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15. Wahlperiode
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   41. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 23. Juni 2006

   Beginn: 8.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesordnungspunkt I - fort:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2006

(Haushaltsgesetz 2006)

- Drucksachen 16/750, 16/1348 -

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2005 bis 2009

- Drucksachen 16/751, 16/1348, 16/1327 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Otto Fricke
Steffen Kampeter
Carsten Schneider (Erfurt)
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

   Wir kommen zunächst zur gestern vertagten Abstimmung über den Einzelplan 10 in der Ausschussfassung - Tagesordnungspunkt I.17 -:

Einzelplan 10

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

- Drucksachen 16/1310, 16/1324 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Georg Schirmbeck
Ernst Bahr (Neuruppin)
Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Alexander Bonde

   Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1882 vor, über den wir zuerst abstimmen. Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, bei dieser und den gegen 13 Uhr folgenden namentlichen Abstimmungen sorgfältig darauf zu achten, dass die Stimmkarten, die Sie verwenden, auch Ihren eigenen Namen tragen. Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.

   Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.

   Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.

   Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.

(Unterbrechung von 8.06 bis 8.11 Uhr)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich bitte herzlich, Platz zu nehmen.

   Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1882 bekannt: Abgegebene Stimmen 542. Mit Ja haben gestimmt 92, mit Nein haben gestimmt 450, Enthaltungen keine. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.

   Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 10 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der drei anderen Fraktionen angenommen.

   Ich rufe nun Einzelplan 09 und Zusatzpunkt 8 auf:

I.18. Einzelplan 09

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

- Drucksachen 16/1309, 16/1324 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt J. Rossmanith
Klaus-Peter Willsch
Volker Kröning
Ulrike Flach
Roland Claus
Anna Lührmann

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias Berninger, Dr. Thea Dückert, Margareta Wolf (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Deutsche Steinkohle AG muss zügig belastbares Datenmaterial vorlegen

- Drucksache 16/1672 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Rainer Brüderle, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP - Volker Kauder (CDU/CSU): Schon wieder Brüderle! - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die letzte Rede hat nicht viel getaugt!)

Rainer Brüderle (FDP):

Nicht jeder hat meine Rede verstanden. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Sanierungsfall. Die Lage ist ernst, so ernst, dass die Mehrwertsteuererhöhung, die größte Steuererhöhung, die diese Republik je erlebt hat, nicht ausreicht, die Lage zu verbessern. Das sagt die Bundeskanzlerin. Recht hat sie.

(Beifall bei der FDP)

   Die Lage wird durch die Mehrwertsteuererhöhung noch schlechter. Die Steuererhöhung ist die falsche Antwort auf die Probleme unseres Landes.

(Beifall bei der FDP)

   Wie lösen wir die Probleme wirklich? Die Union sieht zur Steuererhöhung keine Alternative. Ich kann Ihnen nur raten: Hören Sie auf den ökonomischen Sachverstand in unserem Land! Wenn Sie das täten, dann bekämen Sie eine Idee davon, was zu tun ist. Die Menschen mit diesem Sachverstand wissen es besser als Sie. Sie wissen, dass wir Entlastung, nicht Belastung brauchen, dass wir mehr Freiraum und Freiheit, nicht mehr Bevormundung und Einengung brauchen. Die Strategie ist nicht stimmig.

   Bei der letzten Haushaltsberatung haben Sie, Herr Glos, die damalige Regierung gemahnt, endlich auf den ökonomischen Sachverstand zu hören. Jetzt haben Sie die Chance, das selbst zu tun und die auf dem ökonomischen Sachverstand basierenden Ratschläge umzusetzen. Tun Sie es!

(Beifall bei der FDP)

   Bisher haben Sie leider noch keinen Unfug der großen Koalition verhindert. Manche sehen in Ihnen ja schon den Problembären der Regierung,

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

so eine Art Bruno oder JJ1 der deutschen Volkswirtschaft.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

- Den kennen Sie nicht? Sie müssen ab und zu Zeitung lesen, Frau Künast. Das ist halt schwierig.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das lag an Ihrer englischen Aussprache, mit Verlaub!)

- Entschuldigung. Sie wird in bestimmten Teilen von Berlin natürlich nicht so gut verstanden.

   Die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute haben im Frühjahrsgutachten davor gewarnt, zu glauben, die Konjunktur - sie erfährt eine Belebung - sei schon so günstig, dass man die Strukturreform jetzt nicht mehr angehen müsse, der Handlungsbedarf nicht mehr gegeben sei. Im Gegenteil: Er ist unverändert groß. Wir sind bereits - so sagen die Fachleute - in der Spätphase des Aufschwungs. Da ist ein Großteil schon absolviert. Wir sind vom Export abhängig. In der Weltwirtschaft wird es viele Faktoren geben, die die Dynamik schwächer werden lassen. Von daher werden wir keine Zusatzimpulse bekommen; die Impulse werden eher schwächer.

   Zu den Maßnahmen, die Sie angehen müssen, zum Rüstzeug für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung, gehört eine Unternehmensteuerreform, die den Namen verdient. Darüber gibt es bisher keine Klarheit. Sie haben nur in einem Klarheit geschaffen: in der Mehrbelastung des Mittelstands. Sie haben aber keine Klarheit darüber geschaffen, wo es Entlastung gibt. Ich bleibe dabei: Sie nehmen weg, Sie geben nichts und Sie schaffen keine Klarheit für die Investitionsentscheidungen in den Betrieben. Unklarheit ist Gift für die Wirtschaft. Sie muss rechnen können. Rechnen kann man nur bei Klarheit. Die Klarheit gibt es aber nicht.

(Beifall bei der FDP)

   Dazu gehören die betrieblichen Öffnungsklauseln, damit Mitarbeiter und Unternehmensleitung ihren Weg für ein erfolgreiches Handeln finden können. Ihnen diese Möglichkeit zu geben, das haben Sie, Herr Glos, mit uns immer wieder gefordert. Heute ist das völlig vergessen; kein Wort mehr von der Möglichkeit für betriebliche Bündnisse für Arbeit.

   Eine Privatisierungsoffensive bräuchten wir dringend. Der Staatsanteil ist entschieden zu hoch. Wenn die Verbände der mittelständischen Wirtschaft tagen, höre ich immer ein Hohelied. Es wird gesagt, wie tüchtig und brav alle sind. Nur, man gibt ihnen keinen Spielraum dafür, dass sie aus ihrer Tüchtigkeit mehr machen, mehr Arbeitsplätze schaffen und ein höheres Ergebnis erzielen können. Wir müssen Handschellen abnehmen, damit diejenigen, die in unserem Land etwas tun wollen, dies auch tun können - zu unser aller Nutzen.

(Beifall bei der FDP)

   In der Sozialversicherung müssen die Prinzipien der Eigenvorsorge und Eigenverantwortung Raum bekommen. Was die Gesundheitsreform angeht, entwickelt sich - das wurde schon mehrfach angesprochen - ein Horrorszenarium. Das ist das Gegenteil von den Bedingungen, die es Mittelstand und Wirtschaft erlauben, Neues auf den Weg zu bringen.

   Ich nenne die Stichworte: Antidiskriminierungsgesetz, Reichensteuer, Mindestlohn. Ihr Konjunkturpaket besteht weitgehend aus Subventionen. Das ist weiter der falsche Weg. Das ist nicht der Ansatz, um voranzukommen.

   Sie wollen in diesem Jahr nicht sparen. Nur 100 Millionen Euro sparen Sie in diesem Haushalt ein, weil Sie - so sagen Sie - den Aufschwung nicht gefährden wollen. Wahrscheinlich sagen Sie im nächsten Jahr, dass Sie die Haushaltskonsolidierung wegen des einsetzenden Abschwungs nicht fortsetzen können. Wenn das so weitergeht, dann werden wir den Haushalt nie in Ordnung bringen. Deshalb muss eine solide Politik die Grundlage sein.

   Wir müssen beim Staat das machen, was jeder Bürger in unserem Land macht: Wenn wir mehr ausgeben, als wir einnehmen, müssen wir uns nach der Decke strecken und dürfen uns nur das erlauben, was wir uns auch erlauben können.

(Beifall bei der FDP)

Sie machen es anders. Die Bürger werden abkassiert. Das ist das falsche Denken beim Staat.

(Beifall bei der FDP)

Sie müssen den Haushalt konsolidieren, ja. Aber Sie machen es von der falschen Seite. Von der Ausgabenseite und nicht von der Einnahmeseite müssen Sie es machen. Die Einnahmen des Bundes sind von Januar bis Mai um fast 11 Prozent gestiegen. Sie nehmen ständig mehr Geld ein. Es ist also nicht so, dass weniger Geld in die Kasse hineinkommt. Aber das Problem ist, dass Sie mit dem Geld nicht umgehen können. Deswegen kommen Sie mit dem Haushalt einfach nicht klar.

   Ein Unternehmen saniert man nicht, indem man zur Bank geht und immer neue Kredite aufnimmt. Ein Unternehmen saniert man, indem man Kosten reduziert, die Effizienz steigert, neue Produkte entwickelt und eine intelligente Strategie entwirft. Das ist der Weg, wie man eine Sanierung vornimmt. Aber genau diesem Weg verschließen Sie sich.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Sie sind ein schlechter Betriebswirt!)

Sie müssen es also genau umgekehrt machen: Sie müssen der Wirtschaft mehr Luft zum Atmen geben und bessere Bedingungen schaffen, damit die Wirtschaft mehr wächst. Herr Ramsauer, ohne mehr Wachstum werden Sie den Haushalt nie in Ordnung bringen. Wachstum ist die Grundvoraussetzung dafür, den Haushalt zu sanieren.

   Sie machen es aber umgekehrt. Im Grundgesetz ist verankert, dass nicht mehr Schulden gemacht werden sollen, als Investitionen erfolgen. Sie behaupten aber, Sie müssten zur Abwehr des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichtes die Verschuldung über diese Grenze erhöhen. Das ist nicht nur vom Wortlaut, sondern auch vom Geiste der Verfassung her ein Verfassungsbruch.

(Beifall bei der FDP)

   Ein weiterer Punkt ist für mich genauso schwer wiegend. Was Sie machen, ist ökonomisch unsinnig; denn so können Sie die Wirtschaft nicht in Gang bringen. Es gibt also einen doppelten Grund, die Strategie zu ändern.

   Eine Konsequenz Ihres falschen Handelns ist, dass Sie das Vertrauen, das die große Koalition in der Bevölkerung hatte, bereits zum großen Teil verspielt haben. Bisher verdient die Bundesregierung allenfalls den goldenen Goleo für eine schlechte, aber nicht für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik.

   Es wird höchste Zeit, Herr Bundeswirtschaftsminister. Sie sind aufgrund Ihrer Aufgabenstellung das ordnungspolitische Gewissen der Regierung. Sie müssen diesem Spuk an Unfreiheit und Staatsinterventionismus ein Ende bereiten, Herr Glos. Franken gelten als mutig. Hauen Sie also endlich auf den Tisch und machen Sie Schluss mit Marx und Murks! Das Land hat eine bessere Politik verdient.

