finanzminister sind 1 Milliarde Euro für Ganztagsschulen in besten Händen. Dieses Geld wird auch tatsächlich ausgeschüttet. Damit kommt Schule für alle in Bewegung.

   Auch der Wirtschafts- und Arbeitsminister macht hier mit; in seinem Haushaltsplan sind die Mittel für 25 000 zusätzliche Einstiegsqualifikationen veranschlagt, für die der Bund, der Steuerzahler, fast 100 Millionen Euro bereitstellt. Uns ist wichtig, dass eines deutlich wird: Wenn wir in Deutschland Bildung und Innovation entwickeln wollen, geht es nicht um das Ich, um das einzelne Ressort, sondern um die Gesamtheit. Dies wird von allen Mitgliedern der Regierung gemeinsam getragen. Deswegen spreche ich an dieser Stelle meinen ausdrücklichen Dank an die gesamte Regierung aus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Flach (FDP): Genau das sehen wir nicht so!)

Sie meinten, diese Ministerin könnte mehr und anderes machen. Zwar gebe ich Ihnen zu, dass Sie es richtig beschrieben haben, dass der Föderalismus in Deutschland manchmal ein Gestrüpp ist, wenn es um Innovation geht. Wer dieses Gestrüpp nur von außen betrachtet, kann nichts verändern. Wer aber mit Initiativen an das Gestrüpp herangeht und nicht nach Zuständigkeit, sondern nach dem Notwendigen fragt, der wird etwas bewegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier haben wir mit Frau Ministerin Bulmahn eine Ministerin, die in diesem Bereich ungemein viel bewegt hat.

   Ich will mich nicht noch einmal auf die Bereiche der Primarförderung, der schulischen und der beruflichen Förderung beziehen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wo sie überhaupt keine Kompetenz hat!)

Ich will mich stattdessen auf den Hochschulbereich konzentrieren.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Es wäre schön, wenn sie das erledigte, wofür sie zuständig ist!)

Es ist nicht fair, zu ignorieren, dass das BAföG erst wieder zu einer wirklichen Chance für viele junge Leute geworden ist, nachdem diese Regierung es reformiert hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben hier einen massiven Erfolg erzielt, der sich in steigenden Studierendenzahlen und steigenden Gefördertenzahlen widerspiegelt. Die Chancen für die jungen Leute, die es bisher materiell nicht so gut hatten, sind dadurch gestiegen.

   Ich komme zum Hochschulbau. Hier gab es die kleine Arabeske, als gefragt wurde: Warum fangen wir nicht 1948 an? Wir fangen deshalb 1998 an, weil es 1998 den Offenbarungseid eines vermeintlichen Zukunftsministers gab.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss (SPD): Rüttgers hieß der!)

Dass in dieser Legislaturperiode die Mittel für den Hochschulbau verstetigt wurden und die Vorauszahlungen abgetragen worden sind, ist eine Leistung dieser Regierung.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nostalgische Betrachtungen führen nicht in die Zukunft!)

Es ist eine Leistung dieser Ministerin, das vorangebracht zu haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir können die inneren Reformen im Hochschulbereich anführen. Sie wissen doch genau, welche Auseinandersetzungen wir miteinander hatten, als wir zum ersten Mal über Leistungskomponenten bei der Hochschullehrerbezahlung diskutiert haben.

(Ulrike Flach (FDP): Da waren wir dabei!)

– Sie waren dabei, die anderen waren im Busch und die Ministerin hat es gemacht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch die Wirklichkeit in der Bildungs- und Forschungspolitik: Wir haben jungen Leuten eine erste, zweite und auch dritte Chance eröffnet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Hätten wir die Juniorprofessur bekommen, wenn die Kleinmütigen das Wort geführt hätten? Wir haben jetzt die Juniorprofessur, weil unsere Ministerin den Mut dazu hatte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Entscheidung hatte Auswirkungen auf die Nachwuchsförderung und die Konkurrenzsituation an den Hochschulen und eröffnet neue Entwicklungsmöglichkeiten. Wir haben Vertrauen in die jungen Wissenschaftler und fähigen Nachwuchskräfte gesetzt und das entwickelt sich positiv. Das ist eine Leistung.

   Sie mögen sich noch dreimal darüber freuen, dass im Bundesverfassungsgericht die Kleinmütigen die Mehrheit hatten,

(Thomas Rachel (CDU/CSU): „Kleinmütige Mehrheit“! Wie reden Sie über das Bundesverfassungsgericht?)

aber das ist nicht das Entscheidende.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Entscheidende ist, dass Sie jetzt dort, wo Sie können, mitmachen,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist eine glatte Missachtung des Bundesverfassungsgerichts! – Thomas Rachel (CDU/CSU): Sie sind mit Ihrer Politik gescheitert! – Gegenruf des Abg. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Lesen Sie mal im Urteil nach! Da steht im Minderheitenvotum, dass das ein politisches Urteil ist!)

um Juniorprofessuren im Hochschulrecht der Länder als selbstverständlich zu verankern. Es bleibt dabei, dass einige in der Verantwortung stehen. Sie tragen Verantwortung, die Veränderungen im Hochschulrecht – um es knapp zu formulieren – in den Ländern ernst zu nehmen, statt es, wie Sie es vorher gemacht haben, auf die lange Bank zu schieben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich komme zu einem weiteren Vorhaben, das von uns – ich will es selbstkritisch ausführen, weil man sich an einem solchen Podium nicht an seiner Rhetorik berauschen soll – etwas verkantet eingeleitet worden ist. Es war kein Ruhmesblatt, dass am Anfang von Harvard und Stanford und anderen Eliteuniversitäten die Rede war. Aber was ist daraus geworden? Daraus ist ein exzellentes Programm – von Bund und Ländern verabredet – in Bezug auf die Entwicklung von Spitzenqualitäten, von Zusammenarbeit auf höchstem Niveau und von Nachwuchsförderung an deutschen Hochschulen geworden. Die finanzielle Ausstattung war schon bis zum letzten Punkt über mehrere Jahre hinweg ausgehandelt worden.

