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15. Wahlperiode
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   43. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Die Sitzung ist eröffnet.

   Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie sehr herzlich zu unseren heutigen sehr umfangreichen Beratungen.

   Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, darf ich Sie um Aufmerksamkeit für einige amtliche Mitteilungen bitten.

   Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen Nr. 5 und 6 auf Drucksache 16/1959

(siehe 42. Sitzung)

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Für Nachhaltigkeit, Transparenz, Eigenverantwortung und Wettbewerb im Gesundheitswesen

- Drucksache 16/1997 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

ZP 3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOP 37)

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechte in Usbekistan einfordern

- Drucksache 16/1975 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Eine Weltbank-Energiepolitik der Zukunft - Ja zu mehr Effizienz und erneuerbaren Energien, Nein zur Atomkraft

- Drucksache 16/1978 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Monika Lazar und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Befragung von Gefolterten und Nutzung von Foltererkenntnissen ausschließen

- Drucksache 16/836 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Indigene Völker - Ratifizierung des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Staaten

- Drucksache 16/1971 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen, Florian Toncar, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

7. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen

- Drucksache 16/1999 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Für die weltweite Sicherstellung der Religionsfreiheit

- Drucksache 16/1998 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Keine Weltbankkredite für Atomtechnologie

- Drucksache 16/1961 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Agrarbeihilfeempfänger offen legen

- Drucksache 16/1962 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

ZP 4 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache

(Ergänzung zu TOP 38)

a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Ökologischen Landbau in Deutschland und Europa weiterentwickeln

- Drucksache 16/1972 -

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 70 zu Petitionen

- Drucksache 16/1980 -

c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 71 zu Petitionen

- Drucksache 16/1981 -

d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 72 zu Petitionen

- Drucksache 16/1982 -

e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 73 zu Petitionen

- Drucksache 16/1983 -

f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 74 zu Petitionen

- Drucksache 16/1984 -

g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 75 zu Petitionen

- Drucksache 16/1985 -

h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 76 zu Petitionen

- Drucksache 16/1986 -

i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 77 zu Petitionen

- Drucksache 16/1987 -

j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 78 zu Petitionen

- Drucksache 16/1988 -

k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 79 zu Petitionen

- Drucksache 16/1989 -

ZP 5 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD:

Lage am Ausbildungsmarkt - Ausbildungspakt als Chance für Unternehmen, junge Menschen und den Arbeitsmarkt

ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktionen der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Demokratiebewegung in Belarus unterstützen

- Drucksache 16/1977 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Waffen unter Kontrolle - Für eine umfassende Begrenzung und Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen und Munition

- Drucksache 16/1967 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Den neuen Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen intensiv unterstützen

- Drucksache 16/1968 -

ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Für ein Ende der Gewalt in Norduganda

- Drucksache 16/1976 -

ZP 10 Erste Beratung des von den Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Max Stadler, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes

- Drucksache 16/2016 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss

   Die Tagesordnungspunkte 16, 17, 34 und 38 i sollen abgesetzt werden.

   Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.

   Außerdem ist beabsichtigt, die Tagesordnungspunkte 11 und 36, 19 und 20, 21 und 22 sowie 23 und 24 zu tauschen. Zu den bisher ohne Debatte vorgesehenen Tagesordnungspunkten 37 a - das ist die erste Lesung des Personenstandsrechtsreformgesetzes - und 38 j - dabei handelt es sich um eine Beschlussempfehlung zu Anträgen zum Notschleppkonzept für die Nord- und Ostsee - wird eine Aussprache gewünscht. Der Tagesordnungspunkt 38 j soll nach dem Tagesordnungspunkt 23 und der Tagesordnungspunkt 37 a als letzter Punkt der heutigen Sitzung aufgerufen werden.

   Schließlich mache ich auf zwei nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:

Der in der 40. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.

Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Rechtsextremismus ernst nehmen - Bundesprogramme Civitas und entimon erhalten, Initiativen und Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit langfristig absichern

- Drucksache 16/1498 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Der in der 40. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.

Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Diana Golze, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Fortführung und Verstetigung der Programme gegen Rechtsextremismus

- Drucksache 16/1542 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

   Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich rufe dann die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Ich habe der Tagesordnung widersprochen!)

- Davon weiß ich nichts.

   Soeben erfahre ich, dass ein Antrag zur Geschäftsordnung der Fraktion Die Linke vorliegt. Das Wort hat Frau Dr. Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Die Linke widerspricht der Tagesordnung. Wir widersprechen insbesondere der Aufsetzung des Tagesordnungspunktes „Beschlussempfehlung zum Steueränderungsgesetz“. Abgesehen davon, dass man dieser deutlichen Mehrbelastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zustimmen kann, geht es hier um das Verfahren.

   Wir haben im kollegialen Miteinander in der vergangenen Woche Fristverzicht erklärt. Am gestrigen Tag fand eine Sitzung des Finanzausschusses statt. Es gab eine Beschlussempfehlung mit den Unterschriften der Berichterstatter aller Fraktionen. Weil einer Landesregierung offenkundig ein Änderungsantrag nicht passte, wurde gestern zu etwas sehr später Stunde

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mitternacht!)

erneut eine Sitzung des Finanzausschusses für heute früh um 7 Uhr einberufen und diese Änderung kraft Mehrheit durchgesetzt. Die Berichterstatter der Oppositionsfraktionen haben dem widersprochen.

   Wir protestieren gegen dieses Verfahren. Ihr Parlamentsverständnis, meine Damen und Herren von der Koalition, hat mit Demokratie nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was hier passiert, ist Arroganz der Macht einer großen Koalition. Aber die Opposition lässt sich nicht zum Hampelmann machen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir beantragen deswegen die Absetzung der Beschlussempfehlung zum Steueränderungsgesetz von der Tagesordnung.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Das Wort in der Geschäftsordnungsdebatte hat nun der Kollege Dr. Röttgen.

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Durch nichts wurde Ihre Alternativlosigkeit und Fantasielosigkeit in der Sache

(Widerspruch bei der LINKEN - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, na!)

bislang so deutlich wie heute Morgen. Sie wollen der Sachdebatte offensichtlich ausweichen, indem Sie lächerliche Verfahrenskritik üben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das nenne ich Arroganz der Macht! - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Wir wollen Demokratie!)

   Wir müssen den Bürgern zeigen, dass wir über die Sachprobleme reden und nicht darüber, dass morgens um 7 Uhr ein Ausschuss tagt.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist denn Ihre Beschlussempfehlung? Ich habe sie ja noch nicht einmal!)

Es gibt Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die morgens um 7 Uhr arbeiten müssen.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Hoffentlich macht ihr das beim BDI anders!)

Das ist, glaube ich, gelegentlich auch Parlamentariern zuzumuten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Regierungsfähigkeit fängt damit an, dass man morgens früh aufstehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Bodo Ramelow (DIE LINKE): Damit man beim BDI arbeiten kann, oder wie?)

Die Bürger haben doch Erwartungen in der Sache an uns.

(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Oh ja! Erst recht bei diesen Beratungen!)

   Bei diesem Gesetz geht es darum, dass Bund und Länder wieder auf eine solide finanzielle Grundlage gestellt werden, dass wir die Verschuldungspolitik beenden und dass unser Staat, unser Gemeinwesen, unser Land handlungs- und gestaltungsfähig wird, damit wir wieder Politik machen können. Dafür sind Maßnahmen notwendig, die es erfordern, dass die Menschen einen Beitrag leisten. Wir können nicht die moralisch, politisch und ökonomisch nicht mehr vertretbare Verschuldung beenden wollen

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Das ist doch eine Farce, Herr Kollege! Reden Sie endlich zum Verfahren! - Gegenruf des Abg. Hans Michelbach (CDU/CSU): Schreien Sie nicht so! - Gegenruf des Abg. Dr. Guido Westerwelle (FDP): Ich schreie hier, soviel ich will!)

und gleichzeitig alle bestehenden Steuerbegünstigungstatbestände erhalten. Darum geht es heute Morgen. Ich bitte Sie bzw. fordere Sie auf, der Sachdebatte nicht auszuweichen. Legen Sie Alternativen vor! Darüber kann geredet werden. Aber üben Sie keine lächerliche Verfahrenskritik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Das sind vielleicht Parlamentarier! Meine Güte!)

   In der Sache geht es ja nicht darum, dass einem Gesetz ein Punkt hinzugefügt worden ist. Dann könnten Sie sagen: Damit konnten wir uns noch nicht beschäftigen. Es fehlte die Zeit, sich damit auseinander zu setzen. - Wenn dem so wäre, wäre Ihre Kritik berechtigt. Nein, es geht lediglich darum, dass aus einem Gesetz eine isolierte Regelung zur Behördenzuständigkeit herausgenommen wurde, wodurch sich an der Sache nichts ändert.

(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Na, na, na! Sie haben sich wohl nicht mit der Sache beschäftigt!)

Damit kann eigentlich kein Kollege oder keine Kollegin intellektuell überfordert sein. Darum ist es richtig, heute darüber zu debattieren und eine Entscheidung zu treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Das Wort hat nun der Kollege Carl-Ludwig Thiele für die FDP-Fraktion.

Carl-Ludwig Thiele (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute soll in erster Lesung das Steueränderungsgesetz 2007 beraten werden. Dazu möchte ich etwas erklären, weil das nicht jeder wissen kann: Es handelt sich hierbei um ein Artikelgesetz. Wenn es um ein solches Artikelgesetz geht, können im Laufe des Verfahrens Teile des Gesetzes herausgenommen oder Teile hinzugefügt werden. In diesem Fall ist seitens der Mehrheit dieses Hauses bzw. des Finanzausschusses ein Passus über die Steuerstatistik in das Gesetz aufgenommen worden. Das ist der Punkt, der die technischen Probleme, auf die ich zu sprechen kommen werde, auslöst.

   Über dieses Gesetz wurde gestern im Finanzausschuss abschließend abgestimmt; es ist eine Berichterstattung erfolgt. Aufgrund der Vorteile, die Handys bieten, erhielt ich um 23 Uhr in der letzten Nacht die Nachricht, dass heute Morgen um 7 Uhr eine Sitzung des Finanzausschusses stattfinden soll. Herr Kollege Röttgen, die Opposition war anwesend.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Ja, natürlich! Das ist doch selbstverständlich! - Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Sehr gut!)

Wir haben an der Beratung teilgenommen, weil wir uns selbst einem unüblichen Verfahren nicht automatisch entziehen.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in der Sache beraten.

   Bei diesem Gesetz gibt es aber nicht nur ein Miteinander, sondern es ist auch ein förmliches Gesetzgebungsverfahren zu beachten. Der Deutsche Bundestag hat sich selbst eine Geschäftsordnung gegeben. In dieser Geschäftsordnung sind gewisse Regeln enthalten. Eine dieser Regeln lautet, dass jeder Abgeordnete - auch wenn er Mitglied eines nicht mit dem Gesetzgebungsverfahren befassten Ausschusses ist - die Möglichkeit haben muss, den Inhalt eines Gesetzes vor der Abstimmung zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sieht diese Regel vor - das ist in der Geschäftsordnung verankert -, dass die entsprechenden Unterlagen jedem Abgeordneten 24 Stunden vor der Debatte zur Verfügung gestellt werden müssen.

Wir als Opposition haben erklärt, dass wir angesichts des Zeitdrucks aufgrund der morgigen Abstimmung über die Föderalismusreform auf Fristeinrede verzichten. Aber das kann nicht dazu führen, dass gesagt wird, dass für das, was heute im Finanzausschuss behandelt wurde, keine Berichterstatter der Opposition gebraucht würden, sie würden nur stören. Denn es gab Berichterstatter und der alte Beschluss des Finanzausschusses musste aufgehoben werden, um hier eine neue Beschlussgrundlage zu bekommen.

   Nach meinen Informationen hat die Steuerstatistik ein Bundesland gestört. Die übrigen 15 Bundesländer haben gesagt, sie störe sie auch. Da bin ich schon etwas überrascht, dass in einem geordneten Gesetzgebungsverfahren die Koalition wie in einem Studentenparlament agiert

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und sagt, sie habe gar keine andere Möglichkeit, sie müsse das jetzt durchziehen und wenn die Opposition störe, müsse sie raus. So kann es nicht laufen; denn auch die Opposition ist gewählt.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Opposition trägt dazu bei, auch mit Kritik und Anmerkungen - die Mehrheit ist ja gesichert -, dass das Verfahren vernünftig stattfindet. Dieses heute praktizierte Verfahren ist abenteuerlich. Ich habe so etwas in meiner Parlamentszeit, die immerhin seit 1990 währt, noch nicht erlebt.

   Es gäbe zwei andere Möglichkeiten: Die Koalition hat zum Beispiel die Möglichkeit, heute in zweiter Lesung einen entsprechenden Änderungsantrag zu stellen; dann wäre das Formelle überhaupt kein Problem. Ich verstehe nicht, warum die Koalition diese Möglichkeit nicht nutzt.

   Ich habe im Finanzausschuss ein weiteres Verfahren vorgeschlagen: Das Gesetz könnte so verabschiedet werden, wie es gestern vom Finanzausschuss beschlossen wurde. Ich möchte dann doch mal sehen, ob die Herren Ministerpräsidenten es wagen, dieses Gesetz, welches Mehreinnahmen für die öffentliche Hand bringen soll, indem die Bürger bei der Entfernungspauschale schlechter gestellt werden und der Sparerfreibetrag gekürzt wird, im Bundesrat wegen einer technischen Frage zu stoppen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich glaube das nicht. Andernfalls: Wenn sie es stoppen, ginge es in den Vermittlungsausschuss. Über dessen Ergebnis könnte dann wieder abgestimmt werden. So könnte dieses Gesetz in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden.

   Wir als Opposition haben somit mögliche Wege aufgezeigt. Wir haben auch an den Beratungen im Finanzausschuss teilgenommen. An der Abstimmung haben wir aber bewusst nicht teilgenommen, weil wir sie nach wie vor für unzulässig halten.

   Ich habe eine Bitte an die große Koalition: Herr Kollege Kauder, Sie können die Sitzung auch unterbrechen. Denn diese Verfahrensfrage entzieht sich aus meiner Sicht in wesentlichen Teilen einer Mehrheitsentscheidung des Bundestages.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wäre das Gesetz als solches „infiziert“. Angesichts der verfassungsrechtlichen Probleme dieses Gesetzes - um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken; inhaltlich werden wir noch darüber debattieren - steht es durchaus zu erwarten, dass der eine oder andere Bürger gegen dieses Gesetz vor Gericht ziehen wird.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Carl-Ludwig Thiele (FDP):

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

   Weil es zu einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren gehört, bestimmte Regeln einzuhalten, bitte ich Sie, Ihr Vorgehen zu überprüfen. Ansonsten laufen Sie Gefahr, auch unter rechtsförmlichen Gesichtspunkten, ein Gesetz zu beschließen, welches richterlich keine Anerkennung finden wird.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb stimmen wir als FDP dem Antrag der Linkspartei zu.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Olaf Scholz.

Olaf Scholz (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will es ganz kurz machen: Die Aufregung, die wir hier vermittelt bekommen, hat mit dem Inhalt, um den es geht, nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, das ist eine bemerkenswerte Erkenntnis.

   Es geht um eine Veränderung von Steuerstatistiken; das kann man machen, man kann es auch lassen. Ich glaube wie der Kollege Röttgen, dass man sich schnell überlegen kann, wie man sich in der Abstimmung dazu verhalten will. Ich glaube, große Reden zu halten über Demokratie, Parlamentarismus und Bruch von Rechten,

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Genau darum geht es! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Olaf, Olaf! - Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht um die Zeiten!)

ist im Verhältnis dazu, worum es eigentlich geht, völlig unangemessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Es kann sein, dass Bürgerinnen und Bürger diese Debatte verfolgen

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie reden, schalten die Bürger wieder ab! Das ist sicher!)

und, gerade weil hier große Reden gehalten werden, überlegen: Was ist denn das wichtige Thema? Sie müssen dann ganz enttäuscht feststellen, dass hier völlig unangemessene Reden gehalten werden.

Was man hier aber noch einmal mitteilen muss: Alles ist ordnungsgemäß. Deshalb hat auch niemand etwas anderes vorgetragen. Das waren alles nur Erwägungen zum Thema.

   Selbstverständlich kann im Finanzausschuss etwas Neues beschlossen werden. Das ist heute Morgen um 7 Uhr in der Sitzung geschehen. Es kann eine Änderung vorgenommen werden, bevor die Vorlagen endgültig an die Abgeordneten verteilt werden. Etwas anderes ist nicht erfolgt. Insofern entspricht das Verfahren, das wir hier miteinander gewählt haben, der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und all unseren Regeln vollständig. Darum muss man auch nicht die Sorge haben, dass es deswegen Prozesse geben wird; jedenfalls werden sie nicht erfolgreich sein.

   Weil wir das Gesetz wirksam werden lassen wollen und deshalb auch nur angemessen kurze Reden zu dem halten, worum es hier eigentlich geht, beende ich hiermit meinen Beitrag.

   Wir lehnen diesen Antrag jedenfalls ab.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat nun der Kollege Volker Beck das Wort.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der großen Koalition! Auch die lieben Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen seien gegrüßt! Das, was Sie vonseiten der Koalition hier vorgeführt haben, geht so nicht. Das ist nur noch Arroganz der Macht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Sie sagen für alle, dass parlamentarische Beratungsverfahren nicht mehr respektiert werden müssen. Sie können sich nicht damit herausreden, dass es sich hier um keine wichtige Sache handele. Wenn es nicht um eine wichtige Sache gehen würde, würden wir Ihrem Verfahren in der Sache nicht widersprechen.

   In § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung ist vorgesehen, dass von der Verteilung der Vorlagen bis zur Beratung normalerweise zwei Tage vergehen müssen. Das hat einen guten Grund, nämlich den, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen hier im Hause eine Meinung bilden können müssen, weil sie als Abgeordnete - und nicht als Fraktionsmitglieder - verpflichtet sind, ihr Abstimmungsverhalten vor dem Volk, vor dem Wähler zu verantworten. Diese Verantwortung treten Sie mit Ihrem Verfahren mit Füßen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

   Wir als Opposition haben gesagt - das ist guter Brauch unter den Geschäftsführern -: Wenn die Vorlage am Vortag, am Mittwoch, im Ausschuss fertig ist und abends verteilt wird, dann hat jeder am Abend noch die Möglichkeit, nachzulesen und Fragen, die sein Abstimmungsverhalten berühren, bis zum nächsten Morgen zu klären. Als ich vorhin um 8.30 Uhr ins Haus kam, lagen die Vorlagen beim Dienst noch nicht vor. Wie soll man aber wissen, was man hier tut, wenn man die Vorlagen nicht hat, über die man reden und entscheiden soll?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

   Mit Ihrer Vorgehensweise stellen Sie auch den Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition, die überwiegend gar nichts für ein solches Verfahren können, ein superschlechtes Zeugnis aus. Sie sagen nämlich: Egal, was in der Vorlage steht, unsere Leute stimmen dem ungelesen auf jeden Fall zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Ich finde, als Mitglieder dieses Hauses sollten wir ein solches Verhalten der Fraktionsführungen der großen Koalition gemeinsam zurückweisen. Die Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande glauben doch nicht mehr, dass wir hier ernsthaft um Lösungen ringen und dass wir wissen und verantworten, was wir hier tun, wenn wir noch nicht einmal lesen können, was wir hier beschließen und worüber wir abstimmen.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Wenn Sie nicht lesen können, dann können wir Ihnen auch nicht helfen!)

   Wir widersprechen nach § 20 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Aufsetzung dieses Tagesordnungspunktes, da die Voraussetzungen nicht gegeben sind, und wir erklären, dass der Fristverzicht, den wir für eine andere Vorlage erklärt haben, zurückgezogen ist.

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Nein, das kann man nicht!)

   Ich komme nun noch zu dem, was Sie im Ausschuss getan haben. Mit Ihrer Zweidrittelmehrheit können Sie hier ja alles tun. Sie können uns auch gleich nach Hause schicken.

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Nicht so wehleidig und selbstgerecht! - Volker Kauder (CDU/CSU): Bleiben Sie noch ein bisschen!)

Dann treffen wir uns einmal im Jahr und führen die Gesetzgebung durch, wobei Sie die Opposition aber nicht mehr mitreden lassen. - Sie haben die Berichterstatter der Opposition im Finanzausschuss, weil sie Ihnen nicht passten, nach Abschluss der Beratungen ihrer Ämter enthoben, sie vor die Tür gesetzt und ihnen gesagt, dass sie keine Berichterstatterrechte mehr haben, dass nur noch die Herren und Damen von der großen Koalition das Sagen haben. Das ist eine Ungeheuerlichkeit.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): So ein Unsinn! Das war doch überhaupt nicht so! - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Sie waren doch überhaupt nicht dabei! So etwas Lügenhaftes!)

Das ist unkollegial und unparlamentarisch. Deshalb ist das eine Schande für die große Koalition und für dieses Haus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nun folgenden Sachverhalt:

Die Fraktion Die Linke hat einen Geschäftsordnungsantrag auf Absetzung der Punkte 3 a und b von der Tagesordnung gestellt. Herr Beck von den Grünen hat soeben Fristeinrede geltend gemacht. - Ich bitte die Geschäftsführer, zu mir zu kommen, um kurz über das weitere Abstimmungsverfahren zu beraten.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Sachverhalt konnte nicht endgültig geklärt werden. Die FDP-Fraktion hat soeben den Antrag gestellt, die Beratungen darüber im Ältestenrat fortzusetzen. Darüber hinaus wurde mir mitgeteilt, dass die FDP eine Fraktionssitzung durchführt.

   Ich unterbreche die Sitzung. Sie werden über die Fortsetzung der Plenarsitzung informiert. Im Moment kann ich nicht sagen, wie lange es dauern wird.

(Unterbrechung von 9.23 bis 10.30 Uhr)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz zu nehmen und die Gespräche einzustellen.

   Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, dass nun über den Geschäftsordnungsantrag der Fraktion Die Linke auf Absetzung dieses Tagesordnungspunkts abgestimmt wird. Ich bitte um Handzeichen von denjenigen, die dem Antrag zustimmen wollen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Antrag abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke.

   Damit rufe ich die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:

a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Steueränderungsgesetzes 2007

- Drucksache 16/1545 -

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Steueränderungsgesetzes 2007

- Drucksachen 16/1859, 16/1969 -

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

- Drucksachen 16/2012, 16/2028 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Olav Gutting
Gabriele Frechen
Kerstin Andreae
Dr. Volker Wissing

bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

- Drucksache 16/2013 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider (Erfurt)

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

- zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Steueränderungsgesetz 2007 zurückziehen

- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Keine weiteren Steuererhöhungen

- Drucksachen 16/1501, 16/1654, 16/2012, 16/2028 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Olav Gutting
Gabriele Frechen
Kerstin Andreae
Dr. Volker Wissing

   Zum Entwurf des Steueränderungsgesetzes liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

(Anhaltende Unruhe)

   Ich eröffne die Aussprache und bitte Sie um Aufmerksamkeit für den ersten Redner in dieser Debatte, den Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist knapp eine Woche her, dass dieses Hohe Haus den Bundeshaushalt 2006 angenommen hat.

(Anhaltende Unruhe)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Herr Minister, einen Moment bitte. - Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, wenn Sie der Debatte folgen wollen, Platz zu nehmen und sich darauf zu konzentrieren, und diejenigen, die etwas anderes zu tun haben, den Saal zu verlassen. - So, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe meine Rede mit dem Hinweis begonnen, dass es knapp eine Woche her, dass - -

(Zurufe: Lauter!)

- Können Sie mich nicht verstehen? Soll ich das Mikrofon in die Hand nehmen?

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ja! - Jürgen Koppelin (FDP): Die Bürger verstehen Sie auch so nicht! - Beifall bei Abgeordneten der FDP)

- Die Bürgerinnen und Bürger verstehen mich eher als Ihre Fraktion!

   Können Sie mich jetzt verstehen?

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Nicht wirklich! Weder akustisch noch inhaltlich!)

   Was mache ich mit der Technik?

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Es wird schon geregelt, Herr Minister; wir sind dabei.

Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:

Meine Damen und Herren! Es ist eine knappe Woche her, dass dieses Hohe Haus den Bundeshaushalt 2006 angenommen hat. Denjenigen, die die Gelegenheit hatten, meinen Ausführungen zu folgen, ist in Erinnerung, dass ich den Hinweis gegeben habe, dass dieser Bundeshaushalt 2006 lediglich der Beginn eines langen, durchaus steinigen Weges ist. Er leitet einen Weg ein, der uns wieder zu dauerhaft tragfähigen öffentlichen Finanzen führen soll, einen Weg, der die finanziellen Spielräume des Bundes, aber auch der anderen Gebietskörperschaften wieder erweitern soll und uns Spielräume geben soll, mehr Zukunftsfinanzierung zu betreiben als bisher.

   Es ist deshalb Ausdruck der Zielstrebigkeit der großen Koalition, wenn wir jetzt, eine Woche später, das Steueränderungsgesetz 2007 einbringen. Das ist eine weitere, wichtige Etappe auf diesem Weg. Vor allem ist es der Beleg dafür, dass diese große Koalition konsequent und entschlossen die finanzpolitische Agenda abarbeitet, die wir uns vorgenommen haben. Wir haben Transparenz gezeigt und das, was im Koalitionsvertrag steht, mit den späteren Beschlüssen - insbesondere denen von Genshagen - bestätigt. Das halte ich für wichtig und das halte ich auch für gut so; denn damit wissen die Bürgerinnen und Bürger genau, dass die steuerpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung berechenbar und verlässlich sind,

(Lachen bei Abgeordneten der FDP)

selbst dort, wo wir unpopuläre Maßnahmen zu treffen haben, um die sich zumindest ein Teil der Mitglieder der Oppositionsfraktionen drückt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Mit dem vorliegenden Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2007 setzt die Bundesregierung die auf allen staatlichen Ebenen notwendige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte fort. Dies bedeutet eben, auch eine Reihe von Maßnahmen zu verabschieden, die keine La-Ola-Wellen bei den Bürgerinnen und Bürgern auslösen. Dabei war und bleibt es unrealistisch, anzunehmen, dass wir unseren ehrgeizigen, aber notwendigen Konsolidierungskurs ohne Einschnitte in sicher geglaubte Besitzstände vollziehen können. Zu dem von der Bundesregierung eingeschlagenen strikten Sparkurs sehe ich deshalb keine überzeugende Alternative.

   Die Bundesregierung verkennt nicht, dass diese notwendige Haushaltskonsolidierung in Einzelfällen auch mit spürbaren Einschnitten, mit Härten und mit Zumutungen verbunden ist. Umso mehr sind wir darum bemüht, belastende Maßnahmen auch unter dem Gesichtspunkt der individuellen Leistungsfähigkeit und im Ergebnis zumutbar auszugestalten. Dies gilt auch und gerade für den vorliegenden Gesetzentwurf. Ich möchte dies zum Beispiel an der Pendlerpauschale noch einmal deutlich machen.

   Ohne Einsparungen auch bei der Pendlerpauschale und bei anderen Maßnahmen werden wir nicht zu soliden Finanzen zurückkommen. Auch im Trommelfeuer mancher Kritik ist gänzlich untergegangen, dass wir uns auch bei den Regelungen zur Pendlerpauschale von einer, wie wir glauben, möglichst fairen Verteilung der Belastung leiten lassen. Fernpendler, also genau die Berufstätigen mit dem höchsten Aufwand, das heißt, mit dem weitesten Weg zur Arbeit, werden im Rahmen der vorgesehenen Härtefallregelung in Zukunft immer noch einen erheblichen Teil ihrer Fahrtkosten in Ansatz bringen können.

   Derselbe Gesichtspunkt gilt auch mit Blick auf den Balkon derjenigen, die sich in den oberen Einkommensetagen bewegen, also für die Reichensteuer. Auch hier geht es nicht um Symbolpolitik, wie es uns viele unterstellen, sondern es geht darum, dass dem Grundsatz einer fairen Lastenverteilung Rechnung getragen wird; denn der Einkommensteuerzuschlag für Spitzenverdiener ist auch ein Beitrag zur verteilungspolitischen Balance, unabhängig davon, welche Beträge dahinter stehen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

- An dieser Stelle habe ich mich offenbar verständlich ausgedrückt.

(Jörg van Essen (FDP): Aber nur da, Herr Minister!)

   Ich bin überzeugt: Wenn sich die Schwaden der Nebelkerzen, die jetzt gelegentlich geworfen werden, verzogen haben, dann werden auch die Bürgerinnen und Bürger die Vorzüge einer Steuer- und Finanzpolitik erkennen, die versucht, für nachfolgende Generationen finanzielle Spielräume zu erhalten, anstatt ihren Kindern und Enkelkindern einfach nur einen Schuldenberg vor die Füße zu kippen, und die Anstrengungen der Bundesregierung, einen solchen Pfad einzuschlagen, vielleicht etwas fairer würdigen, als dies in manchen begleitenden Kommentaren bisher der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Ich glaube, dass viele Bürgerinnen und Bürger bereit sind, einen solchen Kurs der Bundesregierung zu unterstützen. Er wird als das akzeptiert, was er ist, nämlich ein notwendiger Beitrag, um langfristig zu tragfähigen öffentlichen Finanzen und damit auch wieder zum Vertrauen in die Verlässlichkeit der Haushalts- und Finanzpolitik zu kommen.

   Jeder Einzelne weiß doch, dass es ein privater Haushalt auf Dauer nicht aushält, wenn seine Ausgaben nur zu 80 Prozent durch Einnahmen gedeckt sind.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Und was tut er dann?)

Das werden sie, die privaten Haushalte, sich nicht leisten können und die öffentlichen Haushalte können dies auf Dauer ebenfalls nicht aushalten.

   Der heute vorliegende Gesetzentwurf darf nicht isoliert betrachtet werden. Er ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des ausgewogenen steuerpolitischen Maßnahmenbündels der großen Koalition, mit dem wir auch steuerliche Ausnahmetatbestände und Subventionen konsequent abbauen. Das haben wir bereits in einem erheblichen Umfang getan.

   Ich möchte daran erinnern, dass die Bundesregierung mit dem Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen, mit dem Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm, mit dem Gesetz zur Abschaffung der Eigenheimzulage und mit dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen bereits ein ganzes Stück Weg zurückgelegt hat, um Steuersubventionen abzubauen.

   Anknüpfend an diese Ausführungen möchte ich deshalb darauf hinweisen und an all diejenigen, die, wie ich glaube, wenig schlüssige Vorschläge vorlegen, appellieren, dass dieser Weg des Abbaus von Steuersubventionen nicht diskreditiert werden sollte. Es darf nicht passieren, dass zahlreiche Experten und fast alle Parteien - auch die, die in diesem Hohen Hause vertreten sind - den Abbau von Steuersubventionen verlangen, aber in helle Aufregung verfallen und mir nichts, dir nichts aus dem Abbau einer Steuersubvention eine Steuererhöhung machen, um mit diesem Begriff auch im Publikum Reflexe auszulösen, wenn wir sehr konkret an diese Arbeit herangehen. Dies ist nicht sehr konsequent und schlüssig.

   Eine solche Politik ist eher Klientelpolitik und das krasse Gegenteil von dem, was die Bundesregierung anstrebt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU - Jörg van Essen (FDP): Zu Recht ein sehr dünner Beifall! - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Zwei stimmen Ihnen jeweils zu!)

- Herr Westerwelle, ich bin mir ziemlich sicher, dass mehr zustimmen. Im Grunde stimmen Sie doch auch zu.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Nein, wirklich nicht!)

- Sie stimmen doch dem notwendigen Abbau von Steuersubventionen zu oder nicht?

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Aber doch nicht zum Stopfen Ihrer Haushaltslöcher!)

- Wozu denn dann?

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Um Steuersätze zu senken, Herr Minister!)

- Das ist doch völlig unmöglich. Dieser Dreizack funktioniert nicht. Die FDP verspricht Ihnen, meine Damen und Herren, die Nettokreditaufnahme zu senken, Investitionen zu erhöhen und gleichzeitig die Steuern zu senken. Das ist völlig irreal.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, nämlich die Steuersätze weiter zu senken, also eine weitere Steuerentlastung, ist irreal. Man sollte Ihnen nicht von hier bis zum nächsten Briefkasten glauben, weil Sie genau wissen, dass Sie in einer Regierungsverantwortung diesen Kurs nicht realisieren könnten.