(Beifall bei der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Das war unterdurchschnittlich, Herr Brüderle!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Kurt Rossmanith, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Einen schönen guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Was Kollege Brüderle gerade dargestellt hat, war eine Art Schauermärchen. Wir sollten versuchen - das sollten auch Sie, Herr Brüderle, und die FDP tun -, dieses Land nicht schlecht zu reden.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Das Wort Sanierungsfall kommt doch von der Bundeskanzlerin!)

- Sie müssen die ganze Wahrheit sehen und nicht nur die Hälfte.

   Wir haben schon während des Wahlkampfs offen und ehrlich gesagt, was notwendig ist. Das übersetzen wir jetzt in aktive Politik. Sie können doch nicht negieren, dass wir eine so gute wirtschaftliche Situation haben wie seit 16 Jahren nicht mehr. Alle Zeichen deuten auf eine positive Entwicklung.

   Sie kritisieren die Mehrwertsteuererhöhung. In diesem Zusammenhang zitieren Sie Institute, die Sie aber nicht namentlich nennen. Ich will es etwas konkreter machen: Das Ifo-Institut vertritt die Position, dass es durch die Mehrwertsteuererhöhung im nächsten Jahr keinen Dämpfer für die Konjunktur geben wird. Denn der entscheidende Punkt ist - das haben Sie selber gesagt -, dass aufgrund der Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer die Lohnzusatzkosten gesenkt werden. Sie liegen ab dem nächsten Jahr unter 40 Prozent. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer sorgt also für eine Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen.

   Man kann nicht wie Sie einfach sagen: sparen, sparen, sparen. Sparen ist sicherlich ein wichtiger Aspekt. Wir wollen neben sanieren und reformieren aber auch investieren. Entscheidend ist dabei, die wirtschaftlichen Investitionen nicht zu vergessen. Man wäre ein schlechter Kaufmann und ein schlechter Volkswirtschaftler, wenn man nicht bedenken würde, dass Investitionen für die Zukunft notwendig und erforderlich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Oskar Lafontaine (DIE LINKE))

   Was brauchen wir in diesem Land? Wir brauchen für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Land immer noch rund 4,5 Millionen neue Arbeitsplätze bzw. dank der jüngsten erfreulichen Entwicklung etwas weniger. Wir können nämlich jetzt insofern einen positiven Trend verzeichnen, als über 300 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden sind. Wir müssen nun dafür sorgen, dass sich dieser Trend fortsetzt. Deshalb ist es wichtig - ich bin überzeugt davon, dass das geschehen wird -, dass der von uns eingebrachte Einzelplan des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie in seinen Eckdaten den Dreiklang von sanieren - investieren - reformieren unterstützt.

   Die Gesamtausgaben von 5,72 Milliarden Euro für Wirtschaft und Technologie stellen gegenüber dem bereinigten Haushalt des Vorjahres - diese Bereinigung ist nötig, weil das Ministerium geteilt wurde und der Bereich Arbeit wieder einem anderen Ministerium zugeteilt wurde - eine Erhöhung von 1,1 Milliarden Euro dar.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Sehr richtig!)

Man sollte schon nach außen hin vertreten, dass diese Aufstockung von 1,1 Milliarden im Forschungsbereich Teil der 6-Milliarden-Initiative bis zum Jahr 2009 sind. Wo können wir denn Arbeitsplätze schaffen? Da wir in Deutschland keine natürlichen Ressourcen haben, ist es doch notwendig, Forschung und Zukunftstechnologien zu stärken, indem der Bundestag für entsprechende staatliche Rahmenbedingungen sorgt.

   Mit diesem Dreiklang sanieren - investieren - reformieren verfolgen wir hauptsächlich ein Ziel, nämlich Arbeitsplätze zu schaffen.

   Die genannte Hochtechnologieinitiative ist dabei ein ganz wesentlicher Punkt.

   Daneben muss das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auch einen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes leisten; diesen haben Sie völlig negiert. Dabei leistet es für die Sanierung des Bundeshaushaltes einen nicht unwesentlichen Beitrag. Diese Linie werden wir in den kommenden Jahren weiter verfolgen.

   Ich glaube aber, dass die vornehmste Aufgabe, die von wirtschaftspolitisch Handelnden gefordert wird, die Schaffung von Rahmenbedingungen ist, die nicht einengen. Gerade dieses Ziel verfolgen wir mit unseren Reformansätzen. Sie können doch nicht verlangen, dass nach einem guten halben Jahr schon alles Wirkung zeigt.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Der Brüderle kann das, ohne mit der Wimper zu zucken!)

Die große Koalition hat aber nach einem guten halben Jahr schon vieles auf den Weg gebracht und wird noch einiges Weitere auf den Weg bringen.

   So haben wir für die Energieforschung, die eine ganz wichtige Zukunftstechnologie ist, beispielsweise 130 Millionen Euro vorgesehen. Was würden Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDP, denn sagen, wenn wir da überhaupt nichts machen würden? Sie fordern - in diesem Punkt haben Sie Recht - die Unterstützung und Stärkung der Forschung an Zukunftstechnologien. Dazu gehört dann natürlich auch das finanzielle Engagement.

   Rund 600 Millionen Euro beträgt der Haushaltsansatz für den Bereich, der den Motor unserer Wirtschaft ausmacht, nämlich die Mittelstandsförderung.

   Für Forschung, Entwicklung und Innovation im Mittelstandsbereich sind 480 Millionen Euro vorgesehen. Das ist schon eine namhafte Summe. Weil gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht in der Lage sind, Forschungsvorhaben ganz alleine zu schultern, ist es notwendig, sie entsprechend zu unterstützen. Es ist ja nicht so, dass dieses Geld großen Unternehmen zugute kommt. Vielmehr sind wir uns bewusst, dass der mittelständische Bereich bei Zukunftstechnologien eine feste Größe in der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen stehen 120 Millionen Euro zur Verfügung. Auch das ist ein ganz wichtiger Posten, weil wir wissen, dass in diesen Unternehmen Arbeitsplätze geschaffen werden.

   Was die Außenwirtschaft betrifft, so können wir uns nicht darauf ausruhen, dass wir Exportweltmeister sind. Das wollen wir selbstverständlich auch in Zukunft bleiben. Jedoch muss etwas dafür getan werden, damit das so bleibt. Mit den 36 Millionen Euro, die für Auslandsmessen vorgesehen sind, unterstützen wir wiederum besonders die kleinen und mittleren Unternehmen. Damit werden sie in die Lage versetzt, ihre hoch innovativen Produkte auf Auslandsmessen zu präsentieren. Nur so sind diese Unternehmen in der Lage, ihre Produkte auf ausländischen Märkten anzubieten.

   Die Luft- und Raumfahrt stellt eine Zukunftstechnologie dar. Das ist ein ganz wichtiger Bereich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sollten uns in diesem Zusammenhang nicht von der Diskussion in unserem westlichen Nachbarland, die ich von Staats wegen sehr bedaure, verrückt machen lassen. Ich will andere Regierungen nicht kritisieren, aber das, was sich vorgestern in der Nationalversammlung abgespielt hat, halte ich nicht für glücklich. Das war kein Glücksfall in der Geschichte des gemeinsamen Unternehmens. Hier sollte man Ruhe bewahren. Bei diesem großartigen Produkt kam es aufgrund technischer Abstimmungen zu einer Verzögerung bei der Auslieferung. Man konnte den engen Zeitrahmen, den man sich gesteckt hatte, nicht einhalten. Die Techniker glauben nun einmal gerne, dass die Dinge schneller vorangehen, als es in der Realität der Fall ist. Die Probleme gibt es nicht nur bei europäischen Luftfahrtunternehmen, sondern auch bei denen jenseits des Atlantiks. Auch die Entwicklung des Dreamliners liegt nicht im Zeitrahmen und es wird Verzögerungen geben. Ich sehe das alles sehr gelassen und hoffe, dass wieder Ruhe hereinkommt und dass man vonseiten der Politik nicht noch Öl ins Feuer gießt.

   Die Steinkohlesubvention macht einen wesentlichen Teil des Haushaltes aus. Lassen Sie mich deshalb etwas zu dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen sagen. Der Antrag ist im Prinzip nicht falsch.

(Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

Nur ist dieser Antrag längst überholt. Hätten Sie Ihre Berichterstatterin gefragt, dann hätte sie Ihnen sagen können, dass den Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufstellen, längst entsprochen worden ist. Das Bundesministerium für Wirtschaft hat in Abstimmung mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erstens mit dem Bergbau gemeinsam die notwendigen Grunddaten geklärt und die RAG bzw. die Deutsche Steinkohle AG verpflichtet, konkrete Rechnungen vorzulegen.

(Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach so!)

Zweitens wird das von Ihnen geforderte Gutachten - das muss vorher natürlich inhaltlich geklärt werden - in Auftrag gegeben. Ich kann Ihnen nur empfehlen, den Antrag zurückzuziehen, wenn Sie auf der Höhe der Zeit bleiben wollen. Er ist mehr als überholt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wenn Herr Rossmanith das sagt, dann muss das wohl stimmen!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Kollege Rossmanith, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lührmann?

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Selbstverständlich, Herr Präsident.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Bitte schön.

Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Kollege Rossmanith, es freut mich, dass Sie etwas zu dem Posten sagen, der ein Drittel des Wirtschaftsetats ausmacht, nämlich zu der Steinkohlesubvention. Es freut mich, zu hören, dass die Bundesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben hat. Ich habe mich bemüht, den entsprechenden Titel für das Gutachten zum Börsengang der RAG herauszufinden. Die Antwort auf meine Frage liegt jetzt in der Geheimschutzstelle. Vielleicht können Sie mir öffentlich beantworten, welches Gutachten unter welchem Titel die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat.

   Sie haben ferner gesagt, dass sämtliche Teile unseres Antrages überholt sind. Ihnen ist sicherlich aufgefallen, dass in unserem Antrag steht, dass wir aus dem subventionierten Bergbau aussteigen wollen. Mich würde interessieren, ob Ihr Koalitionspartner das genauso sieht.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Erstens. Ich spreche hier für die CDU/CSU-Fraktion. Ich sehe, dass wir in der Koalition auch diesbezüglich übereinstimmen.

   Zweitens. Wenn dieses Gutachten in der Geheimschutzstelle liegt, dann liegt das sicherlich daran, dass es betriebsinterne Daten enthält, die man nicht einfach öffentlich preisgeben kann. Frau Kollegin Lührmann, Sie haben die Zugangsberechtigung. Sie können dieses Gutachten und den Auftrag also in der Geheimschutzstelle einsehen. Ich empfehle Ihnen, dies zu tun. Dann werden Sie alle Informationen, die Sie wünschen, erhalten. Im Übrigen: Das ist richtig so; deswegen haben wir das so vorgesehen.