(Ulrike Flach (FDP): Jetzt liegt es!)

   Der Kollege Loske hat bereits darauf hingewiesen, dass hier Chancen blockiert werden. Wir können uns nicht vorstellen, aus welchem Grund Sie es blockieren, außer aus einem rein parteipolitischen Grund oder aus dem Gefühl der Missgunst gegenüber der Ministerin und einer Regierung, die mit Ihren Kultus-, Bildungs- und Forschungsministern zusammen etwas entwickelt hat. Das ist eine sehr herbe Entwicklung.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist eine üble Verleumdung unserer Motive!)

– Sie fühlen sich verleumdet?

   Ich mache einen Schnitt. Ich darf eine Presseerklärung der Deutschen Forschungsgemeinschaft anführen. Sie ist eine der angesehensten Forschungsorganisationen – sie ist sehr politikfern –, weil sie aus dem Sachverstand der Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen gespeist ist. Sie und wir haben uns immer für diese Forschungsgemeinschaft eingesetzt. Die DFG hat am 7. Juli erklärt: Eine solche öffentliche Äußerung der Mitgliederversammlung der DFG geschieht erstmalig.

Weshalb hat sie sich erstmalig geäußert? – Sie nimmt sich sonst sehr zurück, aber sie äußert sich diesmal, weil sie so tief enttäuscht darüber war, dass das Exzellenzprogramm, das von der Ministerin zusammen mit den Ländern ausgehandelt worden ist, blockiert worden ist. Die Blockade ist doch nicht von der Ministerin ausgegangen; die Blockade geht doch von Ihrer Seite aus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die DFG bittet Sie förmlich, die Blockade aufzugeben, damit es baldmöglichst zur Umsetzung dieser neuen Initiative kommen kann, die auch die Basis für Spitzenleistungen an unseren Hochschulen verbreitert, die die Lehre verbessert, die jungen Leuten eine Chance gibt und die Leuchttürme in unserer differenzierten Hochschullandschaft entstehen lässt.

   Ich will noch eine Bemerkung zu dem Zusammenhang zwischen Natur-, Ingenieur-, Geistes- und Sozialwissenschaften machen, den auch der Kollege Loske angesprochen hat. Es ist doch richtig, dass dieser Haushaltsplan einen Mittelzuwachs für Sozial- und Geisteswissenschaften enthält.

(Jörg Tauss (SPD): Ja!)

Genauso richtig ist es, dass wir uns darüber freuen, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit den über 30 Millionen Euro, die sie mehr bekommt, auch in diesem Bereich zusätzliche Akzente setzen will. Das ist deshalb so wichtig, weil dadurch die Ganzheitlichkeit nicht nur von Forschung und Lehre, sondern auch der Wissenschaften überhaupt, des Studiums wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt wird.

   Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass unter anderem von der Wirtschaft die Leitidee des kontextbezogenen Studiums wieder stärker betont wird, eines Studium also, das nicht nur Schmalspurstudium ist, sondern eines, das auf Implikation zielt, das also auch das Umfeld, die Vermittlungsfähigkeit, den kulturellen, sozialen und historischen Hintergrund der Wissenschaften mit beleuchtet. Früher nannte sich dieses Studium generale; neuerdings nennt es sich kontextbezogenes Studium.

   Das Wichtige ist, dass diese Regierung alles ihr Mögliche tut, um dies den Hochschulen der Forschungsgemeinschaft zu ermöglichen. Wir finden dies gut und wollen und werden die Regierung darin unterstützen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Rossmann, Ihre Redezeit ist wirklich lange abgelaufen.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):

Herr Präsident, mein letzter Punkt: Ob es uns gelingt, liegt auch an Ihnen, an CDU/CSU und FDP. Sie mögen diese Chance nutzen oder nicht. Den Nutzen haben am Ende nicht wir auf politischer Ebene, sondern den haben die jungen Menschen, die Hochschulen in Deutschland. Diese bekommen Zukunftschancen. Deshalb tragen Sie Mitverantwortung. Nehmen Sie diese Verantwortung wahr!

   Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Rachel von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Thomas Rachel (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vollmundig hat Bundeskanzler Schröder dieses Jahr zum „Jahr der Innovation“ erklärt. Ich frage mich: Wo ist eigentlich der Bundeskanzler, wenn über den Haushalt für Forschung und Innovationen beraten wird? Er fehlt und das ist symptomatisch dafür, was er von diesem Thema in Wirklichkeit hält.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Wo ist denn Frau Merkel?)

Gespannt warten Hochschulen und Wissenschaft auf neue Impulse und neue Finanzmittel, damit aus der angekündigten Innovationsoffensive etwas Konkretes wird.

