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Dezember 12/2000
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tagesläufe

Schnell denken, schnell reden, gut planen

Der F.D.P.-Abgeordnete Dirk Niebel legt schon am Montag ein gutes Tempo vor – dann ist eine erfolgreiche Sitzungswoche garantiert.

09.00 Uhr: Abgeordnetenbüro.
09.00 Uhr: Abgeordnetenbüro.
Dirk Niebel im Abgeordnetenbüro.
Dirk Niebel im Abgeordnetenbüro.
Dirk Niebel im Abgeordnetenbüro.
Dirk Niebel im Abgeordnetenbüro.
Dirk Niebel im Abgeordnetenbüro.

Aufgestanden ist er zeitig am Morgen. Und spät ins Bett gekommen am Abend zuvor. Radio hat er gehört – Nachrichten, die schneller sind, als jede Tageszeitung sein kann. Gut informiert und gut gelaunt kommt er ins Büro. Man kann vermuten, es war ein Tagesanfang, wie er ihm gefällt. Mit der Hoffnung vielleicht, dass das Wetter hält, was die Nachrichten versprachen: Sonne.

"Kein Frühstück vor zehn", sagt der Abgeordnete Dirk Niebel und rückt Stühle in seinem kleinen Bürozimmer zu einem provisorischen kleinen Kreis zusammen. "Das bekäme mir wirklich nicht gut." Er zieht das grüne Jackett aus und legt mit einem kleinen Augenzwinkern die Hand auf den Bauch. Aber da man, um ihm ins Gesicht zu sehen, den Kopf leicht in den Nacken legen muss, kann diese kleine Geste nur am Rande wahrgenommen werden.

Eine neue Woche, ein noch graublauer Montag. Der Abgeordnete Niebel ist am Abend zuvor mit dem Flugzeug aus Augsburg angereist. Landung in Tempelhof, Fahrt in die Wohnung am Rosa-Luxemburg-Platz, letzte Vorbereitungen für die anstehende Sitzungswoche, in der die zweite Lesung des Bundeshaushaltes 2001 stattfindet, der neue Verkehrsminister vereidigt und ganz gewiss über BSE debattiert wird.

Dirk Niebel im Fraktionsarbeitskreis.
Dirk Niebel im Fraktionsarbeitskreis.
Dirk Niebel im Fraktionsarbeitskreis.
Dirk Niebel im Fraktionsarbeitskreis.
Dirk Niebel im Fraktionsarbeitskreis.
10.27 Uhr: Fraktionsarbeitskreis.
10.27 Uhr: Fraktionsarbeitskreis.

Warum Dirk Niebel, geboren und aufgewachsen in Hamburg und wohnhaft in Heidelberg, aus Augsburg angereist kommt? Am Sonntag vor diesem Montag ist er zum Vizepräsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gewählt worden. Als stellvertretender Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe wird er sich an diesem Montag Mittag mit einem Vertreter der israelischen Botschaft treffen. Aber erst in ein paar Stunden, wenn ein Teil der Büroarbeit erledigt und die Besprechung im Arbeitskreis III der F.D.P.-Fraktion beendet ist.

Jetzt ist es gleich neun. Der Abgeordnete Niebel hat sich einen dicken Stapel Akten und Papiere aus seinem Wahlkreis mitgebracht und bespricht zuerst einmal mit seiner Mitarbeiterin die laufende Woche. Als arbeitsmarktpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist er ein gefragter Mann in so einer Haushaltswoche.

Wird er reden? Wahrscheinlich – oder zumindest eine Rede vorbereiten für die Fraktion. "Ich rede gern", sagt Dirk Niebel, "und ich rede frei. Ich habe vor einiger Zeit einen Antrag zur Stärkung der freien Rede ins Plenum eingebracht, über den eine halbe Stunde diskutiert worden ist. Es gab je Fraktion drei Minuten pro und drei Minuten kontra freie Rede. Klar, man kann nicht alles ohne Manuskript machen, aber die freie Rede belebt doch jede Debatte. Nun habe ich aber auch eine Selbstbindung, frei zu reden. Zum Glück rede ich wirklich gern und am liebsten eben frei. Nur zu schnell, das sagen mir alle. Da muss ich aufpassen."

12.15 Uhr: Restaurant im Reichstagsgebäude.
12.15 Uhr: Restaurant im Reichstagsgebäude.
Dirk Niebel im Restaurant
Dirk Niebel im Restaurant
Dirk Niebel im Restaurant
Dirk Niebel im Restaurant
Dirk Niebel im Restaurant.

