(e.) Twin Gabriel: "Deutscher"
Dichter und Hund
Das Künstlerduo (e.) Twin Gabriel (d. i. Else Gabriel und Ullf Wrede) wirft in einem der südlichen Außenhöfe des Paul-Löbe-Hauses die Frage nach Form und Bedeutung von Büsten auf: Aus Teflon haben die beiden Künstler zwei Rundumprofile gestaltet, von denen eines das Profil des Dichters Johann Wolfgang von Goethe und das andere das eines deutschen Schäferhundes als "Deutscher 1" und "Deutscher 2" zeigt. Erst im Schattenwurf werden das markante Profil des Dichters und das des Hundes erkennbar. Beide Skulpturen sind wie elegante Barockstatuen spielerisch in die Heckengestaltung einbezogen und ironisieren Monumente bürgerlicher Heroenverehrung ebenso wie das ständige Bemühen der Deutschen um Selbstvergewisserung.
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Das in Halberstadt (Else Gabriel) und Potsdam (Ullf Wrede) geborene Künstlerpaar lebt und arbeitet in Berlin und Hamburg. Else Gabriel studierte an der Hochschule für bildende Künste in Dresden. Sie wurde Mitte der achtziger Jahre in der DDR-Kunstszene bekannt durch gemeinsame Aktionen mit Michael Brendel, Volker (Via) Lewandowsky und Rainer Görß. Als sogenannte AUTO-PERFORMANCE-ARTISTEN stellten sie u. a. in szenischen, oft provozierenden Aufführungen ihren eigenen Körper, seine Verletzbarkeit und seine elementare, existentielle Verfaßtheit in den Mittelpunkt. In immer neuen Varianten entwickelt die Künstlerin seither mit ihrem Partner Ullf Wrede die Grundidee weiter, den Widerspruch zwischen wissenschaftlichen und künstlerischen Behauptungen, Entwürfen und Erwartungen und dem eigenen Unvermögen, den körperlichen Unzulänglichkeiten und physiologischen Störungen zum Gegenstand künstlerischer Reflexion werden zu lassen. Auf diese Weise werden alltägliches Erleben, Familiäres, Geschlechterrollen, biologische Prozesse oder Fragen der Wahrnehmung und der visuellen Kommunikation im Zeitalter der Medien zum Thema ihrer künstlerischen Arbeit.
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Im Sinne dieser Konzeption stellen die zwei Skulpturen die Frage nach unserem Umgang mit Vorbildern und der Wiedererkennung bekannter Bilder. Beide Köpfe wirken nämlich zunächst, nicht zuletzt durch die Verwendung des Werkstoffes Teflon, wie Industrieteile: "Profanes und Erhabenes erscheinen praktisch deckungsgleich." (Else Gabriel) Die Form des Rundumprofiles geht auf eine Idee des italienischen Futuristen Renato Bertelli (1900 - 1974) zurück. Dieser verherrlichte die Dynamik der Technik und der Industrie des zwanzigsten Jahrhunderts, indem er ein Rundumprofil des Diktators Mussolini ("Profilo continuo") schuf, das den Eindruck von Allgegenwärtigkeit, Kraft und Beschleunigung erwecken sollte. Diese naive Verherrlichung von Technik und Diktatur ironisiert das Künstlerduo dadurch, dass es - in ähnlicher Weise - die Büste eines Schäferhundes der Büste Goethes gegenüberstellt, den Typus eines bloß animalischen Bewegungsdranges dem vergeistigten Monument deutschen Bildungsbürgertums.
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Text: Andreas Kaernbach,
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages