Zweite Auslobung des Förderpreises "Demokratie leben" am 04.12.1998
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, Sie heute im Deutschen Bundestag zur zweiten Auslobung des Förderpreises "Demokratie leben" begrüßen zu können. Die Aktion "Demokratie leben", die vom gleichnamigen Initiativkreis, der sich aus Vertretern namhafter Institutionen zusammensetzt, und meiner Vorgängerin im Amt, Prof. Dr. Rita Süssmuth, initiiert wurde, bemüht sich seit 1995 darum, bürgerschaftliches Engagement zu ermutigen und zu fördern. Ich möchte an diese Tradition anknüpfen.
1995 wurde erstmals 35 bürgerengagierten Gruppen die Gelegenheit gegeben, ihre Arbeit und ihre Ziele im Bundestag vorzustellen und mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu diskutieren.
Dieser Austausch wurde Anfang 1996 auf der Fachtagung "Forum Demokratie leben" mit dem Ziel fortgesetzt, den Dialog zwischen Politikern und engagierten Bürgern zu intensivieren.
Im gleichen Jahr wurde der Förderpreis erstmals ausgelobt und im November 1997 in einer feierlichen Veranstaltung im Bundestag verliehen.
Kernanliegen des Förderpreises ist, daß herausragende Beispiele von bürgerschaftlichem Engagement in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen und gewürdigt werden. Der Förderpreis soll dazu beitragen, die kreativen Ideen der Initiativen zu verbreiten, um andere Menschen mit ihrem Beispiel zu motivieren, sich aktiv an der Gestaltung unserer Demokratie zu beteiligen. Denn auf diese freiwillige Eigeninitiative und Kreativität der Bürger ist gerade auch die Demokratie angewiesen, wenn es darum geht, gesellschaftlichen Wandel zu bewältigen.
Es ist nämlich ein Irrtum anzunehmen, daß die große Politik allein und am besten in der Lage ist, Antworten auf alle gesellschaftlichen Fragen der Zeit zu finden. Häufig genug machen Menschen und Initiativen vor Ort Probleme überhaupt erst wahrnehmbar, indem sie sich der Probleme annehmen und pragmatische Lösungen -häufig genug gegen Widerstände - zu entwickeln suchen.
Und damit sind wir beim dritten wichtigen Anliegen von Demokratie leben: der Förderung und Verstetigung des Dialogs zwischen den Mitgliedern des Deutschen Bundestages und den Initiativen.
Aus diesem Grund haben wir aus Anlaß der zweiten Auslobung des Förderpreises die Haupt- und Sonderpreisträger des letzten Jahres noch einmal eingeladen, um gestern und heute im Gespräch zwischen Abgeordneten und Initiativen in Erfahrung zu bringen, wie sich der Förderpreis auf das Fortkommen der Projekte ausgewirkt hat.
Die Vertreter von zwei Initiativen sitzen neben mir am Tisch.
Im Falle der Initiative "Nachbarschaftsladen", die vom "Kommunalen Wohnforum Wedding e.V. getragen wird, hat der Förderpreis mit dazu beitragen können, daß der Nachbarschaftsladen, nachdem er im vergangenen Jahr kurzzeitig geschlossen werden mußte, wieder eröffnet wurde. Zur Zeit engagiert sich die Initiative zudem im Bereich der Wohnumfeldverbesserung und der Quartierspflege im Stadteil und veranschaulicht damit beispielhaft den Versuch, ehrenamtliches Bürgerengagement, Wirtschaft und Staat zu einer produktiven Arbeit zusammenzuführen.
Die ebenfalls hier anwesenden Vertreter des "Verbandes der Polen `Nadodrze` e.V., Eisenhüttenstadt" bemühen sich mit den Internationalen Begegnungsstätten Eisenhüttenstadt, Guben und Frankfurt/Oder ein Klima des friedlichen Zusammenlebens in der Grenzregion zwischen Deutschland und Polen zu schaffen. Gerade in Zeiten, in denen in der Öffentlichkeit viel über ausländerfeindliche Ausschreitungen ostdeutscher Jugendlicher berichtet wird, erscheint es wichtig ins öffentliche Bewußtsein zu bringen, daß sich die Initiative mit einem vielfältigen Angebot im Bereich der Jugendarbeit, in Gesprächskreisen und Lehrgängen in deutscher und polnischer Sprache, um ein besseres gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen bemüht. Zugleich werden die Vertreter der Initiative vielleicht etwas darüber sagen wollen, daß trotz der großen Aufmerksamkeit, die die Preisverleihung in den Medien gefunden hat, längst nicht alle, insbesondere die finanziellen Fragen, befriedigend gelöst sind. Auch hier ist die Politik im Dialog mit den Initiativen aufgerufen, zu prüfen, inwieweit Möglichkeiten zur weiteren Besserstellung ehrenamtlichen Engagements bestehen.
Bevor ich Ihnen Gelegenheit geben will, Fragen an die Mitglieder des Initiativkreises und die Initiativen zu stellen, erlauben Sie mir kurz noch einige Bemerkungen über Umfang und Adressaten des Förderpreises.
Der Förderpreis ist nicht auf ein bestimmtes Themen- und Aktionsfeld festgelegt. Auf eine solche Begrenzung haben wir bewußt verzichtet, um die Vielfalt der Ideen und Lösungsansätze erfahren zu können. Bewerben können sich Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen, die kreatives und in der Praxis sich bewährt habendes Engagement in gesellschaftlichen Problembereichen bewiesen haben. Neben den auch dieses Mal ausgesetzten projektgebundenen Geldpreisen an bis zu 10 Preisträger im Gesamtumfang von 30.000 DM wird den Gewinnern eine einjährige partnerschaftliche Unterstützung und Beratung durch den Initiativkreis für ihre Öffentlichkeitsarbeit angeboten. Außerdem wird der erste Preisträger für ein Jahr zur Mitarbeit im Initativkreis eingeladen.
Zusätzlich erhalten bis zu 10 Initiativen, die in die engere Auswahl gekommen sind, die Gelegenheit, ihre Arbeit bei der Preisverleihung im nächsten Jahr vorstellen zu können.
Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch den Initiativkreis "Demokratie leben". Als Vorsitzender dieses Kreises werde ich diesen Preis im Herbst 1999 verleihen.
An dieser Stelle möchte ich den Mitgliedern des Initiativkreises, die zum Teil heute hier anwesend sind, ganz herzlich für ihre Mitarbeit in unserem gemeinsamen Projekt danken. Ganz besonders möchte im Hinblick auf den Förderpreis den Institutionen danken, die diesen Preis durch Bereitstellung finanzieller Mittel erst möglich machen: Pro Sieben, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und Jugend fordert!
Ich würde mich freuen, wenn uns möglichst ebenso viele oder besser noch mehr Bewerbungen als bei der ersten Auslobung erreichen, als sich über 700 Gruppen und Personen beteiligt haben und möchte persönlich alle Bürgerinnen und Bürger ermutigen, an diesem - ich nenne es einmal - "Wettbewerb des Gemeinsinns" teilzunehmen.