tagesläufe
Weil der Tag nur 24 Stunden hat
Ein langer Sitzungstag und trotzdem noch zu
kurz für die CDU-Abgeordnete Martina Krogmann. Die
Gleichzeitigkeit von Ereignissen zwingt dazu, manche Rechnung neu
zu schreiben.
Um 7.40 Uhr betritt die CDU-Abgeordnete Martina Krogmann die
Bremer Landesvertretung in der Hiroshimastraße. Sie trägt
einen dunklen Hosenanzug mit feinen Nadelstreifen, eine weiche
hellbraune Bluse, einen cremefarbenen Trenchcoat, silbernen Schmuck
und eine große dunkle Handtasche, die sie im Laufe des Tages
ein wenig Zeit kosten wird. Ihre langen blonden Haare liegen vorn
über der linken Schulter, so, dass sie manchmal den Kopf ein
wenig neigt, als solle er das Gewicht ausgleichen.
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07.40 Uhr: Bremer Landesvertretung. |
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Martina Krogmann in der Bremer
Landesvertretung. |
Martina Krogmann ist wach, gespannt und strahlt eine
fröhliche Offenheit aus, die wie ein Gesprächsangebot
wirkt. Der Tag hat begonnen, und sie hat es pünktlich von
Charlottenburg zu ihrem ersten Termin geschafft, der zu dieser
Jahreszeit noch in die blaue Morgenstunde fällt. Im Saal der
Bremer Landesvertretung werden mithilfe eines Kaffeewagen, der die
Geräusche einer Schlagbohrmaschine macht, noch Tische für
die eingedeckt, die hier einige Minuten später miteinander
reden werden. "Arbeitskreis Küste" nennt sich die Runde und
tagt in jeder Sitzungswoche zur gleichen Zeit. Vielleicht ist
Martina Krogmann, 36 Jahre alt, aus Stade in Niedersachsen,
Doktorin der Philosophie, Journalistin und
Politikwissenschaftlerin, sprachbegabt und weltkundig noch dazu, ja
eine heimliche Anhängerin der Seefahrt.
So schön diese Erklärung klingt, sie trifft nicht ganz
ins Schwarze. Dem "Arbeitskreis Küste" gehören alle
CDU-Abgeordneten des Bundestages an, die aus Hamburg, Bremen,
Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern
kommen. Sie dis-kutieren über die Entwicklung ihrer
Heimatregionen, analysieren Probleme, erarbeiten parlamentarische
Initiativen und Gesetzentwürfe, hören denen zu, die dort
arbeiten, leben oder forschen. An diesem Donnerstag ist der
Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder zu Gast.
Es geht um Tonnagesteuer, die Entwicklung der deutschen
Handelsflotte, den Nord-Ostsee-Kanal, Lotsen, die Betriebskosten
von Handelsschiffen, die Löhne der Seeleute, ausländische
und inländische Schiffsregister. Es geht also richtig zur
Sache.
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Martina Krogmann in der Plenarsitzung. |
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09.35 Uhr: Plenarsitzung. |
Die Abgeordnete Krogmann sitzt an der Stirnseite des Tisches, so
dass man sie an diesem Morgen meist im Profil sieht, denn immer ist
ihr Blick dem Vortragenden, der neben ihr sitzt, zugewandt. Im
Laufe dieses langen Tages wird sich herausstellen, dass dies ganz
charakteristisch für sie ist: So zuzuhören – mit
Blickkontakt, den Oberkörper leicht nach vorn geneigt, so dass
Distanzen nur schwer entstehen können, hochkonzentriert und
immer neugierig. Die Neugier, wird man nach diesem langen Tag sagen
können, ist ein Wesenszug von Martina Krogmann.
Nach einer guten Stunde ist man im "Arbeitskreis Küste"
fertig und um einiges klüger.
Martina Krogmann will ins Plenum. Es muss schnell gehen, denn
debattiert wird ihr Thema: Europa. Das fand sie schon immer
spannend, das wollte sie schon lange machen. Sie ist Mitglied im
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
und Europabeauftragte im Wirtschaftsausschuss.