   Ich sage noch einmal: Ihr Antrag ist vom Grundprinzip her nicht falsch, er ist aber überholt, weil allen Forderungen bereits entsprochen wird. Deshalb empfehle ich Ihnen, im Anschluss an die Debatte in die Geheimschutzstelle zu gehen. Dort werden Sie die Informationen finden.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Kollege Rossmanith begleitet Sie gerne, Frau Lührmann!)

   Herr Präsident, ich will und muss zum Ende kommen. An und für sich wollte ich noch einen Punkt - es ist eine Aufforderung - ansprechen: Wir müssen dafür Sorge tragen - ich weiß, dass wir alle uns darüber einig sind -, dass auch in diesem Jahr jeder junge Mensch, der eine Ausbildungsstelle sucht, auch eine erhält.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich halte das für eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam widmen müssen. Ich appelliere auch an die Wirtschaft; denn auch sie muss die demografische Entwicklung beachten und sehen, dass die Anzahl der jungen Menschen in Zukunft leider Gottes immer weiter sinkt. Deswegen ist es wichtig, heute auszubilden.

   Ich darf mich sehr herzlich bedanken, und zwar nicht nur für die Aufmerksamkeit zu dieser frühen Morgenstunde, sondern auch bei den Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses und des Finanzministeriums.

   Ich empfehle und bitte Sie, dem Einzelplan 09 zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Herbert Schui, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Mittwoch haben sich die Redner der Koalition gegenseitig wegen ihres Mutes gelobt. Herr Struck von der SPD nennt die Entscheidung von Herrn Müntefering, ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren zu fordern, mutig. Herr Kollege Scholz, SPD, sagt, dass die gegenwärtigen Kürzungen bei der Sozialpolitik an eine der mutigsten Reformpolitiken der letzten Jahrzehnte anknüpfen. Er stellt fest: Wir sind miteinander mutig. Das ist also eine große Koalition der Mutigen.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

   Ist es aber wirklich mutig, den Sozialstaat zu beseitigen? Ist es mutig, es den Machtlosen zu nehmen, die Armen ärmer zu machen? Ich erinnere an das Hartz-IV-Optimierungsgesetz. Die meisten Mitglieder des Kabinetts haben im vergangenen Herbst eine religiöse Eidesformel gewählt. Deswegen ist es, so meine ich, zulässig, ihren mutigen Kampf gegen die Armen unter christlich-moralischen Gesichtspunkten zu beurteilen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie stehen Sie zu dem Satz: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt ...“ - wie das Zitat weitergeht, können Sie bei Ihren Ministern oder der Frau Bundeskanzlerin erfragen.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

   Mutig wäre es, den geringsten Brüdern - und sicherlich auch den Schwestern - nichts anzutun, sondern sich mit den Mächtigen anzulegen.

Nehmen Sie es doch mit den Unternehmen auf!

(Beifall bei der LINKEN)

   Frau Merkel hat am vergangenen Mittwoch davon geredet, dass bei der Unternehmensteuerreform mutige Schritte gemacht werden. Dieser Mut bedeutet: 8 Milliarden Euro mehr Gewinn durch die Halbierung des Körperschaftsteuersatzes. Wirklich mutig wäre es dagegen, die Steuern auf Gewinne, Dividenden, Zinseinnahmen und hohe Vermögen zu erhöhen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schon etwas mutig ist dagegen, dass Herr Minister Steinbrück einräumt, dass die Regelgrenze in Art. 115 des Grundgesetzes zwar überschritten wird, dass dies aber keineswegs verfassungswidrig ist. Hier hat der Finanzminister Recht. Ich will noch einige Gründe beisteuern, damit noch deutlicher wird, wie sehr er Recht hat.

   Durch Art. 115 des Grundgesetzes wird bekanntlich eine Kreditaufnahme, die die öffentlichen Investitionen übersteigt, erlaubt, wenn dies zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts notwendig ist.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Sie halten die falsche Rede! Wir sind beim Wirtschaftshaushalt und noch nicht in der dritten Lesung!)

- Wir sind beim Haushalt. - Was die Merkmale eines solchen Gleichgewichts sind, wird in § 1 des Stabilitätsgesetzes definiert, nämlich ein stabiles Preisniveau, ein hoher Beschäftigungsstand, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht und ein angemessenes Wachstum.

   Keineswegs im Gleichgewicht sind aber der Arbeitsmarkt und die Außenwirtschaft. Die Arbeitslosenquote beträgt 11,7 Prozent, der Handelsbilanzüberschuss beträgt 161 Milliarden Euro und der Leistungsbilanzüberschuss beträgt 92 Milliarden Euro. Damit ist gesagt: Auch der Überschuss der Außenwirtschaftsbilanz bedeutet ein Ungleichgewicht. Gemäß dem Stabilitätsgesetz werden durch dieses Ungleichgewicht Kreditaufnahmen ermöglicht, die die Investitionen des Staates übersteigen.

   Nun sagen Sie nicht, man könne nichts dagegen tun, weil die deutschen Produkte ja so wettbewerbsfähig, das heißt, so billig und von so hoher Qualität, sind, dass überall ein Markt für sie gefunden wird. Die Lösung des Problems der Herstellung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts heißt: nicht weniger deutsche Exporte, aber mehr Importe nach Deutschland. Diese hängen vom deutschen Wirtschaftswachstum ab. Dazu muss die Nachfrage in Deutschland steigen. Das ist dann der Fall, wenn die Löhne und Sozialeinkommen zunehmen; denn von einem Euro zusätzlichem Einkommen werden etwa 28 Cent für Importgüter ausgegeben. Mit Haushaltsdefiziten lässt sich zusätzliches Wachstum anschieben, immer vorausgesetzt, dass durch die Mehrwertsteuererhöhung nicht an anderer Stelle eine Nachfragelücke geschaffen wird. Das Wachstum kann nur durch eine angemessene Einkommensverteilung aufrechterhalten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

   Die allgemeine Schlussfolgerung heißt: Der Haushalt ist deswegen im Einklang mit der Verfassung, weil durch Haushaltsdefizite mehr Nachfrage geschaffen wird und weil mehr Nachfrage zu mehr Wachstum führt. Wachstum ist gut für den Arbeitsmarkt, es bringt aber auch die Außenwirtschaftsbilanz ins Gleichgewicht. Das ist so, weil mehr Wachstum höhere Importe bedeutet.

   Deutschland braucht also eine Politik, die zu mehr Nachfrage und Wachstum führt, damit die Handelspartner nicht genötigt werden, ihr Wachstum beispielsweise durch Zinserhöhungen zu drosseln, wie dies in den USA der Fall ist. Wir provozieren durch unsere Außenhandelsüberschüsse, dass sich die Weltkonjunkturlokomotive Vereinigte Staaten genötigt sieht, das Wachstum zu drosseln, um mit ihren Defiziten klarzukommen.

   Frau Merkel hat in ihrer Rede beim Bundesverband der Deutschen Industrie am vergangenen Dienstag gesagt: Wir wissen, dass eine Mehrwertsteuererhöhung von faktisch 2 Prozent natürlich Auswirkungen auf die Konjunktur haben kann. Ähnlich äußerte sich Herr Kauder am Mittwoch hier im Bundestag: Für den Weg aus dem Verschuldungsstaat gibt es aus Sicht der Koalition keine überzeugende Alternative neben der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ähnlich sah das Finanzminister Steinbrück am 19. Mai 2006: Ohne eine Erhöhung der Mehrwertsteuer laufe man in eine Schuldenfalle hinein. Auch wenn sie in dieser Phase für konjunkturpolitisch schädlich zu halten sei: Dieser Nachteil sei gegenüber anderen Nachteilen abzuwägen.

   Mit etwas Mut allein schon zum Denken sind die folgenden Nachteile tatsächlich gegeneinander abzuwägen:

Volker Kröning (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bei der ersten Lesung des Bundeshaushaltes 2006 vor knapp drei Monaten wird der Einzelplan 09 für Wirtschaft und Technologie auch in der zweiten Lesung am Schluss der Haushaltswoche debattiert, auf dem prominenten Platz vor den Einzelplänen 32 und 60, Bundesschuld und Allgemeine Finanzverwaltung. Wie auch immer man das interpretieren will: Die Überleitung zur dritten Lesung ist erkennbar.

   Die Beiträge von Herrn Brüderle und Herrn Schui haben gezeigt, dass wir bereits mitten in der Abschlussrunde sind. Beide haben sich erkennbar sowohl mit Bundesminister Glos als auch mit Bundesminister Steinbrück gerieben. Doch wie so oft, Herr Brüderle, war Ihre Rede mehr eine Büttenrede als ein Sachbeitrag. Herr Professor Schui, so interessant Ihre Grundsatzausführungen waren, so wenig helfen sie praktisch weiter. Es ist auch bezeichnend, dass dazu gar keine Anträge vorliegen.

(Zuruf von der LINKEN: Sind Sie hier der Oberlehrer?)

   Aus unserer Sicht kann man nur sagen: Wirtschaft und Finanzen bleiben unser Schicksal. Sie bleiben - das sage ich ganz offen - die Bewährungsprobe der großen Koalition. Das war auch von 1966 bis 1969 so. Doch wie zweischneidig historische Vergleiche sind, zeigt die andere Bewährungsprobe, die uns vor der Sommerpause bevorsteht, nämlich die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Auch dabei streiten wir darüber, welche Anforderungen die Entscheidungssituation hier und heute an uns Politiker stellt. Es ist Spekulation, wie die nächste Generation über unsere Entscheidungen denken wird. Schlüsse von damals auf heute sind nicht möglich, zum Beispiel dahin gehend, dass wir uns gegenüber 1969 korrigieren wollten und wir heute auf dem besten Wege seien, Fehler zu machen. Wir handeln mit dem besten Wissen und Gewissen, Fehler zu korrigieren und nachhaltige Politik zu machen.

   Auch bei Wirtschaft und Finanzen kommt es darauf an, eine strenge Analyse anzustellen und die Problemlösungen darauf aufzubauen. In finanzpolitischer Hinsicht hat uns dazu kürzlich die EU-Kommission ins Stammbuch geschrieben, dass sich die Bilanz des ersten Jahres nach der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zwar sehen lassen kann, dass zentrale Probleme aber noch ungelöst sind. Zitat:

Die größte Herausforderung besteht jedoch nach wie vor darin, über die Korrektur übermäßiger Defizite hinauszugehen und durch Verstärkung der Konsolidierungsbemühungen in besseren Zeiten mittelfristig eine sichere Haushaltsposition zu erreichen.

   Das heißt beinhart, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade auch von der Opposition, dass wir uns sowohl um mehr Einnahmen kümmern müssen - besonders bei den steuerlichen Begünstigungen und Ausnahmen - als auch und vor allem um mehr Ausgabendisziplin.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Herr Brüderle, Stabilität und Wachstum, das Mischungsverhältnis und die Verteilung beider Anstrengungen auf der Zeitachse sind Regierungskunst. Da sind wir uns sicherlich im Ob einig und streiten uns nur über das Wie.