   Heute stellen wir aber fest: Die Innovationsoffensive findet im Bundeshaushalt keinen Niederschlag. Die Orientierung auf Innovationen, die Schröder angekündigt hat, gibt es eindeutig nicht. Für diesen Einzelplan ist gerade einmal eine Steigerung um 2,45 Prozent vorgesehen. Damit ist es einer von 18 Einzelplänen, die ein wenig Aufwuchs erfahren. Eine Konzentration auf Bildung und Forschung hat jedoch nicht stattgefunden. Deshalb spricht der „Spiegel“ von einem „Flop“. Erfolge sind nicht in Sicht. Keines der von Ihnen angekündigten Ziele ist bislang umgesetzt worden. Dieses Scheitern hat ein Gesicht: Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Sie stolpert von einer Niederlage zur nächsten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): So ein Unsinn! Billiger geht es wohl nicht!)

   Auch in der SPD nimmt die Unruhe zu. Der „Berliner Zeitung“ sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz: „Wir sagen überall: Innovationen, Investitionen in die Zukunft. Aber diesem Anspruch werden wir nicht gerecht.“ – Wo er Recht hat, hat er Recht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dazu müssten wir das Geld aus den Subventionskürzungen haben!)

   Im März hat Schröder angekündigt, er habe kein Geld mehr, deshalb müsse man Subventionen aus der Vergangenheit in zukünftige Investitionen umschichten.

   Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, wir unterbreiten Ihnen heute hier ein ganz konkretes, belastbares Angebot. Wir sind bereit, von den Kohlesubventionen, also Subventionen aus der Vergangenheit, einen dreistelligen Millionenbeitrag, genauer gesagt: 300 Millionen Euro, für Investitionen in Bildung und Forschung umzuschichten.

(Jörg Tauss (SPD): Weil ihr wisst, dass das nicht geht, weil die Verträge abgeschlossen sind! – Beifall bei der CDU/CSU – Ulrike Flach (FDP): So wenig?)

Die Alternative ist klar: Vergangenheit oder Zukunft. Wir sind für die Zukunft und wollen hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrike Flach (FDP): Das sind aber wirklich Peanuts! – Edelgard Bulmahn, Bundesministerin: Da haben Sie aber ein großes Geschenk gemacht!)

   Lauthals hat Gerhard Schröder sein Ziel verkündet, die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erhöhen. So weit seine Ankündigung. Die Realität sieht aber vollkommen anders aus; denn mit dem Aufwuchs in Ihrem Haushalt lässt sich dieses Ziel nicht erreichen. Für wie dumm meinen Sie uns eigentlich verkaufen zu können? In Ihrem eigenen Bundesforschungsbericht rechnen Sie vor, dass selbst bei einem Nullwachstum ein Zuwachs in Ihrem Haushalt von 4,3 Prozent nötig wäre. Bei einem Wirtschaftswachstum von 2 Prozent wäre im Haushalt des BMBF ein Zuwachs von 6,4 Prozent notwendig. Davon ist Rot-Grün himmelweit entfernt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Mittlerweile attestieren sogar ihre Kabinettskollegen Frau Bulmahn ein mangelndes Profil. In einer Sitzung des Parteirats der Grünen sagte Bundesumweltminister Trittin:

(Carsten Schneider (SPD): Waren Sie dabei?)

Eigentlich sei es egal, ob man – ich zitiere – „der guten Edelgard“ ein paar Millionen oder Milliarden Euro mehr gebe; in der Bevölkerung erfahre davon ohnehin niemand etwas.

(Jörg Tauss (SPD): Deswegen wollen wir die Öffentlichkeitsarbeit verbessern!)

Niemand kenne die für das Zukunftsressort zuständige Politikerin.

(Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Die haben ja schon in Niedersachsen zusammengearbeitet! Er muss es also wissen!)

So äußerte sich Ihr Kabinettskollege Trittin. Da müssten Ihnen eigentlich die Ohren scheppern.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss (SPD): Und deswegen machen wir jetzt mehr Öffentlichkeitsarbeit! Sehen Sie! – Ute Berg (SPD): So etwas zu sagen, das steht Ihnen überhaupt nicht zu, Sie Schnösel!)

   All das zeigt die Ohnmacht der Ministerin. Frau Bulmahn hat im Bundeskabinett kein politisches Gewicht. In den sechs Jahren ihrer Ministertätigkeit hat sie kein inhaltliches Profil entwickelt und keine Forschungsdebatte durch eigene, kluge Gedanken prägen können. Das ist die bittere Bilanz, die wir ziehen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Auch im vorliegenden Haushalt werden die Weichen falsch gestellt. Die globale Minderausgabe, die im Haushaltsvollzug erwirtschaftet werden soll, ist mit 145 Millionen Euro viel zu hoch angesetzt. Das wird sich zulasten der Projektförderung in den Bereichen Gen-, Nano- und Informationstechnologie auswirken. Die Mittel für die Förderung des Mittelstandes, insbesondere der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen, wurden nicht um 3 Prozent erhöht. Dadurch ist der Mittelstand in eine Innovationsdefensive geraten. Das ist ein Riesenfehler; denn gerade der forschungsnahe Mittelstand ist der entscheidende Wachstumstreiber unserer Volkswirtschaft.

