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Titelthema

Alterspräsident Schily

"Die ältere Generation nicht fernhalten"

Turnusgemäß eröffnet stets der älteste Abgeordnete des neu gewählten Parlamentes die erste Sitzung des Bundestages, bei der das Präsidium und die Sitzungsführung dann erst noch gewählt werden müssen. Die Alterspräsidenten nutzen die Gelegenheit zu grundsätzlichen Ausführungen. Bei der konstituierenden Sitzung des 15. Deutschen Bundestages ging Bundesinnenminister Otto Schily als erster zum Rednerpult: "Der 20. Juli 1932 ist mein Geburtsdatum – darf ich fragen, ob ein Mitglied des Hauses unter uns ist, das mich an Lebensjahren übertrifft?" Als das "offenbar nicht der Fall" war, übernahm Schily als Alterspräsident die Sitzungsleitung.

Alterspräsident Schily

Alterspräsident Schily.

Er erinnerte daran, dass es in der bisherigen Geschichte des Bundestages eher eine Seltenheit sei, bereits mit 70 Jahren ältester Abgeordneter zu sein. "Nur Willy Brandt war 1983 acht Monate jünger als ich es heute bin, als er das Amt des Alterspräsidenten übernahm", sagte Schily. Dieses Amt sei Brandt dann auch in den beiden folgenden Legislaturperioden erhalten geblieben. Schmunzelnd fügte Schily hinzu: "Den Hinweis darauf sollten Sie aber bitte nicht missverstehen, was meine Lebensperspektive angeht."

Allerdings solle der Bundestag in Betracht ziehen, dass auch die Generation der über 70-Jährigen ein Anrecht auf aktive Mitgestaltung der Politik geltend machen dürfe – nicht zuletzt im Hinblick auf die deutlich veränderte Altersstruktur der Gesellschaft. 1950 waren nach Schilys Angaben gerade einmal 5,6 Prozent der Bevölkerung in der damaligen Bundesrepublik 70 Jahre und älter. In der heutigen gesamtdeutschen Republik habe sich dieser Anteil auf 11,6 Prozent inzwischen mehr als verdoppelt. Schily: "So begrüßenswert und notwendig es ist, dass die jüngere Generation für die Mitwirkung an der Politik innerhalb und außerhalb des Parlaments gewonnen wird, so wichtig und unterstützenswert ist es zugleich, die ältere Generation nicht aus dem aktiven politischen Leben fernzuhalten."

Die Vorbereitungen für einen guten Empfang aller neuen Bundestagsabgeordneten waren am Montag nach der Wahl zu einem großen Teil gelaufen. Für jede und jeden gab es, eingepackt in eine stabile Klarsichthülle, das Startpaket: Die kleine schwarze Lederhülle, in der sich der vorläufige Abgeordnetenausweis befand und die Bahncard erster Klasse, die Anträge der Reisestelle für die Erstattung der Fahrkosten, Hinweise, Verhaltensregeln und das Handbuch für Abgeordnete. Letzteres erkannten die meisten ganz schnell und sehr erfreut als praktische Lebenshilfe in fast allen neuen Situationen. So etwas kann man gebrauchen, denn auch mit dem Startpaket bleiben noch eine Menge Fragen offen.

Die erste richtige Bewährungsprobe waren die Fraktionssitzungen. Sie fanden am Montag und Dienstag nach der Wahl statt und waren begleitet von einem Aufgebot an Journalisten, das seinesgleichen sucht. Umso besser, dass vor den Sitzungsräumen Tische aufgebaut waren, hinter denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Referate saßen, bereit, alle Fragen der Neuankömmlinge zu beantworten und jede gewünschte Hilfestellung zu geben. Hinweisschilder machten die Sache einfach: Internationale Beziehungen, Dienst- und Mandatsreisen, Dienstreisegenehmigungen, Entschädigung von Abgeordneten, Sachmittelausstattung, Angelegenheiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten ... Irgendwo stand auch immer ein Imbissstand mit dem Angebot, sich ein wenig zu stärken und den Trubel aus zehn Meter Entfernung zu betrachten.

Die FDP machte am 23. September den Anfang, 11.30 Uhr. Vor den Fahrstühlen drängten sich die Kameraleute. Daniel Bahr aus Münster, 26 Jahre alt, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, sieht ein wenig anders aus als auf seiner Homepage. Das liegt vielleicht an Anzug und Krawatte, aber man kann es nicht näher verifizieren, denn Daniel Bahr wird ununterbrochen beglückwünscht, in Gespräche gezogen, er muss sich bewegen und Hände schütteln und reden. Kein Unbekannter also und nichts da mit: "Hätten Sie mal zehn Minuten Zeit?" Heute nicht. Aber morgen.

Text: Gregor Mayntz

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2002/bp0209/0211004a
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