Ob das mit dem Aufpassen klappt, ist fraglich. Der Abgeordnete Niebel schafft es, in einem Idiom, das nicht mehr Hamburg und noch nicht Heidelberg ist, in drei Minuten zu sagen, wofür andere vielleicht zehn brauchen – nur weil sie langsamer intonieren. Dabei lächelt er absolut unschuldig, macht ausholende Bewegungen mit den Händen und zwingt seine Gesprächspartner zu höchster Konzentration. Das ist wahrscheinlich auch sein Ziel.

Um halb zehn ist Dirk Niebel mit seinen Mitarbeiterinnen die Schwerpunkte der Woche durchgegangen. Dabei geht er durch den Raum, bewegt sich zwischen den Schreibtischen, will noch nicht stillsitzen. Niemand wird nervös – so ist er eben. Die Mitarbeiterin hat alle Termine im Kopf, notiert, gibt dem noch Ungeordneten eine Ordnung. Danach kann sich der Abgeordnete Niebel an seinen Schreibtisch setzen, um bis zum ersten Termin die ersten und dringendsten Angelegenheiten vom großen Stapel abzuarbeiten. Einige Termine für diesen Tag werden gestrichen, so die Teilnahme am Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik. Dirk Niebel ist Stellvertreter seiner Fraktion im Verteidigungsausschuss: "Wir sind ja noch nicht so viele, deshalb muss die gleiche Arbeit auf weniger Schultern verteilt werden. Die derzeit noch größeren Fraktionen", sagt er und grinst ein wenig, "haben es da leichter."

Eine Stunde bleiben ihm vorerst für Büroarbeit. Eine Presseerklärung für die Zeitungen im Wahlkreis muss geschrieben werden. Außerdem beschäftigt ihn ein Problem, das die Neustrukturierung der Zollämter in seiner Heimatregion betrifft. "So, wie die das jetzt planen, kann es nicht funktionieren. Das hat zu wenig Logik." Der Abgeordnete Niebel wird sich damit befassen und überlegen, was man tun kann, um der Logik zum Sieg zu verhelfen.

Dirk Niebel beim Treffen mit Vertreterin des Bundesverbandes Junger Unternehmer.
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Dirk Niebel beim Treffen mit Vertreterin des Bundesverbandes Junger Unternehmer.
Dirk Niebel beim Treffen mit Vertreterin des Bundesverbandes Junger Unternehmer.
Dirk Niebel beim Treffen mit Vertreterin des Bundesverbandes Junger Unternehmer.
Dirk Niebel beim Treffen mit der Vertreterin des Bundesverbandes Junger Unternehmer.
14.03 Uhr: Treffen mit Vertreterin des Bundesverbandes Junger Unternehmer.
14.03 Uhr: Treffen mit Vertreterin des Bundesverbandes Junger Unternehmer.

Um 10.30 Uhr beginnen die Beratungen im Raum 147 in der Dorotheenstraße 93 des Fraktionsarbeitskreises III mit dem langen Titel "Arbeits- und Sozialpolitik, Gesundheitspolitik, Familien-, Frauen- und Jugendpolitik". Sieben Abgeordnete und deren Mitarbeiter planen die Woche und langfristig zu organisierende Termine. Vorab ein kurzes Gespräch mit der Vorsitzenden des Arbeitskreises, Irmgard Schwaetzer. "Du wirst Freitag reden", kündigt sie dem Abgeordneten Niebel an. "Das wird knapp", sagt der, "ich muss am Nachmittag nach Basel fliegen. Ich habe abends eine ganz wichtige Veranstaltung. Vielleicht bereite ich die Rede vor, und jemand anders muss sie halten." Das ginge zur Not, einigt man sich – Termine sind Termine. Die Sitzung des Arbeitskreises geht zügig vonstatten. Nach einer Stunde ist die Tagesordnung geschafft, sind die Aufgaben, die Redezeiten verteilt, starten alle mit klarem Plan in die Woche. Die Effizienz der kleinen Arbeitsgruppe kommt dem Abgeordneten Niebel sehr entgegen: Noch einmal ins Büro, noch einmal einen kleinen vom großen Stapel wegarbeiten, ehe er sich zum Treffen mit Herrn Livne – 12.15 Uhr, Reichstag, Restaurant – aufmacht.