   Herr Kollege Schui, es wird in den nächsten Jahren, sowohl was die Haushaltsdisziplin als auch was die Haushaltsstrukturen angeht, darum gehen, den Doppelkurs von Stabilität und Wachstum weiter zu verdeutlichen und zu verstärken.

   Am Haushalt des Wirtschaftsministeriums interessiert, welche Beiträge dieses Ressort zur Sanierung der Staatsfinanzen und zur Lösung der strukturellen Probleme leistet. Da wir uns in der zweiten und noch nicht in der dritten Lesung befinden, möchte ich, wie es auch der Kollege Rossmanith getan hat, einen Schwerpunkt als Haushälter setzen. Es müssen keine Einzelheiten aufgezählt werden, auch nicht als Referat zu den Einzelplanberatungen in den Monaten März und April 2006. Der Bericht des Haushaltsausschusses liegt Ihnen vor; auf knappen drei Seiten geht es darin um den Haushalt für Wirtschaft und Technologie.

   Welche sind unsere Grundlinien? Gegenüber 2005 wächst der Haushalt um 1,1 Milliarden Euro auf 5,7 Milliarden Euro. In der mittelfristigen Finanzplanung ist eine Steigerung auf 5,9 Milliarden Euro vorgesehen. Um das nicht mit falschem Ausgabenwachstum zu verwechseln: Das geht zurück auf den Neuzuschnitt des Ressorts, vor allen Dingen auf die Verstärkung des Teils Wirtschaft um den Teil Technologie, und auf das 6-Milliarden-Euro-Programm, mit dem die Bundesrepublik Deutschland energisch die Lissabonstrategie verfolgt.

   Die globale Minderausgabe, die im Entwurf der Bundesregierung mit einer Höhe von 85 Millionen Euro angesetzt war, ist auf Vorschlag der Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss bereits um 35 Millionen Euro gesenkt worden. 50 Millionen Euro müssen im Haushaltsvollzug also noch folgen.

   Sorgen bereitet uns, und zwar über die Parteigrenzen hinweg, die Steigerung der globalen Minderausgabe in der bisherigen mittelfristigen Finanzplanung, in den Jahren 2007 bis 2009.

(Ulrike Flach (FDP): So ist es!)

Sie soll sich nahezu verdreifachen. Dies könnte zu einem Zielkonflikt zwischen Konsolidierung und Innovation führen. Darauf machen wir die Bundesregierung unmittelbar vor der Aufstellung des Haushaltes 2007 und der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahre 2010, dem Zieljahr der Lissabonstrategie, aufmerksam.

   Ich erlaube mir, davor zu warnen, diesen Konflikt, der nicht nur im Einzelplan 09 sichtbar wird, sondern auch in anderen Haushalten - besonders allerdings im Haushalt Wirtschaft und Technologie -, im Haushalts-Soll zu verschleiern und die Budgetverantwortung durch globale Minderausgaben von der Haushaltsaufstellung durch das Parlament in den Haushaltsvollzug durch die Bundesregierung zu verlagern, also den Versuch zu unternehmen, die Lösung dieses Konflikts in der Bewirtschaftung des Haushalts und im Haushalts-Ist zu vergraben bzw. - so könnte man es auch nennen - zu verwursten.

(Beifall des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU))

Das ist nicht mein Verständnis von erklärter und vollzogener Politik.

   Herr Kollege Rossmanith, Herr Kollege Willsch und ich haben als Berichterstatter der Koalition das in unseren Kräften Stehende getan. Sogar weitgehend im Einvernehmen mit der Opposition, jedenfalls mit dem früheren Koalitionspartner, den Grünen, und dem Beinahe-Koalitionspartner, der FDP, haben wir für die Teilauflösung der globalen Minderausgabe 2006 gesorgt. Schon während der Beratungen am 6. April dieses Jahres haben wir zudem die Freigabe von Mitteln für Forschung und Entwicklung in den Ressorts Bildung und Wirtschaft durchgesetzt. - Das könnte eigentlich noch einmal mit Beifall versehen werden, aber es ist offenbar hinreichend bekannt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Bei derselben Gelegenheit haben wir die Bundesregierung um einen Bericht über die Erfüllung des 3-Prozent-Ziels bis zur Mitte des Jahres gebeten.

(Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Mutig! Mutig!)

- Das wird uns noch begleiten, Herr Schui. - Im Kern geht es uns um die Frage - so heißt es im Beschluss des Haushaltsausschusses -, wie das Ziel, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf insgesamt 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern, von den Akteuren - dem Bund und den Ländern auf der einen Seite und der Wirtschaft auf der anderen Seite - erreicht werden kann.

   Deshalb freue ich mich, dass diese Debatte just an dem Tag stattfindet, an dem die in der Bundesregierung für dieses übergreifende Politikthema verantwortliche Ministerin, Frau Schavan, die Forschungsunion zwischen Staat und Wirtschaft begründet.

Das ist ein neuer Name für etwas, was auf den Innovationspakt zwischen Bundeskanzler Schröder und den Regierungschefs der Länder auf der einen und Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft auf der anderen Seite zurückgeht; mehr als zwei Jahre ist das jetzt her. Frau Schavan befindet sich dabei in bester Tradition ihrer Vorgängerin, der Kollegin Edelgard Bulmahn.

(Beifall bei der SPD)

   Wie ernst das Glaubwürdigkeitsproblem ist, das wir sowohl am kurzen wie auch am langen Ende der Finanzplanung lösen müssen, hat der Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2006 gezeigt, den der Bundestag zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrates am 19. Mai 2006 diskutiert hat. Es muss klar ausgesprochen werden - gerade wenn man Stabilität und Wachstum auf neuen Wegen erreichen will -: Deutschland verliert im internationalen Vergleich innovativer Volkswirtschaften immer noch an Boden. Wir haben noch nicht genügend Boden wettgemacht, geschweige denn uns wieder ins vordere Feld vorgearbeitet.

(Beifall der Abg. Ulrike Flach (FDP))

   Wie es besser gehen kann, will ich kurz am Beispiel der maritimen Wirtschaft zeigen - ich muss ja nun im Gegensatz zu dir, Kurt, ein Nordthema wählen -: Dieses Politikfeld wird auch während der Präsidentschaft Deutschlands in der Europäischen Union im ersten Halbjahr 2007 und mit Blick auf das kürzlich vorgelegte Grünbuch der Europäischen Kommission „Die künftige Meerespolitik der Europäischen Union: eine europäische Vision für Ozeane und Meere“ eine Rolle spielen. Herr Minister Glos hat als Koordinator für diesen kleinen, aber feinen Wirtschaftszweig innerhalb der Bundesregierung vor einiger Zeit eine bemerkenswerte Rede gehalten, von der in der Presse leider nicht genügend zu lesen war. Deshalb fordere ich ihn heute ein bisschen heraus. Ich freue mich übrigens, Herr Minister, dass Sie ähnlich wie Ihr Vorgänger die Küste schon einmal in Augenschein genommen haben: Minister Clement war damals in Bremerhaven, Sie waren in Stralsund - das nenne ich innerdeutsche Verteilungsgerechtigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Die Neuausrichtung der Schiffbau- und Schifffahrtspolitik der Bundesregierung - vier Maritime Konferenzen und bemerkenswerte Ergebnisse sind der beste Beleg für Innovationspolitik -, die unter Bundeskanzler Schröder begann und auf der die Bundeskanzlerin für die nächste Maritime Konferenz in Hamburg aufbauen kann, bestand in der Abkehr von der Subventionierung von Kaufverträgen, den so genannten Wettbewerbshilfen. Die Neuausrichtung setzte sich EU-konform mit den so genannten Innovationshilfen fort, rückzahlbaren Zuwendungen in Höhe von 20 Prozent der Aufwendungen, rückzahlbar allerdings nur für den Fall, dass es gelingt, das Produkt am Markt anzubringen. Parallel ist ein neues Zinsausgleichssystem, das so genannte CIRR, eingeführt worden, das den Reedern einen Anreiz gibt, Aufträge an deutsche Werften zu vergeben. Zusätzlich hat es in den letzten Wochen eine viel versprechende Verständigung zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und den Wirtschaftsministerien - vielfach auch Ministerien für Wirtschaft und Häfen - der Küstenländer gegeben. Die Länder erklären sich bereit, die Kofinanzierung der bisherigen Wettbewerbshilfen analog zur Luftfahrtforschung auf die Innovationsförderung zu übertragen. Im Gegenzug hat sich der Bund bereit erklärt, die CIRR-Finanzierung fortzusetzen und sie ganz zu schultern. Diese Vereinbarung fügt sich finanziell und konzeptionell in den Innovationspakt ein. Sie ist ein Beispiel für branchenbezogene Innovationspakte, von denen wir viele mehr brauchen. Ich hoffe, dass es Ihnen, Herr Minister Glos, in den Verhandlungen mit Ihren Kollegen in den Chefgesprächen zum Haushalt 2007 gelingt, diese Vereinbarung unterzubringen. Was Ihnen nicht gelingt, wird uns noch parlamentarisch beschäftigen müssen.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Beispiel, das ich gewählt habe, illustriert allerdings leider auch, woran es dem Standort Deutschland ebenso wie an hinreichenden Mitteln für Forschung und Entwicklung immer noch mangelt:

Wie fast in der gesamten Industrie sucht der Schiffbau nämlich händeringend Nachwuchs, und zwar nicht nur Handwerker, sondern auch Ingenieure. Pro Jahr schließen nur 70 junge Leute ihre Ausbildung an den sechs schiffstechnischen Studiengängen in Deutschland ab, während 120 Ingenieure pro Jahr allein in dieser Branche gebraucht werden. Die Zulieferindustrie sucht darüber hinaus zurzeit rund 1 500 Ingenieure, wie die Verbände VSM und VDMA übereinstimmend berichten.

   Der Staat ist also gefordert. Immerhin hat die Branche eine Ausbildungsquote - nämlich ein Verhältnis von Auszubildenden zur Gesamtbelegschaft - zu bieten, die höher ist als im Durchschnitt aller Branchen, nämlich 6 Prozent.

(Ulrike Flach (FDP): Daran könnten sich andere Unternehmen ein Beispiel nehmen!)

Und - auch das könnte zu einem Innovations- und Ausbildungspakt gehören -: Die Branche ist bereit, diese Quote zu steigern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach (FDP))

   Herr Minister Glos, Sie haben neulich zusammen mit Ihrem Kollegen Müntefering an alle Mitglieder des Deutschen Bundestages appelliert, in ihren Wahlkreisen für zusätzliche Ausbildungsplätze zu sorgen. Das ist breit gehört worden. Wir an der Küste machen das. Wenn Sie mitmachen, wird uns das umso leichter fallen.

