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08/2001
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Jugend und Parlament

Interview mit Wolfgang Thierse "Eine ganz wichtige Veranstaltung"

Welche Bedeutung, welchen Wert oder welchen Einfluss hat "Jugend und Parlament"? Einmal auf das Parlament selbst und andererseits für die Abgeordneten? Was bleibt – außer dem Protokoll – von dieser Jugendbegegnung übrig?

Thierse: "Jugend und Parlament" findet in diesem Jahr zum 13. Mal statt. Allein an dieser Zahl erkennt man, dass wir es für eine ganz wichtige Veranstaltung halten. Es ist wichtig, junge Leute in das Parlament, in die parlamentarische Demokratie einzuführen und sie für demokratisches Engagement zu gewinnen. Aber auch für die Parlamentarier ist es wichtig, mit jungen Leuten zu reden und in einer konzentrierten Form ihre Meinungen, Auffassungen, Hoffnungen und Ängste kennen zu lernen. Was an Forderungen und an Vorstellungen hier formuliert wird, geht in die Fraktionen. Man kann nicht kontrollieren, was daraus wird. Aber auch generell ist es ja nicht so, dass man heute eine Forderung aufstellt und morgen wird sie eingelöst. So ist die wirkliche Welt auch in der Demokratie nicht.

Wolfgang Thierse im Gespräch mit Mitgliedern des Jugendpresseteams.
Wolfgang Thierse im Gespräch mit Mitgliedern des Jugendpresseteams.

 

Was sollen die Jugendlichen aus dieser Veranstaltung mitnehmen?

Ich hoffe, sie merken, dass parlamentarische Arbeit etwas Anstrengendes ist, was Fleiß, Geduld, Konzentration und Fairness verlangt. Man muss sowohl die eigenen Ansichten energisch vertreten, aber auch andere Ansichten akzeptieren und respektieren können. Das ist nicht selbstverständlich.

 

Was erhoffen Sie sich persönlich von "Jugend und Parlament"?

Dass alle, die da waren, hinterher selbstverständliche Vertreter des parlamentarischen Systems sind, sich in Parteien oder in politischen Organisationen engagieren und viele Leute dafür gewinnen.

 

Es wurde auf Ihre Initiative ein zusätzlicher Arbeitskreis zum Thema Terrorismus eingesetzt. Auch als Jugendlicher steht man hilflos vor diesen Ereignissen. Wie kann man dem Terror begegnen?

Ein einzelner junger Mensch kann keine Lösung dieses weltweiten Problems herbeiführen. Er kann aber etwas für den Dialog der Religionen in unserer eigenen Gesellschaft tun und gegen die ja auch bei uns grassierende Ausländerfeindlichkeit, gegen das Aufkommen bösartiger Vorurteile gegen den Islam, gegen Fanatismus, Fundamentalismus und zunehmende Gewaltbereitschaft. Auf globaler Ebene geht es darum, die Täter zu fassen und der Strafe zuzuführen. Es handelt sich bei den Ereignissen in Amerika nicht um die Gewalttat eines Einzelnen. Das ist wie – wenn ich den Vergleich mal wagen darf – bei der Mafia. Gegen die Mafia erreiche ich nichts, wenn ich den einzelnen Dealer verhafte. Ich muss die Organisation aufdecken und zerschlagen. Das ist nicht leicht. Und geht auch nicht ganz ohne Gewalt.

 

Und politische Mittel?

Natürlich geht es darum, dann auch zu begreifen, dass die Lösung des Terrorismusproblems nicht nur militärischer Natur sein kann. Es sind politische, ökonomische, zivilgesellschaftliche und kulturelle Anstrengungen notwendig. Wir müssen uns bemühen, in Nahost zwischen Israel und Palästina Frieden zu schaffen. Wir müssen für mehr Gerechtigkeit bei der Gestaltung der Globalisierung sorgen. Es darf sich kein Teil der Weltbevölkerung benachteiligt, entrechtet oder entwürdigt fühlen.

 

Es ist die Rede davon gewesen, dass dies ein Angriff auf die Werte der westlichen Welt war, ein Angriff auf ihre Freiheit und Demokratie. Es gibt im Moment Bestrebungen, den Datenschutz einzuschränken, die Überwachung zu verstärken und somit die Grundrechte zu beschneiden. Ist damit nicht ein Ziel der Terroristen erreicht?

Alles, was die Freiheit schützt, sollten wir tun; was sie zerstört, vermeiden. Ich kann nicht sehen, dass die Einführung bewaffneter Flugbegleiter, die bessere Zusammenarbeit und der verstärkte Austausch von Informationen zwischen Geheimdiensten, Polizei und Militär die Freiheit zerstört. Wir sind in einer Situation, wo eine Mehrheit der Bürger ein geradezu dramatisches Sicherheitsbedürfnis hat. Auf dieses Verlangen muss man durch Verbesserung unserer Sicherheit eingehen, ohne die elementaren Regeln von Meinungs- und Reisefreiheit einzuschränken. Es geht um einen Angriff auf die Kultur einer offenen Gesellschaft. Die Terroristen wollen keine offene, pluralistische, durch die Verschiedenheit der Kulturen und der Religionen geprägte Gesellschaft.
Birte Betzendahl, Johannes Barthen

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0108/0108090
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