   Die diesjährigen Kürzungen des Bundes beim Hochschulbau in Höhe von 135 Millionen Euro werden auch im nächsten Jahr nicht zurückgenommen. So sieht die Realität des Jahres 2005 aus; sie hat nichts mit der in den Glanzbroschüren Ihres Ministeriums beschriebenen Unterstützung von Spitzenuniversitäten zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich will Ihnen nur eine Zahl nennen: Allein in den neuen Bundesländern besteht ein Bedarf an Neu- und Ausbauten von Hochschulen in einer Größenordnung von 5,74 Milliarden Euro. Davon muss der Bund bis zu 50 Prozent mitfinanzieren. Dieser gesamtdeutschen Unterstützung aller neuen Länder müssen wir uns stellen. Aber was macht die Bundesregierung? Sie stiehlt sich davon und nimmt weitere Kürzungen beim Hochschulbau vor.

   Die Mittel für den DAAD und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung zur Steigerung der Attraktivität unseres Wissenschafts- und Hochschulstandortes im Ausland werden um 3,5 Millionen Euro gekürzt, und dies vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe in einer globalisierten Wissenschafts- und Forschungsgesellschaft.

(Jörg Tauss (SPD): Herr Koch war das! – Gegenruf des Abg. Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): Und Herr Steinbrück!)

   Wie ich von Vertretern der Humboldt-Stiftung höre, ist die Qualität der chinesischen Bewerber im Moment so hoch wie nie zuvor in der Geschichte. Der Hintergrund sind die Restriktionen in den USA – Stichwort: Homeland Security –, die zu einem Ausweichen der wirklichen Topleute in andere Länder führen. Meine Damen und Herren, es wäre eine Riesenchance für Deutschland, wenn wir uns beispielsweise mit einem Sonderprogramm um China kümmern würden. Aber wo sind die Ideen der Regierung? Es gibt keine.

   Der nach dem früheren Nobelpreisträger Wolfgang Paul benannte Forschungspreis für international herausragende Spitzenwissenschaftler, die Trendsetter für innovative Forschungsrichtungen sind, musste mangels Finanzmasse auf Eis gelegt werden. Statt neue Impulse zu setzen, betreibt das BMBF hier Abbau – schade, schade, schade.

   Nicht nur bei den Finanzen sind die Weichen falsch gestellt, sondern auch bei den Inhalten Ihrer Bildungs- und Forschungspolitik. Zu einem völligen Desaster für diese Regierung hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Juniorprofessur geführt. Zutreffend hat das Gericht festgestellt, dass Ministerin Bulmahn durch die Überreglementierung der Juniorprofessur und – das war der entscheidende Punkt – durch die faktische Abschaffung der Habilitation weit in den Zuständigkeitsbereich der Länder hineinregiert und die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes missachtet hat.

Darum ging es, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei ist die Juniorprofessur durchaus geeignet, zu einer Verjüngung des wissenschaftlichen Nachwuchses und dessen früherer selbstständiger Tätigkeit beizutragen. Aber, Frau Bulmahn, es ist alles eine Frage der Ausgestaltung, ob eine Reform Bestand hat oder nicht. Ihr Beharren auf dem Verdrängen der Habilitation und Ihre nicht zu bändigende zentralistische Grundhaltung

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

haben aus einer guten Reformidee einen Scherbenhaufen gemacht; das ist Ihr politisches Versagen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Wie im Karneval!)

Die Bundesländer kommen jetzt in die Situation, dass sie den Schaden und die Unsicherheit, die Sie bei Hunderten Juniorprofessuren verursacht haben, beheben müssen. Dieser Schaden wäre vermeidbar gewesen und ich sage Ihnen, Frau Bulmahn: Dieses Scheitern Ihrer Bildungspolitik vor dem Bundesverfassungsgericht wird immer mit Ihrem Namen verbunden bleiben.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

   Die Debatte um die Juniorprofessur ist ohnehin typisch für die Handlungsweise der Bildungsministerin: eine an sich sinnvolle Grundidee zu einer Glaubensfrage zu machen und sie damit zuschanden zu reiten. So hat auch die „Süddeutsche Zeitung“ geschrieben: „Ihre Absicht war richtig, ihr Eigensinn falsch.“ So geschieht es auch mit den Studiengebühren, aus deren Verbot Frau Bulmahn eine heilige Kuh macht. Ohnehin ist zu erwarten, dass das Verfassungsgericht dieses Verbot aufheben wird.

   Ein anderes Beispiel für falsche Weichenstellungen ist das neue, restriktive Gentechnikgesetz. Die Biotechnologieunternehmen in Deutschland sind fassungslos. Mit dem neuen Gesetz, Ihrem Gesetz, steht die agrarische Gentechnik in Deutschland vor dem Aus. Ein kommerzieller Anbau wird hier nicht mehr stattfinden können. Versuchsfelder in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und hier in der Region sind zerstört worden. Das mittelständische Unternehmen „Kleinwanzlebener Saatzucht“ hat angekündigt, keine Freilandversuche mehr durchzuführen: Die Aktivitäten sollen aus Europa nach Amerika verlagert werden, wo keine Feindseligkeit herrscht – wörtliches Zitat. Die „Union der deutschen Akademien der Wissenschaften“, so berichtet heute die „Welt“, hat in einem Memorandum an alle Abgeordneten dieses Parlamentes appelliert, dieses Gesetz nicht wirksam werden zu lassen. Zitat des Präsidenten der „Union der deutschen Akademien der Wissenschaften“: „Das geplante Gesetz“ – Ihr Gesetz – „ist ein Innovationskiller und Arbeitsplatzvernichter.“ Das ist die Realität Ihrer falschen Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Ihre reaktionäre und forschungsfeindliche Politik vertreibt Know-how und vertreibt gute Wissenschaftler auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik aus diesem Land. Das ist politisch verursachter Braindrain.