   Ich begrüße, dass Sie sich in diesen Tagen auf der Spitzenebene mit Vertretern der deutschen Wirtschaft getroffen haben, um die Gewinnung von Ausbildungsplätzen ohne Nachhilfe des Gesetzgebers zu intensivieren. Dies bleibt eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Dies bleibt ebenso eine Aufgabe beider Ebenen, sowohl des Bundes als auch der Länder. Es bleibt auch deshalb besonders eine Aufgabe der Länder, weil es - diese Klage hören wir immer wieder - nicht nur zu wenig Ausbildungsplätze, sondern auch nicht genügend gut ausgebildete Absolventen von den Schulen gibt. Das muss sich ändern. Auch dies muss zum Thema gesamtstaatlicher Politik gemacht werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch nach der Verfassungsreform wird der Bundestag hier ein Mitspracherecht behalten.

   Neben den finanziellen und personellen Rahmenbedingungen von Innovation kommt es auf gute Gesetzgebung an, wie es neuerdings nach Wiederentdeckung der Tugend des guten Regierens heißt. Die Koalition kann die Verabschiedung des Gesetzes über den Normenkontrollrat in der letzten Sitzungswoche und des Mittelstandsentlastungsgesetzes in der nächsten Woche auf ihrer Habenseite verbuchen. Auch dies zählt zu den vielen Bausteinen der ersten 200 Tage. Wir reden nicht über das, was im Lande schlecht ist, sondern wir reden über das, was wir getan haben und tun wollen, um es besser zu machen.

   Das Wirtschaftsministerium wird sich - davon haben wir Haushälter uns überzeugt - mit Kreativität an der Sisyphusarbeit des Bürokratieabbaus und der guten Gesetzgebung weiterhin beteiligen, und zwar auch im Häuserkampf.

(Gudrun Kopp (FDP): Häuserkampf? Darunter können wir uns überhaupt nichts vorstellen!)

- Im Kampf der Ressortinteressen! - Es verdient dabei alle Unterstützung durch die Spitzen und im Zusammenwirken mit dem Parlament. Das Ressort hat dafür wie an anderen Stellen zusätzliche Personalmittel erhalten, und zwar - damit Sie auch dies nicht missverstehen - im Gegenzug zu Einsparungen, die es in anderen Bereichen nachgewiesen hat.

   Herr Bundesminister Müntefering hat in diesen Tagen angekündigt, die Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge zu vereinfachen, die zu einer jährlichen Zusatzbelastung für die deutsche Wirtschaft in Höhe von 8 Millionen Euro geführt hat. Ich danke Ihnen für diese Initiative, Herr Minister. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales will die umstrittene Regelung schnell ändern. Ich rege namens der SPD-Fraktion an, diesen Punkt schon in der nächsten Woche in das erste Mittelstandsentlastungsgesetz aufzunehmen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ist mir daran gelegen, für das zweite Halbjahr 2006 ein zweites Mittelstandsentlastungsgesetz vorbereiten zu lassen. Der Maßnahmenkatalog, den das Bundeskabinett von Ihnen, Herr Minister Glos, im Frühjahr erhalten hat, umfasst 37 Vorhaben und im Parlament gibt es etliche weitere Ideen. Ich will nur ein Beispiel nennen: die Kfz-Zulassung. Der Streik im öffentlichen Dienst hat uns hinreichend deutlich gezeigt, dass wir auch da im besten Sinne eines Benchmarking Anlass haben, von den Erfahrungen anderer Länder innerhalb der Europäischen Union zu lernen. Wir sollten den Rückenwind der Föderalismusreform nutzen, um zu versuchen, unser bundesstaatliches Regelwerk weiter zu öffnen.

   Es bleibt eine wichtige Aufgabe für das Ressort und das Bundeskabinett insgesamt, die Bemühungen der Länder und der Europäischen Union um Bürokratieabbau und eine bessere Gesetzgebung zu unterstützen. Wir haben auf allen drei Ebenen den Auftrag, kleine und mittlere Unternehmen - ich nenne sie lieber direkt, als den diffusen Begriff Mittelstand zu gebrauchen - darin zu unterstützen, sich besser im Dschungel staatlicher Regelungen zurechtzufinden. Noch besser wäre es, einen Teil dieses Dschungels niederzuschlagen.

   Was die Einrichtung des Normenkontrollrates und die skeptische Begleitmusik angeht, die in diesem Zusammenhang zu hören war, darf ich als Haushälter hervorheben, dass der Haushaltsausschuss parallel zu seiner Stellungnahme zu dem Gesetz die Bundesregierung aufgefordert hat, zusätzliche Verwaltungskosten so gering wie möglich zu halten und dabei insbesondere so weit wie möglich auf externe Berater zu verzichten. Wir werden auch überwachen, ob sie unserer Forderung nachkommt; die Möglichkeiten der Haushälter dazu sind unauffällig, aber spitz.

(Ulrike Flach (FDP): Das war mal ein vernünftiger Anfang!)

Zusätzliche Ausgaben sind im jeweiligen Einzelplan und ausnahmsweise auch durch Ressortumlage einzusparen. Mit anderen Worten: Es entsteht kein Mehraufwand. Ich weise also den Vorwurf zurück, wir bekämpften Bürokratie mit Bürokratie.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Der Haushaltsausschuss begrüßt, dass Herr Minister Glos den Geschäftsbereich seines Ressorts einer umfassenden Aufgabenkritik unterziehen will. Effizienzsteigerung heißt nicht nur, mit weniger Mitteln die gleiche Leistung zu erzielen, sondern auch, aufgaben- und bedarfsgerechte Schwerpunkte zu bilden.

   Deshalb hat der Ausschuss auf Antrag der Koalitionsfraktionen und mit Unterstützung von FDP und Grünen bei Enthaltung der Linken beschlossen, im Bereich der Außenwirtschaft die Standortwerbe- und Akquisitionsgesellschaften Invest in Germany und Industrial Investment Council zusammenzulegen und die Verknüpfung mit den Auslandshandelskammern und der Bundesagentur für Außenwirtschaftsinformation zu verstärken. Wenn der deutsche Export - auf den oft unsere Aufmerksamkeit fixiert ist und auf den wir zu Recht stolz sind, - auch mittelfristig dazu beitragen soll, das Wachstum zu stabilisieren, verdient sein weltweites Netzwerk die Unterstützung des Parlaments. Wir können uns nicht darauf ausruhen, was in diesem Bereich erreicht wurde.

   Weitere kritische Vorschläge sind vorstellbar und liegen im Haushaltsausschuss - ich hoffe, auch im Fachausschuss - bereits vor. Ich will dem jetzt nicht vorgreifen. Lassen Sie mich stattdessen versuchen, den Kreis zu schließen.

   Wenn man den Tenor der ersten Beratung im März mit der heutigen Debatte vergleicht, so ist man versucht, einen Kernbegriff der Konjunkturberichterstattung der letzten Wochen aufzugreifen. Es war von einem „Höhepunkt“ - so das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung - und von einem „Siedepunkt“ - so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag - die Rede. Ich finde, es verrät viel über den Stand der Wirtschaftswissenschaft und die Wirtschaftspolitik, dass immer wieder solch eine blumige Ersatzsprache gewählt wird, die weder die Wissenschaft noch die Politik zufrieden stellen kann.

   Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat in diesen Tagen festgestellt, dass der Mittelstand sein Stimmungshoch erreicht hat. Auch das ist eine zwiespältige Aussage. Dies sollte keine Momentaufnahme bleiben, Herr Kollege Brüderle. Ich hoffe, dass der Mittelstand mit dazu beitragen wird, die konjunkturelle Entwicklung zu stabilisieren. Das haben wir uns vorgenommen. Der Haushalt für Wirtschaft und Technologie soll dazu einen Beitrag leisten. Ich bitte deshalb wie mein Kollege von der Union um Zustimmung zu diesem Einzelplan.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Thea Dückert, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die konjunkturelle Situation ist gut; das, glaube ich, kann man feststellen. Das ist aber kein Lob für diese Regierung; denn eines ist sicher: Der Bundeswirtschaftsminister hat mit dieser positiven wirtschaftlichen Entwicklung nichts zu tun. Es gibt sie eher trotz des Wirtschaftsministers.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine falsche Analyse!)

Wirklich dramatisch ist, dass der Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland tatkräftig dazu beiträgt, dass wir zukünftig auf einen konjunkturpolitischen Abenteuerkurs geraten.

   Das prognostizierte Wachstum in Deutschland liegt zwischen 1,8 und 2 Prozent. Wir haben vorhin gehört, dass die Steuereinnahmen jeden Monat stärker sprudeln. Trotzdem stellt dieser Wirtschaftsminister eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts fest. Ich frage Sie, Herr Glos: Welche Wachstumsraten müssen eigentlich erreicht werden, welche zusätzlichen Steuereinnahmen müssen erzielt werden, bevor Ihnen die Schamesröte ins Gesicht steigt, wenn Sie so etwas verkünden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das sagen ausgerechnet Sie als Wachstumsbremse! - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die personifizierte Wachstumsbremse fragt nach Wachstum!)

   Die konjunkturelle Situation ist günstig. Sie aber treiben die Neuverschuldung auf einen historischen Höchststand. Der Grund ist, dass dieser Regierung die Kraft fehlt zu einer haushaltspolitischen Konsolidierung, die durch dringend überfällige Strukturreformen zu erreichen ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dafür gibt es viele Beispiele im Haushalt. Das beste Beispiel für Ihren Haushalt, Herr Glos - es wurde vorhin schon angesprochen -, liegt auf der Hand: die Steinkohlesubventionierung. Der Kollege Rossmanith hat hier verkündet, dass es dazu eine Art geheime Verschlusssache gebe.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Nein, nein! - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Es gibt keine geheime Verschlusssache! Es gibt anständige Verschlusssachen wegen der Unternehmensdaten!)

Wir jedenfalls sind der Ansicht, dass es hier Einsparpotenzial gibt.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rossmanith?

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, gerne.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Frau Kollegin Dückert, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Frage, ob es dazu etwas in der Geheimschutzstelle gebe, nicht von mir gestellt wurde, sondern von der Kollegin Lührmann?

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ja!)

Meine Antwort darauf war: Wenn dem so sein sollte, dann hat das sicherlich seine Bewandtnis, möglicherweise wegen Daten, die innerbetrieblich begründet sind. - Ich habe jedoch nicht gesagt, dass es dort etwas gebe.

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Herr Kollege Rossmanith, ich bin ganz sicher, dass es eine Bewandtnis hat, warum Sie versuchen, in dieser zentralen Frage nicht Ross und Reiter zu nennen, und kein Ausstiegsszenario darstellen. Immerhin sind ein Drittel der Mittel des Haushalts des Wirtschaftsministers an die Steinkohlesubventionierung gebunden.

   Ich verstehe Ihr Verhalten auch. Sie haben in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der FDP und uns Grünen einen Antrag für den Ausstieg aus der Steinkohlesubventionierung auf den Weg gebracht. In Berlin haben Sie aber das Problem, in einer Art rot-schwarzem Entscheidungsknäuel zu sein; Sie blockieren sich selbst. Deswegen sprechen Sie in diesem Bereich - so verstehe ich das jedenfalls - von Geheimschutzsachen.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das habe ich nicht gesagt!)