   Ich halte daran fest: Wir brauchen einen Abbau von Steuersubventionen. Die Vorstellung, man könne darauf verzichten, ist das Gegenteil von dem, was die Bundesregierung anstrebt. Wir wollen zur Haushaltskonsolidierung beitragen und diese vorantreiben. Wir wissen, dass die damit verbundenen Einschnitte alles andere als populär sind, aber sie sind im Ergebnis zumutbar. Wir brauchen sie, wenn wir langfristig wieder auf einen soliden Haushaltskurs zurückfinden wollen, was insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit von erheblicher Bedeutung ist, wenn wir unseren Kindern und Enkelkindern nicht eine immense Steuerlast buchstäblich aufbürden und einen Haushalt hinterlassen wollen, den sie eines Tages nur noch auf dem Weg von Steuererhöhungen oder erheblichen Leistungskürzungen tragen können. Ich bitte deshalb um Unterstützung für diesen Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2007.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Volker Wissing das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Volker Wissing (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angela Merkel zufolge hat Gerhard Schröder Deutschland zu einem Sanierungsfall gemacht. Dafür hält der Fraktionschef der SPD ihn aber trotzdem für den besseren Kanzler, weil Schröder mehr gehandelt und weniger ausgelotet habe als Sie, Frau Bundeskanzlerin. Ich kann nur sagen: Herzlich willkommen im Tollhaus der großen Koalition!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Den Menschen in unserem Land wird erzählt, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer für die bevorstehenden Reformen unabdingbar sei. Kurze Zeit später teilt uns der Vorsitzende der SPD-Fraktion in einem Interview mit, dass man auf die größte Steuererhöhung in der Geschichte unseres Landes auch hätte verzichten können, wenn man bereit gewesen wäre, zu sparen.

(Beifall bei der FDP)

   Meine Damen und Herren, dass die große Koalition von Sparen nichts versteht und dass diese Bundesregierung vom Schuldenmachen viel versteht, haben Sie mit der Vorlage des Bundeshaushaltes wahrlich bewiesen,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

so nach dem Motto: Warum sollen wir sparen? Schulden machen ist viel einfacher und Steuererhöhungen sind noch leichter. - Die Politik der Steuererhöhungen ist inzwischen das Markenzeichen dieser großen Koalition.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Bundeskanzlerin, Sie sind die Kanzlerin der kleinen Schritte, aber bei den Steuererhöhungen geben Sie Vollgas.

(Beifall bei der FDP)

   Egal, was CDU/CSU und SPD anpacken, ohne Steuererhöhungen geht nichts: Haushaltskonsolidierung - via Steuererhöhungen; Auflage eines Wachstums- und Beschäftigungsprogramms, was nur Mitnahmeeffekte mit sich bringt - finanziert über Steuererhöhungen; Senkung von Lohnnebenkosten - selbstverständlich über Steuererhöhungen; Reform des Gesundheitswesens - ebenfalls über Steuererhöhungen finanziert. Die große Koalition steht für große Steuererhöhungen in unserem Land und - hier können Sie, Frau Merkel, sogar einen Superlativ vorweisen - die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Republik.

(Beifall bei der FDP)

   Sie erhöhen Steuern ohne Rücksicht auf die Menschen in unserem Land, ohne Rücksicht auf die Unternehmen und ohne Rücksicht auf die Verfassung. Die Reichensteuer, die Sie heute zum Beschluss vorlegen, ist ebenso verfassungswidrig wie die willkürliche Kürzung der Pendlerpauschale. Es ist ungeheuerlich, wie CDU/CSU und SPD mit dem Grundgesetz umgehen.

(Beifall bei der FDP)

Für Sie ist der Bruch der Verfassung die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Wir haben heute Morgen in der Geschäftsordnungsdebatte erlebt, mit welcher Arroganz der Macht Sie der Opposition begegnen. Ich kann Ihnen nur zurufen: Das wird Sie noch einholen.

(Beifall bei der FDP)

   Mit der Reichensteuer beschränken Sie die Steuerbelastungen ausschließlich auf Erwerbseinkommen. Das ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Trotzdem wollen Sie den Gesetzentwurf heute beschließen.

   Die Kürzung der Pendlerpauschale ist willkürlich von Ihnen festgesetzt worden. Alle Experten haben Ihnen das in der Anhörung des Finanzausschusses unisono bescheinigt. Wie ich mir aber von meinen Kolleginnen und Kollegen im Finanzausschuss habe erklären lassen müssen, sei das ein bisschen weniger verfassungswidrig als eine andere Lösung. „Ein bisschen verfassungswidrig“ gibt es aber ebenso wenig wie „ein bisschen schwanger“. Wo leben wir denn, dass solche Abwägungen getroffen werden? Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass die Erkenntnis „verfassungswidrig ist verfassungswidrig“ bei Ihnen angekommen ist.

   Dieser hemdsärmelige Umgang mit dem Grundgesetz ist unverantwortlich und im Grunde genommen nichts anderes als ein Beleg für Ihre hilflose Finanzpolitik, Herr Steinbrück. Sie haben kein finanzpolitisches Konzept und picken wie ein blindes Huhn in unserem Steuersystem herum. Das ist keine nachhaltige Finanzpolitik. So kommen wir in Deutschland nicht weiter.

(Beifall bei der FDP)

   Man kann ja über den Abbau von Steuervergünstigungen reden, Herr Steinbrück, aber dann muss man die Menschen in Deutschland auch durch Tarifsenkungen entlasten. Sie, meine Damen und Herren von der Union, haben das unisono im Wahlkampf gefordert und bleiben den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland die Entlastungen schuldig.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Leo Dautzenberg (CDU/CSU))

   Sie reden von Reformen und meinen Steuererhöhungen. Sie reden von Haushaltskonsolidierung und meinen Steuererhöhungen. Sie reden von Wachstum und Beschäftigung, Frau Kanzlerin, und meinen immer nur Steuererhöhungen. Glauben Sie denn im Ernst, die Menschen in Deutschland hätten nicht langsam gemerkt, dass Sie sie hinter die Fichte führen? Ihre Politik ist doch eine Beleidigung für jeden denkenden Menschen in Deutschland.

(Florian Pronold (SPD): Ihre Rede ist eine Beleidigung für jeden denkenden Menschen!)

   Sie wollen nicht sparen, erwarten aber genau das von den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland. Die Menschen in Deutschland müssen Ihre Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners künftig bei jedem Einkauf mit einem Zuschlag in Höhe der 3 Prozentpunkte finanzieren. Sie sollten übrigens bei dem Begriff „Merkel-Steuer“ bleiben. Das erspart der SPD das Umdenken und ist überaus zutreffend.

(Beifall bei der FDP)

   Wissen Sie eigentlich, was Sie mit dieser Politik anrichten? Wir haben eine desolate Binnennachfrage. Sie aber entziehen den Menschen unentwegt Kaufkraft in Milliardenhöhe und gefährden Arbeitsplätze in diesem Land. Das ist in hohem Maße unsozial, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

(Beifall bei der FDP - Jörg Tauss (SPD): Mit dem Begriff „sozial“ kennt ihr euch nicht aus!)

   Sie beschließen mit der Mehrwertsteuererhöhung die höchste Steuererhöhung in der Geschichte unseres Landes. Sie legen uns heute einen Gesetzentwurf vor, der zu weiteren Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in Milliardenhöhe führt, und planen bei der Gesundheitsreform - ja, was denn wohl? - weitere Steuererhöhungen.

   Kürzlich habe ich Sie gefragt, Herr Steinbrück, ob Sie ausschließen können, dass es bei der Gesundheitsreform zu weiteren Steuererhöhungen kommt. Die Antwort lautete: Ich werde den Teufel tun. - Wie vom Teufel geritten kommt dann die SPD mit der Forderung nach zusätzlichen Steuerbelastungen in Höhe von 40 Milliarden Euro für die Bürgerinnen und Bürger daher. Das kann in Deutschland nicht so weitergehen.

(Beifall bei der FDP)

   Große Steuererhöhungen, kleine Reförmchen, bei den Steuererhöhungen klotzen, beim Sparen kleckern und beim Schuldenmachen kräftig zugreifen: Das ist Ihre Finanzpolitik. Dabei sind die Einnahmen gar nicht das Problem, Herr Steinbrück. Das wissen Sie auch. Wir erzielen Steuereinnahmen in Rekordhöhe. Sie sprudeln geradezu. Die Äußerung Ihres Fraktionsvorsitzenden - er ist gerade nicht anwesend; er entzieht sich offenbar dieser Debatte -,

(Jörg Tauss (SPD): Es lohnt sich ja nicht, zuzuhören!)

die Mehrwertsteuererhöhung sei überflüssig gewesen, kann man anhand der hohen Steuereinnahmen in Deutschland sehr gut begründen. Aber Sie tun nicht das, was nötig ist. Sie erkennen die Realität nicht an. Deswegen kommen Sie mit einer solchen Politik nicht weiter.

   Unsere Haushaltspolitiker haben es Ihnen vorgemacht. Mit dem liberalen Sparbuch haben sie Ihnen konkrete Einsparvorschläge vorgelegt, die Sie alle abgelehnt haben. Damit haben Sie unter Beweis gestellt, dass Sie nicht zu Einsparungen bereit sind. So leicht kann man es sich machen: dem Bürger in die Tasche greifen und vom Sparen sprechen, aber selbst keinen einzigen Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei der FDP)

   Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Union, was Sie im Wahlkampf bekämpft haben, setzen Sie jetzt, da Sie in der Regierungsverantwortung sind, um. Das gilt für die Reichensteuer genauso wie für das Antidiskriminierungsgesetz, das Sie jetzt nicht mehr als rot-grünes, sondern als schwarz-rotes Gesetz mit einem neuen Etikett verabschieden. Man könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen. Die versprochenen Entlastungen sind alle ausgeblieben. Nur die Belastungen stehen bei Ihnen schnell im Gesetz. Sie küssen die rote Kröte bis zum Gehtnichtmehr

(Florian Pronold (SPD): Kröten sind schwarz und nicht rot!)

und wundern sich, dass am Ende kein edler Prinz vor Ihnen steht. Ich kann Ihnen nur sagen: Alles Lieben und Herzen wird Ihnen nicht weiterhelfen. Aus dieser roten Kröte wird kein Prinz.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Das Wort hat nun der Kollege Otto Bernhardt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Otto Bernhardt (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die große Koalition hat die Ziele ihrer Finanzpolitik ganz klar im Koalitionsvertrag formuliert. Wir wollen und müssen gleichzeitig zwei Ziele verfolgen: nachhaltige Sanierung der öffentlichen Finanzen und Stärkung der Beschäftigung. Alle Maßnahmen, die wir bisher in den Bundestag eingebracht haben und die auch heute zur Diskussion stehen, dienen diesen beiden Zielen.

   Ich will das Problem aufzeigen, weil die Rede meines Vorredners von der FDP den Eindruck erweckt hat, hier gebe es keine Probleme. In diesem Jahr - wir haben den Haushalt verabschiedet - werden wir neue Schulden in Höhe von 38 Milliarden Euro machen. Diesen Schulden stehen Neuinvestitionen in der Größenordnung von 23 Milliarden Euro gegenüber. Es ist unser Ziel, im nächsten Jahr nicht nur einen Haushalt vorzulegen, der den Maastrichtkriterien entspricht - das ist eine nicht ganz so schwierige Aufgabe -, sondern wir sind entschlossen und haben das im Koalitionsvertrag niedergelegt, im nächsten Jahr einen Haushalt vorzulegen, der dem Art. 115 des Grundgesetzes gerecht wird. Das heißt, dass die Neuverschuldung etwa 15 Milliarden Euro weniger betragen muss.

   Das ist unser Ziel. Die hier wieder zitierte Erhöhung der Mehrwertsteuer macht bezogen auf dieses Ziel 7 Milliarden Euro aus. Sie wissen, dass von den 3 Prozentpunkten der Mehrwertsteuererhöhung 1 Prozentpunkt für den Abbau der Lohnnebenkosten verwendet wird, 1 Prozentpunkt für die Sanierung der Länderfinanzen und 1 Prozentpunkt für die Sanierung der Bundesfinanzen. Das bedeutet, dass wir außer dieser Summe noch Einsparungen in Höhe von 8 Milliarden Euro oder höhere Einnahmen brauchen. Wir konzentrieren uns auf Einsparungen.

(Lachen des Abg. Hellmut Königshaus (FDP))

   Das Gesetz, um das es heute geht, umfasst neun Maßnahmen. Diese Maßnahmen werden bereits im nächsten Jahr ein Volumen von gut 2 Milliarden Euro ausmachen - davon je etwa die Hälfte für den Bund und für die Länder - und in den folgenden Jahren etwa 4 Milliarden Euro. Wir diskutieren also heute über einen Abbau der Neuverschuldung, Herr Kollege von der FDP, der in dieser Legislaturperiode eine Größenordnung von etwa 10 Milliarden Euro hat. Es spricht für den Mut der großen Koalition, dass wir zum Teil sehr unpopuläre Maßnahmen - ich werde gleich zwei Punkte besonders erwähnen - ergreifen; denn wir meinen es wirklich ernst mit der nachhaltigen Sanierung der öffentlichen Finanzen. Ich stimme dem Minister zu: Zu dieser Politik gibt es keine Alternative.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Ich will die beiden Punkte herausgreifen, die auch mein Vorredner angesprochen hat. Der eine ist der Zuschlag von 3 Prozent auf das Einkommen so genannter Besserverdienender. Bei Alleinveranlagung greift diese Maßnahme ab einem Einkommen von 250 000 Euro, bei gemeinsamer Veranlagung ab einem Einkommen von 500 000 Euro. Wenn jemand 300 000 Euro verdient und allein veranlagt wird, dann zahlt er für die Differenz zu 250 000 Euro, also 50 000 Euro, eine in der Presse so genannte Reichensteuer in Höhe von 1 500 Euro. Bezogen auf sein gesamtes Einkommen ist das 0,5 Prozent. Das kann natürlich jeder leisten, der ein solches Einkommen hat.

Die Frage ist nur - darüber haben wir uns intensiv unterhalten -: Ist das das richtige Signal? Teile der Koalition sagen: Das ist das richtige Signal; denn der Normalbürger muss manches ertragen und unter dem Gesichtspunkt der Solidarität sollten die, die besonders viel verdienen, einen besonderen Beitrag leisten. Das ist die eine Argumentation.

   Die andere Argumentation lautet: Dies könnte dazu führen, dass noch mehr gut Verdienende in Deutschland gar keine Steuern mehr zahlen. Dann wäre es sicher ein falsches Signal. Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Große Koalition heißt, dass man aufeinander zugehen und Kompromisse schließen muss. Diese Maßnahme haben wir im Koalitionsvertrag nun einmal vereinbart. Für einige Sozialdemokraten handelt es sich hierbei um Kaviar. Für mich handelt es sich eher um eine Kröte. Ich stelle aber klar: Wir stehen zu diesem Punkt und wir tragen ihn mit.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch Kröten legen Eier!)

   Die Änderung der Pendlerpauschale - der zweite Punkt, den ich ansprechen will - hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf Millionen von Arbeitnehmern. Damit die Größenordnung klar ist - unser Ziel ist die Haushaltssanierung -: Es geht um 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Natürlich haben wir unterschiedliche Modelle diskutiert. Einige haben 15 Cent für jeden Kilometer empfohlen. Andere haben empfohlen, die Arbeitnehmerpauschale anzutasten. Das hätte allerdings indirekte Steuererhöhungen für jeden und höheren Bürokratieaufwand bedeutet.

   Wir haben uns in der großen Koalition letztlich zu folgender Haltung durchgerungen: Die höchsten Belastungen haben diejenigen zu tragen, die von ihrem Arbeitsplatz besonders weit entfernt wohnen. Deshalb sollen die knappen Mittel den Fernpendlern zugute kommen; sie erhalten weiterhin 30 Cent pro Kilometer. Ich glaube, dies ist eine vernünftige Lösung. Wir haben im Ausschuss über die Verfassungsrechtlichkeit lange diskutiert. Wie Sie wissen, hat die Regierung klar gesagt: Verfassungsrechtlich ist das in Ordnung.

   Hier wird der Eindruck erweckt, die große Koalition sei sozusagen ein Bündnis für mehr Steuern.

(Jürgen Koppelin (FDP): Sehr wahr!)

Diese Aussage ist so nicht richtig. Sie müssen alle Mosaiksteine sehen; Sie dürfen sich nicht einen heraussuchen. Um die Beschäftigung zu stärken, werden wir an zwei ganz wichtigen Punkten umfangreiche Steuersenkungen vornehmen.

   Die große Koalition wird sicherstellen, dass ab dem 1. Januar kommenden Jahres beim Übergang einer Firma an die nächste Generation unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt keine Steuern anfallen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen, insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir befinden uns zudem mitten in der Diskussion um eine Neuordnung der Unternehmensbesteuerung. Wir haben hier Diskussionsbedarf. Das kann bei einem solchen Thema nicht überraschen. Aber an einem Punkt sind wir uns - das können Sie allen Äußerungen entnehmen - im Grundsatz einig: Wir müssen die steuerliche Belastung deutscher Firmen deutlich reduzieren, damit wir im internationalen Wettbewerb, insbesondere innerhalb der EU, konkurrieren können. Sie alle wissen, dass wir mit knapp 39 Prozent Gesamtbelastung - Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer - die Spitzenposition in Europa haben, und zwar nicht, weil wir die Steuern erhöht haben, sondern weil die anderen sie schneller gesenkt haben. Hinzu kommt, dass die EU Länder mit sehr niedrigen Steuersätzen aufgenommen hat.

   Jetzt diskutieren wir darüber, dass diese Steuerbelastung von bisher circa 39 Prozent in Richtung 29 Prozent gesenkt werden soll. Das, was selbst einige Journalisten als eine Senkung um 10 Prozent bezeichnen,

(Florian Pronold (SPD): Nominal!)

ist in Wirklichkeit eine Senkung um rund 25 Prozent. Das heißt, diese Koalition hat die Absicht - die FDP sollte einmal sehr aufmerksam zuhören -, die größte Steuersenkung für Betriebe vorzunehmen, die es nach dem Kriege gegeben hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Hier geht es uns um die Sicherung von Arbeitsplätzen.

   Vor diesem Hintergrund zeigt auch dieses Gesetz, das wir heute verabschieden werden, dass die große Koalition den Mut hat, unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, dass sie ein ausgewogenes Konzept hat: Steuersenkung dort, wo dringend erforderlich, Abbau von Subventionen, auch wenn unpopulär. Mit diesem Konzept werden wir das erreichen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich endlich wieder einen Haushalt vorzulegen, der sowohl den EU-Kriterien als auch dem Grundgesetz entspricht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

An diesem Problem arbeiten wir. Das ist gut und wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Herr Kollege, gestatten Sie - Sie hätten noch Zeit - eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Otto Bernhardt (CDU/CSU):

Immer.

Jürgen Koppelin (FDP):

Kollege Bernhardt, da man bei Ihrer Rede merkte, wie schwer Sie sich bei dem tun, was wir heute diskutieren, folgende Frage: Gibt es nicht Alternativen? Sie kommen aus Schleswig-Holstein und waren Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Ich will Ihnen ein Zitat vortragen. Es stammt vom früheren schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister Peer Steinbrück. Er erklärte damals:

Die Steuer- und Abgabenquote ist eindeutig zu hoch.
(Beifall bei der SPD, der CDU und der F.D.P.)
Sie ist aus der Perspektive der Arbeitgeber zu hoch. ... Sie ist zu hoch aus Sicht der Arbeitnehmer ...
Ich füge hinzu - ganz deutlich! -: Die Staatsquote ist auch zu hoch. Sie ist zu hoch.
(Beifall bei der SPD, der CDU und der F.D.P.)
Vor diesem Hintergrund ein konsensorientiertes Ergebnis hinzukriegen, wie man Jahr für Jahr, nicht bruchartig, sondern schrittweise, davon wieder runterkommt, halte ich des Schweißes der Edlen wert.

   Wäre das nicht der richtige Weg?

Otto Bernhardt (CDU/CSU):

Herr Kollege Koppelin, Sie wissen, dass die Staatsquote in Deutschland Gott sei Dank rückläufig ist. Sie kennen die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Sie wissen, dass wir durch die Senkung der Lohnnebenkosten oder Lohnzusatzkosten - was immer der bessere Begriff ist - erstmalig die Chance haben, da unter 40 Prozent zu kommen. Das zeigt: Die große Koalition ist auch auf diesem Gebiet auf dem richtigen Weg. Dort werden wir weiterarbeiten. Ich sage noch einmal: Die Sanierung der Staatsfinanzen ist ein grundlegendes Ziel. Es gibt keine gesunde Volkswirtschaft in Europa, die diesem Ziel nicht eine große Bedeutung gegeben hat. Das werden wir tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie wollen heute leider wieder ein Steuergesetz beschließen, das mit sozialer Gerechtigkeit und mit wirtschaftlichem Aufschwung nichts zu tun haben wird; ganz im Gegenteil. Ich werde versuchen, das zu begründen. Ich habe mir dazu vier Punkte herausgesucht.

   Sie wollen die steuerliche Absetzbarkeit der Aufwendungen für Arbeitszimmer stark reduzieren. Sie versprechen sich dadurch Mehreinnahmen von 300 Millionen Euro. Das trifft in erster Linie Lehrerinnen und Lehrer, aber auch andere Berufsgruppen. Das bedeutet für sie natürlich eine Nettolohnkürzung und nichts anderes. Sie haben kein einziges Argument genannt, das die Nettolohnkürzung rechtfertigen würde, zumal die Betroffenen seit Jahren kaum Lohnsteigerungen erlebt haben.

   Sie haben außerdem vor, beim Kindergeld und Kinderfreibetrag zu sparen, und zwar dergestalt, dass man das nur noch bis zum 25. Lebensjahr und nicht mehr bis zum 27. Lebensjahr erhält. Es ist interessant, das mit einer anderen Zahl zu vergleichen. Das durchschnittliche Alter der Studierenden zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihren Abschluss machen, liegt bei 28 Jahren. Das heißt, drei Jahre lang stellen Sie die Leute ohne Einnahme.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Übergangsregelung!)

   Was heißt das konkret? Das heißt, dass Sie die Ausbildungszeit nicht verkürzen, sondern verlängern,

(Beifall bei der LINKEN)

weil die Betroffenen nebenbei arbeiten müssen, um ihr Studium überhaupt noch absolvieren zu können.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Haben Sie den Gesetzentwurf überhaupt gelesen?)

Jetzt sollen noch Studiengebühren der Universitäten dazukommen. Jeder kann sich ausrechnen, wohin das führt. Das wird eine ganz elitäre Geschichte.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kinder von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben kaum noch Chancen, zu studieren. Das ist damit verbunden!

   Davon versprechen Sie sich Mehreinnahmen von 534 Millionen Euro - schon eine ganze Menge.

Dann reduzieren Sie den Sparerfreibetrag. Jemand, der allein stehend ist, hat bisher einen Sparerfreibetrag von 1 370 Euro, Verheiratete haben einen solchen von 2 740 Euro. Das reduzieren Sie auf 750 Euro bzw. 1 500 Euro. Das machen Sie in einer Zeit, in der Sie selbst beschließen, dass man die gesetzliche Rente später erst mit 67 Jahren bekommt, in der Sie selbst sagen, dass die Rente verringert werden wird. In dieser Situation reduzieren Sie den Sparerfreibetrag. In einer Zeit, in der Sie den Leuten jeden Tag erklären, sie müssten privat vorsorgen, greifen Sie gleichzeitig mit der Steuer zu. Sie haben nicht einmal die Fähigkeit zu einer gewissen Logik. Man kann nicht beides miteinander verbinden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Nehmen wir es konkret: Bei einer Verzinsung von 5 Prozent bedeutet das, dass jemand schon bei einem Sparguthaben von 16 020 Euro Steuern bezahlen muss; bisher waren es 32 040 Euro ist.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Wo bekommen Sie das denn?)

- Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Sie wollen sie doch schaffen. Also glauben Sie doch wenigstens an eine Verzinsung von 5 Prozent, auch wenn wir im Augenblick davon weit entfernt sind.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Wolkenkuckucksheim!)

Das heißt, schon bei der Hälfte des bisherigen Betrages, der auch schon ein lächerliches Sparguthaben für eine Altersvorsorge darstellte, müssten Steuern gezahlt werden.

   Dann kommt der dickste Brocken: die Entfernungspauschale. Da erhoffen Sie sich Mehreinnahmen von 2,5 Milliarden Euro. Das heißt, dieses Geld nehmen Sie den Leuten weg, sonst könnten Sie nicht mit solchen Mehreinnahmen rechnen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

15 Millionen Steuerpflichtige machen derzeit die Entfernungspauschale geltend. Die Hälfte davon erhält sie nach Ihrer Neuregelung nicht mehr, weil sie Entfernungen von bis zu 20 km bisher geltend macht hat, die dann nicht mehr geltend gemacht werden dürfen. Aber auch die andere Hälfte bekommt deutlich weniger: Jemand, dessen Entfernung zur Arbeitsstätte 50 Kilometer beträgt, erhält nicht mehr einen Ersatz für diese 50 Kilometer, sondern nur noch für 30 Kilometer.

   Das kostet die Steuerzahler richtig Geld; wir haben das ausgerechnet. Nehmen wir einmal ein Ehepaar mit einem Kind, das heute täglich 20 Kilometer hin und zurück zur Arbeitsstätte fährt: Bei einem Jahreseinkommen von 48 000 Euro hieße das, dass es zusätzlich 516 Euro aufwenden muss, bei einem Jahreseinkommen von 60 000 Euro wären es sogar 565 Euro.

(Florian Pronold (SPD): Weil Sie den Arbeitnehmerpauschbetrag mit einrechnen!)

Das ist die Wahrheit. Das müssen die Leute hergeben bzw. es fällt weg, weil sie es nicht mehr geltend machen können. Auf diese Weise erzielen Sie Ihre Mehreinnahme in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Übrigens betrifft das auch diejenigen, die den öffentlichen Nahverkehr benutzen. Auch diese dürfen Entfernungen bis zu 20 Kilometer nicht mehr geltend machen. So müssen sie auch die Preissteigerungen im öffentlichen Nahverkehr, die es in fast jeder Kommune gibt, künftig alleine tragen. All das wollen Sie hier beschließen.

   Selbst die Union will sich so entscheiden, obwohl sie doch sonst immer vom flexiblen Arbeitsmarkt redet und sagt, man kann sich nicht mehr aussuchen, in welcher Stadt man arbeitet, sondern muss auch größere Entfernungen in Kauf nehmen. Zugleich sagen Sie aber, bei Entfernungen von bis zu 20 Kilometern erstatten wir nichts mehr.

   Ich halte das auch für grundgesetzwidrig, und zwar unter anderem deshalb, weil wir das Nettolohnprinzip haben und weil das Bundesverfassungsgericht schon entschieden hat, dass die Aufwendungen, die man hat, um ein Arbeitsentgelt zu erzielen, abzugsfähig sein müssen. Sie sagen aber, sie sollen nicht mehr abzugsfähig sein. Ich denke, dazu werden wir eines Tages eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erleben, die Ihnen möglicherweise nicht gefällt.

(Beifall bei der LINKEN)

   Wenn ich das Ganze zusammennehme, komme ich auf eine Kaufkraftreduzierung um über 4 Milliarden Euro nächstes Jahr. Das müssen die Lehrerinnen und Lehrer, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Kleinsparer aufbringen. Das würde auch wirtschaftliche Folgen haben: Das Ergebnis wird sein, dass kleine und mittlere Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, weil sie weniger Waren bzw. Dienstleistungen verkaufen. Dann werden wir mehr Arbeitslose haben. Ich sehe schon, wie dann von Ihnen Anträge kommen, auf welche Weise man Arbeitslose stärker drangsalieren und ihnen Mittel kürzen kann. Das wird die Folge sein.

(Beifall bei der LINKEN)

   Zum Schluss gibt es dann noch ein Tröpfchen, die Reichensteuer. Sie haben Recht, Herr Bundesminister Steinbrück, mit symbolischer Handlung hat das nichts zu tun. Das ist weniger als ein Witz.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Ich muss das wirklich einmal erklären: Unter Helmut Kohl gab es einen Einkommensteuerspitzensatz von 53 Prozent. Union und FDP haben sich tapfer bemüht, diesen zu senken, aber damals standen die SPD und auch andere dagegen;

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Herr Lafontaine!)

deshalb fiel es Ihnen schwer. Bis zu Kohls Abgang wurde ein Steuersatz von 53 Prozent auf Einkommen über 60 000 Euro bei Alleinstehenden bzw. über 120 000 Euro bei Verheirateten erhoben. Dann kam Gerhard Schröder; die Welt änderte sich. Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer wurde um 11 Prozent auf 42 Prozent für all diejenigen gesenkt, die mehr als 60 000 Euro bzw. 120 000 Euro verdienten.

(Otto Fricke (FDP): 11 Prozentpunkte!)

- Okay. - Das haben Sie ja wahnsinnig gefeiert. Was haben die Haushalte dadurch an Geld verloren - diese Zahl ist ja auch einmal interessant -: 7,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen aufgrund der Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer! Jetzt stellen Sie sich hin und verlangen von Lehrerinnen und Lehrern, von Kleinsparern und von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über 4 Milliarden Euro zurück, weil Sie damals den Besser- und Bestverdienenden reichlich darüber hinaus, nämlich über 7 Milliarden Euro, gegeben haben. Diesen Zusammenhang muss man einmal herstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

   Nun sagen Sie zwar, jetzt müssen auch diese irgendwie zur Kasse gebeten werden. Da fällt Ihnen aber nur eine Zusatzsteuer in Höhe von 3 Prozent ein, und zwar für Leute, die als Alleinstehende mehr als 250 000 Euro bzw. als Verheiratete mehr als 500 000 Euro verdienen.

   Sie dürfen das aber nicht aus Gewinnen erwirtschaften, also nicht als Unternehmerin oder Unternehmer, auch nicht aus der Forst- und Landwirtschaft, auch nicht aus einem Gewerbebetrieb: Es bleiben praktisch nur die Festangestellten übrig. Deshalb ist Ihr Argument, dass sie alle weggehen könnten, ziemlicher Blödsinn. Selbst wenn sie weggingen, würden andere eingestellt. Diese würden das Geld dann verdienen. Das Argument zieht hier also gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

   Die Zusatzsteuer dieser kleinen Gruppe liegt bei 3 Prozent. Jetzt muss ich einmal erklären, was das heißt. Es geht ja um das steuerpflichtige Einkommen. Das bedeutet, ein Ehepaar muss viel mehr als 500 000 Euro verdienen, damit es auf ein steuerpflichtiges Einkommen von 500 000 Euro kommt - da gibt es ja Freibeträge und alles Mögliche. Wenn dann alles abgezogen ist, dann haben sie zum Beispiel noch 505 000 Euro. Dann sagen Sie im Ernst, Herr Steinbrück : Als wichtiges Signal müssen sie für die letzten 5 000 Euro 3 Prozent mehr Steuern zahlen. Das ist weniger als ein Witz; sie werden darüber lachen. Ich weiß nicht, ob sich überhaupt jemand bereitfindet, deswegen zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

   Hier hat die FDP leider nicht Unrecht; denn es gibt ein verfassungsrechtliches Argument. Es hat einen Zug von Willkür, wenn man sagt: ab 500 000 Euro. Wieso nicht vorher? Wieso verlassen Sie plötzlich die Geradlinigkeit in der Steuergesetzgebung und machen einen Riesensprung, der überhaupt nicht nachvollziehbar ist?

   Was versprechen Sie sich für eine Mehreinnahme? 250 Millionen Euro. Ich möchte das einer anderen Zahl gegenüberstellen. Sie sagen, die Reichen - zumindest ein ganz kleiner Teil der Reichen - sollen 250 Millionen Euro und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Kleinsparer, Lehrerinnen und Lehrer 4,084 Milliarden Euro zahlen. Das ist Ihre Art von Gerechtigkeit, die Sie organisiert haben, nachdem Sie den Best- und Besserverdienenden, wie ich es vorhin begründet habe, über 7 Milliarden Euro durch die Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer geschenkt haben.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der SPD)

   Wenn man das Ganze dann noch in Verbindung mit der Mehrwertsteuererhöhung in Höhe von 3 Prozentpunkten im nächsten Jahr setzt - sie trifft doch auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und alle anderen - und wenn man dann noch hört, dass Sie jetzt am Wochenende beschließen, dass die Gesundheitsreform aus Steuermitteln bezahlt werden muss, dann bekommt man wieder den Eindruck, dass 250 Millionen Euro an Belastungen für die Reichen kommen und viele, viele Milliarden Euro für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die anderen. Dadurch machen Sie diese Gesellschaft nicht nur grob sozial ungerechter, sondern das wird auch verheerende wirtschaftliche Folgen haben.

   Der Kaufrausch, von dem jetzt in den Zeitungen zu lesen ist, wenn man ihn überhaupt so bezeichnen kann - er hat übrigens nichts mit der Fußballweltmeisterschaft zu tun; das ist Blödsinn! -, hat damit zu tun, dass die Leute Angst vor den Steuererhöhungen im nächsten Jahr haben. 3 Prozentpunkte Mehrwertsteuererhöhung ist natürlich eine Menge. Da entscheiden sich viele, lieber jetzt zu kaufen. Im nächsten Jahr wird es dann den Reinfall und wieder eine höhere Arbeitslosenzahl geben. Dann stehen Sie wieder hier und machen Gesetzentwürfe - leider nicht gegen die Arbeitslosigkeit, sondern gegen Arbeitslose. Das Ganze ist nicht hinnehmbar. Es ist auch nicht vertretbar.