   Die Politik dieser Bundesregierung schwächt den Forschungsstandort. Die Halbzeitbilanz Ihres „Jahres der Innovationen“, sie besteht aus Tausenden Seiten Papier, Innovationsräten, Beiräten, einigen Abendessen beim Kanzler und falschen politischen Weichenstellungen. Sie bieten der Bildung und Forschung Abbau, Lustlosigkeit – man sieht es ja geradezu da vorne – und Ideenarmut.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

   Das Stop-and-Go in der Bildungs- und Forschungsfinanzierung zerstört Vertrauen. Bildung und Forschung brauchen aber Verlässlichkeit und Kontinuität. Reglementierungen bei Studiengebühren und Juniorprofessuren ersticken jede Initiative in diesem Land. Wir brauchen aber Luft zum Atmen und die Übergabe von Verantwortung an die Hochschulen. Ihre ideologischen Vorgaben bei Gentechnik und Energieforschung verbauen uns wichtige Marktchancen. Wissenschaft und Forschung brauchen aber Freiheit, Freiheit, Freiheit.

(Lachen bei der SPD)

Deswegen sage ich Ihnen: Freiheit, Kontinuität und Verlässlichkeit – das sind unsere Bausteine für eine lebendige und offensive Bildungs- und Forschungspolitik für unser Land in einer guten Zukunft.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Jörg Tauss, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jörg Tauss (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Themen „Freiheit der Universität“ und „Geisteswissenschaften“ hat der Kollege Loske ja schon das Notwendige gesagt. Herr Rachel, auch die Rede, die Sie gehalten haben, ist so wie auf Ihrer Seite die gesamte Debatte in diesen Tagen: Schlagworte ohne jegliche Substanz, in der Sache an einigen Stellen richtig, aber ansonsten kaum auszuhalten, wenn man die Widersprüche zu Ihrer sonstigen Politik in Betracht zieht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Besonders ärgerlich ist dabei natürlich, dass Sie nicht nur mit Schlagworten arbeiten, sondern zum Teil auch mit Unwahrheiten. Frau Kollegin Seib, ich schätze Sie sehr, aber es geht nicht an, sich hierhin zu stellen und zu sagen „ ‚Jugend forscht’ wird gekürzt“. Das ist einfach nicht wahr. Die Mittel für den Wettbewerb werden nicht gekürzt, sondern erhöht; das ist Fakt.

(Beifall bei der SPD)

Aus diesem Grund habe ich die herzliche Bitte, es mit solchen Aussagen hier nicht zu übertreiben. Wir wissen, wie wichtig es ist, junge Menschen für Naturwissenschaften zu interessieren und zu begeistern. Dazu gehören übrigens sowohl „Jugend forscht“ als auch ein Teil der Aufwendungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, die Sie kritisieren. Es geht dort nicht darum, die guten Leistungen der Regierung zu verkaufen, sondern darum, deutlich zu machen, welchen Stellenwert die Naturwissenschaften im Einstein-Jahr haben, um junge Menschen dazu zu gewinnen, in diesen Bereich zu gehen, in ihm zu lernen und später hoffentlich auch ohne Studiengebühren zu studieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es kamen auch noch Aussagen wie „Die Bundesregierung fördert gewerkschaftsnahe Institute“. Wenn dort gute Arbeit geleistet wird, dann habe ich genauso wenig gegen eine solche Förderung, wie wenn im Bereich der Arbeitgeber gute Leistungen in wissenschaftlichen und organisatorischen Instituten erbracht werden. Sie haben beispielsweise ganz konkret vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation als einem gewerkschaftsnahen Institut gesprochen; das ist hochinteressant. Dieses Institut kümmert sich darum, innovative Dienstleistungen in diesem Land auf den Weg zu bringen. Chef dieses Fraunhofer-Instituts war Professor Bullinger, der zwischenzeitlich Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft geworden ist. Gewerkschaftsnahe Institute? Die Mitarbeiter in diesem Institut werden das mit großem Interesse zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich komme zur Grünen Gentechnik. Sicherlich, Gesetze enthalten Kompromisse. Im Forschungsbereich hätte ich mir das eine oder andere anders vorstellen können. Ich bin aber gespannt, was im Vermittlungsausschuss herauskommt. Vor allem bin ich auf die Abwägung von Bayern gespannt, das in seiner klassischen Manier ja auch die Interessen der Landwirtschaft, die sich für dieses Gesetz ausgesprochen hat, vertritt. Die Haftungsregelungen im Verhältnis der Bauern, die gentechnisch verändertes Material einsetzen wollen, zu den Bauern, die kein gentechnisch verändertes Material einsetzen wollen, müssen klar gemacht werden. Die Bauernverbände standen doch bei uns auf der Matte. Ich bin gespannt, wie sich Bayern im Vermittlungsausschuss verhalten wird und ob die großen forschungsfreundlichen Töne, die Sie hier spucken, dann noch der Realität entsprechen werden. Wir werden den Herrn Stoiber daran messen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir werden ihn – und auch Sie – aber auch noch an ein paar anderen Dingen messen. Schade, dass Herr Stoiber heute nicht da ist. Dafür, dass hier ein Thema behandelt wird, für das sich die Länder angeblich unglaublich interessieren – sie geben das jedenfalls in ihrer Mehrheit vor –, ist die Bundesratsbank bemerkenswert leer. Ich frage mich natürlich, wo sie alle heute sind, da es doch um den Etat für Bildung und Forschung geht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Sie wollen sich Ihren Krampf nicht anhören!)