Meine Kollegin Lührmann kümmert sich um dieses Problem. Sie wird Ihnen nachher detailliert dazu Auskunft geben. Mir fehlt die Zeit dazu.

   Meine Damen und Herren, mit diesem Beispiel wollte ich deutlich machen, dass Ihnen schlichtweg der Mut zu strukturellen Reformen für eine Haushaltskonsolidierung fehlt. Das ist auch der Grund dafür, warum dieser Wirtschaftsminister mit seinem Haushalt, der einen Anteil daran hat, dass die Mehrwertsteuer erhöht wird, dazu beiträgt, dass wir in Deutschland auf einen konjunkturpolitischen Abenteuerkurs geraten.

Herr Glos, Sie haben bei Ihrem Amtsantritt verkündet, Sie wollten eine Art Wachhund sein und Laut geben, wenn es in den Bereichen Steuern, Arbeit und Gesundheit nicht klappt. Dazu kann ich nur sagen: Sie haben gleich die Gelegenheit, Ihre laute Stimme zum Beispiel gegen das unsinnige Vorgehen zu erheben, eine Mehrwertsteuererhöhung für das nächste Jahr anzukündigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kröning (SPD): Das ist schon beschlossen! Das haben Sie nicht gemerkt!)

   Gestern wurde im KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer deutlich gemacht - dies wurde vorhin schon angesprochen -: Wir befinden uns möglicherweise schon auf dem Stimmungshoch. In dieser Situation mit einer Mehrwertsteuererhöhung daherzukommen, ist ein Harakirikurs. Japan hat uns vorgemacht, was da passieren kann. Der Präsident des Deutschen Handwerkskammertages, Herr Kentzler, aber auch Wissenschaftler wie Professor Schneider aus Linz haben deutlich gemacht, was uns bei dieser Entwicklung droht. Es ist abzusehen, dass das Jahr 2007, vorbereitet und unterstützt durch unseren Wirtschaftsminister, das Jahr wird, in dem die mühsam erarbeitete Trendwende in der Entwicklung der Schwarzarbeit, also der Rückgang der Schwarzarbeit, den wir durch rot-grüne Reformen erreicht haben, umgedreht wird. Dann, Herr Minister, werden Sie kein Minister für mehr Arbeit sein, sondern ein Minister für mehr Schwarzarbeit. Das ist schlecht für dieses Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir alle wissen, dass Herr Glos sozusagen schon vor dem Anpfiff eingewechselt worden ist. Meine Sportlehrerin hätte bei einer Bewertung seiner Leistung bis heute gesagt: Michael hat sich bemüht, hat aber offensichtlich andere Begabungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Frau Oberlehrerin! - Ludwig Stiegler (SPD): Michael heißt: Der ist wie Gott!)

   Sie sagen uns immer wieder - ich vermute, das werden Sie nachher auch tun -: All das, was Sie machen, richtet sich vor allem darauf, mehr Beschäftigung in Deutschland zu schaffen. Da frage ich, Herr Minister: Was ist denn mit der Ankündigung, die Lohnnebenkosten unter die 40-Prozent-Marke zu setzen? Das haben Sie sich vorgenommen und das zu erreichen wäre für die Schaffung von mehr Beschäftigung auch notwendig. Ich sehe zwar, dass Sie etwas im Bereich der Arbeitskosten - unter anderem finanziert durch die Streichung von Mitteln für Integrationsmaßnahmen - tun werden. Aber ich sehe zuvor die Mehrwertsteuererhöhung, die erhöhten Beiträge zur Rentenversicherung und, wie von der Kanzlerin tagtäglich angekündigt - auch vorgestern wieder -, Beitragssteigerungen im Gesundheitswesen. Man kann also absehen, dass für Ihre arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisch wichtige Absicht, die Lohnnebenkosten zu senken, eine Gesamtstrategie fehlt.

   Ich sage Ihnen deshalb: Schauen Sie sich an, was zum Beispiel die Grünen zu diesem Thema vorschlagen.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Darüber kann man ja nicht einmal lächeln!)

Wenn wir mehr Beschäftigung erreichen wollen, dann müssen wir die Lohnnebenkosten gezielt im Bereich der geringeren Einkommen senken, weil wir durch diese Senkung der Lohnnebenkosten eine höhere Beschäftigung von Geringqualifizierten erreichen, ohne dass diese Menschen ein geringeres Einkommen haben. Wir haben ein Progressivmodell vorgeschlagen. Herr Minister, ich bin gern bereit, Ihnen das zu erläutern. Wenn Sie in diesem Bereich keine eigenen Ideen haben, dann können wir Ihnen gerne helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Der Generalsekretär der SPD, Hubertus Heil, hat kürzlich gefragt - es ist noch nicht lange her -: Wer ist eigentlich der Wirtschaftsminister in diesem Land? Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wenn es um die wesentlichen wirtschaftspolitischen Fragen geht, fragen auch wir uns das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine dieser wirtschaftspolitischen Fragen möchte ich Ihnen nennen: Die Ausbildungsplatzsituation ist dramatisch. Dramatisch sind aber auch die Handlungsunfähigkeit und die Untätigkeit des Ministers.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Jetzt reden Sie aber Quatsch! - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie hatten schon einmal sachlichere Passagen in Ihrer Rede!)

Der Mittelstand, die kleinen und mittleren Betriebe, haben eine durchschnittliche Ausbildungsquote von 8 Prozent. Das ist ganz sicherlich eine Folge des Ausbildungsplatzpaktes und des Drucks, den die rot-grüne Regierung damals ausgeübt hat.

   Wenn die großen Unternehmen in diesem Land diese Quote oder im Durchschnitt vielleicht 7 Prozent erreichen würden, dann gäbe es diese Ausbildungsplatznot nicht. Da muss ich fragen: Wo bleibt der Minister? Herr Minister, meine Fraktion hat Ihre Arbeit gemacht und recherchiert, um herauszubekommen: Wo ist denn die Lücke? Wir haben herausgefunden, dass die großen Stars der Wirtschaft in Deutschland, die DAX-Unternehmen, einiges nachzuholen haben, um es freundlich auszudrücken.

(Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Und die Gewerkschaften?)

Es gibt unter den Stars der deutschen Wirtschaft allerdings auch Highlights: Das ist zum Beispiel TUI; das ist Metro; das ist Bayer. Sie haben eine Ausbildungsquote zwischen 11,4 und 8,2 Prozent.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist löblich!)

Aber es gibt auch in erheblicher Zahl schwarze Schafe. Sie sind verantwortungslose schwarze Schafe in Bezug auf ihre eigene Entwicklung und auf die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands insgesamt. Ich nenne beispielsweise VW mit einer Ausbildungsquote von 4,4 Prozent.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sitzt doch der Wulff im Aufsichtsrat!)

Das ist Conti mit einer Ausbildungsquote von 3,9 Prozent. Das sind Infineon und Fresenius mit einer Ausbildungsquote von jeweils 3 Prozent.

(Gudrun Kopp (FDP): Und die Gewerkschaften?)

Das wunderbare Schlusslicht - „wunderbar“ ist hier in Anführungszeichen zu verstehen - ist Adidas mit einer Ausbildungsquote von 2 Prozent: 17 Azubis bei 2 000 Beschäftigten! Wir vermuten, dass Adidas mehr Verträge mit Fußballmillionären als mit Azubis hat. Das ist ein Skandal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ludwig Stiegler (SPD))

   Herr Glos, ich gebe Ihnen gern unsere Liste; ich habe sie mitgebracht. Nicht alle Unternehmen haben uns geantwortet. Ich denke, Sie sollten diese Liste vervollständigen und dann veröffentlichen. Sie sollten nach dieser Sitzung nach nebenan, zur Adidas-Arena, gehen; Adidas ist ja ein großer Sponsor bei der Fußballweltmeisterschaft.

(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Das ist Ihr Beitrag zur Fußballweltmeisterschaft!)

   Sie, Herr Minister, und auch Frau Merkel haben immer wieder verkündet, Sie wollen alles für Arbeit, Beschäftigung und Ausbildung tun. Es bleibt da auch vieles zu tun. Wir haben Vorschläge vorgelegt, denen Sie sich zuwenden sollten, etwa eine steuerfreie Gewinnrücklage für zukünftige Beschäftigung bei kleinen und mittleren Betrieben. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum im Steuerrecht zukünftige Maschinen mehr zählen sollen als zukünftige Arbeitsplätze. Wo ist schließlich Ihr Einsatz, Herr Minister, gegen die Subventionierung des Arbeitsplatzexports? Jährlich 5 Milliarden Euro werden dafür bereitgestellt.

   Ich möchte meiner Kollegin Frau Lührmann nichts von ihrer Redezeit wegnehmen. Deswegen muss ich an dieser Stelle Schluss machen.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Gott sei Dank!)

Nur noch das Folgende: Weder hat dieser Minister einen ordnungspolitischen Plan vorgegeben noch hat er irgendeine Maßnahme eingeleitet, die der Beschäftigung dient.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Sie hätten Ihre Rede noch mehr verkürzen können!)

Wir brauchen in Deutschland ein Konzept, das Laptop und Lederhose verbindet, um das mehr auf Bayrisch auszudrücken, damit es bei den Betreffenden auch ankommt. Dieser Minister bietet aber leider nur die Lederhose. Ich habe den Eindruck, der Finanzminister hat ihm auch diese schon mehr oder weniger ausgezogen.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Bundesminister Michael Glos.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Rossmanith! Wir von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben heute einen Antrag eingebracht, in dem wir den Ausstieg aus dem subventionierten Bergbau fordern.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Überflüssig!)

- Sie haben jetzt schon wieder gesagt, dieser Antrag sei überflüssig. Vorhin haben Sie gesagt, er sei im Grunde nicht falsch. Wenn dem so ist, dann kann ja die CDU/CSU unserem Antrag zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Otto Fricke (FDP))

   Wie das geht, haben Ihnen Ihre Kolleginnen und Kollegen im Landtag in Nordrhein-Westfalen schon vorgemacht. Der Antrag, den wir hier einbringen, wurde wortgleich im März dieses Jahres von einer Jamaikakoalition im Landtag in Nordrhein-Westfalen beschlossen, also auch mit Ihren Stimmen. Das ist ein gutes Modell und wesentlich besser als das Gemurkse, das Sie hier zu dem Thema im Bundestag veranstalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Dieser Antrag besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil fordern wir die DSK, die Deutsche Steinkohle AG, auf, Szenarien für einen sozialverträglichen Auslauf des subventionierten Bergbaus vorzulegen. Gerade für die Beschäftigten, aber auch für alle anderen Menschen im Land ist es wichtig, zu wissen, woran sie sind - das muss hier endlich diskutiert werden - und dass wir Geld für zukunftsorientierte Ausgaben umschichten können.