   Ich sage Ihnen noch einmal: Wir haben keine Illusionen und sind nicht einfach nur dagegen. Wir machen Ihnen auch Vorschläge. Wir haben gesagt: Wir brauchen eine gerechte Körperschaftsteuer. Wir haben über eine internationale Börsensteuer geredet. Wir haben darüber geredet, wie eine gerechte Einkommensteuer aussehen kann. Aber zu all diesen Wegen sind Sie nicht bereit.

   Die Deutsche Bank macht ihre Pressekonferenz und berichtet von wunderbaren, tollen Gewinnen. Danke schön, Gerhard Schröder! Wir entlassen gleich einmal wieder 8 000 Leute. Der nächste Konzern macht seine Pressekonferenz, bedankt sich auch für den größten Gewinn seiner Geschichte und entlässt 10 000 Leute. Allianz macht jetzt eine Pressekonferenz, hatte den größten Gewinn im letzten Jahr und sagt: 7 500 Leute werden wir jetzt entlassen. - Das Versprechen, dass die Steuergeschenke an Konzerne zu mehr Arbeitsplätzen führen, ist widerlegt. Das gilt ebenso für die Geschenke an die Reichen und die Bestverdienenden.

(Beifall bei der LINKEN)

   Sie müssten den Mut haben, auch einmal von den Konzernen, Reichen und Bestverdienenden mehr Steuern zu fordern. Sie wollen das nicht. Ihnen fehlt der Mut. Das ist das Problem der Koalition. Deshalb geht Ihr Herumeiern immer zulasten derselben Gruppen: der Rentnerinnen und Rentner, der Arbeitslosen und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Zur unmittelbaren Erwiderung auf diese Rede erteile ich das Wort dem Bundesminister Peer Steinbrück.

Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:

Ich mache es kurz, meine sehr geehrten Damen und Herren. Aber man darf die Demagogie und auch manche Aussage auf Klippschulenniveau so nicht stehen lassen;

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Parlamentarismus in einem freien Land! Warum liegen denn die Nerven bei Ihnen so blank?)

denn sonst könnte sich, auch bei denjenigen, die uns zuhören, der Eindruck verfestigen, wir hätten plötzlich eine verkehrte Welt.

   Herr Gysi, Sie wären noch beeindruckender, wenn Sie, insbesondere im Zusammenhang mit den Einkommensteuerreformen in der Vergangenheit, berücksichtigen würden, dass nicht nur der Spitzensteuersatz abgesenkt worden ist, sondern vor allen Dingen der Eingangsteuersatz, nämlich von 26 Prozent auf 15 Prozent.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Die Freibeträge für die Geringst- und Geringverdiener sind deutlich erhöht worden, mit dem Effekt, dass jemand, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, unter Anrechnung des Kindergeldes bis zu einem Verdienst von 37 000 Euro in Deutschland keine Steuern zahlt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Das heißt, was Sie mit Blick auf die Effekte der Steuerreformschritte der letzten Jahre dargestellt haben, korrespondiert überhaupt nicht mit den Fakten. Es ist reine Demagogie, die Sie da verbreiten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Dasselbe gilt, wenn Sie sich populär geben - mein Sohn würde sagen: sich ranwanzen - und zum Beispiel beim Thema Arbeitszimmer auf die Lehrer abheben. Das maßgebliche Steuerkriterium bezieht sich auf den Ort der hauptberuflichen Tätigkeit. Ich habe den Eindruck, der Ort, wo die Lehrer tätig sein sollten, ist nicht ihr häusliches Arbeitszimmer, sondern die Schule.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU - Widerspruch bei der LINKEN)

Das ist ein Abgrenzungskriterium. Um das ganz deutlich zu machen: Die Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger sollen nicht dazu dienen, jedwede Entscheidung bezüglich einer teilweise beruflichen Tätigkeit zu Hause zu subventionieren. Dieses Abgrenzungskriterium ist von uns eingeführt worden.

   Dasselbe gilt mit Blick auf die Pendlerpauschale. In allen anderen europäischen Steuersystemen ist der Weg vom Wohnort zum Arbeitsort nicht Bestandteil der Arbeitswelt. Warum soll es in Deutschland anders sein? Warum ist es in Deutschland unter den obwaltenden schwierigen haushaltspolitischen Bedingungen nicht möglich, eine Regelung zu finden, nach der wir Fernpendler weiter unterstützen -

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fangen Sie doch bei Ihrem eigenen Job und Ihrem Weg zum Arbeitsplatz an! Gehen Sie mit gutem Beispiel voran!)

- ja, ich komme mit dem Fahrrad, wenn es sein muss -, aber die, die im Nahbereich tätig sind, an den notwendigen Konsolidierungsschritten, die wir unternehmen müssen, teilhaben lassen?

   Fazit - um die Intervention nicht zu sehr in die Länge zu ziehen -: Ihre Reden zeichnen sich immer dadurch aus, dass Sie sich punktuell etwas herausgreifen, was aber mit der Bandbreite der Wirklichkeit in unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft nichts zu tun hat. Ich finde, das muss gelegentlich korrigiert werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Gregor Gysi.

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):

Herr Bundesminister, lassen Sie mich als Erstes einen Satz zu den Lehrern sagen. Natürlich unterrichten Lehrerinnen und Lehrer an der Schule; aber die ganze Vorbereitung, die Korrektur von Klassenarbeiten etc. müssen sie zu Hause erledigen, da sie in der Schule alle kein Büro haben. Deshalb ist das häusliche Arbeitszimmer immer anerkannt worden.

(Beifall bei der LINKEN)

   Zweitens. Der Weg von der Wohnung zur Arbeit und von der Arbeit zur Wohnung gehörte in Deutschland, im Unterschied zu anderen Ländern, immer zur Arbeitswelt. Das hat eine jahrzehntelange Tradition und ist vom Bundesverfassungsgericht das letzte Mal 2002 ausdrücklich dahin gehend bestätigt worden, dass der Aufwand, um ein Einkommen erzielen zu können, in Bezug auf die Steuer absetzungsfähig sein muss. Wenn Sie das heute anders regeln, dann kürzen Sie damit nichts anderes als die Nettolöhne, reduzieren die Kaufkraft, schaffen soziale Ungerechtigkeit und schädigen die Wirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

   Drittens zur Einkommensteuer; das war ja Ihr wichtigster Einwand. Es stimmt, auch die Eingangsteuersätze sind gesenkt worden. Aber die Steuerausfälle sind ganz überwiegend durch die Senkung des Spitzensteuersatzes um 11 Prozentpunkte entstanden. Das hat zu dieser wahnsinnigen Einbuße geführt.

   Dazu noch ein Hinweis. Wir können das gerechter machen. Ich kenne die Beispiele. Jemand von der CDU/CSU hat wieder gesagt, dann würden die Leute das Land verlassen. Wie gesagt, bei Festangestellten ist das gar kein Argument, aber bei anderen. Machen wir das doch nach amerikanischem Recht! Wissen Sie, wie das dort geregelt ist? Übertragen auf Deutschland hieße das, dass ein deutscher Staatsangehöriger, wenn er in einem anderen Land lebt und dort Steuern zahlt, seine Steuererklärung und seinen Steuerbescheid ebenfalls in Deutschland einreichen muss. Wenn dann festgestellt wird, dass er in Deutschland mehr Steuern hätte zahlen müssen, muss er die Differenz zahlen. Denn solange er die deutsche Staatsangehörigkeit hat, sind wir für ihn verantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn er irgendwo entführt wird, geben wir Geld aus, um ihn zu retten. Das ist in Ordnung; aber dann müssen deutsche Staatsangehörige auch Pflichten gegenüber Deutschland haben. Dann könnte Schumi in der Schweiz vereinbaren, was er will; er müsste seine Steuererklärung nach Deutschland schicken und im Falle einer Differenz diese bezahlen. Dann hätten Sie gar keine Schwierigkeiten, bei der Einkommensteuer einen gerechten Spitzensteuersatz einzuführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Herr Minister, wollen Sie erwidern?

Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:

Nein.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Dann erteile ich dem Kollegen Fritz Kuhn von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.

(Beifall der Abg. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Steinbrück, wenn ich mir anschaue, wie Sie agieren, dann kann ich nur sagen, dass die kühle Souveränität, mit der Sie gestartet sind, allmählich einer gewissen Dünnhäutigkeit gewichen ist. Das zeigt sich auch heute daran, wie Sie auf die Einwände im Rahmen der Debatte reagieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Sie und Frau Merkel haben in den Debatten der letzten Wochen versucht, folgendes Bild zu zeichnen: Die Opposition übt sich im Einbringen von unbedeutenden Anträgen - mal hier eine Einsparung, mal dort eine Einsparung -, aber das stimmige, verlässliche und berechenbare Gesamtkonzept kommt von der großen Koalition, wie Sie auch eben wieder sagten. Wenn ich mir die chaotische Diskussion der letzten Tage anschaue und mir vor Augen führe, was jetzt gemacht wird und was noch alles kommt, dann kann ich nur feststellen, dass Sie den nie vorhandenen Überblick jetzt endgültig verloren haben. Ich will Ihnen aufzeigen, an welchen Punkten dies deutlich wird.

   Man sagt, dass wir zur Haushaltskonsolidierung dringend 24 Milliarden Euro aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer brauchen. Sie beschließen diese Erhöhung mit Ihrer Mehrheit im Parlament. Aber dann sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD, also eines Koalitionspartners, dass dies eigentlich nicht notwendig gewesen wäre. Mit einer vernünftigen Einsparpolitik hätte man es auch schaffen können. Bingo! Wie muss das bei der Bevölkerung draußen im Lande ankommen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Sie sagen außerdem, dass wir eine Unternehmensteuerreform brauchen. Das ist zwar unstrittig. Aber Sie wollen eine Entlastung in Höhe von 8 Milliarden Euro. Das heißt im Klartext: 1 Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung geht für die Entlastung der Unternehmen im Zuge der von Ihnen geplanten Reform drauf. Herr Finanzminister, Sie sagen übrigens nie klar, worauf sich die 8 Milliarden Euro beziehen. Ist diese Summe dem Time Lag geschuldet, weil die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nicht sofort greift, oder meinen Sie tatsächlich, dass es eine Entlastung in Höhe von 8 Milliarden Euro gibt? Darüber haben Sie uns bisher völlig im Unklaren gelassen, weil Sie mit einer Doppelstrategie arbeiten: Diejenigen, die gerne eine Entlastung haben wollen, sollen 8  Milliarden Euro hören und diejenigen, die dies nicht so gerne wollen, sollen hören, dass dies nur vorübergehend sei. So können Sie die Öffentlichkeit nicht täuschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Außerdem wollen Sie die Krankenversicherungsbeiträge und damit die Lohnnebenkosten senken. Sie sprechen davon, dass Sie allein für die Finanzierung der kinderbezogenen Leistungen mindestens 16 Milliarden bis 24 Milliarden Euro aus Steuermitteln brauchen. Sie sagen bislang in der Diskussion aber nicht, welche Steuern um wie viel erhöht werden sollen. Vorläufig haben Sie im Gesundheitswesen ein noch ganz anderes Problem. Denn die 4,2 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer werden nicht mehr als Zuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung verwendet, sondern in den Haushalt eingestellt. Dadurch werden die Krankenversicherungsbeiträge um 4,2 Milliarden Euro steigen. Was Sie da machen, ist organisiertes Chaos.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erst gehen die Beiträge hoch, dann sagen Sie, dass die Beiträge durch Steuererhöhungen wieder sinken sollen. Da können Sie doch nicht davon sprechen, dass Sie einen Plan haben, wie es insgesamt in Deutschland weitergehen soll.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Solch eine Aufregung an seinem Geburtstag!)

   Zu dem Thema Sanierungsfall, den Frau Merkel ausgerufen hat: Sie haben keine klare Konzeption, wie die Sanierung Deutschlands aussehen soll. Sie reden nur davon, dass Sie ein stimmiges Konzept haben. Aber wenn ich mir die Verteilungswirkungen anschaue, dann kann ich nur sagen: Es sind die kleinen Leute, die im Großen und Ganzen die von Ihnen geplante Sanierung bezahlen müssen. Denn tatsächlich werden durch die Mehrwertsteuererhöhung oder Maßnahmen, die im Steuerveränderungsgesetz 2007, über das wir heute diskutieren, enthalten sind, vor allen Dingen Menschen mit geringen Einkommen getroffen. An dieser Tatsache kommen Sie nicht vorbei.

Ihre Politik kann ich nur als Murks bezeichnen. Die Merkel-Regierung ist eine Murksregierung, weil sie keinen Gesamtüberblick hat. Herr Steinbrück, wenn Sie das bestreiten - Sie schreien ja gerade auf, als würde es Ihnen wehtun -, dann sagen Sie einmal, wie die Belastungswirkungen auf welche Einkommensgruppen in Deutschland am Ende, also nach der Gesundheitsreform, aussehen. Haben Sie je eine Belastungsrechnung in diesem Haus vorgelegt? Haben Sie gesagt, diese Einkommensgruppe trifft es so und jene so? Haben Sie ein Gesamtkonzept für die Sanierung der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt? Nein, Sie haben es nicht. Sie machen es einmal so und einmal so, einmal rauf mit den Beiträgen und einmal runter mit den Beiträgen. So etwas bezeichne ich als gezielte Desinformation der Öffentlichkeit

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und nicht als berechenbaren, nachvollziehbaren und jederzeit verlässlichen Plan. Sie haben heute in Ihrer Rede wieder einen Selbstbeweihräucherungsakt unternommen.

   Wir sagen: Das ist Murkspolitik. Die Merkel-Regierung macht organisierten Murks, übrigens auch deshalb, weil sie sich um die wirtschaftlichen Folgen dessen, was sie da macht, nicht kümmert.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht!)

Die Wirkungen der einzelnen Maßnahmen auf die Konjunktur scheinen sie nicht zu interessieren und der Wirtschaftsminister kommt in diesen Debatten gar nicht vor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist er denn?)

Es gibt in diesem Kabinett keine Stimme, die danach fragt, welche Auswirkungen die Maßnahmen, die Sie in der Haushaltspolitik und in der Finanzpolitik veranstalten, auf die Wirtschaft und die Konjunktur haben. Dabei wissen wir doch, dass wir, wenn wir in Deutschland einen wirklich nachhaltigen Aufschwung wollen, nicht nur den Umfang des Exports, so wie er sich zurzeit darstellt, erhalten müssen, sondern auch die Binnenkonjunktur zu einem stabilen Element des Wirtschaftswachstums in Deutschland machen müssen. Die Maßnahmen, die Sie hier präsentieren, sind das exakte Gegenteil.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen betone ich: Mit der Schröpf-die-Bürger-Politik, die Sie hier betreiben, machen Sie eine Antiwachstumspolitik, die spätestens im nächsten Jahr positive Effekte wieder reduzieren wird.

   Zu drei Punkten, die heute zur Abstimmung stehen, will ich kurz etwas sagen. Der erste Punkt ist die Reichensteuer. Kollege Gysi hat, was den Begriff und die tatsächlichen Verteilungswirkungen angeht, schon das Nötige und - das betone ich - Richtige gesagt. Und so etwas nennt ihr - das sage ich vor allem an die Genossinnen und Genossen von der SPD gerichtet - Reichensteuer!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Joachim Poß (SPD): Das ist nicht unsere Wortwahl!)

- Aber ihr verkauft es so. Herr Poß, wenn Sie in Ihrem Kreisverband in Nöten sind und Ihnen gar nichts mehr einfällt, dann kommt die ominöse Reichensteuer, mit der Sie den Kopf aus der Schlinge ziehen wollen, was Ihnen aber nicht gelingt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Sie wissen genau, dass diese Steuer in der vorliegenden Form nicht verfassungskonform ist. Sie argumentieren: Wenn das Ganze ein Jahr lang nicht verfassungskonform ist, dann ist das nicht so schlimm. Dann machen wir es anders.

(Joachim Poß (SPD): Der Begriff kam von der „Bild“-Zeitung!)

- Jetzt beruhigen Sie sich, Herr Poß. Bei Ihnen gibt es ein ganz sicheres Gesetz: Wenn Poß laut wird, dann tut es weh, weil irgendein Unsinn, den er mitbeschlossen hat, von diesem Rednerpult aus aufgedeckt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

So werden wir das auch weiter handhaben.

   Die Verfassungskonformität interessiert Sie also nicht.

   Die Verteilungswirkung hat Herr Gysi richtig beschrieben: Das Aufkommen wird am Anfang, wenn Sie Glück haben, maximal 124 Millionen Euro betragen. Aber dies ist doch kein Ausgleich für die soziale Schieflage, die die Einsparpolitik, die Sie betreiben, bewirkt! Ich muss die SPD nach Ihrer Zustimmung zu dieser Bonsai-Reichensteuer wirklich fragen: Können Sie Ihr schlechtes Gewissen, das Sie wegen der Mehrwertsteuererhöhung haben, mit solch einer Nummer einfach beruhigen und fröhlich aus diesem Haus gehen und in die Ferien fahren? Sind Sie mit einer solchen Minimalsteuer so billig zu kaufen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

   Es ist doch absurd. Herr Finanzminister, wenn Sie von der SPD einigermaßen seriös wären, dann würden Sie sagen: Wir führen zuerst eine Unternehmensteuerreform durch, die es möglich macht, über die Frage zu reden, was diejenigen, die mehr verdienen - egal ob sie Angestellte oder Gewerbetreibende sind -, zu zahlen haben. Nach einer Belastungsanalyse beschließen wir dann ein konsistentes System.

   Ich betone noch einmal: Über Belastungsfragen reden Sie gar nicht. Die versteckt der Finanzminister hinter allgemeinen Sätzen, die lauten: Wir müssen einsparen. - Auch wir wissen, dass wir einsparen müssen; deswegen legen wir auch Alternativen vor. Aber wir müssen beim Einsparen darauf Acht geben, dass es gerecht erfolgt und die Konjunktur nicht ganz kaputtgeht, weil wir sonst die Spirale nach unten weiterdrehen und keine Effekte erreichen.

   Der zweite Punkt ist die Entfernungspauschale. Wir als Grüne teilen die Auffassung, dass man hier Subventionen abbauen muss. Wir haben aber einen anderen Vorschlag gemacht; dieser ist verfassungskonform. Bei Ihrem Vorschlag mahnt der Bundesrat schon an, ob er denn verfassungskonform sei. Wir würden die Entfernungspauschale um die Hälfte kürzen; sie aber für alle Entfernungen gelten lassen. Denn eines muss man sagen: Der Schritt, die Entfernungspauschale bis zum 20. Kilometer zu streichen, ist die reine Willkür. Erklären Sie einmal jemanden, der in einer Entfernung von 19 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz gebaut hat, was Sie da veranstalten! Oder betrachten Sie die Zukunftswirkung! Die Wirkung solcher Gesetze wird sein, dass die Leute sagen: Dann ziehe ich gleich weiter weg; denn die Baupreise sind dort sowieso niedriger und ich bekomme dann noch etwas vom Finanzminister. - Das heißt, Sie werden den Prozess der Zersiedelung und des Weit-weg-Wohnens vom Arbeitsplatz mit solchen idiotischen Maßnahmen fördern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Hans Michelbach (CDU/CSU): So ein Quatsch!)

Ich frage Sie: Wollen Sie das? Dann sagen Sie, dass Sie das wollen. Dann übernehmen Sie aber auch die Verantwortung für die Zersiedelung, die damit einhergeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Zum Sparerfreibetrag ist das Notwendige gesagt worden. Das ist eine sowohl konjunkturpolitisch als auch mit Blick auf die Alterssicherung ganz fragwürdige Maßnahme. Diese Regelung betrifft besonders die Menschen, die zum Zwecke der Alterssicherung eine Wohnung im Wert von 200 000 Euro oder 300 000 Euro kaufen wollen; denn diese müssen dann darauf Steuern zahlen. Ich frage Sie: Wollen Sie das wirklich, und zwar besonders vor dem Hintergrund der sozialen und konjunkturellen Auswirkungen? Ich kann dazu nur sagen: Sie haben nicht genügend hingeschaut und eine sozial und wirtschaftlich falsche Maßnahme beschlossen.

   Noch einmal: An dieser Stelle braucht dieses Kabinett endlich einen Wirtschaftsminister, der den Finger auf die wirtschaftlichen Fragen legt, und keinen, der sich in den entscheidenden Momenten drückt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben aber schon begriffen, dass Sie dort eine signifikante Schwachstelle haben.

   Wir von den Grünen haben viele Vorschläge zum Subventionsabbau gemacht. Herr Steinbrück, ich bitte Sie, einfach zu sagen, dass Sie die nicht wollen. Sie sagen immer, es gehe nicht und es gebe keine Alternative zu Ihrer Politik. Es gibt aber Alternativen. Wie schnell im Übrigen die große Koalition Subventionen aufbaut - ich betone: aufbaut und nicht abbaut -, kann man an folgendem Beispiel sehen: Nach der Finanzausschusssitzung am 9. Mai hat es noch einen parlamentarischen Abend gegeben. Im Zuge dessen haben Sie großzügig eine Steuerbegünstigung für Gabelstaplerfahrer an den Güterumschlagplätzen der Seehäfen in Höhe von 25 Millionen Euro beschlossen. Die Dankesschreiben sind schon bei der Koalition eingetroffen. Also von wegen Subventionsabbau: Sie reden davon, bauen jedoch systematisch neue auf, wo es Ihnen gerade recht ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Deswegen, Herr Finanzminister, machen Sie keine berechenbare, verlässliche, auf das große Ziel der Konsolidierung ausgerichtete Politik, sondern Sie veranstalten Steuermurks.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Bevor die Kollegin Gabriele Frechen für die SPD-Fraktion als Nächste das Wort erhält, möchte ich darauf hinweisen, dass wir nach einer vorhin in der Ältestenratssitzung getroffenen Vereinbarung über den Verfahrensablauf bei den Abstimmungen am Schluss dieses Tagesordnungspunktes eine namentliche Abstimmung haben werden und eine Zweidrittelmehrheit erforderlich sein wird.

(Otto Fricke (FDP): Der Anwesenden!)

Ich mache jetzt schon darauf aufmerksam, damit die Dispositionen für die Verfügbarkeit im Plenum rechtzeitig getroffen werden können.

   Nun hat Frau Kollegin Frechen das Wort.

Gabriele Frechen (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dr. Wissing, Sie haben eben gesagt: Aus einer roten Kröte wird kein Prinz. Ich will gar kein Prinz werden und solange Sie mir nicht versprechen können, dass man auch eine Prinzessin werden kann, bleibe ich doch lieber eine rote Kröte.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Sie sind keine Kröte, Frau Kollegin! Sie sind eine Prinzessin!)

Sie erzählen uns immer, was Sie alles richtig und besser machen, und zwar vor allem im Bereich der Steuern. Ich genieße es immer - auch wenn der Herr Westerwelle das gar nicht gerne hört -,

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Ich habe gesagt: Sie sind eine Prinzessin!)

Ihnen die Aussagen der Gutachter zu Ihrem Steuermodell vorzutragen. Alle Gutachter, alle Länderfinanzminister, waren sich einig, dass Ihr Modell zu einer erheblichen sozialen Schieflage führt. Wenn Sie hier von „sozial“ sprechen, muss man Ihnen immer wieder vorhalten, dass Sie mit Ihrer Steuerreform eine Verschiebung von unten nach oben vorgesehen haben, und das noch mit Steuereinnahmeverlusten in Höhe von 20 Milliarden Euro.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Nein!)

Erzählen Sie uns also nicht, wie es geht, und auch nicht, wie es besser gehen sollte.

(Beifall bei der SPD - Dr. Volker Wissing (FDP): Welches Gesetz meinen Sie denn?)

   Eine zentrale Aufgabe der großen Koalition ist die Konsolidierung der Staatsfinanzen. Wir werden in 2007 die Regelgrenze des Art. 115 des Grundgesetzes und die Maastrichtkriterien einhalten. Dazu bedarf es trotz erheblich gestiegener Steuereinnahmen und trotz der guten Prognosen erheblicher Anstrengungen auf allen staatlichen Ebenen. Wir müssen weiter Subventionen abbauen, Ausgaben kürzen und die Einnahmen verbessern. Das alles geht nicht ohne Einschnitte. Ich bin mir aber ganz sicher, dass die Menschen erkennen, dass Einschnitte zur Haushaltskonsolidierung notwendig sind, und dass sie auch bereit sind, ihren Beitrag dazu zu leisten, wenn sie einsehen, dass die Forderungen nicht nur gerechtfertigt, sondern auch gerecht sind.

Wenn Sie aber immer wieder behaupten, Subventions- und Ausgabenabbau wären reine Steuererhöhungen, dann springen Sie zu kurz. Das ist, gelinde gesagt, unredlich.

(Beifall bei der SPD - Dr. Volker Wissing (FDP): Die Deutschen merken doch, dass es bei ihnen weniger wird! Entscheidend ist doch, dass die Menschen bei Ihrer Politik weniger im Geldbeutel haben!)

   Die Menschen bekommen eine Leistung vom Staat. Sie fordern diese Leistung zu Recht ein. Wir müssen uns natürlich fragen - Herr Dr. Wissing, das gilt auch für Sie -, was der Staat heute noch leisten kann, was er in Zukunft leisten muss und was er dann noch leisten kann.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Sie haben doch Rekordeinnahmen!)

- Leider Gottes haben wir aber auch Rekordschulden.

(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Nicht „leider Gottes“, sondern das ist Ihre Politik! - Dr. Volker Wissing (FDP): Weil Sie Schulden machen!)

- Sie würden es sich ganz einfach machen: Sie würden die Zuschüsse zur Rentenversicherung um ein paar Milliärdchen kürzen. Dass das für Rentnerinnen und Rentner Konsumverzicht und geringere Lebensqualität bedeuten würde, wäre Ihnen doch völlig schnuppe, diese Leute gehen Sie doch gar nichts an.

(Beifall bei der SPD - Dr. Volker Wissing (FDP): Wer hat Ihnen denn dieses Märchen erzählt?)

   Wir brauchen einen leistungs- und handlungsfähigen Staat. Wir müssen überlegen, wie wir das in dieser Zeit hinbekommen. Ich bekenne mich dazu, dass ich einen aktiven und aktivierenden Staat will, der in den Bereichen Forschung und Bildung, Familie, soziale Leistungen, innere Sicherheit, Infrastruktur und vielen mehr für die Menschen Aufgaben erfüllen kann.

(Beifall bei der SPD)

   Doch dafür braucht man nun einmal so etwas Triviales wie Geld. Ich will keinen fetten Staat, aber auch keinen ausgehungerten.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Darum haben Sie auch Wahlkampf gegen die Mehrwertsteuererhöhung gemacht!)

Das Steueränderungsgesetz ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Konsolidierungsziele zu erreichen.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Rekordverschuldung!)

   Als Nordrheinwestfälin, die fest zum Braun- und Steinkohleabbau steht, muss und werde ich hier heute die Abschaffung der Bergmannsprämie vertreten. Diese Prämie, die vor 50 Jahren als reine Subvention eingeführt wurde, um Männern den Beruf des Bergmanns schmackhaft zu machen, wird mit diesem Gesetz ab 2008 gestrichen. Hiermit gehen wir - das muss ich trotzdem sagen - ein ganz erhebliches Stück über die im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung hinaus, die nur die Abschaffung der Steuerfreiheit vorsieht. Ich hätte mich in diesem Punkt gerne an den Koalitionsvertrag gehalten.

   Wir werden die Altersgrenze für den Bezug von Kindergeld in zwei Schritten auf 25 Jahre absenken. Außer in Luxemburg wird nirgendwo in Europa so lange Kindergeld gezahlt wie in Deutschland. In den meisten Ländern wird es nur bis zum 18. Lebensjahr gezahlt. Wer den Bezug von Kindergeld im 26. und 27. Lebensjahr für den Mittelpunkt aller familienpolitischen Aktivitäten hält, der verkennt die Realität vollkommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir haben uns Bildungs- und Forschungspolitik auf die Fahne geschrieben. Bildungs- und Forschungspolitik fängt aber nicht auf der Universität und nicht mit dem 25. Lebensjahr an. Wir fördern Familien auf allen staatlichen Ebenen - Elterngeld, Kindertageseinrichtungen, Abzugsfähigkeit von Betreuungskosten, offene Ganztagsschulen und dritthöchstes Kindergeld in Europa für die Dauer von 25 Jahren - mit insgesamt rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. Das Kindergeld für 26- und 27-jährige Kinder macht 0,5 Prozent davon aus.

   In der Anhörung wurden kaum grundsätzliche Bedenken gegen die Absenkung der Bezugsdauer geäußert. Problematisiert wurde vielmehr die Möglichkeit, bis zum 25. Lebensjahr in Deutschland ein Studium zu beenden.

(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Können Sie nicht überall!)

Umso wichtiger war das Ergebnis der Nachverhandlungen zur Föderalismusreform unseres Fraktionsvorsitzenden Peter Struck. Mit dem neu aufgenommenen Begriff Wissenschaft, der neben Forschung auch Studium und Lehre umfasst, können Vorhaben in diesem Bereich mitfinanziert werden.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und bei der Schule?)

Dadurch können Gelder des Bundes eingesetzt werden, um im Rahmen des Hochschulpakts gemeinsam mit den Ländern dringend benötigte Studienplätze zu schaffen, um Warteschleifen für Studierende zu vermeiden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Folgewirkungen aus der Absenkung der Bezugsdauer des Kindergeldes haben wir, wo es uns sinnvoll, notwendig und machbar erschien, ausgeschlossen: Die Absenkung wird nicht auf das Waisengeld oder auf die Waisenrente übertragen.

(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Aber Arbeitslosengeld! Riesterrente! Eigenheimzulage!)

Hier bleibt es beim 27. Lebensjahr. Auch bei bestehenden Verträgen zur Altersversorgung wird es keine Veränderung geben.

   Für Studierende, die einer Beihilferegelung unterliegen, haben wir Übergangsregelungen für die Krankenversicherung geschaffen. Sie haben ihre Entscheidung für die Beihilfe und gegen die gesetzliche Studentenversicherung auf der Grundlage des geltenden Rechts getroffen und genießen deshalb Vertrauensschutz, weil diese Entscheidung nicht rückgängig gemacht werden kann. Ein Wechsel in die studentische Krankenversicherung ist nicht möglich. Die Studierenden, die ihr Studium im nächsten Jahr aufnehmen, treffen ihre Entscheidung auf der Grundlage des neuen Rechts.

   Die in diesem Gesetz vorgesehene Beschränkung der Entfernungspauschale auf Fahrten von mehr als 20 Kilometer zur Arbeit hat die größten finanziellen Auswirkungen. Wir haben auch andere Varianten beraten - nicht nur hinter verschlossener Tür -, aber letztlich war unter den gegebenen Umständen keine Veränderung in diesem Punkt möglich.

   Der Sparerfreibetrag ist eine lieb gewonnene Ausnahme vom Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Unter rein steuersystematischen Gesichtspunkten - ich betone das - hätten wir diese Ausnahme streichen müssen. Aus Rücksicht auf Kleinsparer - bei einem Sparguthaben von rund 50 000 Euro bei Ehepaaren - haben wir diesen Betrag nicht gestrichen, aber wir werden ihn auf 750 Euro für Ledige und 1 500 Euro für Verheiratete kürzen.

   Ich möchte Kollegen Gysi - er ist leider nicht mehr anwesend - einmal bitten, dass er, wenn er das nächste Mal in seinem Ortsverein, Stadtverband oder wie auch immer das bei der PDS genannt wird

(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Linkspartei!)

mit den Menschen redet, sie einmal fragt, ob 32 000 Euro oder 50 000 Euro wirklich ein lächerliches Sparguthaben sind.

(Beifall des Abg. Joachim Poß (SPD))

Für mich sind 50 000 Euro mit Sicherheit nicht lächerlich. Ich glaube, auch für viele Menschen, von denen Sie behaupten, dass Sie sie hier vertreten, sind 50 000 oder auch 32 000 Euro nicht lächerlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Sie hätten zuhören müssen!)

- Ich habe ihn schon richtig verstanden. Ich habe ihm zugehört.

   Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer werden in Zukunft nur noch dann steuerlich absetzbar sein, wenn dieses Arbeitszimmer den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt. Moderne Arbeitsformen wie Heim- oder Telearbeitsplätze bleiben natürlich von der Veränderung unberührt. Im deutschen Steuerrecht gilt der Grundsatz: Gemischte Kosten, also Kosten, die sowohl privat als auch beruflich veranlasst sein können, werden grundsätzlich der privaten Sphäre zugeordnet.

