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Mai 04/1999
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ANHÖRUNG DES INNENAUSSCHUSSES

Sachverständige bewerteten künftiges Ausländerrecht unterschiedlich

(in) Bei unterschiedlicher Bewertung des von Abgeordneten der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurfs zur Reform des Staatsangehörigkeitsrecht (14/533) sowie des Gesetzentwurfs der CDU/CSU­Fraktion zur Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts (14/535) waren sich am 13. April Sachverständige aus der Wissenschaft, der Kirchen sowie der kommunalen Spitzenverbände vor dem Innenausschuß darin einig, daß das bisherige Staatsangehörigkeitsrecht reformiert werden müsse.

Die Experten nahmen außer zu den Gesetzentwürfen auch zu Anträgen der CDU/CSU­Fraktion für ein modernes Ausländerrecht (!4/532) und Integration und Toleranz (14/534) Stellung. Dabei stellten Wissenschaftler fest, daß das Optionsmodell grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar ist. Professor Dr. Kay Hailbronner, Konstanz, sah im Territorialprinzip (ius soli) keinen Verstoß gegen die Verfassung, sowohl, was die auflösungsbedingte Staatsbürgerschaft, die unbeschränkt und unbedingt sei, betrifft, als auch hinsichtlich der geforderten Entscheidung bei Erreichen der Volljährigkeit.

Es verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit genommen wird, wenn keine Entscheidung oder aber eine für beide Angehörigkeiten gemacht werde, soweit die Aufgabe der anderen Staatsangehörigkeit möglich und zumutbar ist. Allerdings gebe es im einzelnen noch "Ungereimtheiten", die aber die Verfassungsmäßigkeit nicht beeinträchtigten.

Völkerrechtlich einwandfrei

Professor Dr. Christoph Gusy, Bielefeld, verwies darauf, daß die Option ein tradiertes Mittel sei, das sich auch in völkerrechtlichen Verträgen finde. Der interfraktionelle Entwurf gewähre nach allgemeinen Grundsätzen Rechtsschutz, es sei jedoch besser, wenn im Gesetz Rechtsklarheit verankert werde.

Der internationale Aspekt kam auch zur Geltung, als Professor Dr. Kees Groenendijk, Nijmwegen, begrüßte, daß Deutschland mit den geplanten Änderungen einen Beitrag zur Konvergenz leiste. Am Beispiel der Niederlande sagte er, daß die Erleichterung der Einbürgerung eine deutliche Botschaft an die Einheimischen gewesen sei. Mehrstaatigkeit habe keine Beeinträchtigung des Zusammenlebens gebracht. Sie sei übrigens für die im Ausland lebenden Deutschen durchaus von Vorteil.

Dr. Günter Renner, Vorsitzender Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof, betonte in seiner Stellungnahme, daß bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit völkerrechtlich gegen eine Vermischung von Abstammungsrecht (ius sanguinis) und Territorialprinzip nichts einzuwenden ist. Renner plädierte für Verbesserungen der interfraktionellen Vorlage hinsichtlich der Verlustgründe. Wie auch Hailbronner sah er in den unbestimmten Rechtsbegriffen Schwierigkeiten beim Vollzug des neuen Rechts. Auf deren verwaltungsmäßigen Aufwand und die zu erwartenden Schwierigkeiten mit ausländischen Behörden hatten die Kommunalen Spitzenverbände hingewiesen.

In der Einführung des ius soli sah Professor Dr. Peter Badura, München; einen neuen Tatbestand, der eine Staatsbürgerschaft minderen Rechts schaffe, was verfassungsrechtlich bedenklich sei. Der Gesetzgeber dürfe das Staatsbürgerschaftsrecht "nicht beliebig" regeln. Die Hinnahme von Mehrstaatigkeit, wie sie im interfraktionellen Entwurf vorgesehen sei, verstoße gegen den Grundsatz der Ausschließlichkeit der Staatsangehörigkeit. Verfassungsrechtlich zweifelhaft sei die Gewährung der Staatsbürgerschaft durch Geburt im Inland ohne die Garantie der dauerhaften Zuwendung zu Deutschland.

Entwurf verfassungswidrig

Unterstützt wurde er von Professor Dr. Josef Isensee, Bonn, der insbesondere in den Verlusttatbeständen die Grenze zum verbotenen Entzug der Staatsbürgerschaft überschritten und damit den Entwurf für verfassungswidrig ansah. Er unterstützte wie Badura den Gedanken im Entwurf der CDU/CSU, daß den Kindern von Ausländern eine Zusicherung zur Einbürgerung mit dem Volljährigkeitsalter gewährt werden solle. Das sei verfassungsrechtlich "sicher".

Isensee meinte auch, daß mit den Regelungen über die Einbürgerung Mehrstaatigkeit eingeführt werde. Professor Dr. Peter M. Huber, Jena, erläuterte seine Bedenken gegen den interfraktionellen Entwurf unter Hinweis auf die bedingte Staatsbürgerschaft bis zum 23. Lebensjahr und mögliche Mißbräuche, vor allem auf die generelle Unzulässigkeit des ius soli­Prinzips und den möglichen Entzug gegen den Willen des Betroffenen.

Neuerung nicht weit genug

Als nicht weit genug gehend charakterisierte Mehmet Tanriverdi von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände die Gesetzentwürfe. Dem interfraktionellen Entwurf sei der Kompromißcharakter anzusehen. Wichtig sei für die Integration die Einbürgerung, weil sie gesellschaftspolitische Ungleichheiten zu Lasten der Migranten beseitige. Für Dr. Elcin Kürsat­Ahlers, Hannover, ist die Ablehnung genereller Mehrstaatigkeit ein "historischer Fehler".

Professor Dr. Friedrich Heckmann, Bamberg, sah in der Einbürgerung einen wichtigen Teil des Konzepts zur Integration, wobei das ius soli einen wesentlichen Fortschritt darin bedeute. Wichtig sei die Offenheit der Gesellschaft für die Integration. Der interfraktionelle Entwurf sei dafür ein Angebot. Anders beurteilte die Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts Professor Josef Schmid, Bamberg. Optionsmodell und Integration schlössen sich aus. Es sei auch eine unrichtige Vermutung, die Integration könne durch das ius soli erreicht werden. Der Würzburger Politikwissenschaftler Professor Dr. Paul­Ludwig Weinacht lenkte in seiner Stellungnahme den Blick auf die aufnehmende Gesellschaft. Von der evangelischen und katholischen Kirche wurden die vorgesehenen Änderungen begrüßt, zumal darauf verwiesen wurde, daß schon 1977 Erleichterungen gefordert wurden und beide Kirchen gemeinsam Stellung bezogen hätten, denn es gehe darum, den ausländischen Mitbürgern zu helfen, in Deutschland zu leben.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9904/9904028
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