Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 45 / 07.11.2005
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Alexander Weinlein

Aufgekehrt ...


"Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie hier in unserem Studio an diesem 17. September 2006 im Reichstag in Berlin. In wenigen Sekunden schließen die Wahllokale und wir präsentieren Ihnen unsere repräsentative Prognose. Vielleicht werden wir schon dann wissen, wer nach diesen Neuwahlen zum 18. Deutschen Bundestag die Geschicke des Landes leiten wird. So, jetzt noch drei, zwei, eins..." Gong.

"Es ist 18 Uhr. Nach unserer Prognose kommt die Union auf 35,2 Prozent, die SPD auf 34,3 Prozent, die FDP landen bei 9,8 Prozent, die Linkspartei erhält 8,7 und die Grünen 8,1 Prozent. Das ist exakt das gleiche Ergebnis wie bei den Neuwahlen am 18. September 2005 und den Neuwahlen am 26. März dieses Jahres. Was sagen die Spitzenkandiaten zu diesem überraschenden Ergebnis? Herr Schröder..."

"Für Sie immer noch Herr Bundeskanzler!"

"Also gut, Herr amtierender Bundeskanzler, auch bei diesen Neuwahlen haben Sie keine Mehrheit..."

"Ich sag mal so, Frau Merkel hat keine Mehrheit, ich bin und bleibe also Bundeskanzler! Und mit Journalisten, die meine Partei diesmal schon unter der Fünf-Prozent-Marke gesehen haben und mich aus dem Kanzleramt rausschreiben wollten, rede ich eh' nicht mehr. Basta!"

"Das sind harte Worte für einen Politiker, der einmal mit Bild, BamS und Glotze regieren wollte."

"Da hocken ja auch keine Journalisten."

"Frau Merkel, der amtierende Bundeskanzler hat es gerade gesagt, auch Sie haben keine Mehrheit für eine schwarz-gelbe Koalition. Mit wem wollen Sie nun regieren? Die Verhandlungen für eine große Koalition sind ja bereits zweimal gescheitert."

"Vorfahrt haben jetzt Sondierungsgespräche mit allen demokratischen Parteien - mit der Linkspartei also nicht. Aber ich muss schon sagen, dass ich die Ausführungen von Herrn Schröder nicht okay finde."

"Nun, das schließt eine Jamaika-Koalition ja nicht aus. Herr Westerwelle, mit wem können Sie sich denn eine Regierungsbildung vorstellen?"

"Da sind jetzt andere gefragt. Das Leiden von Rot-Grün werden wir definitiv nicht verlängern."

"Herr Fischer, nachdem Sie ja nun erneut die Grünen als Spitzenkandidat angeführt haben, wie sehen Sie die Chance auf eine Jamaika-Koalition?"

"Jetzt bleiben Sie mal realistisch. Erstens kiffe ich noch immer nicht unter Palmen, und außerdem werde ich in die zweite Reihe zurücktreten, um einen Generationswechsel in meiner Partei einzuleiten."

"Dann läuft es doch wieder auf eine große Koalition hinaus. Herr Stoiber, werden Sie in diesem Fall doch mit am Kabinettstisch sitzen?"

"Bayern und die CSU müssen natürlich gerade in solchen schwierigen Zeiten... äh... entsprechend repräsentiert sein. Ich habe gegenüber Frau Dr. Merkel gestern beim Frühstück zum Ausdruck gebracht, dass ich bereit bin, meinen Teil für eine Regierungsbildung beizutragen - unter gewissen Voraussetzungen."

"Und die wären, Herr Ministerpräsident?"

"Nun, zum einen müssen wir uns natürlich noch einmal über den Zuschnitt des Wirtschaftsministeriums unterhalten und ... äh ... also eigentlich möchte ich mich noch nicht festlegen."

"Herr Gysi, ihre Partei könnte das Zünglein an der Waage spielen. Können Sie sich vorstellen, diesmal eine rot-grüne Minderheitenregierung zu tolerieren?"

"Also, ick seh das bei den Sozialdemokraten nich, die brauchen da noch Zeit. In vier Wochen konstituiert sich der neue Bundestag. Dann will ick erst mal sehen, ob sich 'ne vernünftige Mehrheit für Lothar Bisky als Bundestagsvizepräsident findet."

"Liebe Zuschauer, das war's für den Moment aus Berlin. Viel Vergnügnen beim Mehren der gewonnenen Einsichten."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.