   Außerdem schließen wir eine weitere Besteuerungslücke. Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode und in Fortsetzung in der großen Koalition auf die Fahne geschrieben, dass wir Lücken schließen, wo immer wir sie antreffen. Diese Lücke betrifft nun die Steuerpflicht von Mitarbeitern des Bordpersonals von inländischen Fluggesellschaften im internationalen Luftverkehr, die ihren Wohnsitz im Ausland haben oder ins Ausland verlegt haben. Nach dem OECD-Musterabkommen und den entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen steht Deutschland hier das Besteuerungsrecht zu. Dieses werden wir auch wahrnehmen.

   Schließlich - das ist heute schon öfter angeklungen - werden wir den Steuersatz von 42 auf 45 Prozent bei Einkommen über 250 000 Euro bzw. 500 000 Euro anheben. Wir rechnen mit Steuereinnahmen in Höhe von 250 Millionen Euro. Wir rechnen in der Folge in den nächsten Jahren mit Steuereinnahmen in Höhe von 1 Milliarde Euro. Da redet Herr Gysi davon, dass das noch nicht einmal ein Witz sei. Er sollte einmal sein Verhältnis zu Geld überdenken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Diese Erhöhung um 3 Prozentpunkte ist ein Beitrag zur sozialen Balance und zur Ausgewogenheit.

(Lachen bei der LINKEN - Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Das ist doch der Gipfel!)

- Moment, eine Sekunde Geduld, Herr Kollege.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Also im Augenblick hat hauptsächlich die Kollegin Frechen das Wort und die Fraktionen kommen gleich mit ihren Beiträgen zur Geltung.

Gabriele Frechen (SPD):

Zumindest habe ich noch das Mikrofon.

   Aber es ist nicht der einzige Beitrag des Gesetzes. Alle Kürzungsmaßnahmen treffen selbstverständlich auf alle gleichermaßen zu: auf Arbeitnehmer, die einen Dienstwagen haben, genauso wie auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit ihrem privaten PKW zur Arbeit fahren, und genauso auf die Unternehmer, die mit ihrem betrieblichen PKW zur Arbeit fahren.

Dasselbe gilt für den Sparerfreibetrag und das Arbeitszimmer. Jede Streichung wirkt sich aufgrund der Progression gleich aus: auf die höheren Einkommen mehr, auf die niedrigeren Einkommen weniger. Hier gilt: Starke Schultern tragen mehr.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Frechen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?

Gabriele Frechen (SPD):

Ja, selbstverständlich.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Wo ist denn der Herr Gysi?)

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Frau Kollegin, Sie haben gerade angesprochen, dass diese Maßnahmen alle treffen sollen. Vom Herrn Finanzminister haben wir gehört, Lehrer bräuchten kein Arbeitszimmer, weil ihr Arbeitsplatz eigentlich die Schule ist. Der Arbeitsplatz des Abgeordneten ist ja das Parlament. Heißt das - Ihre Maßnahmen sollen ja für alle gelten -, dass auch unsere Büros abgeschafft werden? Denn wenn das so ist, brauchen auch wir sie nicht mehr.

Gabriele Frechen (SPD):

Herr Kollege, wenn Sie Ihr häusliches Arbeitszimmer für Ihre Abgeordnetentätigkeit absetzen, dann begehen Sie schlicht und ergreifend Steuerhinterziehung. Wir dürfen das nämlich nicht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Ich komme zum Schluss. Es muss unser gemeinsames Anliegen sein, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und die Staatsverschuldung zu verringern. Vieles hätten wir früher haben können. Aber das ist vergossene Milch. Wir brauchen Spielraum für Zukunftsinvestitionen und wir dürfen den folgenden Generationen nicht die Möglichkeit nehmen, ihre Entscheidung auf der Höhe ihrer Zeit zu treffen. Deshalb müssen wir das Notwendige tun.

   „Das Einzige, was man ohne Geld machen kann, sind Schulden.“ So lautet das Zitat eines unbekannten Verfassers. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir unseren Kindern doch wohl nicht antun.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Carl-Ludwig Thiele (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetz, welches „Steueränderungsgesetz 2007“ heißt, wird die Steuererhöhungspolitik von Schwarz-Rot fortgesetzt. Das ist das, was die Bürger wissen sollen.

(Gabriele Frechen (SPD): Nein! Das ist das, von dem Sie wollen, dass sie es glauben!)

Das ist das, was hier passiert. Genau das soll heute beschlossen werden. Dabei ist man nicht etwa stringent an das Steuerrecht herangegangen, sondern punktuell sind einzelne Regelungen herausgenommen worden. Durch das Streichen bestimmter Regelungen bei Gleichbleiben der Steuersätze kommt es zu einer Mehrbelastung der Bürger. Genau dies soll heute beschlossen werden.

(Beifall bei der FDP)

   Die Bundeskanzlerin hat selbst gesagt: „Deutschland ist ein Sanierungsfall.“ Herr Finanzminister Steinbrück, Sie haben zu Beginn Ihres Debattenbeitrags gefragt: Was macht man, wenn man einen Haushalt hat, dessen Ausgaben nur zu 80 Prozent durch Steuereinnahmen gedeckt sind? Das waren Ihre Worte.

   Dann haben Sie erklärt - das hat mich überrascht; ich halte das nämlich für den falschen Weg -, warum der Staat den einzigen Ausweg darin sieht, sich die Einnahmen selbst zu holen, und zwar zulasten der Bürger, zulasten der Wirtschaft und damit letztlich zulasten der Beschäftigung in unserem Lande. Das verstehe ich nach wie vor nicht. Das ist aus meiner Sicht der Grundfehler Ihrer Politik.

   Um noch einmal das Beispiel des Haushalts aufzugreifen: Ein privater Haushalt - das war das Bild, das Sie benutzt haben -, der 20 Prozent seiner Ausgaben nicht gedeckt hat, kann sich nicht so verhalten. Man kann nicht zu seinem Arbeitgeber sagen: Erhöhe mir meinen Tarif um 20 Prozent. Man kann nicht zu seinen Kunden sagen: Zahlt mir 20 Prozent mehr.

   Ein privater Haushalt muss das machen, was wir Freie Demokraten vom Staat verlangen: die Ausgaben und Aufgaben auf den Prüfstand stellen. Das ist der einzige Weg, wie das Gemeinwohl im Interesse der öffentlichen Hand, aber auch im Interesse der Bürger unseres Landes gefördert werden kann.

   Wir dürfen nicht die Einnahmen des Staates zulasten der Bürger erhöhen, sondern wir müssen die Ausgaben des Staates zugunsten der Bürger reduzieren, damit den Bürgern von dem, was sie selbst erarbeitet haben, das verbleibt, was sie brauchen, um ihre eigenen Ausgaben und ihr eigenes Leben finanzieren zu können.

(Beifall bei der FDP)

Hier unterscheiden wir uns schon im Grundansatz. Im Wahlkampf -die Situation der öffentlichen Haushalte war bekannt - wurde von der Union wie auch vonseiten der FDP ein Steuerrecht gefordert, das niedriger, einfacher und gerechter sein sollte. Aber jetzt wird das Steuerrecht an dieser Stelle komplizierter. Wenn man den Tarif nicht senkt, aber Ausnahmen streicht, wie bei der Pendlerpauschale und beim Sparerfreibetrag geschehen, dann führt das zu massiven Steuererhöhungen für die Bürger. Herr Finanzminister Steinbrück erklärt, er könne nicht sparen, weil das die Konsumfreude der Bürger reduziert. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Diese Steuererhöhung geht genauso zulasten des Konsums der Bürger; denn das, was den Bürgern vom Staat zusätzlich abgenommen wird, steht den Bürgern für ihren Konsum, für sich selbst, eben nicht mehr zur Verfügung.

(Beifall bei der FDP)

   Einige grundsätzliche Anmerkungen. Nicht jeder hat die große Koalition gewollt. Einige bezeichnen sie nach wie vor auch als „Koalition von Union und SPD“; denn eine große Koalition wäre zu einem großen Wurf in der Lage. Was die große Koalition momentan betreibt, ist eine Politik der Desillusionierung. Dabei hatten die Leute nach der Wahl gehofft: Jetzt werden die Probleme unseres Landes angegangen, jetzt werden grundsätzliche Reformen beschlossen. Stattdessen: Stückwerk. Es geht der Koalition ausschließlich um die Erhöhung der Einnahmen des Staates. Die Zustimmung zur großen Koalition sinkt, weil die Bürger sich mehr von ihr versprochen haben. Nun merken sie, diese Versprechungen werden von Ihnen nicht eingelöst. Wir erleben momentan eine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners, ohne zentrale Linie, ohne Perspektive für die Bürger unseres Landes.

   Ich sage ganz persönlich, obwohl ich zur Opposition gehöre: Ich wünsche mir sogar, dass die große Koalition Erfolg hat: weil Deutschland Erfolg benötigt. Mit Ihrer Politik der Belastung der Bürger vergeben Sie diese Chance. Mehr Wachstum und mehr Beschäftigung in unserem Land wird es mit diesem Kurs der Koalition nicht geben. So sinkt die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze weiter. Wir brauchen für Deutschland eine Vision. Wir brauchen einen neuen Anlauf. Die große Koalition ist dazu leider nicht geeignet.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Olav Gutting, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Olav Gutting (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe hier wie im letzten halben Jahr zum wiederholten Male, um über einen kleinen Schritt in die richtige Richtung zu sprechen. Zwischenzeitlich summieren sich diese kleinen Schritte zu einer ganz erheblichen Strecke.

   Mit dem Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2007 kommen wir dem Ziel einer Begrenzung der staatlichen Ausgaben und eines ausgeglichenen Haushaltes wieder ein Stückchen näher. Wie immer, wenn ein solcher Katalog vorgelegt wird, kommt es zu Streitigkeiten, vor allem über Einzelmaßnahmen. In der Tat gibt es Einzelmaßnahmen, über die gestritten werden kann. Aber das ändert doch nichts daran, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Seit Jahren treibt die expansiv betriebene Ausgabenpolitik die Neuverschuldung nach oben. Obwohl Finanzexperten immer wieder vor der Gefahr der Schuldenfalle warnen, hat keine der bisherigen Bundesregierungen diese Warnungen wirklich ernst genommen und entsprechend reagiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestag waren an dieser Politik beteiligt. Dabei will ich auch frühere Unionsregierungen nicht ausnehmen: Auch wir als Union haben unseren Beitrag zu dieser immensen Staatsverschuldung geleistet. Umso mehr sehe ich mich als Mitglied der Unionsfraktion heute in der Verantwortung, diese Verschuldung zu stoppen.

(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Es ist mir nicht bekannt, dass die Linksfraktion daran beteiligt war!)

- Frau Höll, Sie waren nicht dabei: Sie haben als SED die DDR ruiniert - dafür zahlen wir heute noch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die große Koalition ist seit langem die erste Bundesregierung, die nicht bereit ist, diesen Weg in den Schuldenstaat fortzusetzen.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt einfach nicht!)

Die Erkenntnis, die wir heute haben, dass sich die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden und vor allem die sozialen Sicherungssysteme in einer äußerst ernsten Lage befinden, ja sogar ein Sanierungsfall sind, ist weder neu noch originell, aber sie ist leider wahr.

(Florian Pronold (SPD): Sie können doch nicht die Kanzlerin kritisieren!)

Meines Erachtens hinken wir mit der Informierung der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen seitens der öffentlichen Hand leider immer noch hinterher.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Darf die Kollegin Höll Ihnen eine Zwischenfrage stellen?

Olav Gutting (CDU/CSU):

Nein, hier nicht. - Die Politik hat es bisher versäumt, in aller Deutlichkeit über die Notwendigkeit der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte aufzuklären. Dazu gehört auch, dass man sich die astronomischen Schuldenstände dieses Staates vor Augen führt. Der Bund der Steuerzahler hat errechnet, dass der aktuelle Schuldenstand von Bund, Ländern und Gemeinden bei 1,5 Billionen Euro liegt.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da kann man ruhig noch etwas drauflegen!)

Das heißt, dass auf jeden einzelnen Bürger in Deutschland 18 200 Euro an öffentlichen Schulden entfallen. Besonders plastisch wird die drohende Schuldenfalle, wenn man bedenkt, wie schnell dieser gigantische Schuldenberg wächst, nämlich um 2 113 Euro pro Sekunde. Schon allein während meiner Redezeit hier an diesem Pult wird sich die Staatsverschuldung um weitere 1,2 Millionen Euro erhöhen.

(Florian Pronold (SPD): Dann hören Sie schnell auf! - Eduard Oswald (CDU/CSU): Aber nicht deshalb, weil du geredet hast!)

- Nicht deswegen.

   Der Bund muss bereits jeden fünften Euro, den er durch Steuern einnimmt, nur für Schuldzinsen ausgeben. Würde man ab sofort keine Schulden mehr aufnehmen und würde die öffentliche Hand gesetzlich verpflichtet, jeden Monat 1 Milliarde Euro an Schulden zurückzuzahlen, also zu tilgen, so würde der Prozess zum Abbau des gesamten Schuldenberges über 110 Jahre dauern.

(Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum haben Sie das nicht bei der Haushaltsverabschiedung erzählt?)

- Warten Sie es ab.

   Die laufenden Ausgaben liegen zum Teil dramatisch über den regelmäßig fließenden Einnahmen. Wir haben das vorhin schon vom Bundesfinanzminister gehört. Allein beim Bundeshaushalt gibt es eine strukturelle Deckungslücke in einer Größenordnung von rund 60 Milliarden Euro. Durch den demografischen Wandel wird der Druck auf die öffentlichen Haushalte unweigerlich noch weiter erhöht.

   In der Vergangenheit hat jeder Finanzminister, der das schwere Erbe seines Vorgängers angetreten hat, den Vorsatz gehabt, die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zurückzufahren. Es gab Finanzminister und Regierungen, die anfänglich Erfolge hatten, zum Beispiel unter der Union Anfang und Mitte der 80er-Jahre. Letztendlich gab es am Ende aber immer wieder die gleichartige bedrohliche Bilanz: Der Schuldenstand des Bundes erhöhte sich. Von einer Rekordverschuldung ging es zur nächsten.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

   Steigende Staatsverschuldung heißt zunächst, dass ein immer größer werdender Anteil des Etats für Zinsen aufgebracht werden muss. Dadurch wird die politische Handlungsfähigkeit des Staates natürlich aufgezehrt.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie das beim Haushalt nicht bemerkt?)

Deshalb muss in der derzeitigen prekären Haushaltssituation auch das Junktim unserer Fraktion ausgesetzt werden, dass mit der Streichung von steuerlichen Vergünstigungen und mit dem Subventionsabbau immer auch eine Senkung der Steuersätze einhergehen muss.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Liberalen, natürlich wäre es wünschenswert, wenn wir die Mehreinnahmen, die durch die Beseitigung der einzelnen Vergünstigungen hereinkommen, in Form einer allgemeinen Steuersatzsenkung an die Menschen zurückgeben könnten.

(Zuruf von der FDP: Das haben Sie ja auch immer gefordert!)

Dies ist aber nicht möglich, weil diese Rückflüsse bereits durch das jahrzehntelange Leben über unseren Verhältnissen aufgezehrt sind. Mehreinnahmen müssen daher zur Eindämmung und, wenn möglich, zur Verringerung der bestehenden Staatsverschuldung eingesetzt werden;

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann tut das doch!)

denn wir wollen ja auch nachfolgenden Generationen einen finanziell handlungsfähigen Staat hinterlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum haben Sie sich dann noch einmal so verschuldet?)

   Wie eng die Handlungsfähigkeit bereits heute ist, sehen wir jetzt bei der Unternehmensteuerreform.

(Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo war die Erkenntnis in der letzten Woche, als es um den Haushalt ging?)

Wir haben kaum die Möglichkeit, eine vernünftige Unternehmensteuerreform vorzufinanzieren. Schon heute sind wir also eingeengt und es wird immerzu schlimmer werden, wenn wir nichts ändern. Die große Koalition hat sich deshalb in ihrer Koalitionsvereinbarung zu Recht darauf verständigt, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zur zentralen Aufgabe für die nächsten Jahre zu machen.

(Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Groß ist die Koalition nur im Geldausgeben!)

Dem haben sich alle anderen politischen Wünsche unterzuordnen.

   Ein kleiner Mosaikstein in diesem gesamten Konzept ist das Steueränderungsgesetz 2007, das im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen zu sehen ist. Der Bundesfinanzminister hat zum Beispiel schon das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen genannt. Die Änderungsanträge, die die Opposition hier vorbringt, werden den finanzpolitischen Herausforderungen in diesem Lande einfach nicht gerecht. Unsere haushaltspolitischen Probleme lassen sich eben nicht einseitig durch Ausgabenkürzungen lösen.

(Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Damit kann man aber schon einmal etwas tun!)

Wir dürfen die mittlerweile doch erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung nicht aufs Spiel setzen, sondern wir müssen sorgfältig darauf achten, dass wir mit dem Bündel der von uns getroffenen Maßnahmen nicht über das Ziel hinausschießen und dem konjunkturellen Aufschwung letzten Endes nicht entgegenwirken. Dieses Bemühen kommt auch in den getroffenen Einzelmaßnahmen dieses Gesetzentwurfs zum Ausdruck. Nehmen wir zum Beispiel die Kürzung der Pendlerpauschale. Die Umstellung auf das Werktorprinzip bei der Pendlerpauschale ist richtig. Der Weg zur Arbeit ist Privatsache und muss nicht von der Allgemeinheit mitfinanziert werden.

(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Das ist früher aber anders gesagt worden!)

   Wo man wohnt, ist schließlich die private Entscheidung jedes Einzelnen.

   Ich habe an dieser Stelle bereits gesagt, dass man normalerweise konsequenterweise die Ausnahme für Fernpendler ab dem 21. Kilometer hätte streichen sollen. Die große Koalition hat sich jedoch entschlossen, diese möglichen Härten bei Fernpendlern abzufedern. Damit beweisen wir das Augenmaß, mit dem die Koalitionsparteien die Ausarbeitung der Einzelmaßnahmen vorgenommen haben.

   Ähnliches gilt für die Absenkung der Altersgrenze für den Kindergeldbezug. Die Kollegin Frechen hat es bereits erklärt. Wir haben uns entschieden, die jungen Erwachsenen, die sich 2006, 2007 in der Ausbildung befinden, von dem Gesetzesvollzug auszunehmen und es bei ihnen bei der alten Regelung zu belassen.

   Allein an diesen beiden Beispielen kann man erkennen, dass es sich die Koalition, was die Größenordnung der Belastung und damit die Zumutbarkeit der getroffenen Maßnahmen angeht, in der Tat nicht leicht gemacht hat.

   Wir wissen, dass unsere Haushalts-, Steuer- und Finanzpolitik unseren Bürgerinnen und Bürgern einiges an Zumutungen abverlangt.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Das kann man wohl sagen!)

   Aber wir müssen die Haushaltssanierung konsequent fortsetzen. Das ist unsere Verantwortung und das, was wir zukünftigen Generationen schlicht schuldig sind. Nur wenn wir eine Gesundung der Staatsfinanzen erreichen, haben wir die Chance auf eine dauerhafte Konjunkturbelebung. Damit verbunden sind der Abbau der Arbeitslosigkeit und das Ziel einer nachhaltigen staatlichen Investitionspolitik gerade in den Bereichen Bildung und Forschung, um damit die Zukunftsfähigkeit unseres Staates und unserer gesamten Gesellschaft zu sichern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Olav Gutting (CDU/CSU):

Zeigen Sie deshalb Verantwortungsbewusstsein! Seien Sie verantwortungsbewusst und stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Zu einer Kurzintervention erhält das Wort die Kollegin Dr. Höll, Fraktion Die Linke.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

Herr Kollege, könnte es sein, dass, wenn Sie hier an die Information der Öffentlichkeit appellieren, das ehrlicherweise mit einschließen sollte, auch aufzuzeigen, woher die Staatsverschuldung kommt, unter anderem eben durch die Steuergeschenke, die Sie in den letzten Jahren zu verantworten hatten? Würde sich daraus nicht ableiten, dass das eigene Wissen als Voraussetzung für weitere politische Entscheidungen doch begründet sein sollte?

   Vor diesem Hintergrund hätte ich Sie gerne gefragt, wie Sie Ihr gestriges Verhalten erklären, was ja auch zu der Verzögerung heute Morgen geführt hat. Wir haben im Ausschuss mit Mehrheit beschlossen, dass die Informationspflichten in der Bundesrepublik verstärkt werden müssen, weil, wie Sie selber sagen, Informationen eine wichtige Grundlage sind, um die Unternehmensteuerreform und die Erhebung der Erbschaftsteuer neu gestalten zu können. Herr Minister Steinbrück hat ja vorhin ausgeführt, dass diese Regelung ansteht.

   Jetzt haben Sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gesagt, dass Sie diese Informationen nicht mehr brauchen. Ist das für die Öffentlichkeit so zu verstehen, dass Sie sehenden Auges eine Politik betreiben, für die Ihnen die Datengrundlage fehlt, von der Sie nicht wissen, wie die Auswirkungen sein werden, und bei der Sie trotzdem den Unternehmen heute schon eine weitere Entlastung in Höhe von 8 Milliarden Euro in Aussicht stellen?

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Zur Erwiderung hat der Kollege Gutting das Wort.

Olav Gutting (CDU/CSU):

Werte Kollegin, zunächst der Hinweis, dass ich Mitglied der Unionsfraktion bin. Wir waren in den letzten Jahren nicht an der Regierung beteiligt.

   Zum Vorgehen hat bereits heute Morgen unser parlamentarischer Geschäftsführer alles gesagt.

   Was die Datenerhebung anbelangt, ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht geregelt, dass wir keine Daten erheben; es wurden lediglich Änderungen vorgenommen. Die Daten werden selbstverständlich erhoben und wir benötigen sie auch für die Vorbereitung der entsprechenden Gesetzentwürfe und Reformen.

(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Jetzt haben Sie gelogen! Sie nehmen genau diese Erhebung heraus! - Zurufe von der SPD: Vorsicht! - Was heißt „gelogen“?)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun der Kollege Florian Pronold für die SPD-Fraktion.

Florian Pronold (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die steuerpolitische Debatte gilt: Sachkenntnis schadet dem Populismus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt der Richtige!)

Wenn ich berücksichtige, wie zum Beispiel von Herrn Gysi die Regelung zur steuerlichen Absetzbarkeit eines Arbeitszimmers dargestellt wird, dann muss ich wie meine Vorrednerin darauf hinweisen, dass es sich dabei nicht um eine Regelung nur für Lehrerinnen und Lehrer handelt, sondern für alle. Es geht darum, dass dabei gemischte Aufwendungen entstehen. Das bedeutet, dass das Arbeitszimmer sowohl privat als auch beruflich genutzt wird. Das gilt nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch für Selbstständige, Rechtsanwälte und andere. Wer kein anderes Arbeitszimmer hat, kann sein häusliches Arbeitszimmer steuerlich absetzen.

   Die gemischten Aufwendungen sind mit einem großen Kontroll- und Bürokratieaufwand und vielen Steuergestaltungsmöglichkeiten verbunden. In diesem Punkt treffen wir nun eine klarere Regelung.

   Wenn Sie einwenden, dass die Lehrer dann kein Arbeitszimmer mehr zur Verfügung haben, dann muss ich darauf hinweisen, dass es nicht die Aufgabe des Bundes ist, entsprechende Steuervergünstigungen zu bieten; vielmehr müssen die Länder, die die Lehrer beschäftigen, entweder einen Zuschuss zum häuslichen Arbeitszimmer gewähren oder in den Schulen Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Es ist aber nicht die Aufgabe der Allgemeinheit, aus Steuermitteln eine entsprechende Regelung zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD - Abg. Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Sofort. Ich führe noch einen Gedanken aus. 

   Was die Senkung der Steuersätze für die unteren und mittleren Einkommensgruppen in den letzten Stufen der Steuerreform angeht, sollten Sie ehrlicherweise feststellen, dass wir in den letzten Jahren für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer höhere Reallohnzuwächse durch Steuerentlastungen als durch tarifliche Lohnerhöhungen erzielt haben. Das kann man doch nicht einfach leugnen. Man muss auch die Fakten zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schneider?

Florian Pronold (SPD):

Sehr gerne.

Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):

Herr Kollege, würden Sie mir erstens zustimmen, dass Lehrer in ihren Arbeitszimmern zu Hause zu einem erheblichen Teil Arbeiten erledigen, die für den Schulunterricht dringend geboten sind, wie Unterrichtsvorbereitung und die Korrektur von Klassenarbeiten?

   Zweitens. Würden Sie mir des Weiteren zustimmen, dass es normalerweise Sache des Arbeitgebers ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass einem Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen zur Verfügung stehen, die er zur Erledigung seiner Arbeit und zur Erfüllung - -

(Widerspruch bei der SPD - Hans Michelbach (CDU/CSU): Das hat er doch gesagt!)

- Lassen Sie mich doch zu Ende reden! Ich weiß, warum Sie so herumpöbeln. Es ist mir klar, welch schlechtes Gewissen Sie in diesem Punkt haben. 

   Würden Sie mir des Weiteren zustimmen, dass es Sache des Arbeitgebers ist, die Voraussetzungen zu schaffen, dass ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag erfüllen kann?

   Drittens. Sind Sie vor diesem Hintergrund nicht der Auffassung, dass es fast schon eine Unverschämtheit ist, zu behaupten, es würden private Arbeitszimmer subventioniert? Sorgen durch diese Regelung nicht eher umgekehrt Lehrer dafür, dass staatliche Mittel nicht in den Bau von Lehrerbüros in den Schulen fließen müssen?

Florian Pronold (SPD):

Ich weiß nicht, welche Schulgebäude Sie kennen. Diejenigen, die ich kenne, bieten nachmittags meistens relativ viel Platz. Ich glaube nicht, dass man zusätzliche Büroräume anbauen müsste, damit Lehrerinnen und Lehrer dort arbeiten können.

   Wenn Sie mir zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich genau das gesagt habe: Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich - das bezieht sich auf Ihre zweite Frage -, die entsprechenden Arbeitsbedingungen bereitzustellen. Wenn dies nicht der Fall ist - wie einige vorbringen -, dann muss man darüber reden, inwiefern der Arbeitgeber Abhilfe schaffen kann, aber doch nicht der Steuerzahler. Es geht auch nicht um die Lehrerinnen und Lehrer; es geht vielmehr um die Frage, ob für ein Arbeitszimmer eine gemischte Nutzung besteht. Dazu müsste vonseiten der Finanzverwaltung kontrolliert werden, ob in einem Arbeitszimmer zum Beispiel ein Bett steht

(Klaus Uwe Benneter (SPD): Oder ein Sofa!)

bzw. ob es als Gästezimmer genutzt wird. Es geht darum, eine klare Abgrenzung zu schaffen.

   Wie ich sehe, haben Sie sich bereits gesetzt. Ich habe Ihre Fragen jetzt beantwortet. Sie waren ein bisschen voreilig - nicht nur bei der Fragestellung, sondern auch beim Hinsetzen.

(Beifall des Abg. Jörg-Otto Spiller (SPD))

   Ich bin Herrn Gutting für seinen Redebeitrag dankbar, weil er deutlich gemacht hat, dass die Union die Pendlerpauschale eigentlich komplett streichen wollte. Auch Herr Bernhardt hat schon dargestellt, dass es unterschiedliche Ansichten in der Koalition gibt. Wir als SPD sind auch im Wahlkampf dafür eingetreten, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Belastungen weiterhin absetzen können. Es ist schön, dass Sie uns zugestehen, dass wir wenigstens dies für die Fernpendler erkämpft haben.

   Ich bin aber schon überrascht - das gehört zur Wahrhaftigkeit -, dass Herr Kalb vor wenigen Tagen in der Zeitung erklärt hat, es seien Änderungen möglich. Er ist Haushaltsexperte der CSU und, so glaube ich, auch für Erbschaftsangelegenheiten zuständig. Herr Hofbauer von der CSU hat gestern im Verkehrsausschuss Tränen geweint, weil bei der Pendlerpauschale keine Änderungen mehr möglich seien. Die Wahrheit ist, dass die CSU-Staatsregierung von Bayern im Bundesrat Bedenken wegen einer möglichen Verfassungswidrigkeit geäußert hat. Wenn die Staatsregierung hustet, dann wird doch die Landesgruppe im Bundestag schwer krank. Sie macht, was die Staatsregierung will. Warum diesmal nicht?

   Wir von der SPD haben ein Modell angeboten, das gerechter wäre, das verfassungsfester wäre - ich erinnere an all die Bedenken, die in der Anhörung vorgebracht wurden - und das trotzdem die Einsparungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro erbracht hätte. Sie haben Ihre Zustimmung verweigert.

(Beifall bei der SPD)

Auch das gehört zur Ehrlichkeit. Es geht nicht an, dass wir immer die Kohlen aus dem Feuer holen und Sie sich hinstellen und behaupten, Sie hätten mit den unangenehmen Dingen nichts zu tun.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Pronold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb?

Florian Pronold (SPD):

Selbstverständlich.

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):

Herr Kollege Pronold, weil Sie gerade auf mich abgezielt haben: Darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass mich das Verhalten der Ministerpräsidenten, insbesondere Ihres Parteivorsitzenden Beck, im Bundesrat zur Frage der Regionalisierungsmittel und das Entgegenkommen des Bundesfinanzministers gegenüber den Ländern, das ich persönlich für eine gravierende Abweichung vom Koalitionsvertrag halte, zu meiner Reaktion veranlasst haben? Ich bin der Meinung, dass den Pendlern in den ländlichen Gebieten in gleicher Weise hätte entgegengekommen werden müssen.

Florian Pronold (SPD):

Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie, Herr Kalb, versucht haben, das in diesem Kontext zu sagen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir einen Vorschlag eingebracht haben, der keine weiteren Verluste für den Bundeshaushalt bedeutet, sondern Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro gebracht hätte und trotzdem besser und gerechter für die Pendlerinnen und Pendler wäre, und dass Sie es waren, die diesen Vorschlag nicht umsetzen wollten?

(Dr. Volker Wissing (FDP): Aha! - Abg. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, unter Berücksichtigung der von uns selbst vereinbarten Debattenzeit möchte ich vorschlagen, dass der Kollege Pronold seine Rede zu Ende führt. Danach haben wir einen weiteren Redner und dann kommen wir zu den Abstimmungen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Florian Pronold (SPD):

Wir machen uns mit diesem Gesetz handlungsfähiger. Es ist eine schwierige Aufgabe, die wir zu bewältigen haben. Aber den Populismus der FDP, der darin besteht, dass sie einerseits die Steuern senken will, andererseits aber mehr Geld ausgeben und mehr investieren will, gleichzeitig aber nie sagt, wie das gehen soll, können wir uns nicht zu Eigen machen. Wir haben die Verantwortung dafür, dass wir den Haushalt konsolidieren und investieren. Mit diesem Gesetz gehen wir diesen Weg. Es mag schön sein, für diesen Populismus Beifall zu kriegen, aber die Lösung der wirklichen Probleme wird man mit Sonntagsreden nicht erreichen. Vielmehr bedarf es konkreten Handelns. Das tun wir mit diesem Gesetz.

(Beifall bei der SPD - Dr. Volker Wissing (FDP): Ich sage nur „Merkel-Steuer“!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Letzter Redner ist der Kollege Hans Michelbach für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hans Michelbach (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss der Debatte über das Steueränderungsgesetz stelle ich für die CDU/CSU fest: Die große Koalition kommt heute einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Sanierung unseres Landes voran. Die große Koalition ist damit eine Koalition der neuen Chancen für mehr Wachstum und Beschäftigung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Natürlich ist der Abbau von Steuersubventionen immer ein unpopulärer und für die Betroffenen schwerwiegender Schritt. Für solch einen Schritt braucht man Mut und keinen Populismus. Ich muss schon sagen, Herr Pronold: Ihre Flucht aus der Verantwortung kann ich nicht akzeptieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ohne Schärfe in diese Debatte bringen zu wollen: Es ist die Vorlage Ihres eigenen Bundesfinanzministers; die CDU/CSU hat sich bei der Pendlerpauschale in keiner Weise verweigert. Ich kann Ihnen sagen: Sie stehen heute nach den Berichterstattungen, nach den Briefen, die Sie in Bayern geschrieben haben, nackt da. Sie müssen einmal anerkennen, dass es so ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Sehr gut! Gib’s ihm!)

   Wir verfolgen - ich hoffe, gemeinsam - ein zielführendes Konzept für mehr Wachstum und Beschäftigung. Unter dem Motto „Sanieren, investieren, reformieren“ verfolgt diese große Koalition ein finanz- und steuerpolitisches Gesamtkonzept, das darauf abzielt, den europäischen Stabilitätspakt und die Verschuldungsgrenze nach Art. 115 des Grundgesetzes im nächsten Jahr einzuhalten und die Weichen für eine dauerhafte, tragfähige Finanzpolitik zu stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Sparen, reformieren und investieren, das ist das Gebot. Der Kurs dieser großen Koalition ist auf eine Verbesserung der Konjunktur, auf mehr Wachstum und mehr Beschäftigung ausgerichtet. Das ist der richtige Kurs. Wir werden ihn einhalten. Ich hoffe, dass wir ihn auch in der Zukunft gemeinsam verfolgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es ist so: Wegen eines falschen Politikansatzes wurde in der Vergangenheit zu oft verkündet, die Ausgaben des Staates seien nicht durch seine Einnahmen, sondern durch die wachsenden Aufgaben zu bestimmen. Diese Denke war verhängnisvoll. Seitdem man ihr folgt, ist unser Staat überfordert, leben wir zulasten der Zukunft und ist die Leistungskultur in Deutschland auf der schiefen Ebene. Das müssen wir so sehen.