   Im zweiten Teil des Antrags geht es darum, durch ein unabhängiges Gutachten den geplanten Börsengang der RAG untersuchen zu lassen.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Beides ist auf den Weg gebracht worden!)

- Es ist eine super Sache, dass die Regierung dieses Gutachten endlich auf den Weg gebracht hat. Aber, Herr Kollege Rossmanith, Sie wissen genauso gut wie ich: Der Teufel steckt im Detail.

   Ich habe die Regierung schon gefragt, wie genau der Auftrag für dieses Gutachten aussieht, um zu wissen, was die Gutachter für teures Geld erforschen sollen. Daraufhin wurde mir gesagt, der Auftrag für dieses Gutachten sei geheim. Ich weiß nicht, was daran geheim sein soll. Ich glaube eher, diese Geheimniskrämerei rührt daher, dass Sie nicht öffentlich über die Steinkohle diskutieren und der Öffentlichkeit nicht klar machen wollen, dass es in der Koalition zum Thema Steinkohle einen riesigen Konflikt gibt und Sie sich nicht einigen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Unglaublich! - Gegenruf des Abg. Otto Fricke (FDP): Aber wahr!)

   Wir als Grüne hingegen haben nicht nur diesen Antrag, sondern auch andere Anträge zu diesem Thema eingebracht, die auch den Haushalt 2006 betreffen. Wir haben festgestellt, dass die Weltmarktpreise für Steinkohle in den letzten Jahren ziemlich stark gestiegen sind. Bei der Berechnung für die Steinkohlesubventionen wurde immer von Preisen von um die 40 Euro pro Tonne ausgegangen. Im Jahr 2004 lag der Preis schon bei um die 55 Euro pro Tonne, im Jahr 2005 bei 65 Euro pro Tonne. Dadurch wird ganz klar, dass die Wirtschaft Subventionen zurückzahlen muss, weil sie für die Verstromung zu viel Subventionen erhalten hat. Deshalb fordern wir in unseren Anträgen - das ist ein sehr kluger Vorschlag -, dass sich die Regierung darum kümmern soll, dass die Subventionen zurückgezahlt werden.

   Dass dies möglich ist, haben auch wieder die Kolleginnen und Kollegen in NRW gezeigt.

(Gudrun Kopp (FDP): Richtig!)

Die „Rheinische Post“ vom 17. Juni dieses Jahres meldet, dass für 2006 insgesamt deutliche Rückzahlungen zu erwarten sind. Für den Bund würden das - mit diesen Zahlen rechnet man in Nordrhein-Westfalen - 200 Millionen Euro bedeuten, und zwar allein für das Jahr 2006. Wir haben bei unseren Berechnungen noch andere Jahre hinzugenommen. Das zeigt: Wenn Sie, Herr Glos, Ihre Hausaufgaben machen und sich um das Thema wirklich kümmern und auch die Fertigstellung der Abrechnung vorantreiben würden,

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das Jahr ist noch nicht einmal herum! Wie wollen Sie da Abrechnungen machen? Was für eine Unkenntnis!)

sodass die Wirtschaft in die Verantwortung genommen und das Geld zügig zurückgezahlt würde, dann würden wir noch für diesen Haushalt eine enorme Entlastung erreichen.

(Gudrun Kopp (FDP): Richtig!)

Diese „Kohle“ brauchen wir für Investitionen in Zukunftsbereiche dringend.

Wir brauchen sie auch dringend für die Energiequellen, die wir auch in Zukunft nutzen können. Dazu gehören auch die erneuerbaren Energien.

   Wir als Grüne haben in diesem Zusammenhang konkrete Vorschläge vorgelegt. Deshalb bitte ich Sie, unseren Anträgen zuzustimmen, damit wir unseren Energiebedarf in der Zukunft sichern können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ludwig Stiegler (SPD): Werden wir nicht!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Professor Dr. Heinz Riesenhuber, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mit Vergnügen der Rede von Frau Flach zugehört. Bei ihr lernt man immer etwas dazu.

(Beifall bei der FDP)

   Liebe Frau Flach, Sie haben sich mit dem Vorwurf an unseren verehrten Wirtschaftsminister gewandt, dass das Ministerium keine Technologieschmiede, sondern ein Subventionsministerium sei.

(Ulrike Flach (FDP): So ist es!)

Das ist ein bitterer Vorwurf.

(Ulrike Flach (FDP): Ja!)

   Nun stellt sich die Frage, was eine Technologieschmiede sein könnte. Sie sind ja liberal. Sie gehen nicht davon aus, dass der Staat die neuen Techniken erfindet.

(Ulrike Flach (FDP): Nein, natürlich nicht! Deswegen wollen wir das ja streichen!)

Es ist schon eine große Leistung des Staates, wenn er die Unternehmen nicht daran hindert, das zu tun, was sie wollen. Wenn der Staat nicht bei der Arbeit stört, dann ist das eine glanzvolle Leistung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Insofern soll der Staat keine Technologien schmieden; er soll vielmehr die Voraussetzungen dafür schaffen.

   Unter diesem Gesichtspunkt ist das, was unser hochverehrter Wirtschaftsminister in seinem Ministerium in Angriff genommen hat, von strategischer Weisheit und umfassender Vernunft.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir alle wissen, dass noch einiges in der Mache ist. Vieles ist Gemeinschaftsarbeit. Deshalb sind wir so glücklich, dass die SPD auf unserer Seite ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir bauen darauf, dass auch Sie auf unserer Seite sind, meine Damen und Herren von der FDP, auch wenn Herr Koppelin - die Stimme der Vernunft in der FDP - heute nicht anwesend ist.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)

   Was kann ein Ministerium tun? Wir sehen mit Interesse, wie der Wirtschaftsminister zusammen mit dem Herrn Finanzminister die Unternehmensteuerreform so prägt, dass der Unternehmungsgeist der Unternehmen wächst, dass Unternehmen in anderen Ländern erkennen, wie stark der Standort Deutschland ist, und dass nicht mehr von prospektiven Spitzensteuersätzen, sondern von realen Steuersätzen ausgegangen wird, die entsprechend abgebildet werden.

   Zum Bürokratieabbau ist Bedeutendes gesagt worden. Dass die Regierung den Normenkontrollrat eingesetzt hat, dass wir das niederländische Standardkostenmodell einführen, um die Bürokratiekosten besser berechnen und damit auch besser bekämpfen zu können, ist die strategische Voraussetzung dafür, dass neue Technologien entstehen.

   Wir gehen diese Aufgabe aber auch im Haushalt des Einzelplanes an. Dabei steht der Wirtschaftsminister durchaus noch am Beginn seiner Arbeit.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der FDP: Das kann man wohl sagen!)

Unsere Freunde von der SPD haben zuvor mit den Grünen regieren müssen. Deshalb ist nicht alles so vollkommen, wie es sein sollte.

(Heiterkeit)

Wir gehen jetzt die Punkte an, die noch problematisch sind.

   Der erste Schritt war, die Bugwellen abzubauen. In vielen Programmen - das hat Frau Bulmahn zu Recht festgestellt - gab es beachtliche Bugwellen, weil Projekte, die fertig geplant und positiv begutachtet waren, wegen Haushaltsproblemen nicht zeitgerecht gestartet werden konnten. Das sind wir zunächst angegangen. Jetzt erweitert sich langsam der Horizont. Die Welt wird frei. Wir können sie frohgemut gestalten. Jetzt fragt sich, was wir als Nächstes angehen.

   Ich bin immer noch bei Ihrer Bemerkung mit der Technologieschmiede. Es gibt einige Bereiche, in denen zumindest die Industrie auf kluge Weise schmiedet. Bei unserem Weltraumprogramm hat der ESA-Ministerrat klug und erfolgreich verhandelt.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sehr wahr!)

   Im Haushalt des Wirtschaftsministers sind dafür zusätzliche Mittel in beachtlicher Höhe - es sind meines Wissens über 90 Millionen Euro bis 2009 - vorgesehen.

(Beifall bei der FDP)

Das ist zu begrüßen.

(Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

   Bei der Konzeption ist darauf geachtet worden, dass die Rolle Deutschlands in der Führung und Gestaltung des Systems stark ist. Die Erdbeobachtungssysteme, die zwei Erdbeobachtungssatelliten, die Beteiligung an Galileo und die Funktion von Oberpfaffenhofen und Darmstadt machen deutlich, dass wir über eine Vielzahl von starken und lebendigen Projekten verfügen, die ausverhandelt und gut organisiert sind.

(Beifall des Abg. Ludwig Stiegler (SPD))

   Beim Nationalen Weltraumprogramm werden wir noch einiges tun müssen. Meines Wissens stehen immerhin rund 167 Millionen Euro zur Verfügung, um in diesem Bereich einen Beitrag dazu zu leisten, dass unsere mittelständischen Unternehmen systemfähig werden bzw. Subsysteme und Systeme liefern können.

Genauso wichtig ist die Entwicklung in der Luftfahrtforschung. Da werden wir in absehbarer Zeit ein neues mittelfristiges Programm auflegen. Im Grunde haben wir hier eine gute und stetige Entwicklung zu verzeichnen mit einer gezielten Unterstützung des Mittelstands.

   Ich freue mich sehr, dass ich alle Ihre Fragen an die Technologieschmiede sachdienlich beantworten kann.

(Lachen bei der FDP)

   In mehreren Reden ist der Mittelstand angesprochen worden. Das ist natürlich ein zentrales Thema. Wir haben die Aufwendungen für diesen Bereich gewaltig gesteigert, indem wir 50 Millionen Euro draufgelegt haben. Dabei hat uns der Haushaltsausschuss in Herzlichkeit begleitet, wofür wir ausdrücklich danken. Das ist eine sehr gute Sache.

   Dass wir damit eine Strategie verfolgen, die Raum für Neues schafft, wird ein interessanter neuer Schritt sein. So stellt das Wirtschaftsministerium Überlegungen zum Bereich „Innovation und Normung“ an. Das ist ein neuer strategischer Bereich, wo etwas zusammengeführt wird. Zudem wird über die öffentliche Nachfrage nachgedacht, über Einstiegsprogramme in die Forschung für den Mittelstand und branchenübergreifende Wettbewerbe innerhalb der IGF.

(Ulrike Flach (FDP): Es soll nicht nachdenken! Es soll agieren!)

Das Ministerium setzt in unterschiedlichen Bereichen neue Paradigmen.

   Das Faszinierende an dem Forschungshaushalt ist, dass mir manche Programme aus der Zeit vor der deutschen Einheit bekannt sind. Das ist nicht unbedingt Ausdruck einer Innovationskraft. Programme müssen neu entstehen. Sie müssen aber auch sterben können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Frei lebt, wer sterben kann, Freunde! Wir müssen also darangehen, Freiraum für Neues zu schaffen. Ideen sind da.