Jetzt soll es schnell gehen von der Hiro-shimastraße zum
Reichstag, aber das ist eine Rechnung, die in Berlin ohne den Wirt
gemacht ist. Der Fahrer muss sich dem Parlamentsgebäude in
konzentrischen Kreisen nähern – Staus,
Straßensperren, Baustellen, Umleitungen.
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10.40 Uhr: Büro in der Friedrichstraße
83. |
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Martina Krogmann im Büro in der
Friedrichstraße 83. |
Martina Krogmann rutscht unruhig hin und her und kramt in der
Handtasche. "Mein Telefon", sagt sie, "hab ich mein Telefon
vergessen?" Die Tasche ist so groß, dass die Frage nicht ohne
Weiteres beantwortet werden kann. Da ist das Telefon und die
Möglichkeit, schnell zwei Anrufe mit dem Büro zu
erledigen. 9.35 Uhr sitzt die Abgeordnete im Plenum und hört
zu.
Um 10.40 Uhr muss sie kurz ins Büro. Dort kann sie bis kurz
vor zwölf bleiben, denn um zwölf hat sie ein
Gespräch mit einem Vertreter von der Französischen
Botschaft. Man wird unter anderem über die Regierungskonferenz
in Nizza reden. Aber erst einmal ins Büro in die
Friedrichstraße 83, wo zwei Mitarbeiterinnen und ein
Praktikant auf sie warten.
Die erste Nachricht ist eine schlechte: Die für 13 Uhr
geplante "Gruppe der Frauen der CDU" zum Thema Teilzeitarbeit
fällt aus. "Schade", entfährt es Martina Krogmann, "das
hätte ich früher wissen müssen, dann wäre das
Treffen mit Jungjournalisten doch noch möglich gewesen. Das
ärgert mich", sagt sie und eine kleine steile Falte zwischen
den Augenbrauen zeichnet den Ärger nach.
Eine halbe Stunde klärt sie Termine. Eine Tagung in
Brüssel wird durchgesprochen, an der sie teilnehmen will, eine
Tagung zum Thema Mittelstand folgt. Was braucht sie noch an
Zuarbeiten? "Ich bin fit", sagt Martina Krogmann. "Ich bin im
Thema." Ein Termin beim Landvolk, eine Anfrage, ob sie einen
Vortrag auf einem Internetforum halten kann, ein Interviewwunsch
der "Harburger Rundschau" – Halbzeitbilanz der Abgeordneten
Krogmann. "Ach ja", sagt sie, "das ist doch spannend, das mach ich
gern."
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Martina Krogmann beim Abschiedsfest in der
Mauerstraße. |
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18.30 Uhr: Abschiedsfest in der
Mauerstraße. |
Die evangelische Kirche in Stade möchte, dass Frau Krogmann
ein Eröffnungsreferat zum Thema "Bilanz Rot-Grün"
hält. Die Frauenunion will die Abgeordnete am 22. November in
Osnabrück-Land begrüßen können. Dort geht es um
"Zukunft der Arbeit". Und vielleicht könnte die Abgeordnete
auch etwas früher kommen, um zwei Betriebe zu besichtigen.
"Mach ich", sagt Martina Krogmann, "aber bitte Betriebe, wo es
wirklich um konkrete Probleme geht, wo ich was tun kann. Keine
Repräsentationstermine, ja." Zwei dringende Rückrufe sind
noch notwendig, jetzt sofort. Die wird sie gleich erledigen. Viele
Terminanfragen kommen im Schnitt an einem Tag ins Büro
Krogmann. Sie entscheidet über jede einzelne, wägt ab,
ist manchmal verärgert, weil der Tag nur 24 Stunden hat und
die beste Terminplanung daran nichts ändert.