   Mittlerweile leben 7 Millionen Menschen von Hartz IV. Gleichzeitig ist die Zahl der Beschäftigten auf unter 26 Millionen gesunken. Diejenigen, die von ihrer Arbeit leben, sind bereits in der Minderheit. So hat unsere Gesellschaft keine Zukunft. Unsere Reformen sind notwendig. Wir beschließen sie heute als Teilkonzept.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir müssen natürlich deutlich machen: In dem Jahr, in dem diese Regierung ins Amt kam und die große Koalition ihre Arbeit aufnahm, lag das strukturelle Defizit zwischen den laufenden Einnahmen und den Ausgaben bei rund 60 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Jeder fünfte Euro, den der Bund ausgibt, ist nicht von entsprechenden Einnahmen gedeckt. Man muss selbstverständlich deutlich machen: Das kann so nicht weitergehen. Das Defizit muss in den nächsten Jahren entschlossen zurückgeführt werden, um künftigen Generationen keine größeren Lasten aufzubürden.

   Die Bundesregierung spart bis zum Jahr 2007 einschließlich 35 Milliarden Euro. Wer sagt, es würden nur Erhöhungen vorgenommen, erzählt Märchen. Im Haushalt werden ebenfalls wesentliche Ausgabenkürzungen vorgenommen. Das tun wir auch heute. Dieses Vorgehen dient langfristig den Menschen in unserem Land; denn ein klarer Sparkurs ist das Beste. Wir weisen jeden Vorwurf, wir reduzierten Ausgaben nicht, von uns.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

   Die Menschen sehen, dass wir im nächsten Jahr den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten wollen. Diesen Pakt hat im Übrigen die Union mit Theo Waigel hart erkämpft. Ich glaube, es ist der Erfolg einer neuen und zuverlässigen Politik, dass man klare Ziele formuliert und alle denkbaren Wege beschreitet, um diese Ziele zu erreichen.

   Es ist auch eine Tatsache, dass dadurch die Stimmung in Deutschland besser geworden ist. Dabei sagen wir natürlich ehrlich: Nur mit Anstrengung und Leistung schaffen wir neue Chancen für die Menschen. Zur Ehrlichkeit in diesem Bereich gehört, zu erklären: Dieser Weg wird allen Opfer abverlangen.

   Der Rückgriff auf die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und die Steuererhöhung sind dabei unausweichlich. Entscheidend ist, dass wir mit einem Drittel der zusätzlichen Einnahmen sofort die Senkung der Lohnnebenkosten finanzieren. Auch das ist die Wahrheit: dass wir Arbeit verbilligen und dass sich Arbeit wieder mehr lohnt. Deswegen haben wir hier den richtigen Ansatz. Sozusagen eine Umfinanzierung zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit bei den Arbeitskosten schafft mehr Beschäftigung in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriele Frechen (SPD))

   Solide Staatsfinanzen sind eine wesentliche Voraussetzung für die Steigerung von Wachstum und Beschäftigung. Umgekehrt können ohne erhöhtes Wirtschaftswachstum der Abbau der Arbeitslosigkeit, die Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme und die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte natürlich nicht gelingen.

   Die große Koalition verbindet die notwendige Haushaltssanierung deshalb mit kurzfristig wirkenden Wachstumsimpulsen in Höhe von 25 Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2009: deutlich steigende Investitionen in Forschung und Entwicklung, gezielte Verbesserungen für den Mittelstand, Ausweitung der Verkehrsinvestitionen, Verbesserung der Familienleistungen. Das ist der Ansatz: sparen, reformieren, investieren. Ein Gesamtkonzept, das die Menschen voranbringt und ihnen dient, ist die Grundlage.

   Demagogie, wie sie bei dieser Debatte heute von Herrn Gysi, von Herrn Kuhn und anderen an den Tag gelegt worden ist, hilft uns nicht weiter. Das mit der Gerechtigkeit in Deutschland ist nämlich ganz anders, als sie verkünden. Die 10 Prozent, die die höchsten Steuern zahlen, erbringen in unserem Land über 50 Prozent des Steueraufkommens. Für die gewerblichen Gewinne wurde die Bemessungsgrundlage in den letzten Jahren immer wieder erhöht, nicht gesenkt. Dagegen wurden die unteren Einkommen über den niedrigen Eingangssteuersatz, wie auch Herr Steinbrück verdeutlicht hat, erheblich begünstigt. So tragen heute die unteren 50 Prozent der Steuerzahler unter 10 Prozent der Steuerbelastung. Das ist die Wahrheit über die Steuergerechtigkeit in Deutschland.

   Der Neidfaktor, den Sie immer wieder in die Debatte einführen, schadet unserem Land, weil er die Menschen in die falsche Richtung führt. Das ist die Situation.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Zur Neiddemagogie von Herrn Gysi, weiteren Linken und anderen, die hier dazu gesprochen haben, kann ich nur ein altes Sprichwort anführen: Neid ist genauso alt wie Unfähigkeit.

   Wir müssen in Deutschland wieder die Fähigkeit gewinnen, Wachstum und Beschäftigung zu erreichen, damit wir aus der Talsohle herauskommen und wieder mehr Steuereinnahmen generieren - aus der Gerechtigkeit heraus, dass alle ihren Beitrag für dieses Land leisten sollen. Deshalb müssen wir mit dem Gesamtkonzept, das heute mit einer Teillösung umgesetzt wird, den Weg der Reformen weitergehen. Wenn wir das tun, dann werden wir vorankommen und die Ernte einfahren, die darin besteht, dass es den Menschen in Deutschland wieder besser geht.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nun erhält die Kollegin Scheel das Wort zu einer Kurzintervention und danach, so hoffe ich, können wir abstimmen.

(Unruhe)

- Ich schlage im Übrigen vor, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie dafür Platz nehmen - die Prozedur wird ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen -; das macht die Veranstaltung dann wenigstens eine Idee gemütlicher.

   Bitte schön, Frau Kollegin Scheel.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke schön, Herr Präsident, für den Hinweis auf die Gemütlichkeit.

   Ich habe von Herrn Pronold die Begründung für die Änderung bei der Entfernungspauschale gehört. Die Öffentlichkeit sollte wissen, finde ich, dass die SPD-Finanzexperten, namentlich auch Florian Pronold, in verschiedenen Medien gesagt haben, dieser Vorschlag sei verfassungswidrig.

   Mein Vorredner Hans Michelbach hat darauf hingewiesen, dass sich Florian Pronold nicht aus der Verantwortung stehlen könne. Ich kann die Abwesenheit von Herrn Pronold bei der Abstimmung im federführenden Finanzausschuss über diese Frage nur so beurteilen, dass er deswegen der Abstimmung fern geblieben ist, weil ihm klar war, dass das ein verfassungswidriger Vorgang ist. Ich sehe aber, dass auch aus der Union in dieser Frage ähnliche Äußerungen getätigt wurden, es also auch von dieser Seite zum Thema Ausgestaltung der Entfernungspauschale Kritik an der Regierungsvorlage gegeben hat. Damit haben sowohl Abgeordnete der SPD als auch der Union mit ihrer großen Mehrheit etwas beschlossen, was sie in ihren jeweiligen Wahlkreisen völlig anders darstellen.

   Deswegen meine ich schon, dass die Öffentlichkeit insgesamt wissen sollte, dass einzelne Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen aus dem Finanzbereich, in den jeweiligen Ländern, an Stammtischen oder bei Veranstaltungen, wie sie die CSU und andere durchführen, eine ziemlich große Klappe riskieren, aber jedes Mal dann, wenn es darum geht, sich dementsprechend zu entscheiden, einknicken und hier sogar etwas tun, von dem sie wissen, dass es nicht verfassungskonform ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Ich bitte einen Augenblick um Aufmerksamkeit, weil wir, wie jedermann heute Morgen ja feststellen konnte, eine etwas kompliziertere Verhandlungslage haben als gewöhnlich.

(Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau hat es auch festgestellt!)

   Wir haben uns vorhin im Ältestenrat unbeschadet der natürlich unterschiedlichen politischen Bewertung der Gesetzentwürfe und auch der damit verbundenen Verfahrensabläufe auf einen Ablauf verständigt, den ich nun - verbunden mit dem ausdrücklichen Dank an alle Beteiligten, sich trotz der unterschiedlichen politischen Bewertungen darauf geeinigt zu haben - erläutern möchte. Wir werden zunächst in zweiter Lesung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2007 abstimmen. Im Übrigen liegen hierzu - darauf will ich bei der Gelegenheit schon hinweisen - eine ganze Reihe von persönlichen Erklärungen zur Abstimmung vor, die wir dem Protokoll in der üblichen Weise beifügen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das schlechte Gewissen!)

   Wir werden dann nach der vorhin im Ältestenrat getroffenen interfraktionellen Vereinbarung über den sofortigen Eintritt in die dritte Beratung mit dem Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit abstimmen und dazu eine namentliche Abstimmung durchführen. Das hängt - um das nur in wenigen Sätzen zu erläutern - damit zusammen, dass wir eine bestimmte, seit Jahren praktizierte Handhabung über Fristverzicht haben, für die es aber eine präzise Festlegung in der Geschäftsordnung nicht gibt. So haben wir uns vorhin wiederum einvernehmlich darauf verständigt, den Geschäftsordnungsausschuss um eine Klärung dieses Sachverhaltes zu bitten und eine mögliche Regelung für die Geschäftsordnung zu erarbeiten, wie in solchen Fällen künftig verfahren werden soll.

   Wir haben uns vorhin darauf verständigt, dass wir heute so verfahren, wie unsere Geschäftsordnung es für den Fall vorsieht, dass es in zweiter Lesung Änderungen gibt. Über diese kann nämlich nur dann sofort in dritter Lesung abgestimmt werden, wenn der Bundestag dies mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschließt. Wir können deswegen alle möglichen Zweifelsfragen dadurch ausräumen, dass eine solche Verfahrensentscheidung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln getroffen wird.

   Danach findet die einfache Abstimmung in dritter Lesung statt. Darauf folgen eine Reihe von Abstimmungen zu Entschließungsanträgen.

   Ich bitte Sie darum, sozusagen die ganze Schönheit dieses Verfahrens in vollen Zügen mitzuverfolgen, nachdem nun hoffentlich jeder weiß, dass und warum so verfahren wird, wie gerade erläutert.

Ich rufe zunächst die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf, Drucksache 16/2012. Er empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung, die genannten Gesetzentwürfe zusammenzuführen und in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Da waren einige Gegenstimmen der SPD! - Unruhe - Dr. Peter Struck (SPD): Weiter!)

- Wenn das so ist, dann machen wir das nicht per Zuruf, sondern nehmen ausdrücklich zu Protokoll, dass es einzelne Gegenstimmen auch aus den Reihen der SPD-Fraktion gegeben hat.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Na, na, jetzt aber! - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So fängt es immer an! - Weitere Zurufe)

- Das ist doch kein Grund zur Aufregung. Niemand bezweifelt die Mehrheitsentscheidung, die ich gerade festgestellt habe.

   Nun entscheiden wir über den sofortigen Eintritt in die dritte Beratung unter der vorhin erläuterten Voraussetzung, dass zwei Drittel der anwesenden Mitglieder des Bundestages das beschließen. Dazu ist interfraktionell eine namentliche Abstimmung vereinbart.

   Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen, damit wir diese namentliche Abstimmung durchführen können. - Sind alle Plätze besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung.

   Ist noch jemand im Saal, der seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, das Ergebnis auszuzählen. Bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses - danach finden die weiteren Abstimmungen statt - unterbreche ich die Sitzung.

(Unterbrechung von 12.35 bis 12.42 Uhr)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den sofortigen Eintritt in die dritte Beratung bekannt: Abgegebene Stimmen 585. Mit Ja haben gestimmt 425, mit Nein haben gestimmt 159, Enthaltungen eine. Damit ist der sofortige Eintritt in die dritte Beratung mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sehr gut! - Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber knapp!)

   Wir kommen nun zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. - Herr Lafontaine, es würde zur Komplettierung des Protokolls beitragen, wenn Sie in den Reihen Platz nähmen, die der Entscheidung der Wähler entsprechen.

(Heiterkeit)

   Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der vorhin festgestellten Fassung zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf? - Wer möchte sich der Stimme enthalten? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen bei einigen Gegenstimmen aus den Reihen der SPD-Fraktion und einer Enthaltung aus der SPD-Fraktion mit der notwendigen Mehrheit angenommen.

   Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 16/2014. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

   Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 b. Hier geht es um Abstimmungen über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf der Drucksache 16/2012. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1501 mit dem Titel „Steueränderungsgesetz 2007 zurückziehen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

   Unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der FDP-Fraktion auf Drucksache 16/1654 mit dem Titel „Keine weiteren Steuererhöhungen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch diese Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c sowie den Zusatzpunkt 2 auf:

4. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Dem Solidarsystem eine stabile Grundlage geben - für eine nachhaltige Finanzierungsreform der Krankenversicherung

- Drucksachen 16/950, 16/2002 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Hilde Mattheis

b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

- Drucksache 16/451 -

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

- Drucksache 16/1753 -

Berichterstattung:
Abgeodneter Dr. Rolf Koschorrek

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgitt Bender, Matthias Berninger, Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Stärkung der Solidarität und Ausbau des Wettbewerbs - Für eine leistungsfähige Krankenversicherung

- Drucksache 16/1928 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Für Nachhaltigkeit, Transparenz, Eigenverantwortung und Wettbewerb im Gesundheitswesen

- Drucksache 16/1997 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

   Über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke werden wir zu einem späteren Zeitpunkt namentlich abstimmen.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Parlamentarischen Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Gesundheit bewegt die Menschen. Gesunde Menschen haben natürlich viele Wünsche. Kranke Menschen haben eigentlich nur einen Wunsch, nämlich den, gesund zu werden. Deswegen ist klar, dass die Gesundheitspolitik ein Politikfeld ist, das die Menschen wie kein zweites beschäftigt.

   Insofern ist es eine gute Gelegenheit, heute zu den Leitlinien der Gesundheitspolitik Stellung zu nehmen und die Anträge der Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag zu würdigen. Es ist Ihr gutes Recht - das sage ich zu den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen -, etwas einzufordern. Was Sie einfordern, wird aber eigentlich schon getan. Sie fordern uns nämlich auf, einen Gesetzentwurf zum Thema „Strukturreformen in der Gesundheitspolitik“ vorzulegen. Vielleicht ist den Kolleginnen und Kollegen ja entgangen, dass genau dies im Moment erarbeitet wird.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Bei einem Gesetzentwurf sind Sie noch nicht! Sie haben noch nicht einmal Eckpunkte!)

Dieser Aufforderung hätte es also gar nicht bedurft. Denn es ist seit langem Beschlusslage, dass die große Koalition einen Entwurf zur Reform des Gesundheitswesens vorlegen wird.

(Unruhe)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Einen Augenblick bitte, Frau Kollegin. - Ich darf diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die dringend andere Geschäfte zu erledigen haben, bitten, dies möglichst außerhalb des Plenarsaals zu tun, um die Konzentration für diese Debatte sicherzustellen.

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:

Vielen Dank, Herr Präsident. - Die Aufgeregtheiten, die aus Baden-Württemberg kamen und zu einer Verzögerung der Abarbeitung der Tagesordnung beigetragen haben, habe ich als Badenerin nicht verursacht und nicht zu verantworten.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt geht es wieder los!)

Insofern ist klar, dass es etwas unruhig war.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Geld aus Stuttgart ist aber schon recht!)

- Die Stuttgarter wehren sich.

   Es ist so, dass Union und SPD vor der Bundestagswahl sehr unterschiedliche Konzepte in der Gesundheitspolitik angekündigt hatten. Deswegen ist jetzt ein schwieriger, aber notwendiger Reformprozess zu bewältigen. Diese Reform muss tragfähig sein und von beiden Parteien und den Fraktionen, die die Regierung stellen, verantwortet werden können.

Ich denke, dass sowohl der Zeitrahmen als auch die Fragestellungen, um die es geht, klar waren.

   Das, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, in Ihren Anträgen fordern, wird längst gemacht. Es wird auf der einen Seite die Finanzierungskonzeption auf eine neue, tragfähige Basis gestellt. Auf der anderen Seite wird klargezogen, dass eine nachhaltige Entwicklung in der Gesundheitspolitik erforderlich ist. Sie fordern ein, dass diese Reform sicherstellt, dass künftig alle Bürgerinnen und Bürger versichert sind. Genau das ist unser Ziel. Wir haben die Ziele der Reformpolitik auch deutlich gemacht.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wolf?

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:

Selbstverständlich.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Bitte, Frau Wolf.

Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, die Bundesregierung hat die Gesundheitsstrukturreform zu dem Reformprojekt erklärt. Ich stelle die Frage, warum uns die Ministerin heute nicht selber Rede und Antwort steht, zumal sie doch im Plenum anwesend ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Weil euer Antrag so billig ist!)

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:

Frau Kollegin, Ihre Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker wissen, dass die Ministerin wegen der Verzögerung der Debatte und der Gesundheitsministerkonferenz in Dessau nicht während der gesamten Debatte anwesend sein kann.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sitzt doch da!)

Der Respekt vor dem Parlament gebietet es, dass man dann, wenn man nicht während der gesamten Debatte anwesend ist, auch nicht das Wort ergreift. Das hätten Sie dann nämlich auch kritisiert.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Daran, dass sie trotzdem anwesend ist, sehen Sie, wie wichtig uns dieses Thema ist. Sie kann jedoch nicht die ganze Zeit bleiben und das ist Ihren Fachpolitikerinnen und -politikern auch mitgeteilt worden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der Antrag wäre es auch nicht wert gewesen!)

So viel Fairness sollte man im Umgang miteinander haben.

   Ich möchte noch einmal zu Ihren Anträgen kommen. Sie haben erstens gefordert, dass in Zukunft jeder versichert sein soll. Dieses Erfordernis wird derzeit diskutiert und die beiden Fraktionen sind sich auch einig geworden, dass ein Versicherungsschutz in Zukunft für alle in Deutschland gelten soll.

   Sie fordern zweitens, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung künftig für alle gewährleistet sein muss. Auch das ist erklärtes Ziel unserer Politik. Was also soll Ihr Antrag zum jetzigen Zeitpunkt? Sie wissen, dass ein Reformkonzept vorgelegt wird. Sie kennen die Zeitpläne. Sie hatten auch sehr wohl im Fachausschuss die Gelegenheit, sowohl die Finanzsituation als auch die einzelnen Bearbeitungsschritte, die vorgetragen wurden, zu diskutieren. Insofern bedarf es der Aufforderung in Form Ihres Antrags nicht.

   Dennoch gibt uns Ihr Antrag die Gelegenheit, über die notwendigen Strukturreformen in der Gesundheitspolitik zu reden. Das tun wir sehr gerne, weil auch die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat, zu erfahren, welche Fragestellungen eigentlich erörtert werden. Ich erinnere insbesondere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die damals an der Regierung beteiligt war, daran, dass wir das GMG aufgrund der Probleme damals gemeinsam mit einer hohen Einsparquote verabredet haben.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Ja, das stimmt!)

Wir haben die Ausgabenseite angepackt und auch Strukturen verändert. Jeder weiß aber, dass Strukturveränderungen ein auf Dauer angelegter Prozess sind. Jeder weiß auch, dass die nachhaltige Finanzierung zwischen den Parteien strittig war. Deswegen ist es richtig, dass in einer gemeinsamen Runde ein tragfähiger dritter Weg, ein Modell entwickelt wird, das auch für die große Koalition tragfähig ist.

   Welches sind die Elemente dieser tragfähigen Politik? Zunächst einmal brauchen wir eine nachhaltige Finanzierungsstruktur. Das bedeutet, dass wir Beitragsstabilität brauchen. Wir brauchen aber auch zusätzliche Einnahmen im System. Es hat sich auch bis zur Opposition herumgesprochen, dass derzeit über ein Fondsmodell diskutiert wird. Die vorgetragenen Kritikpunkte sind nicht sehr substanziell. Ein Fonds ist weder gut noch schlecht. Er bietet aber die Chance, unterschiedliche Finanzquellen zusammenzuführen und die Belastungen gerechter zu verteilen. Darum geht es im Moment. Sie werden sich gedulden müssen, bis die Eckpunkte der Reform vorgelegt werden.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, Frau Oberlehrerin! Das ist doch keine Bildungsdebatte!)

Die Termine standen fest und das wussten Sie auch, Frau Kollegin Künast.

   Wir wollen das Gesundheitswesen konkurrenzfähiger und wettbewerbsorientierter machen. Wir glauben, dass mehr Transparenz und Wettbewerb dringend überfällig sind. Wir wollen darüber hinaus, dass die Strukturen in den Institutionen klarer werden. Das ist überfällig. Derzeit haben wir im Bereich der Selbstverwaltung nämlich eine intransparente Struktur. Das Aufbrechen der Verkrustungen ist dringend notwendig, um voranzukommen. Wir brauchen natürlich eine modernere Selbstverwaltung, die den Herausforderungen gerecht wird.

   Darüber hinaus brauchen wir spürbare strukturelle Reformen. Wir wollen - das ist klar - den Patientinnen und Patienten mehr Wahl- und Wechselmöglichkeiten eröffnen. Auch das haben wir Ihnen in den Grundzügen erläutert.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man wird ja noch einmal fragen dürfen!)

   An den Konzepten der Opposition ist eines interessant: Im Fachausschuss konnte sich die Opposition gestern nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Sie waren sich, glaube ich, nur bei einem Tagesordnungspunkt einig, nämlich als es um das Verbot der Einfuhr von Wildvögeln ging. Darüber hat die Opposition einheitlich abgestimmt. In der Gesundheitspolitik liegen Ihre Auffassungen hingegen weit auseinander.

(Detlef Parr (FDP): Gott sei Dank sind wir weit auseinander!)

Von der einen Seite wird immer wieder das Thema Kostenerstattung aufgerufen und von der Seite der Linken hört man außer einer allgemeinen Forderung nach der Bürgerversicherung - Sie sagen noch nicht einmal, wie Sie sie eigentlich ausgestalten wollen - sehr wenig.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das hat die SPD auch nicht gemacht!)

   Insofern können wir unsere Reformen sehr gelassen vorantreiben und vorstellen. Wir haben Ihnen den Zeitplan mitgeteilt. Sie kennen ihn. Sie wissen auch, was die Grundüberlegungen dieser Reformpolitik sind.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sollen wir uns jetzt auf den Boden werfen und Ihnen danken? Was ist eigentlich los?)

Wir haben Ihnen die Möglichkeit gegeben, sich zu beteiligen. Sie werden sich aber noch ein bisschen gedulden müssen. Es ist das gute Recht der Opposition, hier Fragen zu stellen und Anträge vorzulegen. Es ist aber auch das gute Recht der Regierung, ihren Zeitplan in aller Ruhe und Gelassenheit zu fahren;

(Zuruf von der FDP: Wissen Sie denn schon, wo Sie hinfahren?)

denn die Bürgerinnen und Bürger haben es verdient, dass sie eine Gesundheitspolitik aus einem Guss vorfinden.

   Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Für die FDP-Fraktion erhält nun das Wort der Kollege Daniel Bahr.

(Beifall bei der FDP)

Daniel Bahr (Münster) (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin Caspers-Merk, es ist schon ein starkes Stück,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

dass Sie erwarten, dass Ihnen die Opposition jetzt, wo sich die große Koalition nicht in der Lage sieht, sich zu einigen, diese Aufgabe abnimmt. Die Opposition legt hier eigene Konzepte vor, und zwar jede Fraktion für sich, weil sie unterschiedliche Ansätze haben. Die schwarz-rote Koalition hat aber den Wählerauftrag, für Veränderungen zu sorgen und endlich eine Reform vorzulegen. Und was machen Sie? Klammheimlich, während der Fußball-WM, beraten Sie die Eckpunkte zur Gesundheitsreform.

(Beifall bei der FDP - Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Endspiel der Gesundheitsreform findet am Sonntag statt. Das Parlament hat dann überhaupt keine Gelegenheit mehr, vor der Sommerpause über die Eckpunkte dieser Reform zu diskutieren. Die nächste Möglichkeit dafür würde sich erst im Herbst bieten. Daher ist es das gute Recht der Opposition, hier und heute eine Debatte über die Gesundheitspolitik zu führen.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Frau Caspers-Merk, Sie haben mir eine Steilvorlage geliefert: Es ist ja richtig, dass die letzte große Gesundheitsreform von einer großen Koalition durchgeführt wurde, nämlich von der CDU/CSU, den Grünen und der SPD. Was hat aber das Gesetz zur Modernisierung des Gesundheitssystems gebracht? Die letzte große Gesundheitsreform ist gerade einmal zweieinhalb Jahre her. Sie sollte eine massive Beitragssatzsenkung bringen. Damals lag der Beitragssatz im Schnitt bei 14,4 Prozent. Versprochen wurde uns eine Senkung auf 13,0 Prozent inklusive Sonderbeitrag. Die Realität sieht heute aber anders aus: Der Beitragssatz liegt bei durchschnittlich 14,2 Prozent. Die Reform brachte eine Senkung um 0,2 Prozent - das nenne ich eine große Jahrhundertreform! Zum 1. Januar und zum 1. Juli dieses Jahres wurden von zahlreichen Krankenkassen Beitragssatzerhöhungen vorgenommen.

(Elke Ferner (SPD): Man sollte auch einmal fragen, warum, Herr Kollege!)

81 Krankenkassen haben immer noch Schulden in Höhe von insgesamt knapp 4 Milliarden Euro. Für 2007 erwarten wir ein Defizit von 8 Milliarden Euro.

   Das ist das Ergebnis der letzten Reform einer großen Koalition in der Gesundheitspolitik. Das ist ein zutiefst blamables Ergebnis. Sie haben es nicht geschafft, an die Strukturprobleme der Gesundheitspolitik heranzugehen.

(Beifall bei der FDP)

Schwarz-Rot hat das Defizit, das im nächsten Jahr eintreten wird, selbst zu verantworten. Die Mehrwertsteuererhöhung belastet die gesetzlichen Krankenversicherungen. Etwa 1,3 Milliarden Euro werden, zum Teil für Arzneimittel, zum Teil für Krankenhauskosten, mehr ausgegeben. Außerdem hat die schwarz-rote Koalition beschlossen, den Bundeszuschuss in Höhe von 4,2 Milliarden Euro, finanziert aus der Tabaksteuererhöhung, bis 2008 wieder auf null zu senken. Dabei wird die Tabaksteuererhöhung übrigens überhaupt nicht infrage gestellt. - Ein Steuerzuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung ist also gar nicht so neu. Jetzt plant die Koalition den nächsten, höheren Steuerzuschuss; er liegt mittlerweile bei 16 bis 24 Milliarden Euro.

   Hier stehen wir in der Tat vor einer Richtungsentscheidung: Wollen wir ein steuerfinanziertes staatliches Gesundheitswesen oder wollen wir ein Gesundheitswesen, das auf Freiheit, auf Wettbewerb und auf Eigenverantwortung der Versicherten baut? Wir von der FDP möchten kein steuerfinanziertes staatliches Gesundheitswesen. All die Erfahrungen mit dem bisherigen Bundeszuschuss zeigen doch, wie unsicher ein pauschaler Steuerzuschuss ist. Dann entscheidet der Finanzminister und die Verlässlichkeit geht verloren. Eine weit gehende Steuerfinanzierung kann angesichts der Haushaltslage zur Gesundheit nach Kassenlage führen. Ich möchte das nicht.

(Beifall bei der FDP)

   Dann machen Sie Versprechungen, mit Steuergeldern die Beiträge zu senken. Das alles haben wir schon vor Jahren erlebt. Oder ist Ihnen die Debatte über die Ökosteuer von 1998 nicht mehr in Erinnerung?

(Elke Ferner (SPD): Wo wären dann die Rentenversicherungsbeiträge nach Ihrer Begrenzung gewesen?)

Damals wurde uns beigebracht, dass der Rentenbeitrag bei mittlerweile 18,5 Prozent liegen müsste. Zusammengenommen sind seit dem Jahr 2000 85 Milliarden Euro aus der Ökosteuer in die Rentenkasse geflossen. Trotzdem muss der Rentenversicherungsbeitrag im nächsten Jahr auf 19,9 Prozent, also fast 20 Prozent, steigen.

(Elke Ferner (SPD): Wo wäre er denn ohne Ökosteuer?)

Die Versprechung, dass durch Steuererhöhungen Lohnzusatzkosten und Rentenbeiträge gesenkt werden, ist doch Makulatur, wenn Sie sich die Erfahrung der Politik der letzten Jahre vergegenwärtigen. Das ist nicht der richtige Weg, um die Lohnzusatzkosten zu senken.

(Beifall bei der FDP)

   Steuerzuschüsse ersetzen eben keine Strukturreform. Sie haben weder den Mut noch die Kraft für eine grundlegende Reform. Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung gesagt:

Wir werden es grundlegend anders machen, damit es grundlegend besser wird.

Die Bürger stellen aber hinsichtlich der Gesundheitspolitik immer mehr fest, dass es teurer wird, ohne besser zu werden. Die schwarz-rote Koalition kauft sich einen Kompromiss mit dem Geld der Steuer- und Beitragszahler.

(Beifall bei der FDP)

   Frau Caspers-Merk hat eben gesagt, es sei das Ziel der Koalition, zu einer nachhaltigen Finanzierung zu kommen. Ich kann nur feststellen, dass in den Debatten über eine Gesundheitsreform das Thema „alternde Bevölkerung“ - wie bekommen wir mehr Nachhaltigkeit in die Finanzierung des Gesundheitswesens? - bisher überhaupt gar keine Rolle spielt.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)

   Sie nennen als Beispiel den Gesundheitsfonds. Das hört sich toll an. Gemeinhin denkt man, dass dort Geld angespart wird für Zeiten, in denen man dieses Geld braucht. Aber der Gesundheitsfonds, wie Sie ihn planen, ist nichts anderes als eine gigantische Geldsammelstelle, bei der es nur darum geht, die Bürgerinnen und Bürger zu täuschen. Sie überlegen doch nur, aus welcher Tasche man ihnen noch Geld nehmen kann und wie man es möglichst großzügig auf die Krankenkassen umverteilt. Das ist keine Nachhaltigkeit, sondern die Fortsetzung einer wenig nachhaltigen Finanzierung des Krankenversicherungssystems. So schieben Sie die Lasten weiterhin auf die kommenden Generationen.

(Beifall bei der FDP)

   Sie wollen - das ist mein Eindruck - den Weg in ein zentralistisch gesteuertes, staatliches Gesundheitswesen gehen. Ein Gesundheitsfonds kombiniert mit einem Bundeskrankenkassenverband, in dem die Krankenversicherungen nur noch Befehlsempfänger dieser Dachorganisation sind, und vorgeschriebene Mindestgrößen für Krankenkassen, wodurch gerade die kleinen, innovativen Krankenkassen, die geringe Verwaltungskosten haben, zerstört werden sollen, bedeuten weniger Wettbewerb, weniger Autonomie und weniger Selbstverwaltung. Das wird mehr Kosten und Bürokratie verursachen. Das ist der Weg in die Planwirtschaft im Gesundheitswesen. Wir wollen diesen Weg nicht mitgehen.

(Beifall bei der FDP)

   Wir haben in unserem Antrag dargestellt, wie wir mehr Freiheit im Gesundheitswesen wagen wollen, und zwar mit privaten Krankenversicherungen, die im Wettbewerb zueinander stehen, mit Wahlmöglichkeiten für die Versicherten, sodass sie selbst auswählen können, wie sie ihren Versicherungstarif gestalten, und mit Altersrückstellungen, wodurch Vorsorge für die alternde Bevölkerung betrieben wird.

   Das Gesundheitswesen ist der größte Arbeitgeber in Deutschland. Wenn es auch zukünftig ein Wachstumsmarkt sein soll, dann darf hier nicht weiter staatlich reglementiert werden, sondern dann muss es wie ein Gesundheitsmarkt verstanden werden, mit Freiheit, Wettbewerb, Transparenz und Eigenverantwortung.

(Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Und wer nicht zahlen kann, hat Pech gehabt!)

   Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Zöller von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wolfgang Zöller (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines muss sich die Opposition schon vorhalten lassen: Sie müssen sich langsam entscheiden, wie Sie argumentieren. Man kann doch nicht ans Rednerpult gehen und sagen, die Regierung habe kein Konzept, und dann die einzelnen Punkte des angeblich nicht vorhandenen Konzeptes kritisieren.

Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Grünen beginnen ihren Antrag mit den Worten:

Auch acht Wochen nach Verhandlungsbeginn hat die große Koalition der Fraktionen der CDU/CSU und SPD noch kein gemeinsames Konzept für die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ...
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja! Genau richtig!)

Ich kann Sie wirklich beruhigen. Wir halten uns an unseren Terminplan. Wie vorgesehen werden die Eckpunkte am kommenden Sonntag festgelegt.

   Ich kann mich, was die Grünen betrifft, nicht des Eindrucks erwehren, als wollten Sie vor der Sommerpause unbedingt noch eine Show. Herr Fischer ist Ihnen abhanden gekommen. Jetzt brauchen Sie eine andere Showebene.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber dafür ist dieses Thema viel zu ernst.

   Das deutsche Gesundheitswesen ist in den letzten Jahren wie selten zuvor in den Mittelpunkt sozialpolitischer Diskussionen gerückt. Der stete Wechsel gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen fand in immer kürzeren Zeitintervallen statt. Deshalb habe ich größtes Verständnis dafür, dass die Akteure im Gesundheitswesen nach den vielen Reformen der letzten 15 Jahre nun endlich Planungssicherheit erwarten. Dies wird man aber nur dann erreichen, wenn man die Hauptursache der Reformen der letzten Jahre, die Bindung der Finanzierung an die Löhne, und damit die zusätzliche Belastung der Lohnkosten angeht.

(Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) - Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): So ist es!)

   Hier brauchen wir endlich eine nachhaltige Lösung. Nicht der Kostendruck, sondern der Wettbewerb und eine bessere Versorgung der Menschen müssen künftig die Leitgedanken von Reformen sein. Man muss allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass in keinem anderen Bereich so viele Gefühle angesprochen bzw. so viele Ängste ausgelöst werden und kaum ein politisches Feld so komplex und vielschichtig ist wie unser Gesundheitswesen. Deshalb habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, wenn man die Leute tagtäglich mit falschen Behauptungen und nicht zutreffenden Vermutungen verunsichert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wie sieht die Einnahmeseite der gesetzlichen Krankenversicherung tatsächlich aus? Die Diskussion der letzten Jahre verdeutlicht doch, dass wir im System keine Versorgungskrise, sondern eine Finanzierungskrise haben.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! Eine Koalitionskrise!)

Uns ist die Einnahmeseite weggebrochen. Ich bin davon überzeugt, dass die Krankenversicherung künftig nicht mehr allein über die Arbeitslöhne finanziert werden kann. Unser Gesundheitswesen wird schon aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts und aufgrund der steigenden Lebenserwartung mit zunehmenden Ausgaben belastet.

   Lassen Sie mich hierzu ein paar Zahlen nennen: Die Einnahmeseite ist uns auch deshalb weggebrochen, weil wir in den letzten Jahren 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren haben. Das bedeutet einen Einnahmeverlust in Höhe von 6,5 Milliarden Euro. Auch ein anderer Aspekt ist viel zu wenig beachtet worden: In den letzten Jahren haben ungefähr 1 Million bestausgebildete junge deutsche Menschen Deutschland verlassen. Man muss fragen: Warum? Immer wieder wird das Argument angeführt, die Bürokratie in Deutschland sei zu hoch. Wenn das grüne Antidiskriminierungsgesetz tatsächlich Realität geworden wäre, wären noch mehr Menschen ausgewandert. Wir müssen endlich die Ursachen dieser Entwicklung angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Glauben Sie eigentlich, was Sie da sagen? - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber im Wesentlichen kommt es doch!)

- Wenn Sie keine Redezeit haben, können Sie mir gerne eine Frage stellen.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie so einen Unsinn erzählen, müssen Sie Unruhe in Kauf nehmen!)

   Mit unseren Vorschlägen werden wir erstmals das Problem der Verschiebebahnhöfe in Angriff nehmen und verhindern, dass sich ständig andere Sozialsysteme zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung sanieren.

(Beifall der Abg. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU))

Die dadurch entstehenden Kosten belaufen sich inzwischen auf einen Betrag von jährlich 5 Milliarden Euro.

   Ein Aspekt muss in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt werden: Unser Gesundheitssystem ist wesentlich besser, als es momentan in der Öffentlichkeit dargestellt wird.

(Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Auch das ist richtig!)

Allerdings müssen wir ehrlich sagen, dass wir in diesem Bereich nach wie vor für mehr Eigenverantwortung sorgen müssen, nicht nur für mehr Eigenverantwortung der Versicherten, sondern auch für mehr Eigenverantwortung der am System Beteiligten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Elke Ferner (SPD))

   Die gesetzliche Krankenversicherung lebt von der Solidarität der Beitragszahler.

(Frank Spieth (DIE LINKE): Das ist wohl wahr!)

Solidarität heißt zu Recht: Verantwortung für das Ganze. Solidarität darf aber nicht heißen: Verantwortung für alles.

Im Gegenteil: Solidarität verstanden als Daseinsvorsorge für die großen Risiken setzt auch voraus, dass kleinere Risiken eigenverantwortlich geschultert werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hört sich ja sehr christlich an!)

Die gemeinschaftliche Vorsorge für die großen Risiken ermöglicht es dem Einzelnen ja erst, kleinere Risiken eigenverantwortlich zu übernehmen.

   Wer Freiheit und Wohlstand will, muss auch bereit sein, sich von Überbetreuung und falscher Geborgenheit zu verabschieden.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ideologie!)

In einer Gesellschaft, in der die Freiheit zur Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung immer größer geworden ist, sollte es eigentlich nicht unmöglich sein, das Pendant zu dieser Freiheit zu neuem Leben zu erwecken, nämlich die individuelle Selbstverantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   In diesem Zusammenhang möchte ich etwas zitieren:

Das Grundgesetz geht von dem freiheitlichen, selbstverantwortlichen Individuum aus; in der Realität aber versperrt der Gesetzgeber durch dauernd steigende soziale Belastungen dem einzelnen Beschäftigten nicht nur die Möglichkeit, sondern auch den Antrieb zur individuellen Vorsorge.

Diese Aussage stammt aus einem „Spiegel“-Interview von 1967, von dem ersten Sozialminister einer großen Koalition, Hans Katzer. Wir sehen, dass das Thema Eigenverantwortung nicht neu ist.

   Ich will einen Punkt aus Ihrem Programm ansprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen: Wir brauchen auch weiterhin den Wettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung; dazu stehen wir.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da habt ihr doch noch gar nichts angefangen! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auslese!)

Die zusätzlichen Honorarzahlungen der privaten Versicherungen bieten den Leistungserbringern, ob niedergelassenen Ärzten oder Ärzten im Krankenhaus, höhere Planungssicherheit. Wie viele Neuverfahren wurden zunächst in der PKV erstattet und kamen dann allen Versicherten zugute! Wer Ärzten für ihre schwierige und verantwortungsvolle Arbeit die angemessene Honorierung verweigert, schadet letztendlich der medizinischen Versorgung der Patienten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Die Grünen behaupten in ihrem Antrag, die einkommensstärksten 10 Prozent der Bevölkerung beteiligten sich nicht an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Stimmt ja nicht! Das ist Unsinn!)

Diese Annahme ist schlichtweg falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aus einer falschen Grundannahme kann man aber keine richtigen Schlüsse ziehen. Ich will Ihnen dazu nur einige Zahlen nennen: 55 Prozent der privat Versicherten haben ein Einkommen von unter 2 500 Euro im Monat. Ich habe langsam den Eindruck, wenn die Grünen „privat Versicherte“ hören, glänzen ihnen die Augen und sie denken an Ackermann. Aber in der Privatversicherung sind auch kleine Beamte, Beihilfeempfänger, und das in der überwiegenden Zahl.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner (SPD): Woher kommt die Beihilfe? Aus dem Steuertopf!)

Wenn Sie von den Grünen in diesem Punkt ehrlich sind, müssen Sie zugeben: Es geht Ihnen hier nicht um die Sache. Sie schüren puren Sozialneid. Ich kann Ihnen sagen: Wer die PKV kaputtmacht, löst damit kein einziges Problem der gesetzlichen Krankenversicherung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Lassen Sie mich an zwei Beispielen ein Problem ansprechen, das wir gemeinsam viel stärker beachten sollten: Erstes Beispiel. Wir haben in den Krankenhäusern eine, wie wir meinen, leistungsgerechte Vergütung eingeführt. So gibt es zum Beispiel für eine normale Geburt einen festen Betrag; für etwas kompliziertere Fälle mit Kaiserschnitt gibt es einen wesentlich höheren Betrag. Plötzlich müssen wir feststellen, dass in etlichen Krankenhäusern normale Geburten so gut wie nicht mehr stattfinden und fast alles über Kaiserschnitte läuft. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Das zweite Beispiel - auch ein tatsächlicher Fall -: Ein 25-Jähriger kommt zum Arzt und möchte eine neue Hüfte. Der Arzt stellt fest, dass der Patient 140 Kilogramm wiegt, und sagt: Wenn ich Ihnen eine neue Hüfte gebe, nützt das nichts. Sie müssten eigentlich erst abnehmen. - Er bekommt zur Antwort: Ich bezahle meinen Beitrag und deshalb haben Sie das gefälligst zu machen.

   Ich habe diese beiden Beispiele gebracht, weil ich fest davon überzeugt bin: Ohne Moral fahren wir alle Sozialsysteme an die Wand.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat die Kollegin Dr. Martina Bunge von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit den vorliegenden Oppositionsanträgen diskutieren wir zum wiederholten Mal in dieser Legislaturperiode über die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine nachhaltige Finanzreform ist uns von den Koalitionären angekündigt worden. Auf dem Tisch liegen aber nur Spekulationen, nicht mehr.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie müssen schon noch bis Sonntag warten!)

   Lassen Sie mich an Ihren Terminplan anknüpfen. Er ist nämlich etliche Male geändert worden.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Der Terminplan noch nie!)

Die seriös erscheinende Arbeitsphase bis Ostern ist in eine seit Wochen anhaltende Phase übergegangen, in der wortwörtlich jeden Tag ein neuer Vorschlag - sei er noch so skurril - durch die Medien gejagt wird. Die Machtverhältnisse lassen dies leider zu. Durch dieses Verfahren werden die Parlamentarierinnen und Parlamentarier langsam genervt

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und die Versicherten und Patientinnen und Patienten zunehmend verunsichert. Aber auch die Akteure im Gesundheitssystem sind erbost, weil sie außen vor bleiben.

   Gesundheit geht alle an, aber einige wenige meinen derzeit, alleine darüber befinden zu können.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Genauso ist es!)

Dabei sind gegenwärtig sehr viele reformbereit und reformwillig angesichts der Herausforderungen, vor denen das Gesundheitssystem durch die Alterung der Gesellschaft und durch den medizinischen Fortschritt steht.

   Allein Ihre vermeintliche Verständigung auf einen Gesundheitsfonds hat enorme Energien freigesetzt. Die Aussicht, dass einzig den Arbeitgebern stabile, abgesenkte Beiträge von 6,5 Prozent versprochen werden, die Versicherten aber 7,5 Prozent aufgebrummt bekommen und das gesamte Risiko für die Ausgabensteigerungen über eine kleine Kopfpauschale tragen sollen, ist sozial ungerecht und findet nicht unsere Zustimmung.

(Beifall bei der LINKEN - Elke Ferner (SPD): Das habe ich auch nicht erwartet!)

   Das Bekenntnis zur gesetzlichen, beitragsfinanzierten Krankenversicherung und deren Grundprinzipien wie Solidarausgleich und Parität wächst. Herr Bahr, es gibt eben nicht nur die Alternative zwischen der staatlichen Versorgung und der Freiheit für mehr Wettbewerb,

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Doch!)

sondern es geht um Solidarität, und zwar um Solidarität pur.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht pleite. Sie wird schlechtgeredet, damit die Transformation in ein neues System eingeleitet werden kann. Wir meinen, die finanziellen Grundlagen der GKV müssen verteidigt, aber auch weiterentwickelt werden.

   Wie geht es mit dieser wichtigen Reform weiter? Es ist angekündigt worden, dass die Verhandlerinnen und Verhandler in der nächsten Woche die Eckpunkte der Gesundheitsreform verkünden werden. Dann wird nicht nur im Parlament die Sommerpause eingeläutet. Medial wird die Debatte weitergehen, aber nicht hier und nicht mit den Akteuren im und um das Gesundheitssystem. Der Gesetzentwurf wird in der Sommerpause im Ministerium zusammengezimmert und ab September drückt die Zeit, sodass es keine solide parlamentarische Behandlung mehr geben kann; denn das nächste Finanzloch der GKV für 2007 ist durch die Gesetzgebung der letzten Woche bereits vorprogrammiert. Durch das neue Finanzloch wird im Herbst zur Eile gedrängt. Durchpeitschen führt aber zu Fehlern. Denken Sie an Hartz IV!

(Beifall bei der LINKEN)

   Wir fordern Sie auf: Machen Sie ein Vorschaltgesetz

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das Vorschaltgesetz wird wohl kommen!)

- warten wir das ab -, um die Kassenlage für 2007 zu stabilisieren, und stellen Sie dann die eigentliche Reform vom Kopf auf die Füße!

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie uns gemeinsam zuerst über die künftigen Aufgaben und Strukturen reden - ich habe nicht viel von Strukturen gehört, sondern immer nur etwas von nachhaltiger Finanzierung -

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Davon habe ich nichts gehört!)
und erst danach über das Geld!

Lassen Sie uns vorurteilsfrei darüber reden, wie man mit Gesundheitsförderung und Prävention von Kindesbeinen an Krankheiten vermeiden, Wohlbefinden fördern, aber auch Gesundheitskosten sparen kann; das muss man doch einkalkulieren. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir der so genannten Volkskrankheiten Herr werden und dabei seltene Krankheiten nicht vergessen; das kostet natürlich Geld. Lassen Sie uns die Ergebnisse neuer Versorgungsformen analysieren und in die Breite gehen; das bringt Effizienz. Lassen Sie uns gemeinsam beraten, welche Anforderungen zunehmende Demenz stellt, wie die Schmerztherapie ausgestaltet werden muss und wie bedarfsgerechte geriatrische Versorgung Lebensqualität auch im hohen Alter sichert. Lassen Sie uns endlich auch aus dem Medikamentenwirrwarr eine Positivliste kreieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Erst dann wäre es an der Zeit, über das Geld zu reden.

   Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens für eine Bürgerversicherung, durch die die Versichertenbasis und die Beitragsbasis verbreitert werden, faktisch eine Versicherung von allen für alle.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Und die Lasten auf die kommenden Generationen verschoben wird!)

   Der Konsens ist groß, den Faktor Arbeit zu entlasten. Die Frage ist nur, wie. Unser Vorschlag, mittels einer Wertschöpfungsabgabe arbeitsintensive, zumeist kleine Unternehmen wie den Bäcker oder die Änderungsschneiderei um die Ecke zu entlasten und die kapitalintensiven, von Automatengreifarmen und Computersteuerung nur so strotzenden gewinnträchtigen Unternehmen wie Siemens und Daimler-Benz stärker zu belasten, wäre zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Hören Sie auf, abhängig Beschäftigten, Rentnerinnen und Rentnern sowie Arbeitslosen immer stärker in die Tasche zu greifen! Holen Sie das Geld dort, wo es ist!

   Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist es denn?)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Renate Künast vom Bündnis 90/Die Grünen.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Caspers-Merk, dass Sie hier geredet haben und nicht die Ministerin, habe ich verstanden. Aber das kann ja nicht daran gelegen haben, dass die Ministerin zur Gesundheitsministerkonferenz nach Dessau muss; denn sie sitzt ja noch hier. Ich vermute, es hat daran gelegen, dass die Ministerin nichts sagen konnte und auch nichts sagen wollte. Sie haben in Ihrem Beitrag ja auch nur gesagt, dass wir das Recht haben, zu fragen. Das war, ehrlich gesagt, ein Armutszeugnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie beschäftigen sich seit Monaten mit diesem Thema, aber herausgekommen ist nichts, außer, dass Sie netterweise sagen, die Opposition dürfe hier einen Antrag stellen.

   Herr Zöller, Sie haben gesagt, die Koalition wäre am Sonntag fertig. Olaf Scholz hat aber gesagt, man könne wahrscheinlich am Sonntag zu groben Eckpunkten kommen,

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Dann warten Sie halt bis Montag früh!)

von denen er hofft, dass sie den Sommer überdauern. Fazit: Sie haben eigentlich nichts außer monatelangen Debatten. Sie können es einfach nicht, Herr Zöller. Diese Koalition kann offensichtlich keine Gesundheitsreform rechnen, die bezahlbar ist, zu Wettbewerb führt und den Patientinnen und Patienten etwas bringt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Wir haben in fünf Monaten mehr erreicht als Sie in sieben Jahren!)

   Es ist immer noch nicht klar, was mit der kleinen Kopfpauschale ist, von der wir alle wissen, dass sie am Ende die AOK-Mitglieder treffen wird und nicht die Mitglieder in den privaten Krankenkassen.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Das zeigt Ihre Unkenntnis!)

Was ist mit dem Arbeitgeberbeitrag, den Sie - das hört man ja - einseitig einfrieren wollen?

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Auch falsch!)

Damit machen Sie eine Gesundheitsreform zulasten der Arbeitnehmer, die einzahlen. Das, Herr Zöller, ist nicht gerecht.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Zöller (CDU/CSU))

- Wenn Sie noch Redezeit haben, dann gehen Sie doch ans Rednerpult. Dann hören wir uns Ihre epischen Ausführungen noch einmal an.

   Was ist mit den privaten Krankenkassen? Herr Zöller, das C in CDU steht ja bekanntlich für „christlich“.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Und CSU!)

- Und CSU. - Ich glaube, eines Tages werden Sie das C an Ihrer Parteizentrale einfach fallen lassen; denn die Art und Weise, wie Sie den privaten Krankenkassen in dieser Republik eine systematische Rosinenpickerei erlauben, rechtfertigt das C in Ihrem Namen überhaupt nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie sind nicht auf dem neuesten Stand!)

   Sie haben gesagt: „Wer die PKV kaputtmacht, ...“. Es geht nicht um das Kaputtmachen. Es geht darum, dass sie endlich Konkurrenz und einen echten Wettbewerb bekommen und dass es nicht eine Art Otto-Graf-Lambsdorff-Schutzgesetz gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann ich den Kolleginnen und Kollegen von der FDP nicht ersparen. Es fällt schon auf, wenn man immer wieder große Werbeanzeigen sieht, in denen Otto Graf Lambsdorff dafür wirbt, dass die PKV weiter bestehen bleibt. Mich interessiert daran nur, wie viel Geld der Mann dafür bekommt. Die PKV scheint offensichtlich zu viel Geld zu haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heinz Lanfermann (FDP): Der versteht etwas von Versicherungen! Das scheinen Sie nicht zu tun!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Daniel Bahr? - Bitte schön, Herr Bahr.

Daniel Bahr (Münster) (FDP):

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass sich unter den ehemaligen Politikern, die sich in diesen Anzeigen für ein privates Krankenversicherungssystem einsetzen, weil es mehr Nachhaltigkeit bietet - diese Zielsetzung verfolgen eigentlich auch die Grünen, indem sie für Altersrückstellungen und Vorsorge für die alternde Bevölkerung eintreten -, auch der ehemalige grüne Politiker und Bundestagsabgeordnete Oswald Metzger befindet. Deshalb frage ich Sie: Glauben Sie nicht, dass es angesichts der alternden Bevölkerung und der Lasten, die noch auf uns zukommen, sinnvoll ist, endlich Vorsorge zu betreiben, indem wir verstärkt Altersrückstellungen bilden, statt kurzfristig die bereits bestehenden Altersrückstellungen sinnlos zu verbraten?

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Das kann man mit Ja beantworten!)

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Bahr, eine Krankenkasse, die sich aussuchen darf, wen sie aufnimmt, wird die Besserverdienenden, die Selbstständigen und die Beamten auswählen, nämlich all diejenigen, die - das zeigt ein Blick in die Sterbestatistik - durchweg gesünder sind und weniger Kosten verursachen. Auch wenn Otto Graf Lambsdorff und Oswald Metzger Werbung für die PKV machen: Fakt ist, dass die privaten Krankenversicherungen nicht wirklich am Wettbewerb beteiligt sind und keinen Solidarausgleich betreiben, um die Risiken aller Mitversicherten solidarisch mitzutragen. Das ist zu kritisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die Reform ist uns immer wieder als große Gesundheitsreform angekündigt worden. Ich stelle in diesem Zusammenhang fest, dass wir Grüne in die peinliche Situation kommen, uns in einigen Punkten auf der Seite von Markus Söder und Roland Koch wiederzufinden. Das ist wirklich unangenehm. Söder hat in Bezug auf die Mitversicherung der Kinder festgestellt, dass irgendwann die Schmerzgrenze erreicht sei, wenn die 16 Milliarden Euro aus Steuermitteln finanziert würden. Ich bin schon dankbar, dass bei Ihrer ewigen Steuererhöherei überhaupt irgendjemand eine Schmerzgrenze hat.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer weiß, wie lange die hält!)

Noch lieber ist mir wundersamerweise an dieser Stelle Roland Koch, der heute klar gesagt hat, die 16 Milliarden Euro für die Mitversicherung der Kinder stufenweise über Steuerfinanzierung aufzubringen, widerspreche dem CDU-Programm und sei konjunkturschädlich. Statt in anderen Punkten sollten Sie sich ausnahmsweise dieses Mal nach Roland Koch richten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie suchen sich immer aus, wen Sie gerade zitieren können!)

   Sie entscheiden sich wieder einmal für den kleinsten gemeinsamen Nenner. Der heißt bei Ihnen immer Murks.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Ihre Rede war der größte Murks heute!)

Sie fassen den Menschen in die Taschen und in die Portemonnaies. Sie legen letzten Endes ein Konzept vor, bei dem Sie so tun, als hätten Sie etwas Gutes für die Kinder bewirkt. Aber in Wahrheit greifen Sie wieder den Eltern ins Portemonnaie, indem Sie es letztlich doch wieder über Steuererhöhungen finanzieren. Sie wissen offensichtlich nicht mehr, wie hoch die Belastungen der Menschen - von der Kürzung der Pendlerpauschale bis zur Mehrwertsteuererhöhung - in dieser Republik sind. Sie machen einen großen Fehler, weil Sie zu feige sind, an der Stelle die Ausgabenseite anzugehen. Die muss man aber zuerst anpacken, bevor man über Steuererhöhungen nachdenken kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Wenn man keine Ahnung hat, dann kann man so reden wie Sie!)

   Notwendig ist etwas anderes. Wir brauchen einen echten Kassenwettbewerb und die Beteiligung der Privatversicherten. An der Stelle ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Darin liegt Ihr Kardinalfehler. Alles, was wir in diesem Zusammenhang bisher von Ihnen gehört haben, sind - um das Unwort des Jahres 1994 zu verwenden - Peanuts. Gehen Sie endlich den Weg weg vom Reparaturbetrieb und hin zu ernsthaften Reformen, bei denen es um Wettbewerb und Effizienzpotenziale geht und nicht um die einseitige Belastung der Versicherten!

   Wir müssen die Kartelle bei den Ärzten und Kassen aufheben. Wir müssen endlich Wettbewerb unter den Pharmaunternehmen einführen. Wir müssen die zunftähnlichen Strukturen im Arzneimittelhandel auflösen und wir brauchen Marktwirtschaft beim Apothekenmehrbesitz. Diese Punkte müssen wir radikal anpacken, bevor man schon wieder dem kleinen Mann in die Tasche fasst und seinen letzten Cent herausholt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Zöller, Sie haben vorhin das schöne Beispiel des 140-Kilo-Manns gebracht.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Man kann auch eine Frau nehmen!)

- Oder auch die Frau; das ist mir egal. Es war Ihr Beispiel. Es kommt nicht auf das Geschlecht an.

   Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass man mehr für Prävention tun muss. Es war aber die CDU/CSU, die im letzten Jahr das Präventionsgesetz torpediert hat. Haben Sie doch endlich den Mut, bei den Kassen für Wettbewerb und dafür zu sorgen, dass sie Prävention anbieten!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sagen Sie, dass wir ein Präventionsgesetz brauchen, das solche Dinge regelt!

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie werden sich wundern!)

Dann haben Sie eine ordentliche Reform. Bei Ihnen sehe ich aber nur Merkel-Murks.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Carola Reimann von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Carola Reimann (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Frage der Finanzierung haben wir in diesem Hause nicht nur bei diesem Tagesordnungspunkt eine ganze Menge gehört, noch mehr haben wir in den letzten Tagen und Wochen dazu gelesen. Die Frage, wer wie viel bezahlt, wer sich an der Solidarität beteiligt, ob der Beitrag ausschließlich nach Leistungsfähigkeit oder auch nach dem Gesundheitszustand bemessen werden soll, beschäftigt in den letzten Tagen nicht nur uns alle, sondern auch die Medien und die Öffentlichkeit in mannigfaltiger Hinsicht. Das bietet Stoff für Spekulationen zuhauf.

   Die Schar derer, die auf äußerst spekulativer Grundlage, dafür aber umso lautstärker Kritik üben, ist erwartungsgemäß groß. Um eine sachgerechte Darstellung geht es in den seltensten Fällen. Häufig arbeitet man sich nur an Reizwörtern und Begriffen ab. Sachkundige Kritiker oder diejenigen, die sich als solche ausgeben möchten, heben sich dabei ganz gern von der Masse ab, indem sie darauf verweisen, dass es mit einer Finanzreform alleine nicht getan sei und man die eigentlichen Probleme nicht lösen könne, indem man mehr Geld in das System pumpe. Mit der Forderung, man müsse zuerst einmal Löcher stopfen, bevor man neues Geld nachschütte, gibt man sich gern als vermeintlicher Kenner der Szene zu erkennen. Sie alle haben in einem Punkt Recht: Es bringt nichts, nur neues Geld in das Gesundheitssystem fließen zu lassen und die Versorgungsstrukturen außer Acht zu lassen.

(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

Wer die Forderung jedoch in einer Art und Weise erhebt, dass man den Eindruck bekommen könnte, hier würde nichts getan, entpuppt sich ganz schnell als ein weniger guter Kenner der Gesundheitspolitik der letzten Jahre.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie fordern in den vorliegenden Anträgen Strukturreformen, die für mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit sorgen können. An dieser Forderung ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Vor drei Jahren - zu Zeiten der rot-grünen Koalition - haben wir gemeinsam, auch unter der Beteiligung unserer heutigen Koalitionspartner, mit dem GKV-Modernisierungsgesetz den Weg in Richtung mehr Wettbewerb, Qualität und Wirtschaftlichkeit eingeschlagen.

(Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): So ist es! Da waren Sie von den Grünen noch dabei!)

Zu dieser Richtungsentscheidung stehen wir. Sie war damals richtig und gut und ist es auch heute noch.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Staatssekretärin hat es gesagt: Reformen sind ein Prozess. Deshalb werden wir diesen Weg fortsetzen. Die Struktur der Versorgung zählte deshalb auch zu den ersten Themen der zurzeit noch laufenden Gesundheitsgespräche. Wir wollen klarere Strukturen. Wir wollen Instrumente und Elemente für mehr Effizienz und mehr Wettbewerb. Deshalb werden wir konsequent mehr Vertragsmöglichkeiten zwischen den Leistungsanbietern schaffen. Insofern rennen Sie mit Ihren Forderungen bei uns offene Türen ein.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na also!)

   Die Agenturmeldung dieser Woche - das muss ich allerdings auch sagen -, in der Ihre Kollegin, Frau Roth, mit der Äußerung zu vernehmen war, das Herangehen der Koalition an die Ausgabenseite sei völlig unambitioniert, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Elke Ferner (SPD): Ich auch nicht!)

Die große Koalition ist seit etwas mehr als einem halben Jahr im Amt und steht kurz vor dem Abschluss der Verhandlungen über eine unzweifelhaft weit reichende Gesundheitsreform. Ich würde das nicht als unambitioniert bezeichnen wollen. Schauen wir uns doch lieber die Fakten an. Wenn wir über Fakten reden, will ich zu allererst sagen, dass wir aufhören sollten, das System der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland schlechter zu reden, als es ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Richtig!)

Bei aller Reformnotwendigkeit erscheint es mir dringend notwendig, sich gelegentlich ins Gedächtnis zu rufen, dass es hier darum geht, die Funktionsfähigkeit eines der besten Gesundheitssysteme der Welt zu erhalten, und um nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)

Laut einer Studie des Fritz-Beske-Instituts - es steht bestimmt nicht im Verdacht, zu den Mietmäulern der GKV zu gehören - hat Deutschland im internationalen Vergleich ein überaus effizientes Gesundheitssystem. In diesen Tagen hat das schwedische Unternehmen Health Consumer Powerhouse - es ist komplett unabhängig - eine Studie vorgelegt, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass das deutsche Gesundheitssystem aus Sicht der Patientinnen und Patienten im Hinblick auf Transparenz, Service und Qualität zu den Spitzenreitern in Europa gehört.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Noch!)

Dieses hohe Versorgungsniveau im Interesse der Patientinnen und Patienten zu erhalten und auszubauen, das ist unsere Aufgabe und nicht die Sanierung eines maroden Haufens, auch wenn die eine oder der andere diesen Eindruck hier gern einmal erwecken möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Mit dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz, das am 1. Mai in Kraft getreten ist, haben wir auch in dieser Legislaturperiode einen weiteren Schritt getan. Wie wir bereits heute sehen, war es ein wirksamer Schritt. Mit diesem Gesetz ist die Absenkung der Festbeträge, aber auch die Möglichkeit der Zuzahlungsbefreiung bei besonders preisgünstigen Arzneimitteln vorgesehen.

   Als Reaktion auf die Möglichkeit einer solchen Zuzahlungsbefreiung haben zahlreiche Arzneimittelhersteller ihre Preise bereits stark gesenkt; weitere Preissenkungen sind angekündigt. Damit werden wir bei gleicher Qualität Einsparungen für Patientinnen und Patienten, aber auch für Kassen realisieren. Die Liste ist ab 1. Juli, also ab diesem Wochenende, auf der Homepage des Ministeriums, aber auch bei den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenversicherung einsehbar.

(Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Und die kleinen Unternehmen gehen kaputt!)

Ich will an dieser Stelle alle Ärztinnen und Ärzte und alle Patientinnen und Patienten aufrufen, von dieser neuen Möglichkeit Gebrauch zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Diesen Weg werden wir weitergehen.

   Sie, meine verehrten Kollegen von der Opposition, müssen sich nun, auch wenn es schwer fällt, noch einige wenige Tage gedulden, bis die Vorschläge vorliegen und wir sie dann auch diskutieren können.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das können wir doch gar nicht! Wann denn?)

Es ist natürlich Ihr gutes Recht, eine Debatte über Konzepte einzufordern. Ich möchte dann allerdings, dass Sie Konzepte vorlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Daniel Bahr (Münster) (FDP): Tun wir auch!)

Sie haben hier beantragt, die Praxisgebühr abzuschaffen. Um die Kollegen von der FDP nicht ganz leer ausgehen zu lassen:

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Sehr nett!)

In der Überschrift Ihres Antrags ist die übliche Worthülse „Eigenverantwortung“ enthalten. Damit meinen Sie die finanzielle Alleinverantwortung und die totale Privatisierung aller Lebensrisiken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das wollen Sie mit dem Etikett „Freiheit und Wettbewerb“ verkaufen.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das stimmt doch gar nicht!)

Ein Konzept ist das nicht.

(Heinz Lanfermann (FDP): Erst lesen und dann kritisieren!)

- Ja, das habe ich getan. In Ihrem Antrag steht nichts. Kollege Lanfermann, Sie haben gleich Gelegenheit, das zu erläutern.

   Wir werden in Kürze die Reformeckpunkte vorlegen, um unser bewährtes solidarisches Gesundheitssystem weiter zu stärken. Dazu werden wir nicht nur Effizienzreserven heben, sondern auch in puncto Strukturen und Wettbewerb die notwendigen Rahmenbedingungen verbessern, damit unser Gesundheitssystem den veränderten und ohne Zweifel steigenden Ansprüchen gerecht wird.

   Ich danke.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Heinz Lanfermann von der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Heinz Lanfermann (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst mit Staunen, aber jetzt doch mehr mit Entsetzen schauen die Bürger auf die verzweifelten Versuche der Koalition, sich irgendwie zu einigen. Kein Vorschlag ist töricht genug, um nicht in die Öffentlichkeit lanciert zu werden. Aber offensichtlich ist, dass keines der strukturellen Probleme durch eine neue Umverteilungsbürokratie oder gar neue Steuern gelöst wird.

(Elke Ferner (SPD): Sie müssen es ja wissen!)

