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Das Parlament
Nr. 41-42 / 04.10.2004


 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Andreas Elter

Die Raucher spielen nicht mit

Einnahmen aus dem blauen Dunst: Wie effizient ist die Tabaksteuer?
Im Dezember steht die zweite Stufe bei der Erhöhung der Tabaksteuer an. Raucher müssen dann 1,2 Cent pro Zigarette mehr bezahlen, im September 2005 dann noch einmal dasselbe. Zwischenzeitlich war von einer Aussetzung der Erhöhung die Rede. Bei der letzten Haushaltsdebatte im Bundestag stellte Finanzminister Eichel dann aber klar: Die Erhöhung bleibt! Doch wie effizient ist die Tabaksteuer überhaupt?

In seiner jüngsten Ausgabe kommt der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zu der Einschätzung, dass im ersten Halbjahr 2004 die Einnahmen aus der Tabaksteuer um 200 Millionen Euro gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum zurückgegangen sind. Die Hoffnung des Bundes, durch die Erhöhung zunächst eine Milliarde und langfristig sogar 2,7 Milliarden pro Jahr mehr in das Staatssäckel zu bekommen, hätten sich vorerst in Rauch aufgelöst. Denn im Gegensatz zu den vorhergehenden Steuererhöhungen habe sich das Konsumverhalten der Endverbraucher geändert. Der Einkauf über das Internet, beim Schwarzhändler oder jenseits der Grenzen, zum Beispiel in Polen, sei in den letzten Jahren explodiert. Außerdem griffen immer mehr Raucher zum günstigeren Feinschnitt. Der Staat habe die Rechnung einfach ohne die Raucher gemacht.

Kristina vanDeuverden vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) kennt solche Seitwärtsbewegungen. So habe es beispielsweise schon 1992 einen enormen Einbruch bei den Fertigzigaretten gegeben, als die Industrie als Alternative zum gewohnten Glimmstengel aus der Schachtel die Rollzigaretten einführte. Dieser Rückgang sei aber nur kurzfristig gewesen, die Raucher seien schließlich doch wieder zur Schachtel zurückgekehrt, und die Steuereinnahmen sind danach wieder gestiegen. Ein ähnlicher Effekt sei eigentlich bei jeder Tabak-Steuererhöhung zu verzeichnen, meint auch Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft: "Der Preis hält einen eingefleischten Raucher nicht vom Rauchen ab, das Geld wird dann eben bei anderen Dingen eingespart". Auch die Industrie stelle sich rechtzeitig auf die jeweils kommenden Erhöhungen ein, um die Effekte abzufangen. Vor der ersten Stufe der aktuellen Erhöhung im März 2003 hätten die Hersteller 100 Prozent mehr Steuerbanderolen gekauft als im selben Monat des Vorjahres. "Die Industrie hat sich einfach rechtzeitig vor der Erhöhung noch mit den alten Steuermarken eingedeckt", so Boss. Das geht deshalb, weil die Steuerzeichen bei der Zentralen Steuerzeichenstelle Bünde nicht sofort, sondern erst innerhalb bestimmter Fristen nach ihrem Steuerwert bezahlt werden müssen. Doch selbst mit solchen legalen Tricks lassen sich die Ausweichbewegungen nicht gänzlich auffangen. Kurzfristig änderten die Raucher ihr Verhalten immer, so Boss: "Vor einer Erhöhung steigt der Konsum, weil auch die Konsumenten auf Halde kaufen, danach fällt er dann automatisch. Das hat langfristig gesehen aber keine große Wirkung auf die Steuereinnahmen."