Wo ist denn der Herr Stoiber, der uns vorgeschlagen hat, wir sollten bitte alle Haushaltstitel konsequent und pauschal um 5 Prozent kürzen, wodurch es den geringsten Ärger gebe?

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bergner?

Jörg Tauss (SPD):

Lieber Kollege Bergner, selbstverständlich lasse ich eine Zwischenfrage von Ihnen zu, zumal mein Vorredner mir einiges an Redezeit weggenommen hat.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sie brauchen es doch nur zu sagen! Sie müssen keinen Kommentar abgeben!)

Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU):

Herr Kollege Tauss, auch wenn Sie in Ihrem Redefluss schon ein ganzes Stück weiter sind, möchte ich folgende Frage stellen.

   Sie haben vorhin die, wie ich finde, etwas merkwürdige Behauptung aufgestellt, Sie hätten diesem Gentechnikgesetz unter dem Druck der Bauernverbände zustimmen müssen.

(Zurufe von der SPD: Nein! – Das hat er so nicht gesagt!)

– Sie haben gesagt, die Bauernverbände standen auf der Matte und haben uns gewissermaßen gezwungen, diese Regelung zu treffen.

(Zurufe von der SPD: Nein!)

   Wenn Sie bereit sind, diesen Quatsch zurückzunehmen, setze ich mich sofort wieder hin.

Jörg Tauss (SPD):

Nein, bleiben Sie ruhig stehen, obwohl ich einen solchen Quatsch nicht gesagt habe.

   Die Bauernverbände hatten mich vor geraumer Zeit einmal eingeladen, bei ihnen eine Rede zu diesem Thema zu halten. Herr Sonnleitner hat gemeint, ich sei ein Sozialdemokrat, mit dem man reden könne. Ich weiß nicht so recht, ob das nun ein Kompliment war oder nicht, aber immerhin.

   Lieber Kollege Bergner, ich komme aus einem ländlich geprägten Wahlkreis. Wir sind aber weiß Gott nicht diejenigen, die vor jedem Lobbyisten einknicken. Das kennzeichnet Sie.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben mit den Bauern selbstverständlich über diese Frage diskutiert. Die Bauern haben in der Tat eine große Sorge. Es geht um die Haftungsregelungen. Das ist auch der eigentlich kritische Teil des Gesetzes.

   Ich kann es nur wiederholen: Sie haben die große Sorge, dass ein Nachbar gentechnisch verändertes Saatgut einsetzt, das auf ihre Wiese herübergeweht wird, wo dann Mutationen entstehen. Das kann beispielsweise dazu führen, dass ein Ökobauernhof das Label nicht mehr erhält, weil plötzlich auch gentechnisch verändertes Material auf seinen Feldern auftaucht. Ich denke, es ist nachvollziehbar und man kann begreifen, dass diese Bauern entsprechende Haftungsregelungen gefordert haben. Diese Haftungsregelungen gehen der Forschung aber zu weit. Die Betreffenden sagen, dass sie aufgrund dessen nicht mehr richtig forschen können.

   Lieber Herr Kollege Bergner, deswegen stehen nicht nur die Bauern, sondern auch die Forschungsorganisationen bei uns auf der Matte. In dieser Gemengelage müssen wir Politik machen.

Dass wir einen grünen Koalitionspartner haben, der sich mit der Grünen Gentechnik trotz des Namens ein wenig schwerer tut als wir, ist noch eine andere Frage. Ich teile die Auffassung der Grünen – bleiben Sie ruhig stehen, Herr Bergner – von gentechnikfreien Zonen nicht ganz. Wir brauchen keine gentechnikfreien Zonen, sondern Zonen, die frei von Verantwortungslosigkeit gegenüber der Gentechnik sind. Das wäre die richtige Antwort auf diese Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Jetzt kommen wir zu den Hochschulen. Unserem lieben und verehrten Kollegen Konditormeister aus Bayern, der so sehr geklatscht hat, als die Zahlen für die Hochschulen erläutert wurden, möchte ich Folgendes sagen. Der Bund hat, ausgehend von 1998 – deshalb frage ich immer nach den Zahlen von 1998 und nehme sie als 100 Prozent –, die Ausgaben für die Hochschulen auf 123 Prozent erhöht. Merken Sie als bildungspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion bitte auf: Das ist eine Differenz in Form eines Plus von 23 Prozent.