Martina Krogmann muss weg, ins Reichstagsgebäude. Wie
läuft der Tag weiter? Ein Treffen der jungen CDU-Abgeordneten
steht auf dem Plan. "Wir nennen uns die Einsternträger", sagt
sie augenzwinkernd, "weil wir alle hier die erste Wahlperiode im
Bundestag absolvieren." Rand-Europe eröffnet ein Berliner
Büro und möchte Frau Krogmann gern zu Gast haben. Eine
junge Mitarbeiterin, Referentin der Jungen Gruppe, gibt um 18 Uhr
ihren Abschied. Sie hört auf und geht nach Bonn. Da will
Martina Krogmann unbedingt hin – und wenn es nur ein paar
Minuten sind, denn sie haben gut zusammengearbeitet in den
vergangenen zwei Jahren. Die Tschechische Botschaft lädt ab 18
Uhr zum Empfang anlässlich des Nationalfeiertages der
Republik. Da darf sie auf keinen Fall fehlen. Sie befasst sich im
Ausschuss mit Osterweiterung, und vor allem Tschechien liegt ihr am
Herzen. Die Bundestagsdebatte wird an diesem Tag lange dauern,
wahrscheinlich bis Mitternacht. Abends steht noch ein Arbeitsessen
mit der Fraktionsführung auf dem Programm. Was will sie tun?
Was wird sie tun?
Es kommt alles ein bisschen anders und die besten Pläne
werden von der Realität ad absurdum geführt.
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19.35 Uhr: Empfang in der Tschechischen
Botschaft. |
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Martina Krogmann beim Empfang in der Tschechischen
Botschaft. |
Der Termin mit dem Vertreter der französischen Botschaft
klappt. Sie kann danach noch einige Dinge im Büro erledigen,
Post durchgehen, Briefe aus dem Wahlkreis beantworten und die
monatlich erscheinende Kolumne in der Bremervörder Zeitung
schreiben. Sie sitzt im Plenum, als die Dis-kussion zum Thema
"Pofalla" beginnt. Ihre Fraktion hat einen Antrag zur Abstimmung
eingebracht, mit dem sie fordert, der Bundestag möge das
Bundesverfassungsgericht anrufen, um prüfen zu lassen, ob das
Land Nordrhein-Westfalen seine Sorgfaltspflicht bei der Aufhebung
der Immunität des Abgeordneten Pofalla verletzt hat. Die
Diskussion ist emotional und streitbar. Die Abstimmung endet mit
einer Niederlage für die CDU/CSU.
Der Zeitplan der Abgeordneten Krogmann ist ein wenig ins
Rutschen gekommen. Um 17.15 Uhr wartet das Auto vor dem Reichstag,
um sie zu Rand-Europe zu bringen. Kurz vorher bekam sie einen Anruf
aus dem Wahlkreis: Weitere Gelder für den ersten Teilabschnitt
der für den Landkreis Stade wichtigen Autobahn A 26 werden
bereitgestellt. Seit zwei Jahren kämpft Martina Krogmann
dafür, dass die A 26 weitergebaut werden kann. "Endlich ein
positives Signal für unsere Region. Nach der Entscheidung, das
Kernkraftwerk Stade frühzeitig stillzulegen, ist das dringend
notwendig." Um 17.30 – eine viertel Stunde zu spät
– steigt sie ins Auto.
Rand-Europe ist nicht mehr zu schaffen. Also hin zum
Abschiedsfest der Referentin. Zwanzig Minuten bleiben dort. Viel zu
wenig, viel zu kurz. Draußen steht schon das Auto, um die
Abgeordnete in die Tschechische Botschaft zu fahren. Der Empfang
ist ein richtiger Empfang. Mit Essen und Trinken und Reden und
Musik und Schalen für Visitenkarten und langen Kleidern und
schwarzen Anzügen und Licht und Spiegeln. Viel Zeit für
das schöne Ambiente bleibt der Abgeordneten Krogmann nicht.
Sie muss bald zurück in den Reichstag, zum Arbeitsessen, und
danach ins Plenum. Sie lächelt. Alles im normalen Bereich,
signalisiert sie. Man muss eben flexibel sein.
Kathrin Gerlof