Grundsätzlich sind die Einnahmen aus der Tabaksteuer, wie bei jeder Verbrauchssteuer, nur sehr schwer zu kalkulieren. Denn man hat nur die Entwicklungen der Vergangenheit als Bewertungsgrundlage zu Verfügung, erklärt Kristina vanDeuverden. Die Steuerschätzerin vom IWH hat die Einnahmeveränderungen bei der Tabaksteuer seit der Wiedervereinigung untersucht. Dabei konnte sie feststellen, dass mittel- und langfristig die Steuereinnahmen immer gestiegen sind. Das deckt sich mit den Beobachtungen des IW Köln. Es hat errechnet, dass vom Verkaufspreis jeder Schachtel Zigaretten inzwischen 74 Prozent an den Staat gehen, das seien 50 Prozent mehr als noch vor vier Jahren. Die Berechnung im Nachhinein ist aber nicht das Problem, sondern die Kalkulation vor einer Steuererhöhung. Vor allem wenn die Einnahmen aus der Steuer schon für Ausgaben im Bundeshalt eingeplant sind. "2001 haben wir für die Sicherheit geraucht, jetzt rauchen wir für die Sanierung der gesetzlichen Krankenkassen", erläutert vanDeuverden. Wie viel dabei hereinkommen wird, sei aber eben nur zu schätzen. Und das werde immer schwieriger, meint die Expertin: "Wir hatten von 2000 bis 2005 insgesamt fünf Tabaksteuererhöhungen. Das hatten wir vorher noch nie." Die historischen Vergleichsgrößen fehlen; es kann fast nicht mehr zwischen kurz- und langfristigen Effekten unterschieden werden. Eine genaue Kalkulation der möglichen Einnahmen ist daher kaum noch möglich.

Das wird auch der Finanzminister wissen. Deshalb hat er verbal Vorsorge getroffen und erklärt: "2005 wird im Lichte der tatsächlichen Entwicklung der Tabaksteuereinnahmen geprüft, ob der Zuschuss an die Krankenkassen so geleistet werden kann." Gesundheitsexperten werfen Eichel daher Politik nach Kassenlage vor. Der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) Rolf Hüllinghorst kritisierte kurz nach der Einführung der aktuellen Drei-Stufen-Erhöhung im Mai 2003: "Es geht nur noch um die Verbesserung der Finanzen, und wir hatten uns schon auf eine Erhöhung gefreut, die positive gesundheitspolitische Auswirkungen hat." Er hatte sich für eine schlagartige Erhöhungen um einen Euro pro Packung ausgesprochen. Nur damit sei eine Schockwirkung zu erzielen gewesen, mit der die Leute vom Rauchen hätten abgebracht werden können. Aber ist das überhaupt erwünscht? Denn wenn es tatsächlich adhoc immer weniger Raucher gibt, müssten andere Steuern erhöht werden, um die Einnahmeausfälle bei der Tabaksteuer zu decken.

Kristina vanDeuverden will sich als gelernte Ökonomin nicht im Detail auf so eine werte-orientierte Debatte einlassen. Sie glaubt: "Rauchen ist eine Sucht." Mit Tabaksteuererhöhungen könnten allenfalls Jugendliche vom Einstieg in die Sucht abgehalten werden. Wie sich das steuerpolitisch auswirke, sei aber nicht vorherzusehen. "Vielleicht sinken dann in 30 Jahren die Einnahmen aus der Tabaksteuer."

Auch die Zahl der jungen Raucher steigt, und ihr Einstiegsalter ist immer weiter gesunken, hat die DHS ermittelt. Die Lenkungswirkung verpufft also offensichtlich. Gesundheitsexperten finden den Lenkungsgedanken aber dennoch grundsätzlich richtig. Sie verweisen auf die volkswirtschaftlichen Schäden des Rauchens. Der Kieler Wirtschaftswissenschaftler Alfred Boss bezweifelt das nicht. Er verweist aber noch auf einen anderen Aspekt: "Die meisten Krankheiten entstehen im Alter, Raucher werden aber im Durchschnitt nicht so alt wie Nichtraucher. Ganz genau gegengerechnet, hat das wohl noch keiner." Wenn man diesen Gedanken konsequent zu Ende denkt und dabei einen gewissen Zynismus nicht scheut, kommt noch eines hinzu: Raucher sterben früher und entlasten somit die Ausgaben der Rentenkasse. Bis dahin aber zahlen sie Tabaksteuer.

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