(Beifall bei der SPD)

   Schauen wir uns die Zahlen für Bayern an, bei denen wir gar nicht so viel rechnen müssen. In Bayern sind die Zahlen, ausgehend von 1998 – in diesem vermeintlich reichen Land finden im Moment Kürzungsorgien bei den Ausgaben für Hochschulen und Universitäten statt, wie man in den Zeitungen nachlesen kann –, in diesem Zeitraum von 100 auf knapp 103 Prozent gestiegen, genauer gesagt auf 102,9 Prozent. Nochmals: Im Bund war es ein Plus von 23, in Bayern eines von 2,93 Prozent. Mit welcher Chuzpe Sie sich hier hinstellen und uns erzählen, was sich alles in den von Ihnen regierten Ländern tue, ist erstaunlich. Wenn man sich die von mir genannten Zahlen ansieht, stellt man fest, dass Bayern sogar noch unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Liebe Kollegin Seib, vor Ihrer nächsten Rede schauen Sie sich bitte einmal die Zahlen an.

(Beifall bei der SPD – Dr. Uwe Küster (SPD): Dazu muss man lesen können!)

   Weil wir uns heute so schön mit Bayern beschäftigen, komme ich jetzt zum Stoiber-Edmund. Er hat – das habe ich schon einmal gesagt – eine allgemeine Kürzung um 5 Prozent vorgeschlagen. Das hört sich erst einmal nach nicht so viel an. Das Volumen des Etats beträgt etwas über 8 Milliarden Euro. Rechnen wir einmal aus, was eine Kürzung um 5 Prozent bedeuten würde. Das sind, bezogen auf diesen Betrag, etwa 423 Millionen Euro. – Ich sehe gerade, dass Herr Rachel aufsteht. Herr Rachel, wohin gehen Sie denn? Ich komme gleich noch zu Zahlen, die Sie betreffen.

   Zurück zu den 423 Millionen Euro! Das sind 45 Prozent der Ausgaben für den Hochschulbau, liebe Kollegin Reiche, die wir vom Bund eingestellt haben. Das ist trotz der Kürzung, die ich sehr bedauere, mehr, als Sie uns 1998 hinterlassen haben. Liebe Kollegin Reiche, liebe Kollegin Flach, wer hat eigentlich die Vereinbarung über die Hochschulbaufinanzierung gekündigt?

(Ulrike Flach (FDP): Ich nicht!)

Welche Ministerpräsidenten haben sich denn dafür zusammengefunden? Das waren alle 16 Ministerpräsidenten. Sie alle haben erklärt: Wir wollen nicht länger die Hochschulbaufinanzierung durch den Bund. Danach wundern Sie sich, dass Hans Eichel – er hört gerade wieder zu; mir wäre es lieber, er würde solche Dinge gar nicht hören – bei der Aufstellung seines Haushalts dieses Geld, das die Länder nicht mehr wollen, einspart. Das finde ich zwar schade, aber mit Wahrhaftigkeit hat das Verhalten der Länder leider nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der SPD – Ulrike Flach (FDP): Das ist aber sehr simpel, Herr Tauss!)

45 Prozent Kürzungen allein beim Hochschulbau hat der Stoiber-Edi also vorgeschlagen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das ist immer noch der bayerische Ministerpräsident!)

– Selbstverständlich ist es der Herr bayerische Ministerpräsident. Aber ich kenne ihn auch aus den Bierzelten gut. Für mich ist das der Stoiber-Edi.

   Seine Forderung nach einer Kürzung um 5 Prozent lässt sich auch auf das BAföG beziehen. Es geht um 423 Millionen Euro. Das ist ein Drittel der BAföG-Förderung des Bundes. Wollen Sie das?

   Eine andere Forderung von Ihnen ist die nach Studiengebühren. Diese sind im Übrigen – das haben wir überprüft – mittelstandsfeindlich. Die Kürzung des BAföGs wäre nicht einmal ein zentrales soziales Problem – das könnte man noch verkraften –, aber mit Gebühren würden Sie die Kinder aus dem Mittelstand, die heute noch studieren können, von den Hochschulen vertreiben. Das zeigt sich in allen Ländern mit Studiengebührenmodellen.

(Marion Seib (CDU/CSU): Das ist doch Unfug, Herr Kollege! Von welchem Studiengebührenmodell sprechen Sie denn?)

Darüber sollten Sie einmal nachdenken. Aber hier können Sie weder uns noch der Ministerin einen Vorwurf machen.

   Eine Kürzung um 423 Millionen Euro – so wie sie Herr Stoiber vorschlägt – hieße, Frau Reiche, eine Kürzung um 10 Prozent bei den Forschungsorganisationen. Das bedeutete keinen Aufwuchs von 3 Prozent, wie wir es Jahr für Jahr machen, sondern eine Kürzung um 10 Prozent bei allen Forschungsorganisationen inklusive dem Max-Planck-Institut in Bayern. Wenn Sie diese Kürzung wollen, dann müssen Sie auch den Mut haben, dem Max-Planck-Institut in Bayern mitzuteilen: Wir kürzen euch aufgrund eines Vorschlages von Herrn Stoiber die Mittel um 10 Prozent.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir könnten auch die Projektförderung des Bundes um 20 Prozent kürzen. Aber Sie haben hier eine Forderung nach der anderen aufgereiht, um uns zu beweisen, wie notwendig eine Ausweitung der Projektförderung sei. Ein Minus von 5 Prozent in diesem Bereich hieße, dass 20 Prozent aller Projekte nicht mehr möglich wären und auch laufende Projekte abgebrochen werden müssten.

