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12/2001
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Schreibtisch

Reisende Papiere und kleine Sentimentalitäten

Der Schreibtisch ist immer ein Original. Kaum ein Möbelstück erzählt so viel über einen Menschen wie dieses. Das trifft natürlich auch auf den Schreibtisch der PDS-Abgeordneten Pia Maier zu.

Pia Maier

Pia Maier.

Schreibtisch

Schreibtisch

Normalerweise wählt die PDS-Abgeordnete Pia Maier den direkten Weg, um zum Ziel zu gelangen. Sie ist auch ein geradliniger Mensch. Es gibt allerdings Situationen, da weiß die 30-Jährige, dass sie sich auf Umwege einlassen muss. Wenn komplizierte Themen zu Papier gebracht werden sollen, beginnt Pia Maier den Sachverhalt erst einmal einzukreisen. Ihr Schreibtisch spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Liegen die Dinge wirklich nicht so einfach, dient er gleichermaßen für Ablenkung vom und Zuwendung zum Thema.

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Pia Maier räumt den Arbeitsplatz auf, sortiert Papiere, schaut in Mappen und Ablagen, liest Dokumente oder Artikel, fegt durch die Stapel mit Ordnern, Zeitungsausschnitten, Klarsichtmappen und Notizen. Und während sie der Topographie auf ihrem Schreibtisch folgt, schleicht sie sich langsam und unaufhörlich an das Thema ran. Irgendwann dann kann sie sich an den Computer setzen und den ersten Satz aufschreiben. In diesem Moment lässt sie ihren Schreibtisch rechts liegen, wirft möglicherweise noch einen Blick auf das große Bild mit den vielen hundert Tauben, die sich auf dem Markusplatz in Venedig in die Luft schwingen, und legt los.

Schreibtisch 02

Auf den ersten Blick wirkt der Schreibtisch der Abgeordneten Pia Maier so, wie man sich den Arbeitsplatz von Leuten vorstellt, die Papiere gern schnell zur Hand haben, einfache und überschaubare Ablagesysteme bevorzugen, ein wenig Zettelwirtschaft betreiben und mit ein bisschen Chaos gut leben können. Wäre da nicht dieses ausgesprochen dominante Ungetüm, dem man schon ansieht, dass es ein Loch im Boden hinterließe, fiele es einmal runter. So ein Marmorset vermutet man eigentlich eher in althergebrachten Herrenzimmern, auf großen eichenen Möbeln, die zwei Mal pro Woche mit Politur auf Hochglanz gebracht werden. Richtig praktisch ist es nicht, auch wenn man einiges darauf unterbringen und anordnen kann. Einen Federhalter oder Füller, kleine Zettel, einen Brieföffner, Büroklammern, Visitenkarten, Tinte im Tintenfass, so man sie brauchte.

Bislang stand das Stück noch auf jedem Schreibtisch, den Pia Maier besaß. Ihre Mutter hatte es einmal von einer Nachbarin geerbt, und Pia Maier bekam es dann irgendwann von der Mutter geschenkt. Noch heute findet sie, dass das schwere Marmorstück sich gut für all die kleinen Dinge eignet, die man schnell ablegen muss, oft wiederfinden will und auf keinen Fall wegwerfen möchte. Abgerissene Knöpfe, lose Geldstücke, winzige Notizzettel, Büroklammern, Karten und Kärtchen. Am liebsten ist ihr der Briefständer. So etwas hat man nämlich normalerweise nicht auf einem Schreibtisch. Aber man braucht es. Unbedingt!

Irgendwo, zwischen Marmor und stapelbarer PVC-Ablage versteckt, steht auch immer ein Fläschchen Nagellack. Könnte sein, dass der Farbton "Malve" heißt, auf jeden Fall passt dieser Nagellack sowohl zu roten als auch zu lila- oder auberginefarbenen Sachen, die Pia Maier bevorzugt trägt, und er trocknet schnell.

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Eine kleine Schale mit bunten Duftsteinen und eine Pflanze, um die sich die Abgeordnete redlich müht, vervollständigen den Reigen persönlicher Dinge. Grün muss bei Pia Maier immer sein. Aber die Schale ist auch nicht schlecht. Wenn man aus der Duftflasche "Marine" etwas auf die Steine gibt, riecht es in dem Büro in der Berliner Mauerstraße ein bisschen nach weiter Welt.

Pia Maier baut Stapel, benutzt gern farbige Mappen, um mit Hilfe der Farben die Inhalte zu sortieren und bevorzugt auf dem Schreibtisch ein Ablagesystem, das möglichst nicht mit Untergruppen arbeitet. Da steht also "Aktuelle Drucksachen" und erschließt sich sofort, "Material" enthält all die Papiere, von denen Pia Maier noch nicht weiß, ob sie sie aufheben soll, "Rechnungen etc.", was ohne "etc." ziemlich klar wäre, und "Ablage", worin man zuerst eine Tautologie vermutet. Das "etc." umschreibt die Abgeordnete mit "halboffiziellen Dingen" und "Ablage" steht auf jenem Fach, in dem alle Papiere gesammelt sind, die später in einen der vielen Leitz-Ordner in ihrem oder dem Büro ihrer Mitarbeiterin eingeheftet werden. Ganz unten ist das Fach ohne Beschriftung. "Da kommen", sagt Pia Maier, "die Spaßsachen rein." Das sind zum Beispiel Einladungen oder eine große Zigarre in silberfarbenem Behälter, die sie mal geschenkt bekommen hat.

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Der größte Teil der Papiere, die sich auf dem Schreibtisch der PDS-Abgeordneten stapeln, hat etwas mit ihrer Arbeit als sozialpolitische Sprecherin der Fraktion und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu tun. Dick und präsent liegt in der Mitte eine rote Mappe, auf der "Asylbewerberleistungsgesetz" steht. Pia Maier benötigt das Material, um sich auf einen Vortrag über Zuwanderung vorzubereiten, den sie halten muss. Für solcherart Arbeit benutzt die Abgeordnete gern Karteikarten, auf denen sie exzerpiert, konzipiert und kleine Leitfäden für ihre Reden und Vorträge aufschreibt.

Diese Art, Gedanken zu ordnen, eignet sich auch gut für lange Zugfahrten, auf denen Pia Maier gern und viel arbeitet. Einen guten Teil der Mappen nimmt sie immer mit auf ihre Reisen und packt sie sich zu Hause auf ihren Schreibtisch, um daran weiterzuarbeiten. Manche Probleme oder Arbeiten werden auf diese Art und Weise mehrfach zwischen der Hauptstadt und Hessen hin und her gefahren, was die Dinge besser macht, denn immer, wenn sie wieder im Büro ankommen, sind sie ein Stück weiter gediehen.

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Der kurze Dienstweg allerdings bleibt: Ein neuer Stapel Arbeit landet auf dem Schreibtisch von Pia Maier und bekommt erst einmal einen Platz am linken oder rechten Rand. Dann rückt er in die Mitte, wird gedreht und gewendet, überlegt und zu Ergebnissen gebracht, um danach in eines der Erledigt-Fächer zu wandern oder als Rede gehalten, Antrag aufgeschrieben, Gesetzentwurf verarbeitet zu werden.

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Bleibt nur eine Frage offen: Es scheint kein Platz zu sein, um beim Telefonieren oder Nachdenken die Beine auf den Tisch zu legen. Das tut Pia Maier hin und wieder gern. Und noch nie sind ihr dabei die Stapel verrutscht oder ist gar das Marmor-Ungetüm zu Boden gegangen.

Kathrin Gerlof

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0112/0112077
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