Dirk Niebel ist fünf Minuten vor der Zeit da. Das genügt für einen Schnelldenker und Schnellsprecher wie ihn, einen Kurzvortrag über sich und Israel zu halten: "Ich habe zwei Jahre als freiwilliger Helfer in einem Kibbuz gearbeitet. Das ist eine sehr wichtige Zeit für mich gewesen. Meine Beziehung zu Israel ist stark emotional geprägt. In Situationen wie diesen, da die politische Lage wieder eskaliert, merke ich das besonders. Ich habe mir damals aus dem Kibbuz eine kleine Hündin mitgebracht", verrät er kurz am Rande, "die ist sechzehn Jahre alt geworden, meine Kinder haben sie geliebt." Und wieder zum Thema nach dem kleinen Einschub: "Ich bemühe mich, kontinuierlich Kontakt mit Vertretern der Botschaft Israels und anderen zu halten, auf dem Laufenden zu bleiben. Solche Gespräche wie dieses heute, sind dafür unabdingbar."

Das Prinzip ist einfach und schwer zugleich: Informationen sammeln, mit kompetenten Menschen über Sachthemen diskutieren, sich die Meinung anderer anhören, an der Praxis prüfen, was man im Bundestag tut, systematisieren, Schwerpunkte setzen, in der parlamentarischen Arbeit umsetzen, was auf diese Art und Weise an Erkenntnissen gewonnen wurde.

Dirk Niebel in der Fraktionssitzung.
16.05 Uhr: Fraktionssitzung.
Dirk Niebel in der Fraktionssitzung.
Dirk Niebel in der Fraktionssitzung.
Dirk Niebel in der Fraktionssitzung.
Dirk Niebel in der Fraktionssitzung.
Dirk Niebel in der Fraktionssitzung.

Dafür steht auch der 14-Uhr-Termin. Dirk Niebel ist mit Marion Schink vom Bundesverband Junger Unternehmer verabredet. Von ihr will er mehr darüber wissen, was die zu erwartende Neuregelung des Anspruchs auf Teilzeitarbeit für kleinere und mittlere Unternehmen bringen wird. Frau Schink erläutert ihm die Schwierigkeiten, die mit dem Gesetz einhergehen und lobt ganz en passant den Abgeordneten: "Wir brauchen Leute wie Herrn Niebel", sagt sie, "die uns zuhören und unsere Interessen im Bundestag vertreten. Es geht darum, sachliche Argumente zu finden, die zum Beispiel für oder gegen diesen Gesetzentwurf sprechen."

"Ich weiß aus eigener Erfahrung", sagt Dirk Niebel, "wie wichtig es ist, Möglichkeiten zu haben, auch in Teilzeit arbeiten zu können. Ich habe selbst auf diese Art und Weise einen Teil des Erziehungsurlaubs nehmen können. Gut für mich und meine Kinder. Aber ich weiß auch, dass kleine und vor allem auch junge Unternehmen Schwierigkeiten haben werden mit dem, wie es jetzt geregelt worden ist."

Nach dem Gespräch mit Frau Schink hat der Abgeordnete wieder ein bisschen Zeit für Büroarbeit. Nicht viel, denn um 16 Uhr beginnt die Fraktionssitzung der F.D.P. – und heute steht die Wahl des neuen Fraktionsvorstandes auf dem Programm.

Vorher aber kann er schon einmal erste Überlegungen anstellen zu einem Fall, der ihm – verbunden mit der Bitte um Hilfe – aus dem Wahlkreis angetragen wurde: "Da ist ein Bäckermeister, der hat einen Gesellen. Bei den schwierigen Arbeitszeiten findet der auch so schnell keinen neuen. Und nun soll der Geselle eingezogen werden. Da muss der Bäcker seinen Laden zumachen. Also werde ich sehen, ob man da was tun kann. Sind schließlich Vernunftgründe, mit denen sich argumentieren lässt. Vielleicht kann der Geselle auch später seinen Dienst absolvieren."

Dirk Niebel ist pünktlich bei der Fraktionssitzung im Reichstagsgebäude, debattiert, berät und wählt um 17 Uhr den neuen Fraktionsvorstand mit. Damit ist seine Terminrunde an diesem Tag beendet. Ein außergewöhnlicher Tag: keine Abendveranstaltungen. Das kommt ihm entgegen, denn nun kann er im Büro wirklich mal am Stück arbeiten. So was braucht auch ein Schnelldenker und Schnellredner wie er. Um 23.30 Uhr verlässt er seinen Schreibtisch und das Gebäude in der Dorotheenstraße 93.

Die Sonne hat geschienen an diesem Tag, wie die Nachrichten es versprachen. Nur das Abendessen fällt wohl wieder aus. Wie das Frühstück.

Kathrin Gerlof

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0012/0012080
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