Was immer Sie auch aus diesem Katalog herausgreifen: Dieser Vorschlag bedeutet in jedem Fall die Ankündigung eines Kahlschlags, der eine Katastrophe für den Forschungsstandort Deutschland nach sich zieht. Das muss man dem Herrn bayerischen Ministerpräsidenten ins Stammbuch schreiben. Aber er ist im Gegensatz zu Ihnen wenigstens ehrlich. Sie behaupten ja noch, es seien Aufwüchse in beliebiger Höhe möglich. Er sagt wenigstens das Gegenteil. Aber das, was er sagt, machen wir nicht, und das, was Sie sagen, können wir leider nicht. Zur Eigenheimzulage kommen wir noch.

   Jetzt kommen wir zur Juniorprofessur. Frau Reiche, dass Sie sich hier hinstellen und sich freuen, dass das Bundesverfassungsgericht mit knapper Mehrheit so entschieden hat, hat mich nicht gewundert. Ich muss ehrlich sagen: Mir wurde es als Kind auch immer schlecht, wenn ich im Auto sitzen musste. Es gibt nun einmal Leute, die keine Bewegung aushalten. Sobald sich etwas bewegt, wird ihnen schlecht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das ist nicht nur das Problem von Frau Reiche, sondern von allen, wie sie hier sitzen. Sobald sich im Land etwas tut, sobald sich etwas bewegt, bekommen sie einen Reflex, weil es keine Tabletten dagegen gibt. Sie überlegen dann, wie sie blockieren können, wie sie vor Gerichte ziehen, wie sie verhindern, wie sie zerstören und wie sie kaputtmachen können. Das ist Ihre Politik und das machen Sie auch in der Forschungs- und Bildungspolitik. Das ist unverantwortlich und nicht mehr akzeptabel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hat denn die Wissenschaftsministerin geklagt? Es waren doch Ihre Länder, die vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind und dieses Ergebnis erzielt haben. Es sind Ihre Länder gewesen, die den Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern dadurch die Perspektive in diesem Land verbaut haben. Wir und diese Ministerin sind es gewesen, die alle Tausend Juniorprofessoren, die wir zwischenzeitlich haben, angeschrieben und gesagt haben: Verlasst bitte nicht Deutschland! Verlasst euch auf uns, auf die Bundesregierung!

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Schimpft nicht allzu sehr auf die CDU! Geht nicht ins Ausland! Bleibt hier! Wir versuchen jetzt, eine Lösung mit den Bundesländern herbeizuführen.

   Dann haben wir mit den Bundesländern verhandelt. Das hat diese Ministerin getan. Man höre und staune, sie hat eine Einigung mit den Ländern erzielt. Aber dann kamen Ihre Ministerpräsidenten und haben gesagt: Was nicht sein kann, darf nicht sein. Sie haben diese Vereinbarung gekippt und gesagt, sie müssten erst einmal gründlich bedenken, wie sie in dieser Frage weiter vorangehen könnten. Der Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg, Frankenberg, hat für die Unionsländer gesagt, er brauche noch bis zum 30. September Zeit, um darüber nachzudenken, was die Folgen des Urteils seien. Das muss man sich einmal vorstellen!

(Dr. Uwe Küster (SPD): Ein großer Denker!)

Diese Leute behaupten, sie wollten die alleinige Verantwortung für die Hochschulen in diesem Lande haben. Es geht noch nicht einmal um Inhalte, sondern es geht darum, ihre Eitelkeiten zu befriedigen. Das ist es.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben dankenswerterweise gesagt, dass es nur um die Eitelkeit geht, weil sie auf irgendeiner Pressemitteilung nicht aufgeführt waren. Das ist unerträglich.

   Frau Pieper brauche ich mich nicht zuzuwenden, da sie leider nicht mehr da ist. Sie wollte die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse bei dieser Gelegenheit kippen. Das will ausgerechnet jemand aus Sachsen-Anhalt. Ich will die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Land nicht kippen. Das sage ich Ihnen deutlich. Wenn ein Kind das Pech hat, in Sachsen-Anhalt unter einer CDU-FDP-Regierung auf die Welt zu kommen, dann will ich nicht, dass es schlechtere Lebensverhältnisse hat als irgendwo anders in der Republik. Das ist ganz klar.

(Beifall bei der SPD – Thomas Rachel (CDU/CSU): Ihre billige Polemik ist nicht mehr zu überbieten!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, ich weiß, dass Sie für Bewegung sind. Ich muss Sie trotzdem in Ihrem Temperament zügeln. Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.

Jörg Tauss (SPD):

Liebe Frau Präsidentin, ich habe ungefähr noch fünf Seiten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Noch stundenlang!)

Deshalb lassen wir die Eigenheimzulage.

   Hören Sie auf,

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Hören Sie auf!)

uns zu sagen: Mehr Geld! – Machen Sie mit, wenn es darum geht, mehr Geld für Bildung und Forschung zu akquirieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das Geld richtig einzusetzen ist wichtig!)

Dann haben Sie uns und den Finanzminister an Ihrer Seite. Sie wollen in Wirklichkeit nur Investitionen in die Vergangenheit, Gartenzwerge statt Innovation, aber das ist nicht unsere Politik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

   Wir kommen damit zur Schlussrunde. Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Bundesfinanzminister, Hans Eichel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 124. Sitzung – wird am
Montag, den 13. September 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15124
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