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08/2001
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Interview

"Ein großes Ereignis"

Interview mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Hans-Ulrich Klose, zur Rede Putins

Blickpunkt: Mit welchen Gefühlen haben Sie die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Bundestag verfolgt?

Klose: Zunächst einmal mit großer persönlicher Neugier. Denn ich hatte Putin bis dahin nie persönlich erlebt. Und wollte gern wissen: Wie redet so einer? Als ich ihn Deutsch sprechen hörte, hatte ich einen Augenblick das Gefühl, dass es weniger mit einem russischen als mit einem westlichen, fast französisch klingenden Akzent unterlegt war. Das überraschte mich. Politisch fand ich Putins Auftritt außerordentlich bedeutend. Es war ein großes Ereignis, das zu Recht auch in den Medien ausführlich gewürdigt wurde.

 

Was ist für Sie die zentrale Botschaft?

Wir wollen Partner sein – das war Putins Botschaft.

Hans-Ulrich Klose.
Hans-Ulrich Klose.

Und kann Russland Partner für den Westen sein?

Ja. Der Westen hat ja schon mit der Bildung des Russland-NATO-Rates darauf geantwortet. Die Frage ist allerdings, ob wir Russland auch immer wie einen Partner behandelt haben. Aus russischer Sicht muss man wohl antworten: Nein. Die Russen hatten das Gefühl, sie werden gebraucht, wenn Entscheidungen getroffen sind; sie werden aber nicht gefragt, wenn Entscheidungen zu treffen sind. Russland bietet dennoch jetzt erneut seine Partnerschaft an. Ich finde, wir sollten das annehmen, ohne damit andere Partnerschaften kleiner zu machen.

 

Welche Rolle kann Deutschland dabei spielen?

Eine durchaus wichtige. Schon aus geopolitischen Gründen. Wir sind halt näher dran als die Amerikaner. Es ist gut, dass die Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland seit einiger Zeit besser geworden ist. Vor einigen Jahren war sie noch problematischer, es überwogen in vielen Bereichen – von der Beutekunst bis zu den Schulden – die Differenzen. Heute sind die Beziehungen sehr viel rationaler. Das liegt auch daran, dass Präsident Putin und Bundeskanzler Schröder auf einer relativ gleichen Wellenlänge liegen; sie verstehen sich gut, ohne in die Kategorie Männerfreundschaft zu fallen.

Hans-Ulrich Klose.
Hans-Ulrich Klose.

Sehen Sie Hindernisse, die einer größeren Einbeziehung Russlands entgegenstehen?

Nein. Zumal Putin den wichtigsten Punkt selber antizipierend weggenommen hat. Er sagte, niemand wolle die Beziehungen der Europäer zu den Amerikanern beeinträchtigen. Er glaube aber, dass Europa nur dann wirklich eine Rolle spielen könne, wenn Russland dabei ist. Das war doch seine Botschaft. Und die ist richtig.

 

Putin hat eine gesamteuropäische Sicherheitsstruktur angemahnt und einen NATO-Beitritt Russlands angeregt. Ist das eine realistische Perspektive?

Sicher nicht in naher Zukunft. Das ist keine aktuelle Frage, aber es macht guten Sinn, langfristig eine enge Zusammenarbeit zwischen EU, NATO und Russland hinzubekommen. Wohin das mündet, muss man nicht gleich im Sinne von Finalität beschreiben.

Hans-Ulrich Klose.
Hans-Ulrich Klose.

Würde ein Beitritt Russlands das NATO-Bündnis nicht grundlegend verändern? Was bliebe als Aufgabe?

Hat sich die Aufgabenstellung der NATO nicht schon grundlegend verändert? Sie ist doch nur noch zu einem Teil ein Verteidigungsbündnis, zum größeren Teil aber ein Krisen- und Stabilisierungsinstrument. Wenn diese Aufgaben im Vordergrund stehen, macht es da nicht Sinn, Stabilisierung und Krisenmanagement zusammen mit Russland zu versuchen?

 

Wird Russlands Bemühen um Annäherung an den Westen durch den Tschetschenien-Krieg belastet? Oder muss man, wie Kanzler Schröder meint, diese Kämpfe "differenzierter" sehen?

Ich finde nicht, dass man die Kämpfe differenzierter sehen muss. Aber die Art und Weise, wie Russland militärisch mit diesem Thema umgeht, betrachte ich nicht als sehr effektiv und auch nicht als akzeptabel. Was wir schon immer hätten tun müssen, ist, die russische Bedrohungsperzeption (die russische Wahrnehmung von Bedrohung, d. Red.) ernst zu nehmen. Das haben wir zu wenig getan.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0108/0108092
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