   Bei den Fragen, auf die wir noch keine Antworten haben, ist auch unsere hochverehrte Opposition zur konstruktiven Mitarbeit herzlich eingeladen ist: Wie kommen wir dahin, dass der Mittelstand, dass ein junges Unternehmen sein Produkt schneller auf den Markt bringen kann? Frau Bulmahn hat zu Recht gesagt, dass wir das Volk der Erfinder sind. Beim Europäischem Patentamt haben wir im letzten Jahr 23 800 Patente angemeldet, die Amerikaner 32 700; Amerika ist aber sehr viel größer als wir. In Erfindungen sind wir gut. Wie aber bekommen wir die PS auf die Straße? Wie setzen wir das um?

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wie kommen wir besser in den Markt? Wie helfen wir den Start-ups, zu verstehen, dass sie nicht nur einen tüchtigen Buchhalter brauchen - der ist immer sehr bedeutend -, sondern dass sie einen Betriebswirt, einen Wirtschaftler mit Biss und Unternehmungsgeist als Partner brauchen? Sie brauchen nicht nur den genialen Ingenieur, der zum Kunden geht, sich rausschmeißen lässt, wieder hingeht, wieder rausgeschmissen wird und dann endlich, wenn der Kunde so genervt ist, dass er es nicht mehr aushält, den Auftrag bekommt. Davon leben die Unternehmen. Sie leben nicht von Erfindungen in Papierform. Es geht darum, lebenden Menschen zu helfen, den Sprung in den Markt zu schaffen. Sie müssen den entsprechenden Geist entwickeln und den Biss und die Entschlossenheit haben, dies umzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Liebe liberale Freundinnen und Freunde, wir sind hier nicht die Technologieschmiede. Wir schaffen die Voraussetzungen. Es geht hier um das Private-Equity-Gesetz und die Frage der Besteuerung der Venture-Capital-Fonds. Es geht darum, die Schwierigkeiten für die Business Angels zu überwinden. Ich bestehe nicht darauf, das an der Wesentlichkeitsgrenze der Beteiligungen festzumachen; es gibt andere Modelle. Wesentlich aber ist, dass wohlhabende Leute, die es in unserem Lande Gott sei dank gibt, die Lust an etwas Neuem haben, die in junge Unternehmen investieren und sie mit Rat und Geld begleiten wollen, sich voll engagieren, und nicht nur in Form einer Beteiligung in Höhe von 1 Prozent; dafür kämpft niemand. Der Mensch kämpft nur fürs eigene Geld, wenn er in der Wirtschaft tätig ist. Das ist gut so. Erhard sprach von der List der Marktwirtschaft, die den Egoismus des Einzelnen zur Weisheit des Erfolges umwandelt.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, wir würden Ihnen noch furchtbar gerne sehr lange zuhören.

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU):

Dann tun Sie das.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das geht leider nicht. Das kann ich nicht zulassen, Herr Kollege Riesenhuber.

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU):

Hochverehrte Frau Präsidentin, dann muss ich leider alle grundsätzlichen Aussagen, die noch ausstehen, auf die nächste Debatte verschieben.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

   In der grundsätzlichen Diskussion, die wir hier führen, habe ich mit Freude festgestellt, dass viele von der Fußballweltmeisterschaft Kenntnis genommen haben. Es ist jetzt üblich - das ist auch prima -, damit die Reden zu beschließen. XXXXX

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09 - Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.

   Zusatzpunkt 8. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/1672 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.19 auf:

Einzelplan 32

Bundesschuld

- Drucksache 16/1321 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

   Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

   Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über den Einzelplan 32 - Bundesschuld - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 32 ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Fraktionen der Opposition angenommen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I.20 auf:

Einzelplan 33

Versorgung

- Drucksache 16/1324 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Anja Hajduk
Jens Spahn
Bettina Hagedorn
Dr. Claudia Winterstein
Roland Claus

   Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

   Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Einzelplan 33 - Versorgung. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/1324 unter Nr. 2, den Einzelplan 33 aufzuheben.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist eine revolutionäre Veränderung!)

Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen der Linke, der SPD, der CDU/CSU und der FDP bei Enthaltung der Grünen angenommen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I.21 auf:

Einzelplan 60

Allgemeine Finanzverwaltung

- Drucksache 16/1323 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Otto Fricke
Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider (Erfurt)
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

   Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

   Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung - in der Ausschussfassung. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/1893? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der CDU/CSU und der FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.

   Wer stimmt für den Einzelplan 60 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 60 ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Fraktionen der Opposition angenommen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I.22 auf:

Haushaltsgesetz 2006

- Drucksachen 16/1325 , 16/1326 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

   Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wäre aber schön!)

   Wir kommen deshalb zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 2006 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Haushaltsgesetz 2006 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen..

   Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über den Finanzplan des Bundes 2005 bis 2009; das sind die Drucksachen 16/751, 16/1348 und 16/1327. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/1327, den Finanzplan des Bundes 2005 bis 2009 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Gegen die Kenntnisnahme! Das ist Ignoranz!)

und Enthaltungen der Grünen angenommen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt II auf:

Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2006

(Haushaltsgesetz 2006)

- Drucksachen 16/750, 16/1348, 16/1301 bis 16/1313, 16/1319 bis 16/1321, 16/1323, 16/1324, 16/1325, 16/1326 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

   Es liegen drei Entschließungsanträge der Fraktion der FDP, ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke sowie zwei Entschließungsanträge der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über die wir nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Ich weise darauf hin, dass wir später über das Haushaltsgesetz sowie über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke namentlich abstimmen werden.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich gebe zunächst das Wort der Kollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Ulrike Flach (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Finanzminister hat am Dienstag eine philosophische Vorlesung gehalten. Seine Philosophie ist, dass der gute und wohlmeinende Staat am besten weiß, wie man mit dem Geld der Bürger umgeht. Wer auf die hohen Steuerlasten der Bürger hinweist, zeichnet, so Steinbrück, ein Zerrbild eines irrsinnigen Steuerstaates. Laut Karl-Bräuer-Institut lag die Belastung der Einkommen mit Steuern und Abgaben 2005 bei 51,5 Prozent. Bis 2009 wird diese Quote auf 53 Prozent steigen. Wenn ein Staat seinen Bürgern über die Hälfte des Einkommens abnimmt, dann ist das vielleicht nicht irrsinnig, aber es ist in jedem Falle unsinnig.

(Beifall bei der FDP)

   Ihr Kronzeuge, den Sie, Herr Steinbrück, als fiskalisches Vorbild preisen, ist der ehemalige Finanzminister der USA, Robert Rubin. Rubinomics ist das, was Sie als eine Politik der doppelten Tonlage verstehen, eine Kombination aus Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen, wie sie Rubin 1995 bis 1999 in den USA angewandt hat.

   Zum Erfolg des Finanzministers Rubin, Herr Steinbrück, gehören aber auch einige Wahrheiten, die Sie in diesem Zusammenhang wohlweislich nicht nennen: Rubins Amtszeit war die Zeit der Hightech- und Internetblase, in der beinahe täglich Unternehmen an die Börse gingen. Damit hatte auch die Clinton-Administration übrigens nicht gerechnet, die 1993 sogar ein Konjunkturprogramm geplant hatte, aber nicht durchsetzen konnte. Die Börse trieb das Wachstum massiv an, über Rubins Amtszeit hinaus bis zum Jahr 2000.

   In Deutschland aber haben wir seit Jahren niedrige Wachstumsraten, sogar negative Wachstumsraten. Wir haben keinen Börsenhype, sondern sinkende Einkommen im Vergleich zu vielen EU-Ländern. Darauf wollen Sie jetzt diese massive Steuererhöhung packen? Dass das die Konjunktur mit Sicherheit schwächt, zu dieser Voraussage brauchen wir noch nicht einmal - das kann man mit dem einfachen Bleistift rechnen - die unzähligen Expertenmeinungen der vergangenen Wochen.

(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin (FDP))

   Übrigens, Herr Steinbrück, ist auch Herr Rubin mehr als skeptisch, was die Übertragung seiner Maßnahmen auf Deutschland angeht. Der „Spiegel“ hat im Juni 2005 Robert Rubin befragt, ob die Situation, die er 1995 in den USA vorfand, mit der in Deutschland vergleichbar sei. Seine Antwort darauf scheinen Sie nicht registriert zu haben; sie war sehr einfach und sehr klar: Nein. Nein, sagte er, die Situation war vollkommen anders. Die USA hatten zwar ein erhebliches Haushaltsdefizit, aber wir waren eine Gesellschaft mit flexiblem Arbeitsmarkt und der Bereitschaft zum Wandel. - Das ist der Punkt, Herr Steinbrück. Was Deutschland denn tun solle, um aus der Krise herauszukommen, wurde er weiter gefragt. Rubin sagte dazu:

Deutschlands Arbeitsmarktgesetze sind sehr restriktiv, die Sozialleistungen sehr hoch. Und Sie

- die Deutschen -

haben sicherlich ein demografisches Problem. Das sind Punkte, die Sie angehen müssen.
(Beifall bei der FDP)

Das aber heißt, wenn schon Robert Rubin Ihr Vorbild ist, dann bitte mit aller Konsequenz: Der Arbeitsmarkt muss dereguliert werden und die hohen Sozialstandards müssen auf den Prüfstand. Das ist genau die Politik, die Ihnen die Liberalen seit vielen Jahren empfehlen, die Sie aber - vor allen Dingen Sie von der Linken - ständig als gesellschaftliche Horrorvision angeprangert haben.

(Beifall bei der FDP - Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Stimmt!)

   Herr Steinbrück, Rubinomics ist nichts für Deutschland, zumindest nicht für ein Deutschland mit einer Regierung, an der die SPD beteiligt ist. Es fehlt Ihnen und der großen Koalition ein langfristiges gemeinsames Reformkonzept. Unsere demografische Entwicklung ist - anders als in den USA - eine tickende Zeitbombe für die deutschen Sozialsysteme. Sie aber vertändeln die Zeit - gerade wieder - mit mühsam errungenen Kompromissen der Koalitionsrunden, von deren Ergebnis noch nicht einmal Ihr eigenes Ministerium überzeugt ist, wie wir tagtäglich in den Zeitungen lesen können.

   Das Fazit Ihres ersten Aufschlags auf der bundespolitischen Bühne, Herr Steinbrück, ist frustrierend.

(Beifall bei der FDP)

Der größten Steuererhöhung in der bundesdeutschen Geschichte steht nur Ihre verbale Strategie zur Rückführung der Strukturprobleme auf der Ausgabenseite gegenüber. Solange dem so ist, Herr Steinbrück, ist jeder Schluck aus der Steuerpulle eine kurzfristige Maßnahme, die nur die Symptome lindert. Auf die Erfolge von Herrn Rubin werden Sie wohl sehr lange warten müssen.

(Beifall bei der FDP - Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Der größte Steuererhöher war die FDP!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Joachim Poß, SPD-Fraktion.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 41. Sitzung - wird am
Montag, den 26. Juni 2006,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/16041
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