   Was bleibt, ist der starre Blick auf die Einnahmeseite. Sie wollen noch mehr Geld in das Fass ohne Boden schütten, das jetzt mit „Fonds“ bezeichnet wird. Dabei richten sich die begehrlichen Blicke bei der SPD, aber auch bei den Grünen und bei den Linken vor allem auf die private Krankenversicherung. Zum einen schielt man auf die Rücklagen von mittlerweile fast 100 Milliarden Euro; zum anderen hält man die Privatversicherten für geeignete Melkkühe. Es wird das Zerrbild von den egoistischen, unsolidarischen Besserverdienenden gezeichnet, denen man nur in die dicke Brieftasche greifen muss, um endlich die soziale Gerechtigkeit auf Erden herzustellen.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): „Parasiten“ hat Herr Lauterbach gesagt!)

   Das geht so weit, dass der Kollege Lauterbach verkündet hat, die Privaten seien die Parasiten der gesetzlichen Kassen. Das ist eine abstoßende Sprache, mit der auch nicht irgendwelche anonymen Institutionen getroffen werden; davon werden vielmehr 8,5 Millionen Menschen getroffen. Es sind Bürger, die ganz normal Versicherungsverträge abschließen, Beiträge - durchaus auch hohe Beiträge - zahlen, die Leistungen von Ärzten und Krankenhäusern gut bezahlen und am Ende von ihrer Versicherung die Kosten erstattet bekommen. Anschließend werden sie von Frau Künast hier noch beschimpft.

(Beifall bei der FDP)

Diesen Bürgern den Vorwurf zu machen, sie verhielten sich damit parasitär, ist schlichtweg eine Unverschämtheit und in der Sache auch falsch.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das vom Kollegen Lauterbach als Begründung vorgebrachte Argument, die Praxiseinrichtung der Ärzte und die Ausstattung der Kliniken würden weitgehend über die Einnahmen aus den gesetzlichen Kassen finanziert, geht völlig daneben. Wenn 90 Prozent der Patienten gesetzlich versichert sind, kommt der numerisch größere Teil der Einnahmen natürlich von den Krankenkassen. Weil aber jeder der 10 Prozent privat versicherten Patienten höhere Honorare und Rechnungen zahlt, ist ihr proportionaler Anteil an den Einnahmen von Ärzten und Krankenhäusern höher als bei den gesetzlich Versicherten.

(Elke Ferner (SPD): Sehr wirtschaftlich, mehr zu bezahlen, als man muss! - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie gnädig! Brosamen vom Tisch der Reichen!)

- Das müssen Sie pro Kopf rechnen, Frau Ferner, nicht in der Summe!

   Diese 10 Prozent tragen schon jetzt bis zu 40 Prozent der Kosten in den Praxen. Viele Praxen wären ohne Privatpatienten überhaupt nicht lebensfähig.

(Beifall bei der FDP - Elke Ferner (SPD): In den Ballungsräumen, aber nicht auf dem Land!)

Manches teure Gerät im Krankenhaus steht nur deswegen dort und damit allen Patienten zur Verfügung, weil seine Finanzierung über die Einnahmen von den Privatpatienten gesichert wird. Die Zahlen sind bekannt: Es sind in jedem Jahr 9,5 Milliarden Euro, die die privat Versicherten mehr zahlen, als es ihrem Anteil entspricht.

   Auch die Behauptung, bei den 8,5 Millionen privat Versicherten handele es sich nur um Besserverdiener, ist eine Luftblase. Natürlich gehört ein kleinerer Teil der privat Versicherten auch zu den höher Verdienenden. Das liegt schon daran, dass Sie den meisten Menschen verbieten, eine private Versicherung abzuschließen.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Richtig! Öffnen Sie es doch!)

   Lassen Sie mich zwei Zahlen nennen: Erste Zahl. Nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamts für 2003 hatte der durchschnittliche PKV-Versicherte in diesem Jahr etwas über 28 800 Euro zur Verfügung. Das sind im Monat 2 404 Euro. Zweite Zahl. In diesem Jahr lag die Beitragsbemessungsgrenze bei 41 400 Euro. Von den privat Versicherten haben aber 78 Prozent weniger als 40 000 Euro verdient. Das verwundert auch nicht. Die Hälfte der privat Versicherten sind Beamte, davon die allermeisten gering oder mittelmäßig besoldet. Bei den Selbstständigen gibt es inzwischen eine immer höhere Zahl von Geringverdienern.

   Es geht nicht nur um Zerrbilder, die zur Stimmungsmache eingesetzt werden; es geht auch um Vertrauensschutz, um geschützte Rechtsgüter, um mit eigenen Mitteln erworbene Ansprüche und Anwartschaften. Man kann nicht erst über Jahrzehnte für viele Millionen Menschen zwei voneinander unabhängige, unterschiedliche, in der Risikofrage und im rechnerischen Aufbau verschiedene Systeme schaffen und dann, wenn das eine gut und das andere schlecht funktioniert, einfach über den Zaun greifen und sich bedienen. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Man heilt einen Kranken nicht dadurch, dass man einen Gesunden krank macht.

(Beifall bei der FDP)

   Wenn Sie überlegen, wie eine Versicherung aussehen soll, dann schauen Sie bitte in den Antrag auf Drucksache 16/1997, der die wesentlichen Elemente des FDP-Modells vorstellt, und werfen Sie dann bitte einen Blick auf die Fragen, die wirklich wichtig sind: Wollen wir mehr Transparenz, soll also zum Beispiel jeder Patient bei allen Behandlungen wissen, was es kostet? Soll jeder Bürger die Wahl zwischen verschiedenen Tarifen haben,

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Ja!)

bei denen er eine mehr oder weniger hohe Eigenbeteiligung an den Kosten trägt? Sollen die Beiträge konjunkturunabhängig und damit beständiger sein? Sollen die Beiträge vom Arbeitslohn unabhängig sein, um die Lohnkosten zu senken? Soll es auch möglich sein, medizinischen Fortschritt und Innovationen zu nutzen? Vor allem, auch mit Blick auf Frau Künast: Soll sich das Versicherungssystem möglichst selbst tragen und auch zukunftsfest sein? Soll es die Problematik höherer Krankheitskosten im Alter und der demografischen Entwicklung - schrumpfende Bevölkerung mit immer weiter steigendem Altenanteil - gewachsen sein? Auf alle diese Fragen kann man verantwortungsbewusst doch nur mit Ja antworten.

(Beifall bei der FDP)

   Dann stellt sich die Frage, welche Versicherung dies alles leistet. Die Antwort ist klar: Die privaten Versicherungen erfüllen diese Bedingungen, die gesetzlichen kaum etwas davon. Das sollte uns zu denken geben. Deswegen sind wir der Meinung, dass es ein System, das funktioniert, leistungsstark und zukunftssicher ist, nicht verdient, hier angegriffen zu werden; eher muss man es zur Grundlage der Überlegungen dazu machen, wie wir insgesamt ein besseres Gesundheitssystem bekommen können.

   Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Widmann-Mauz von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Berichterstattung und die heutige Debatte hier im Parlament verwirren die Menschen mehr, als dass sie aufklären.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Woran das wohl liegt?)

Frau Künast, wenn sich draußen jemand heute von Ihnen Aufklärung im Sinne von Verbraucherinformation erhofft hat, dann wurde er nur noch einmal mehr enttäuscht. Das, was Sie hier abgeliefert haben, war widersprüchlich. Ich nenne es Desinformation, was Sie heute Morgen betrieben haben.

(Beifall bei der CDU/CSU - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie waren immer schon nervös, wenn Sie mich getroffen haben! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das müssen Sie mal begründen!)

   Die Union will die Strukturen des Gesundheitswesens wettbewerbsfähiger, transparenter und effizienter gestalten. Unser Ziel ist es, die Versorgung über den Wettbewerb effizienter zu gestalten und daneben auch die Wachstumspotenziale, die im Gesundheitssektor vorhanden sind, zu erschließen, ohne die Lohnnebenkosten ständig weiter ansteigen zu lassen. Wir wollen, dass das System transparenter wird, um den Versicherten mehr Einflussmöglichkeiten auf ihre gesundheitliche Versorgung zu geben.

(Frank Spieth (DIE LINKE): Eigenbeteiligung!)

Heute weiß doch der Patient überhaupt nicht, ob seine Kasse zu dem festgesetzten Beitragssatz eine kostengünstige Versicherung anbietet oder nicht. Er kann doch heute nicht ermessen, welche Leistungen sein Arzt mit seiner Krankenkasse verrechnet oder, um es anders auszudrücken, was der Arzt für die einzelne Behandlung überhaupt erhält. Unser Ziel ist es deshalb, die Strukturen aus der Sicht der Versicherten neu zu ordnen. Wir wollen anstelle des bevormundeten oder zwangsbeglückten Patienten den aufgeklärten, mündigen Patienten stellen. Diese Mündigkeit geht eben einher mit einem Kostenbewusstsein für die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Deshalb wollen wir bei der ambulanten und bei der zahnärztlichen Versorgung auch das Sachleistungsprinzip durch das Prinzip der Kostenerstattung ersetzen.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Aha! Da macht die SPD mit?)

Auf der Grundlage einer neuen, verlässlichen und leistungsgerechten ärztlichen Vergütung in der gesetzlichen Krankenversicherung sollte es doch dem Arzt möglich sein, dem Patienten Auskunft über die erbrachten medizinischen Leistungen und die damit verbundenen Kosten zu geben. Wir von der Union sind zuversichtlich, dass eine Kostenerstattung in Verbindung mit Selbstbehalttarifen eine positive Steuerungswirkung entfalten würde.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das wird zum Regelfall?)

Wir wissen auch, was uns immer entgegengehalten wird: Härtefälle, die durch hohe Rechnungen oder bei einkommensschwachen Menschen auftreten. Dafür können unbürokratische Ausnahmeregelungen vorgesehen werden.

   Der mündige Versicherte soll darüber hinaus auch in der Lage sein, das Angebot der einzelnen Kasse sowohl nach der Leistung als auch nach dem Preis beurteilen zu können. Das ist doch wichtig. Er muss schließlich wissen, bei welcher Krankenkasse er sich am besten versorgt fühlt. Ein Gesundheitsfonds wäre doch ein Instrument, um diese Ziele zu erreichen: Die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern könnten von einer Stelle erhoben werden, Steuergelder könnten hinzukommen und diese Einnahmen auf die Zahl der Versicherten umgelegt werden. Auf dieser Basis erhält die jeweilige Kasse einen Betrag pro Versicherten zur Verfügung gestellt. Damit sichert die einzelne Krankenkasse den gesetzlichen Leistungskatalog. Bei der Fondslösung kann ein Versicherter daran, ob seine Kasse einen Aufschlag verlangt oder - dieser umgekehrte Fall ist genauso denkbar - auch einmal Geld an die Versicherten zurückgegeben kann, sehen, ob sie mit dem für ihn bereitgestellten Beitrag auskommt.

(Frank Spieth (DIE LINKE): Sie lassen die Risiken dabei vollkommen außer Acht!)

Ich sage Ihnen: Jeder Versicherte kann dann prüfen, ob er mit dem Angebot, das die Kasse ihm macht, zufrieden ist. Wenn er Preissensibilität spürt, wird er zum ersten Mal auch wirklich ein Interesse haben, günstigere Tarife, die die Kassen anbieten, auch anzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Solche Überlegungen setzen natürlich zweierlei Dinge voraus: Zum einen, dass unterschiedliche Risiken wie zum Beispiel Alter und Geschlecht auch weiter vor der Ausschüttung des Pauschalbeitrages an die Kassen berücksichtigt werden und zwischen den Kassen ausgeglichen werden, und zum Zweiten, dass für Kassen und Leistungserbringer mehr Vertragsmöglichkeiten bestehen, damit Wahltarife und damit ein Angebot für die Versicherten überhaupt entwickelt werden kann.

   Man liest ja immer wieder und auch heute in der Debatte bringen Sie es immer wieder ein, die Koalition stemme sich gegen Änderungen an den Strukturen und es finde zu wenig Wettbewerb statt. Dies ist schlicht und ergreifend falsch. Schauen Sie doch einmal im Gesetz nach - ein solcher Blick ist manchmal hilfreich -, welche vertraglichen Möglichkeiten es seit 2004 gibt. Krankenkassen und Leistungserbringer könnten sie konsequent wahrnehmen, aber sie tun es nicht, denn im bestehenden System hat niemand wirklich Interesse daran.

   Denken Sie an das AVWG, das wir erst vor einigen Monaten hier verabschiedet haben.

Darin haben wir zu Beginn des Jahres Rabattverträge zwischen Kassen und Arzneimittelherstellern vorgesehen. Bereits durch die Absenkung der Festbeträge und die Möglichkeit der Zuzahlungsbefreiung bei besonders preiswerten Generika ist es zu einer erheblichen Dynamik im Markt gekommen. Bereits zum 1. Juli werden Tausende von Präparaten wie einige Betablocker zum Beispiel zuzahlungsfrei gestellt.

   Schauen Sie heute in die Zeitung! Weitere Preissenkungen wurden angekündigt, zum Teil um 40 Prozent. Wir wollen weitere Vertragsmöglichkeiten bei Preisverhandlungen zwischen Arzneimittelherstellern und Krankenkassen, damit mehr Wettbewerb in Schwung kommt, mehr Markt möglich wird und die Versicherten zu einem günstigeren Preis Arzneimittel erhalten können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Um eine angemessene Grundlage für Preisverhandlungen und damit für Wettbewerb zu erhalten, brauchen wir auch stärkere Bewertungen und Beurteilungen von Arzneimitteln und von anderen Therapieformen.

   Ein weiterer Punkt, an dem gerne die Frage, ob wettbewerbliche Strukturen vorhanden sind oder nicht, festgemacht wird, ist die Frage nach dem Erhalt der Kassenärztlichen Vereinigungen. Auch heute wurde sie wieder aufgebracht. Für die Grünen sind es die „Atomkraftwerke“ in der Gesundheitspolitik, die abgeschaltet werden müssen. So wie in der Energiepolitik niemand ernsthaft glaubt, den Strombedarf der Bundesrepublik ganz ohne Atomkraftwerke decken zu können, gibt es auch in der gesundheitspolitischen Fachwelt niemanden, der wirklich glaubt, gänzlich auf Kassenärztliche Vereinigungen verzichten zu können,

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie kommen Sie auf den Blödsinn?)

höchstens Lobbygruppen, Herr Kuhn, die sich erhebliche Vorteile von ihrer Monopolstellung im System versprechen. Die würden sicherlich mächtig davon profitieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Selbst Krankenkassen halten dies nicht für wünschenswert. Wer sollte denn ansonsten die Qualitätssicherung bis in die einzelne Arztpraxis hinein vornehmen? Wer sollte denn sonst die Versorgung in der Uckermark oder im Bayerischen Wald sicherstellen? Wer sollte denn sonst dafür geradestehen, dass Leistungen nicht uferlos erbracht werden? Oder wer sollte dem Arzt, der in Managementfragen keine Ausbildung erfahren hat, weil er eben Medizin und nicht Betriebswirtschaftslehre studiert hat, die entsprechende Beratung geben? All diese Fragen bleiben bei Ihnen unbeantwortet.

   Umgekehrt wagen sich dieselben Leute, die hier große ideologische Schlachten schlagen, nicht an die Kostenerstattung heran, obwohl damit die Kassenärztlichen Vereinigungen mit ihren Aufgaben wesentlich verschlankt werden könnten.

   Die große Koalition wird die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht abschaffen. Das haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt. Sinnvoll wäre es aber sehr wohl, die Vertragsmöglichkeiten für die Kassen zu erweitern. Das heißt, es muss nicht alles kollektiv, gemeinsam und einheitlich erfolgen, vielmehr müssen mehr Möglichkeiten zum Abschluss von Einzelverträgen geschaffen werden. Dabei können auf Kassenseite einzelne Kassen handeln oder sich in Gruppen zusammenschließen. Auf der Ärzteseite können neben einzelnen oder Gruppen von Ärzten auch Kassenärztliche Vereinigungen Vertragspartner sein. Das wäre eine zukunftsweisende Strukturreform.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir werden noch mehr auf den Weg bringen, als Sie sich heute vorstellen können. Lassen Sie mich einmal das Thema Bürokratieabbau ansprechen. Wenn es um die DMPs geht, haben wir enorme Möglichkeiten, Bürokratieabbau bei den Kassen und in den Praxen zu beschleunigen. Auch darum geht es bei dieser Reform.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Schauen wir uns den Fonds an! Die Befürchtung, ein Fonds sei ein bürokratisches Monster, entbehrt jeder Grundlage. Der Beitragseinzug kann unbürokratisch gestaltet werden. Das wissen offenbar mittlerweile auch die Kassen und ziehen gegen den Fonds oder das, von dem sie meinen, dass es ein Fonds sein könnte, dramatisch zu Felde. Warum denn? Von den 160 000 Beschäftigten bei den Krankenkassen sind allein 30 000 mit dem Beitragseinzug beschäftigt. Wenn wir dies in Zukunft etwas einfacher und mit geringerem bürokratischem Aufwand machen könnten,

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das bleibt doch!)

dann wäre das im Interesse der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und muss nicht von vornherein als tabu erklärt werden. Für die Arbeitgeber könnte ein solches Verfahren auch erhebliche Erleichterungen mit sich bringen. Heute muss ein Unternehmer mit seiner Personalabteilung alle Beiträge der 250 Kassen im Kopf haben, um die Beiträge auch korrekt abführen zu können.

(Elke Ferner (SPD): Die haben die in einer Tabelle, nicht im Kopf!)

Mit einem Fonds muss er nur noch einen Beitrag und eine Kontonummer im Kopf haben. Das ist doch eine deutliche Verschlankung.

   Zum Thema Risikostrukturausgleich gäbe es noch viel zu sagen. Es gibt wohl keinen Bereich, meine Damen und Herren, in dem in den letzten Jahren so viel Geld eingespart worden ist wie im Gesundheitssektor. Mit dem Reformgesetz von 2004 konnte die angestrebte Beitragssatzsenkung wegen der höheren Verschuldung der Kassen als angenommen nicht vollständig erreicht werden; aber die Beiträge blieben in den meisten Fällen stabil. Außerdem wurden die Kassen entschuldet. Insgesamt hat dieses Gesetz 8 Milliarden Euro Schulden bei den Kassen abgebaut und Ausgabensteigerungen in Höhe von 6 bis 8 Milliarden Euro abgefangen. Es soll mir einmal jemand hier ein anderes Sozialversicherungssystem nennen, das eine Einsparung in dieser Dimension aus sich selbst heraus erbracht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

All diejenigen, die ständig fordern, wir müssten mehr tun, sollten zuerst die Hausaufgaben in ihren Systemen machen.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Ist das jetzt an die Haushälter der eigenen Fraktion gerichtet?)

Dann wären wir schon deutliche Schritte weiter.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU):

Meine Damen, meine Herren, die Anträge der Opposition, die heute zur Beratung vorliegen, tragen nicht wirklich zur Problemlösung bei. Sie sind gut gemeint, bleiben aber weit hinter dem zurück, was getan werden muss, um den Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung zu forcieren, die Transparenz zu erhöhen und die Wahlmöglichkeiten der Versicherten auszuweiten. Wir werden nach der Sommerpause genügend Gelegenheit haben, einen guten Gesetzentwurf für eine grundlegende Reform des deutschen Gesundheitswesens zu beraten.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Kollege Frank Spieth von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Frank Spieth (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob der Entwurf, der uns vorgelegt werden wird, gut ist, werden wir sehen. Hoffentlich wird den Menschen in diesem Land dabei nicht schlecht. Die Gefahr ist nach dem, was ich vorhin von Herrn Zöller gehört habe, sehr groß. Er hat gesagt: Solidarität für die großen Risiken, Eigenverantwortung für die kleinen Risiken. - Damit meinte er: Privatisierung der Lebensrisiken.

   Wir haben deshalb - leider ist bisher dazu wenig gesagt worden - einen Antrag eingebracht, mit dem wir eine weitere Privatisierung dieser Lebensrisiken, dieser Gesundheitsrisiken beenden wollen, und zwar durch die Abschaffung der Eintrittsgebühr.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen eben keinen Gesundheitsfonds für Gesunde; wir brauchen eine gesetzliche Krankenversicherung, die die Leistungen bereitstellt, die Menschen benötigen, wenn sie krank werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau dazu sind die Vorschläge zum Gesundheitsfonds, die bisher öffentlich geworden sind, nicht eindeutig.

(Elke Ferner (SPD): Das stimmt ja gar nicht!)

   Die Eintrittsgebühr für die Inanspruchnahme eines Arztes, Zahnarztes oder Psychotherapeuten, auch Praxisgebühr genannt, hat das eigentliche Ziel der damaligen übergroßen Koalition nicht erreicht. Sie wollte auch durch die Eintrittsgebühr erreichen, dass die Lohnnebenkosten gesenkt und damit Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber millionenfach können wir jetzt nachvollziehen: Dies ist nicht realisiert. Millionen Arbeitslose können eine andere Erfahrung schildern.

(Beifall bei der LINKEN)

   Im aktuellen „Gesundheitsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung wird festgestellt - das ist die letzte Erhebung vom April 2006 -, dass die Anzahl der Arztkontakte nach einem deutlichen Rückgang im Jahre 2004 und im Frühjahr 2005 seit dem Herbst 2005 wieder angezogen hat, allerdings mit deutlichen Differenzen in den unterschiedlichen Einkommensgruppen. Man kann bilanzierend feststellen, dass die Eintrittsgebühr und die Zuzahlungsregelungen eine nach unserer Auffassung sozialstaatlich nicht vertretbare Fehlentwicklung bewirken, sodass Menschen mit geringem Einkommen und hohen Gesundheitsrisiken Arztkontakte vermeiden oder aufschieben. Dies gilt vor allem für die Einkommensgruppen bis 500 und bis 1 000 Euro im Monat.

   Eine Arbeitslosengeld-II-Empfängerin in Weimar schilderte mir auf bedrückende Art und Weise, dass sie schon mehrfach vor der Entscheidung gestanden habe, für sich und ihre Tochter Lebensmittel zu kaufen oder die Eintrittsgebühr beim Arzt zu bezahlen. Nach den Beratungen im Gesundheitsausschuss befürchte ich, dass Sie den Antrag der Linksfraktion zur Abschaffung der Praxisgebühr heute gemeinsam niederstimmen. Dies wird bei den Betroffenen mit Sicherheit eine große Enttäuschung auslösen; denn es bestand die Hoffnung, dass der Sachverstand möglicherweise doch größer als die politische Engstirnigkeit ist.

(Beifall bei der LINKEN)

   Nach den vorhin gemachten Ausführungen befürchte ich, dass Sie, meine Damen und Herren von der großen Koalition, mit dem Gesundheitsfonds einen weiteren großen Schritt in Richtung Zuzahlungen und Privatisierung der Gesundheitskosten gehen werden. Direktzahlungen der Patientinnen und Patienten zählen seit 25 Jahren zum neoliberalen Standardrepertoire und zur politischen Begleitmusik von Gesundheitsreformen in Deutschland.

(Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Oh!)

Damit - das hat die FDP vorhin wieder gezeigt - feiert die Idee von der so genannten Eigenverantwortlichkeit und dem Rückzug des solidarischen und sozialen Ausgleichs fröhliche Urständ.

   Neben zusätzlichen Einnahmen sollen Zuzahlungen - das war immer die Aussage - eine Steuerung des Verhaltens der so genannten Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Gesundheitsmarkt bewirken, indem mit ihnen die vermeintlich überzogene Inanspruchnahme kostenfreier Leistungen eingedämmt werden soll. Damit sollen die Versicherten zu einer rationaleren Nutzung des medizinischen Angebots bewegt und eine nicht näher bestimmte Effizienz des Gesundheitswesens gesteigert werden.

   Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich dieses gängige Credo als grober Unsinn. Das einseitige Menschenbild vom Homo oeconomicus erklärt allenfalls einen kleinen Teil des Verhaltens der so genannten Verbraucher am Gesundheitsmarkt. Die Erhebung von Selbstbeteiligungen und vor allen Dingen die Einführung von Befreiungsregelungen erzeugen auf der anderen Seite zusätzlichen Verwaltungsaufwand und Kosten. Die postulierte Unterscheidung zwischen sinnvoller und überflüssiger Inanspruchnahme ist nach meiner Auffassung unsinnig und realitätsfremd und ist nirgendwo auf der Welt wirksam geworden.

(Beifall bei der LINKEN)

   Eigenbeteiligungen setzen beim Verbraucherverhalten an. Die wichtigsten kostentreibenden Faktoren neben dem medizinisch-technischen Fortschritt sind allerdings - das sagt jeder Experte - das Anbieterverhalten und die Honorierung der Anbieter. Patientenzuzahlungen wirken vor allem auf den Erstkontakt mit dem Gesundheitswesen und auf einfachere, preisgünstige Leistungen. Weitergehende Untersuchungen und vor allem teure Diagnostik und Therapie erfolgen danach. Eigenbeteiligungen führen nicht zum erwünschten Verzicht auf ärztliche Behandlung oder medikamentöse Therapie.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Frank Spieth (DIE LINKE):

Ich komme zum Ende.

   Zuzahlungsbefreiungen sind aufwendig. Sie verschlingen einen Teil der Mehreinnahmen und können die erzeugten Ungerechtigkeiten nur teilweise und allenfalls nachholend ausgleichen. Optimale Zuzahlungen - das kann man mit Blick auf die in der Fondslösung angedeuteten Maßnahmen sagen - sind Elfenbeintürme. Sie sind extrem aufwendig und beruhen zudem auf falschen Prämissen.

   Ich wünsche mir, dass Sie unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Ehrentribüne hat soeben der Parlamentspräsident der Republik Indien, Herr Chatterjee, mit seiner Delegation Platz genommen.

(Beifall)

   Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages begrüße ich Sie sehr herzlich. Herr Präsident, es ist uns eine große Freude, Sie und Ihre Begleitung zu einem offiziellen Besuch zu Gast zu haben. Der Deutsche Bundestag misst der Zusammenarbeit unserer Parlamente große Bedeutung bei.

   Für Ihren Aufenthalt und für Ihr weiteres parlamentarisches Wirken begleiten Sie unsere besten Wünsche.

(Beifall)

   Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kollegin Birgitt Bender vom Bündnis 90/Die Grünen.

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer großen Koalition soll angeblich richtig zugepackt werden.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Wer sagt das?)

Was erleben wir? Seit neun Wochen wird verhandelt und jeden Tag wird eine neue Sau durch die Presselandschaft getrieben.

(Iris Gleicke (SPD): Aber nicht von uns! Sie sind ja bloß traurig, dass Sie nicht mehr dabei sind!)

Das heißt, es gibt nach wie vor keine Einigung. Da mag man fast die alten Zeiten loben. Damals hat Rot-Grün sich mit der Union zusammengesetzt. Wir haben drei Wochen lang verhandelt und dann hatten wir ein Ergebnis. Nehmen Sie sich mal ein Beispiel an unserer damaligen Arbeitsmoral!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Daniel Bahr (Münster) (FDP): Aber das Ergebnis ist nicht so gut, Frau Bender, oder?)

   Was ist bisher zustande gekommen? Ich höre gewisse Worte, die mir gefallen, etwa: Wettbewerb. Mehr Wettbewerb solle es geben. In der Tat, darum geht es uns. Aber was hören wir gleichzeitig, Herr Zöller? Sie verteidigen den Schutzzaun um die private Krankenversicherung.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie machen beim Zuhören Fehler!)

Dort gibt es doch gerade keinen Wettbewerb. Nicht alle können sich aussuchen, in welche Versicherung sie gehen.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Warten Sie doch mal ab, bis Sie unseren Entwurf sehen!)

Es gibt einen Schutzzaun um die PKV. Die sucht sich die Leute danach aus, ob sie auch gesund genug sind

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Das wird doch geändert!)

und keine Risiken mitbringen.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Warten Sie doch noch zwei Tage!)

   Schaffen Sie doch endlich Wettbewerb und entsprechende Rahmenbedingungen, damit die Versicherten von einer Versicherung zur anderen, so wie sie es wollen, wandern können. Stattdessen verteidigen Sie, fröhlich sekundiert von der FDP, die derzeitige Arbeitsweise der PKV. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wozu führt denn die Tatsache, dass die private Krankenversicherung bessere Arzthonorare zahlt? Das führt dazu, dass es sehr viele Ärzte am Starnberger See gibt.

(Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Stuttgart!)

Aber versuchen Sie einmal, in Berlin-Neukölln einen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu finden! Das heißt, die private Krankenversicherung bietet eine Medizin für die Reichen und Schönen. Da gibt es Überversorgung. Die anderen bekommen den Rest. Das ist doch keine akzeptable Steuerungswirkung in einem sozialen Sicherungssystem!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wettbewerb wäre in der Tat gut. Es geht um den richtigen Suchmechanismus für Innovationen in der Gesundheitsversorgung. Was höre ich stattdessen schon wieder von der Union? Die Ärztekartelle seien gut.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie machen beim Zuhören Fehler!)

Frau Widmann-Mauz, wenn Sie das gleich mit einem Bekenntnis zur Atomkraft verbinden, kann man dazu nur sagen: Sie haben eine Vorliebe für Dinosaurier, zeigen aber keine Reformbereitschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

   Ich höre von Frau Merkel immer „Mehr Freiheit wagen!“ und das Bekenntnis zur Marktwirtschaft. Dann fangen Sie doch einmal an! Setzen Sie die Fachärzte doch der Marktwirtschaft aus und schaffen Sie in den Apothekenzünften endlich einmal Marktwirtschaft! So können Sie die Worte von Frau Merkel realisieren und brauchen nicht nur große Worte zu schwingen. Aber ich sehe nicht, dass das passiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Statt den frischen Wind des Wettbewerbs in das Gesundheitswesen zu bringen, diskutieren Sie über mehr Staat. Jetzt wird - wir haben es gehört - ein Fonds geschaffen.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Da haben Sie Recht!)

Da wird erst einmal der Beitragseinzug verstaatlicht, übrigens mit der Folge, dass dies doppelt so viel kostet, und die Beitragshöhe staatlich festgesetzt, was früher die Kassen gemacht haben. Dann soll noch eine Mindestzahl von Versicherten festgelegt werden, die eine Kasse haben muss.

(Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Wo haben Sie das wieder her?)

Stellen Sie sich einmal vor, das würden wir mit den Bäckern machen! Nennt man so etwas etwa Marktwirtschaft? Schließlich wollen Sie noch einen Einheitsdachverband der Krankenkassen schaffen, damit sie auch wirklich als Einheitsfront sprechen. Nennt man so etwas etwa Marktwirtschaft und Wettbewerb?

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Nein, das ist Planwirtschaft!)

Das ist doch Etatismus pur, was Sie da vorhaben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Sozialismus!)

   Was bewirkt denn Ihr Gesundheitsfonds, der nach Aussagen der Frau Staatssekretärin angeblich zu einer nachhaltigen Finanzierung beitragen soll? Er schafft mehr Bürokratie.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Von welchem Fonds reden Sie denn?)

Dann wird zusätzlich eine so genannte kleine Kopfpauschale eingeführt. Das heißt, es gibt mehr Verwaltungsaufwand und eine größere soziale Belastung der Versicherten. So etwas hat den Namen „Reform“ nicht verdient.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie kennen die Reform nicht, sagen aber, sie habe den Namen „Reform“ nicht verdient!)

   Schließlich wird jeden Tag darüber diskutiert, welche Steuer man jetzt wieder erhöhen könnte: erst die Mehrwertsteuer - das haben Sie schon beschlossen -, dann die Einkommensteuer. Das weiß man natürlich nicht so genau; denn hier hat Rot-Grün gerade erste Reformen durchgeführt und eigentlich wollte die Union die Tarife weiter senken. Dann kam man auf einen Gesundheitssoli. Jetzt haben wir schon den Soli für den Osten; ein Soli für die Hüfte wäre vielleicht verfassungsrechtlich schwierig. Jetzt lese ich: Wir stricken uns eine neue Steuer. Diese neue Steuer muss allein dem Bund und darf nicht den Ländern zustehen. Sie darf die Betriebe nicht belasten und nicht mit Absetzmöglichkeiten verbunden sein.

   Was machen Sie da eigentlich? Sie sind ein Kränzchen, in dem man sagt: Wir häkeln uns einen Geldsack.

Soll man so etwas etwa eine Reform nennen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Daniel Bahr (Münster) (FDP))

   Ich sagen Ihnen noch etwas: Auch wenn Sie jetzt beschließen, der Krankenversicherung Steuermittel in größerem Umfang - Sie haben der Krankenversicherung gerade erst 5 Milliarden Euro genommen - wieder zukommen zu lassen, werden die dafür notwendigen Steuererhöhungen nicht zum nächsten Ersten greifen. Zum nächsten Ersten haben Sie jedoch ein Finanzloch in der Krankenversicherung in der Größenordnung von voraussichtlich 7 Milliarden Euro. Ich möchte einmal wissen, wie Sie das stopfen wollen.

   Ich höre immer Herrn Ramsauer und andere, die plötzlich darüber philosophieren, welche Leistungen man aus dem Angebot der Krankenversicherungen rausnehmen könnte, die die Versicherten dann privat absichern können, so zum Beispiel Risikosportarten. Ich sage Ihnen dazu eines: Die am weitesten verbreitete Risikosportart in unserer Gesellschaft ist was? - Der Fußball. Wir reden hier nicht über die Wade von Michael Ballack, sondern über die Vereine, in denen junge Männer und zunehmend auch junge Frauen - zum Beispiel als Kinder von Migranten - in diese Gesellschaft aufgenommen werden und einen Platz finden. Sie wollen womöglich das Signal setzen, das sei ein Luxus, der Solidarität nicht verdient habe. Dazu sage ich nur: Pfui, das ist keine Reform.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Einen solchen Schwachsinn hätte ich nicht einmal Ihnen zugetraut!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Kleiminger von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Christian Kleiminger (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute darüber reden, wie das solidarische Gesundheitssystem auch in Zukunft nachhaltig finanziert und gesichert werden soll, dann muss man natürlich auch über eine effiziente Nutzung der vorhandenen Finanzmittel sprechen. Dabei geht es nicht allein um die Kosten, sondern darum, wie man den Betroffenen am besten helfen kann.

(Beifall bei der SPD)

   Unsere Idee, die starren Grenzen zwischen stationärer und ambulanter medizinischer Versorgung aufzuweichen, zieht sich dabei wie ein roter Faden durch alle gesundheitspolitischen Überlegungen. Ein variableres Versorgungsangebot wird die Qualität erheblich verbessern.

   Mir ist es wichtig, in diesem Zusammenhang ein Thema anzusprechen, mit dem wir uns leider in der Gesellschaft, aber auch hier im Parlament, noch zu wenig auseinander setzen. Es geht mir um die Hospizarbeit und die Palliativmedizin. Die Koalition hat dieses wichtige Thema erkannt und deshalb auch bereits im Koalitionsvertrag Verbesserungen vereinbart, um Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Wenn alle Betroffenen wissen, dass Sterben ohne Schmerzen durch bestmögliche Versorgung Lebensqualität bis zum Schluss wahren kann, werden auch die Diskussionen um die aktive Sterbehilfe verstummen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Bei meinen Besuchen in den ambulanten und stationären Hospizen - auch in meinem Wahlkreis Rostock - wurde mir vermittelt, dass Anspruch und Wirklichkeit hier leider noch immer zu weit auseinander klaffen. Das müssen wir ändern und konkrete Rahmenbedingungen für diesen Bereich schaffen. Bestmögliche palliative Versorgung darf in Zukunft nicht weiter vom Wohlwollen der jeweiligen Krankenkassen und deren Medizinischer Dienste abhängen.

(Beifall bei der SPD)

   Deshalb muss ein Ziel des großen Pakets, das wir schnüren, sein, einen flächendeckenden Zugang zu palliativmedizinischer und pflegerischer Versorgung und einen individuellen Leistungsanspruch hierauf für alle Menschen zu schaffen. Dieser Zugang muss auch ambulant möglich sein, sodass schwer kranke und sterbende Menschen länger und besser in ihrer häuslichen Umgebung versorgt werden können. Das ist der Wunsch vieler Menschen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die bereits in Modellregionen - wie in Mecklenburg - erprobten Palliative-Care-Teams, die sich aus speziell ausgebildeten Ärzten und Pflegern zusammensetzen, konnten in der Vergangenheit bereits gute Erfahrungen sammeln. Dabei geht es um ein Nebeneinander von ambulant und stationär, von höchstem medizinischem und pflegerischem Standard und ehrenamtlichem Engagement.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich an dieser Stelle gerade Letzteres, das bürgerschaftliche Engagement der vielen Ehrenamtlichen, würdigen.

Ohne sie wäre unsere Gesellschaft um einiges ärmer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Die Zahl der sterbenden und schwer kranken Menschen wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Deswegen ist es wichtig, dass auch dieser Aspekt schon heute in die Diskussion einfließt. An dieser Stelle sollten wir uns fragen: Was sind uns Leben und Sterben in Würde wert? Ich bin der Auffassung, dass es uns viel wert sein muss.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Kleiminger, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag.

(Beifall)

   Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Rolf Koschorrek von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute trifft uns unvermittelt die geballte Kraft der Opposition zu Themen, die noch gar nicht auf dem Tisch liegen. Das ist schon sehr interessant.

   Uns liegen vier Anträge zu fast allem, was in der Gesundheitspolitik in den letzten Jahren passiert ist, vor: viel Papier, aber nichts Erhellendes. Die Fraktion der Linken beantragt die Abschaffung der Praxisgebühr. Die Grünen sind dafür, die Praxisgebühr beizubehalten. Sie beantragen die Einführung der Bürgerversicherung. Das ist ein altes Lieblingsprojekt der Grünen, das sie aber in den sieben Jahren, in denen sie das hätten machen können, nicht umgesetzt haben. In einem zweiten Antrag geben sie vermeintlich gute, aber durchaus verzichtbare Ratschläge für die aktuellen Verhandlungen über die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung und kritisieren vorab, was sie nur vom Hörensagen kennen. Die Fraktion der FDP schließlich beantragt heute, dass das Gesundheitssystem zu reformieren sei, und sagt, nach welchen Kriterien dies nach ihrer Auffassung erfolgen sollte.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Würde ich an Ihrer Stelle mit in die Verhandlungen nehmen!)

- Dazu komme ich gleich.

   Im Gesundheitsausschuss besteht zwischen CDU/CSU, SPD, Grünen - das gilt weitgehend auch für die FDP - ein breiter Konsens darüber, dass sich die Praxisgebühr seit ihrer Einführung vor zwei Jahren durchaus bewährt hat. Sie hat nicht nur eine finanzielle Entlastung der Kassen um jährlich rund 2 Milliarden Euro erbracht, sondern auch die beabsichtigte Steuerungswirkung entfaltet. Die Versicherten suchen vermehrt den Hausarzt als zentrale Anlaufstelle auf und die Zahl der Arztkontakte wurde zugunsten einer zeitintensiveren und qualitativ besseren ärztlichen Beratung verringert. Die Praxisgebühr führte offensichtlich dazu, dass die Versicherten die ärztlichen Leistungen bewusster in Anspruch nehmen. Studien des Wissenschaftlichen Instituts der AOK belegen dies eindeutig. Die Eigenverantwortung der Versicherten wurde gestärkt. Durch die Härtefallregelung ist gleichzeitig sichergestellt, dass in Deutschland niemand wegen der Praxisgebühr auf qualifizierte medizinische Hilfe verzichten muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Realität ist: In Deutschland muss niemand auf den Arztbesuch verzichten, weil er die Praxisgebühr nicht aufbringen kann.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Sehr richtig!)

   Vorsorgeuntersuchungen sind ebenso wie die Untersuchung und Behandlung von Kindern von dieser Gebühr gänzlich ausgenommen. Die Belastungsgrenze für die Praxisgebühr und die Zuzahlungen liegt bei 2 Prozent des jährlichen Bruttohaushaltseinkommens. Im Jahr 2004 waren 6 643 362 erwachsene Personen von der Praxisgebühr und den Zuzahlungen, die über die gesetzlich festgelegte Belastungsgrenze hinausgehen, befreit. Darunter waren zu 90 Prozent chronisch Kranke, für die die Belastungsgrenze von 1 Prozent ihres Haushaltseinkommens gilt. Hinzu kommen über 12 Millionen Kinder, die von den Gebühren und Zuzahlungen gänzlich befreit sind.

   Wir können zweieinhalb Jahre nach Einführung der Gebühr sagen: Sie hat sich nicht nur als finanzielle Entlastung der Kassen bewährt, sondern sie hat sich auch als sinnvolles Instrument zur Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten erwiesen.

   Nach meiner Überzeugung wird die Eigenverantwortung im Gesundheitsbereich künftig, im Vergleich zu den vergangenen Jahren, eine zunehmend wichtige Rolle spielen. So ist es auch im Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Soziale Sicherheit verlässlich und gerecht gestalten“ vereinbart. Dort heißt es:

Eigenverantwortung und Eigeninitiative müssen gestärkt werden und Solidarität ist nicht nur innerhalb der einzelnen Generationen, sondern auch zwischen den Generationen gefordert.
(Beifall bei der CDU/CSU)

   Vielfach wird suggeriert, Eigenverantwortung und Solidarität seien Gegensätze. Darum möchte ich hier ganz deutlich bewusst machen: Eigenverantwortung und Solidarität stehen nicht im Gegensatz zueinander. Vielmehr müssen sie sich im gesellschaftlichen Leben ergänzen. Eigenverantwortung und Solidarität, ebenso wie Freiheit, sind gleichwertige Grundsätze unserer Gesellschaft.

   Deswegen können die Fragen, die sich stellen, nur lauten: Wie weit geht die Eigenverantwortung des Einzelnen? Wann kommen die Verpflichtung zur Solidarität und das Anrecht des Einzelnen auf Solidarität zum Tragen? Eine der fundamentalen Grundüberzeugungen der Politik der Union lautet: Die individuelle Verantwortung hat Vorrang gegenüber dem staatlichen Handeln. Der Einzelne trägt nach seinen jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten, nach seiner individuellen Leistungsfähigkeit Verantwortung für sich und für die Gesellschaft.

(Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): So ist es!)

Er ist zunächst für sich selbst verantwortlich. Darüber hinaus hat er einen Anspruch auf Solidarität und ist zugleich - so weit es in seinen Kräften steht - zur Solidarität mit anderen verpflichtet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Dieses Grundprinzip hat ganz wesentlich mit dem C in unserem Parteinamen zu tun. Unsere Basis ist das christliche Menschenbild und die Überzeugung, dass das staatliche Zusammenleben nach dem Subsidiaritätsprinzip zu organisieren ist. Das werden wir uns auch von Ihnen, Frau Künast, mit Sicherheit nicht absprechen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Ehrlichkeit gebietet es, zu sagen, dass das Gesundheitswesen durch unsere Bevölkerungsentwicklung und den Fortschritt in allen Bereichen der Medizin in Zukunft trotz aller Sparbemühungen nicht auf dem heutigen Ausgabenniveau zu halten sein wird. Es wird teurer werden. Die Bundeskanzlerin sagte dies auch in der vergangenen Woche in der Haushaltsdebatte, dass wir zur Finanzierung des Systems die solidarische Grundlage verbreitern müssen. Zugleich müssen wir allerdings auch nach Einsparmöglichkeiten suchen. Ob eine Senkung der Kosten in großem Umfang wirklich möglich sein wird, möchte ich jetzt dahingestellt sein lassen. Ich bin aber überzeugt, dass eine Begrenzung der künftigen Kosten, zum Beispiel durch eine obligatorische Selbstbeteiligung der Versicherten, durch Rückerstattungen, durch mehr Transparenz und durch Kostenerstattungen im System nicht nur möglich, sondern durchaus anzustreben ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Die Versicherten sind mündige und verantwortungsbewusste Bürger. Es muss ihnen die Möglichkeit gegeben werden, sich als solche zu verhalten. Es besteht in meinen Augen kein Anlass, sie zum Beispiel in Unkenntnis darüber zu lassen, wie hoch die Kosten für die medizinische Versorgung, die sie in Anspruch nehmen, sind. Wir müssen die Versicherten zu einem bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit ihrer Gesundheit, zu einem gesundheitsbewussten Leben, zur Prophylaxe und zu einem bewussten Umgang mit der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen motivieren.

   Wenige Tage vor Bekanntgabe des neuen Konzepts der Bundesregierung für die Reform unseres Gesundheitssystems hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wieder den alten Hut der Bürgerversicherung hervorgeholt, die sie - ich muss mich leider wiederholen - in den sieben Jahren, in denen sie selbst Verantwortung trug, nicht realisiert hat.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Ein Glück!)

Warum haben Sie das damals nicht getan? Sie hatten es in der Hand. Was soll dieses Verhalten jetzt? Sie hängen offensichtlich immer noch Ihrem alten Modell von gestern und vorgestern nach.

(Elke Ferner (SPD): Aber die Kopfpauschale ist moderner oder wie?)

   Zugleich treten Sie hier als voreilige Bedenkenträger gegen das neue Konzept der großen Koalition auf, über dessen Details erst in den nächsten Tagen entschieden wird. Einer Ihrer Hauptkritikpunkte ist, dass die Einrichtung eines Gesundheitsfonds, wie er seit einigen Wochen öffentlich im Gespräch ist, mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Es ist doch eine Binsenweisheit, dass alles Neue zunächst einmal mit organisatorischem Aufwand, mit Arbeit und Unbequemlichkeit verbunden ist.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha! Eingeständnis!)

Das darf doch aber kein Grund dafür sein, sinnvolles Neues abzulehnen und alles beim Alten zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Daniel Bahr (Münster) (FDP): Sehr richtig!)

   Die große Koalition hat den Auftrag und die Verpflichtung, das Gesundheitssystem gründlich zu reformieren und zukunftsfähig zu gestalten. Wir nehmen diesen Auftrag ernst und sind bereit, uns von alten Zöpfen zu trennen und etwas Neues in Angriff zu nehmen. Wir schauen nach vorn und sind sicher, dass die Bürger zusammen mit den Beschäftigten im Gesundheitswesen, mit den Leistungserbringern und mit den Krankenkassen flexibel genug sind, etwas Neues, Effektives auf den Weg zu bringen und die Akzeptanz dafür zu wecken.

   Kurz vor Toresschluss hat die FDP-Fraktion noch schnell und offensichtlich sehr eilig einen Antrag formuliert, um ihn hier und heute auf die Tagesordnung setzen zu lassen.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Jetzt doch Toresschluss? Ich dachte, wir fangen erst an! Das haben Sie gerade gesagt!)

Ihr Antrag beinhaltet eine plakative Aufzählung von gängigen Schlagworten wie „Effizienz“, „Transparenz“ und „Nachhaltigkeit“. Aber die wichtigen Finanzierungsfragen im Hinblick auf die Einnahmeseite der GKV lässt die FDP völlig außen vor.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Überhaupt nicht!)

Dieser Antrag der FDP sieht schwer nach einer Verlegenheitslösung aus. Er demonstriert eigentlich nur Ihren Willen, auf plakative Weise eine Daseinsberechtigung vorzutragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das glauben Sie doch wohl selbst nicht, Herr Koschorrek!)

   Die CDU/CSU lehnt die vorliegenden Anträge der Opposition ab. Diese Anträge wenige Tage vor Bekanntgabe unseres Konzepts vorzulegen, ist allzu durchsichtig. Es liegt auf der Hand, dass die Oppositionsfraktionen hier und heute schnell noch einmal Verunsicherung streuen und vorab die Position der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung austesten wollen.

   Die Koalition ist sich über die Ziele der Gesundheitsreform einig. Über den Weg, wie wir diese Ziele erreichen, verhandeln wir. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen werden wir in wenigen Tagen bekannt geben.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Als letzter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt gebe ich das Wort der Kollegin Elke Ferner von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Elke Ferner (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es ist eigentlich wie immer: Je näher eine Entscheidung rückt, umso größer werden die Spekulationen, nicht nur in der Presse, sondern auch im Deutschen Bundestag.

(Zuruf von der FDP: Vor allem in der Koalition!)

   Es liegen einige Anträge vor, in denen es unter anderem um die Finanzsituation der GKVen geht. Ich muss sagen - das ist manchmal schon etwas merkwürdig -: Alle reden im Moment darüber, an welchen Stellen Ausgaben gekürzt werden müssen. Herr Bahr hat eben darauf hingewiesen, dass die versprochenen Beitragssatzsenkungen nicht durchgeführt worden sind. Das ist richtig. Sie haben dabei aber verschwiegen, dass sich die Einnahmebasis der gesetzlichen Krankenversicherung anders entwickelt hat, als man es, als es damals um das GMG ging, angenommen hatte.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Tja, das waren dann wohl zu optimistische Annahmen, Frau Ferner!)

Das, sehr geehrter Herr Kollege, hat natürlich auch etwas mit der Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse und mit den Tarifabschlüssen zu tun. All das muss man mitberücksichtigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das war Ihre rot-grüne Arbeitsmarktpolitik!)

- Ich glaube nicht, dass das unsere Arbeitsmarktpolitik war.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Oh doch! Deswegen wurde Rot-Grün ja auch abgewählt!)

Das hängt auch damit zusammen, dass die Wirtschaft die Angebote, die ihr gemacht wurden, nicht genutzt hat.

(Lachen des Abg. Daniel Bahr (Münster) (FDP))

Trotz Steuersenkungen und trotz der Senkung der Lohnnebenkosten sind keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen worden und keine zusätzlichen Beschäftigungsverhältnisse entstanden.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Ach was!)

   Hinzu kommt, dass, während die Beitragsleistungen aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sinken, die Einkünfte wie Mieten, Pachten, Zinsen, Dividenden und Unternehmensgewinne steigen. Diese Einnahmen werden zur Mitfinanzierung des Gesundheitswesens gegenwärtig noch nicht herangezogen. Wenn aber alle in dieser Republik Gesundheitsschutz haben sollen, wenn alle dann, wenn sie krank sind, die notwendige medizinische Behandlung erhalten sollen und wenn alle am medizinischen Fortschritt teilhaben sollen, dann darf man die Finanzierung dessen nicht auf immer weniger und immer schmalere Schultern verteilen. Sie wollen das offensichtlich tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU))

   Wir wollen eine gerechte und solidarische Finanzierung unseres Gesundheitswesens. Jeder soll an dieser Finanzierung nach seiner individuellen Leistungsfähigkeit beteiligt werden.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Aber dann ist es eine Steuer!)

Deshalb wollen wir als SPD den Einstieg in eine neue Säule der Finanzierung. Wir wollen, dass das über eine Steuer finanziert wird.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Aha! So ist das also!)

   Da Frau Künast eben gesagt hat, Steuererhöhungen seien konjunkturschädlich, muss ich eine Gegenfrage stellen. Was ist konjunkturschädlicher: die Steuern zu erhöhen und mit diesen Steuermehreinnahmen für alle die Beitragssätze zu senken,

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das tun Sie aber nicht!)

oder die gegenwärtige Höhe der Steuern und Beitragssätze beizubehalten, allerdings unter der Maßgabe, dass das Beitragsaufkommen von sehr viel weniger Menschen erbracht werden muss? Ich glaube, die Lösung, die Frau Künast eben vorgestellt hat, ist nicht gerecht und nicht solidarisch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Nun komme ich zum zweiten Punkt, den ich ansprechen möchte. Da viel über das Fondsmodell diskutiert wird, sage ich noch einmal: Für uns ist nicht entscheidend, was oben drauf steht, sondern was innen drin ist. Hier gibt es zwischen uns und der Union noch Differenzen. Es wäre falsch, das zu leugnen. Frau Widmann-Mauz hat sich eben für eine feste Prämie ausgesprochen.

Wir sind der Auffassung, man kann durchaus ein Finanzstrommodell innerhalb eines solchen Fonds entwickeln, ohne dass man am Ende eine feste Prämie braucht. Da gibt es noch Diskussionspunkte; das braucht man nicht unter den Tisch zu kehren.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Wozu braucht man denn dann den Fonds?)

- Wofür wir den Fonds brauchen? Wenn Sie ein bisschen nachdenken, dann kommen Sie darauf, lieber Herr Kollege: Wir haben heute zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen einen Ausgleich von lediglich 92 Prozent. Über einen solchen Fonds könnte man einen Ausgleich zu 100 Prozent und einen risikoadjustierten, krankheitsbedingten RSA einführen.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Na toll: noch mehr Umverteilung!)

- Stellen Sie mir doch eine Zwischenfrage, statt so herumzuschreien.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Nein, lieber nicht!)

- Gut, dann halten Sie sich etwas zurück mit Ihren Zwischenrufen.

   Ich möchte noch ein Wort zur privaten Krankenversicherung sagen, weil da in den letzten Wochen einiges an Fehl- und Desinformationen aufgetaucht ist. Wir haben gehört, das PKV-System stütze das GKV-System finanziell und deshalb sei eine Einbeziehung der PKV in ein solches Fondsmodell nicht möglich; überdies dürfe ein Steuerzuschuss nicht ausschließlich der GKV zufließen, auch die PKV müsse davon etwas haben.

   Diese Behauptungen sind schlicht und ergreifend falsch. Denn zunächst einmal ist es doch so: Die private Krankenversicherung versichert die Einkommensstärkeren. Wenn man sich einmal anschaut, wie die Durchschnittseinkommen der PKV-Versicherten und die der GKV-Versicherten aussehen, muss man feststellen, dass erstere im Verhältnis über 63 Prozent höher liegen. Dann versichert die PKV auch noch die Gesünderen - die Risikoselektion ist ja eben schon angesprochen worden - und in der PKV sind wesentlich weniger Ältere versichert, wodurch die PKV weniger Belastungen zu tragen hat, was ihre Ausgabenstruktur anbelangt. Hinzu kommt: Ohne die gesetzliche Krankenversicherung gäbe es in vielen Regionen dieser Republik für die privat Versicherten keinen Arzt, keine Ärztin, kein Krankenhaus, wo sie sich behandeln lassen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben eben über Steuern und Selbstverantwortung gesprochen und darüber, was die PKV-Versicherten alles selber bezahlen würden. Ich habe mir die Zahlen herausgesucht - manchmal genügt ja einfach ein Blick auf die Zahlen -: Nach eigenen Angaben geben die privaten Krankenversicherungen für Leistungen für ihre Versicherten 16,5 Milliarden Euro aus. Wenn man sich einmal anschaut, was die öffentliche Hand für Beihilfe ausgibt, stellt man fest, dass das im letzten Jahr 8,5 Milliarden Euro gewesen sind. Und woher kommt die Beihilfe? Sie wird aus Steuern finanziert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man das einmal ins Verhältnis setzt, dann heißt das, dass zu dem, was die PKVs für Gesundheitsleistungen ausgeben, über die Hälfte aus Steuern zugeschossen wird. Deshalb kann ich die Frage, welches System hier welches stützt, nur so beantworten: Die gesetzlich Versicherten stützen das Gesundheitssystem insgesamt, von dem die PKV-Versicherten profitieren, und die Steuerzahler stützen das PKV-System zusätzlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sind wir der Auffassung, dass bei einer neuen Finanzierung das PKV-System einen Solidarbeitrag für das gesamte Gesundheitssystem leisten muss.

   Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen. Es werden ja immer gerne große Einsparvorschläge gemacht - von denen, die sich auskennen, eher aber noch von denen, die sich nicht so gut auskennen. Wir haben - das hat Frau Widmann-Mauz eben schon angesprochen - in den letzten Jahren Erhebliches geleistet: Im Saldo sind die Kassen schuldenfrei. Vieles mussten die Versicherten bzw. die Patienten alleine tragen. Insgesamt sind beim GMG und bei anderen Maßnahmen 13,2 Milliarden Euro mobilisiert worden. Wer sagt, das Einsparvolumen aus Strukturveränderungen - die bekanntermaßen immer erst nach einer gewissen Zeit greifen - sei immer noch zu klein, verkennt, dass wir nicht bei null anfangen. Es ist, wie gesagt, schon einiges getan worden in den letzten Jahren; sonst wäre das alles viel weiter aus dem Ruder gelaufen.

   Wenn ich jetzt höre, private Unfälle sollten aus dem Leistungskatalog ausgegliedert werden - das habe ich diese Woche von Herrn Ramsauer gelesen; ich habe gelesen, die Unionsministerpräsidenten wollten das -, muss ich sagen: Das ist wirklich grober Unfug!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man muss sich das einmal praktisch vorstellen: Bekommt man einen Herzinfarkt im Bett, zahlt die Krankenkasse.

Bekommt man einen Herzinfarkt nach einem Unfall, dann soll die Unfallversicherung bezahlen. Erleidet man einen Unfall, weil man einen Herzinfarkt hat, dann werden Heerscharen von Rechtsanwälten beauftragt. Wer so etwas vorschlägt, der versucht nicht, Kosten zu sparen, sondern lediglich zu verschieben. Insofern kann ich die Union nur bitten, von diesem Vorschlag abzurücken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ein Letztes zum Antrag der Linken. Sie wollen die Praxisgebühr abschaffen. Was heißt das denn? Diejenigen, die heute ein niedriges Einkommen haben und die Belastungsobergrenze sehr schnell erreichen - den berühmten Empfänger von ALG II -werden davon überhaupt nicht profitieren; es dauert lediglich etwas länger, bis die Belastungsobergrenze erreicht wird. Profitieren würden aber diejenigen, die die Belastungsobergrenze nicht erreichen, was bekanntermaßen nicht diejenigen sind, die wenig verdienen, sondern diejenigen, die eher viel verdienen. So viel zu Ihrem Thema Gerechtigkeit.

   Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger (CDU/CSU))

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit auf Drucksache 16/2002 zu dem Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Dem Solidarsystem eine stabile Grundlage geben - für eine nachhaltige Finanzierungsreform der Krankenversicherung“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/950 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP gegen die Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.

   Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch auf Drucksache 16/451. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt auf Drucksache 16/1753, den Gesetzentwurf abzulehnen. Die Fraktion Die Linke verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind jetzt alle Urnen mit Schriftführerinnen und Schriftführer besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.

   Ist noch ein Abgeordneter anwesend, der seine Stimme nicht abgegeben hat? - Ich schließe die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.

   Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/1928 und 16/1997 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Es gibt keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Wir kommen jetzt zu Überweisungen im vereinfachten Verfahren.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 37 b bis 37 g sowie die Zusatzpunkte 3 a bis 3 h auf:

37. b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes

- Drucksache 16/1936 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes sowie zur Änderung des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes und anderer Vorschriften

- Drucksache 16/1937 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und in den Unternehmen der Deutschen Bundespost

- Drucksache 16/1938 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. April 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über den Zusammenschluss der deutschen Bundesstraße B 56n und der niederländischen Regionalstraße N 297n an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke

- Drucksache 16/1939 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des vorläufigen Tabakgesetzes

- Drucksache 16/1940 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Dr. Hakki Keskin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Die Welt zu Gast bei Freunden - Für eine offenere Migrations- und Flüchtlingspolitik in Deutschland und in der Europäischen Union

- Drucksache 16/1199 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 3 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechte in Usbekistan einfordern

- Drucksache 16/1975 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Eine Weltbank-Energiepolitik der Zukunft - Ja zu mehr Effizienz und erneuerbaren Energien, Nein zur Atomkraft

- Drucksache 16/1978 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Monika Lazar und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Befragung von Gefolterten und Nutzung von Foltererkenntnissen ausschließen

- Drucksache 16/836 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Indigene Völker - Ratifizierung des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Staaten

- Drucksache 16/1971 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen, Florian Toncar, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

7. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen

- Drucksache 16/1999 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Für die weltweite Sicherstellung der Religionsfreiheit

- Drucksache 16/1998 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Keine Weltbankkredite für Atomtechnologie

- Drucksache 16/1961 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Agrarbeihilfeempfänger offen legen

- Drucksache 16/1962 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 38 a bis 38 i, 38 k und 38 m bis 38 u sowie die Zusatzpunkte 4 a bis 4 k auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Tagesordnungspunkt 38 a:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Juni 2005 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen des Kantons Schaffhausen, über die Erhaltung einer Straßenbrücke über die Wutach zwischen Stühlingen (Baden-Württemberg) und Oberwiesen (Schaffhausen)

- Drucksache 16/1611 -

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss)

- Drucksache 16/1964 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Dorothee Menzner

   Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt auf Drucksache 16/1964, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von ihrem Platz zu erheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 b:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Juni 2005 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen des Kantons Aargau, über Bau und Erhaltung einer Rheinbrücke zwischen Laufenburg (Baden-Württemberg) und Laufenburg (Aargau)

- Drucksache 16/1612 -

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss)

- Drucksache 16/1965 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Winfried Hermann

   Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt auf Drucksache 16/1965, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem zustimmen wollen, sich von ihrem Platz zu erheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 c:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. Juni 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

- Drucksache 16/1619 -

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

- Drucksache 16/1974 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Georg Fahrenschon

   Der Finanzausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/1974, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem zustimmen wollen, sich von ihrem Platz zu erheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 d:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern

- Drucksache 16/1620 -

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)

- Drucksache 16/1979 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Werner Kammer
Maik Reichel
Gisela Piltz
Ulla Jelpke
Silke Stokar von Neuforn

   Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/1979, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Stimmenverhältnis in dritter Beratung angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 e:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes

- Drucksachen 16/1107, 16/1173 -

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

- Drucksache 16/2019 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Günter Krings
Dirk Manzewski
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Wolfgang Neškovic
Jerzy Montag

   Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/2019, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 f:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Luftqualität und saubere Luft für Europa

KOM (2005) 447 endg.; Ratsdok. 14335/05

- Drucksachen 16/288 Nr. 2.20, 16/1814 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)
Detlef Müller (Chemnitz)
Angelika Brunkhorst
Lutz Heilmann
Sylvia Kotting-Uhl

   Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 g:

Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses

zu 62 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen

- Drucksache 16/1800 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Thomas Strobl (Heilbronn)
Klaus Uwe Benneter
Jörg van Essen
Dr. Carl-Christian Dressel
Dr. Wolfgang Götzer
Bernhard Kaster
Ulrich Maurer
Petra Merkel (Berlin)
Silke Stokar von Neuforn

   Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 h:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

EU-Kommission muss nationale Tierschutzbemühungen respektieren

- Drucksachen 16/549, 16/2008 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Peter Jahr
Dr. Wilhelm Priesmeier
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Undine Kurth (Quedlinburg)

   Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/549 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen.

   Tagesordnungspunkt 38 i:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

BSE-Testpflichtaltersgrenze anheben

- Drucksachen 16/1170, 16/2001 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Hans-Heinrich Jordan
Dr. Wilhelm Priesmeier
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Bärbel Höhn

   Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/1170 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? -

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Ach! Das ist ja bemerkenswert! Für BSE seid ihr jetzt auch! - Lachen bei der SPD!)

Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 k:

Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

Übersicht 3

über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht

- Drucksache 16/1956 -

   Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.

   Tagesordnungspunkt 38 m:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 61 zu Petitionen

- Drucksache 16/1911 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 61 ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 n:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 62 zu Petitionen

- Drucksache 16/1912 -

   Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 62 ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 o:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 63 zu Petitionen

- Drucksache 16/1913 -

   Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 63 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und den Stimmen der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 p:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 64 zu Petitionen

- Drucksache 16/1914 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 64 ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 q:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 65 zu Petitionen

- Drucksache 16/1915 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 65 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 r:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 66 zu Petitionen

- Drucksache 16/1916 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 66 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 s:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 67 zu Petitionen

- Drucksache 16/1917 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 67 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 t:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 68 zu Petitionen

- Drucksache 16/1918 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 68 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.

   Tagesordnungspunkt 38 u:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 69 zu Petitionen

- Drucksache 16/1919 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 69 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.

   Zusatzpunkt 4 a:

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Ökologischen Landbau in Deutschland und Europa weiterentwickeln

- Drucksache 16/1972 -

   Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.

   Wir kommen zu weiteren Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.

   Zusatzpunkt 4 b:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 70 zu Petitionen

- Drucksache 16/1980 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 70 ist einstimmig angenommen.

   Zusatzpunkt 4 c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 71 zu Petitionen

- Drucksache 16/1981 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 71 ist ebenfalls einstimmig angenommen.

   Zusatzpunkt 4 d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 72 zu Petitionen

- Drucksache 16/1982 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 72 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

   Zusatzpunkt 4 e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 73 zu Petitionen

- Drucksache 16/1983 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 73 ist einstimmig angenommen.

   Zusatzpunkt 4 f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 74 zu Petitionen

- Drucksache 16/1984 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 74 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.

   Zusatzpunkt 4 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 75 zu Petitionen

- Drucksache 16/1985 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 75 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

   Zusatzpunkt 4 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(2. Ausschuss)

Sammelübersicht 76 zu Petitionen

- Drucksache 16/1986 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 76 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.

   Zusatzpunkt 4 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(2. Ausschuss)

Sammelübersicht 77 zu Petitionen

- Drucksache 16/1987 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 77 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

   Zusatzpunkt 4 j:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(2. Ausschuss)

Sammelübersicht 78 zu Petitionen

- Drucksache 16/1988 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 78 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

   Zusatzpunkt 4 k:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(2. Ausschuss)

Sammelübersicht 79 zu Petitionen

- Drucksache 16/1989 -

   Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 79 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke, bei Enthaltung der FDP-Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

   Ich darf Ihnen zwischendurch das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch“, der Fraktion Die Linke ,Drucksachen 16/451 und 16/1753, bekannt geben: Abgegebene Stimmen 571. Mit Ja haben gestimmt 53, mit Nein haben gestimmt 518, keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist abgelehnt.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 43. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 30. Juni 2006,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/16043
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