Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 45 / 07.11.2005
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Steffen Kailitz

Strohfeuer statt Flächenbrand

Rechtsextreme Parteien: Zwischen Schulterschluss und Abgrenzung

"NPD plant Volksfront von Rechts" und "Großangriff der Rechten": So lauteten die Schlagzeilen des Spätherbstes 2004. Die rechtsextremen Parteien waren im Aufwind. Bei den Bundestagswahlen im Herbst 2005 erreichten sie dann lediglich 2,2 Prozent (REP 0,6 Prozent, NPD 1,6 Prozent). Aufgrund dieses Ergebnisses mag es vielen leichter fallen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der drei deutschen rechtsextremistischen Parteien - NPD, DVU und REP - wahrzunehmen. Das gemeinsame ideologische Kernelement aller rechtsextremistischen Organisationen ist die Fremdenfeindlichkeit.

Sie hat den früher vorherrschenden Antisemitismus abgelöst. Während in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg die meisten rechtsextremen Parteien die Schuld an allen Übeln der Welt dem "Judentum" in die Schuhe schoben, beschuldigen die rechtsextremen Parteien heute Ausländer und alle ihnen fremd erscheinenden Bürger: Sämtliche Probleme der Gesellschaft wie Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Wohnungsnot und steigende Sozialkosten führen die Rechtsextremisten auf deren Anwesenheit zurück. Am unbeliebtesten sind Asylbewerber. Rechtsextremisten eint daher die Forderung nach einer Abschaffung des so genannten "Asylparagraphen" 16a. Die fundamentale Gegnerschaft gegen die Zuwanderung dürfte der Programmpunkt sein, der den rechtsextremistischen Parteien am ehesten Wählerstimmen einbringt.

Kein Platz für Fremdes

Die gemeinsame Wunschvorstellung rechtsextremer Parteien ist eine ethnisch homogene Gemeinschaft, in der die als fremd und störend wahrgenommen Menschen keinen Platz finden sollen. Rechtsextreme Parteien glauben daran, die "wahren" Interessen des deutschen Volkes zu kennen. Es erscheint ihnen als eine Folge von Manipulation durch die Herrschenden, dass ihre Anhängerschaft nur gering ist. Die Gemeinschaft gilt für Rechtsextremisten alles, der Einzelne wenig bis nichts. Diese Haltung ist bei der NPD mit ihrer Ideologie der "Volksgemeinschaft" am stärksten ausgeprägt, im Vergleich dazu deutlich schwächer bei den REP.

Spezifisch deutsch ist die Bedeutung des Geschichtsbilds für Rechtsextremisten. Bei der NPD und ihrem Umfeld herrschen extreme Verharmlosung bis hin zur Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen vor. Die REP leugnen den Völkermord an den Juden nicht, relativieren ihn aber durch den stetigen Verweis auf Verbrechen anderer Nationen an den Deutschen. Zwischen NPD und REP siedelt der Grad der Verharmlosung der NS-Verbrechen durch die DVU.

Mit ihrer antikapitalistischen Positionierung unterscheidet sich die NPD deutlich von den REP und den meisten neueren rechtsextremistischen Parteien in Westeuropa wie dem Front National. Im Unterschied zu einer im Kern neonationalsozialistischen Partei wie der NPD befürworten die REP deutlich die Marktwirtschaft. Die DVU ist - wie in anderen Bereichen - recht konturlos, wenn es um ihre wirtschaftspolitische Ausrichtung geht. In dem fünfeinhalbseitigen Parteiprogramm finden sich dazu keine Aussagen. Die sozialpopulistischen Wahlkampfparolen ähneln allerdings jenen der NPD.

Vor allem bei der NPD und der neonationalsozialistischen Szene, mit Abstrichen auch bei der DVU, ließ sich in den letzten Jahren ein gewisser Wandel des programmatischen Profils beobachten. Zunehmend betonen Rechtsextremisten soziale Probleme. Die "linke Kritik von Rechts" reichte bei der NPD zeitweilig bis hin zur Wiederbelebung des Nationalbolschewismus. Auch die neonationalsozialistischen "autonomen" Kameradschaften intonierten zunehmend "antikapitalistische" Parolen. Die scharfe Ablehnung von Hartz IV und die Parolen der NPD gegen "Sozialabbau, Rentenklau und Korruption" stehen in einem eindeutigem Zusammenhang mit dem Kernziel der NPD, der "Volksgemeinschaft". Sozialistische und nationalistische Parolen fügen sich bei der NPD - wie schon bei der NSDAP - wie zwei Hälften eines Reißverschlusses zusammen.

Der Grad der Ablehnung der Demokratie in Deutschland fällt bei den drei rechtsextremistischen Parteien unterschiedlich aus. Die NPD und das neonationalsozialistische Lager machen aus ihrer aggressiv antidemokratischen Haltung im Unterschied zu den REP und der DVU keinen Hehl. Die REP und die DVU versuchen im Unterschied zur NPD, sich einen demokratischen Anstrich zu geben. Die DVU hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Ihr demonstratives Bekenntnis zum Grundgesetz bedeutet keine Befürwortung der deutschen Demokratie in ihrer heutigen Form. Gleichzeitig gibt es aber auch keine Anzeichen dafür, dass diese Partein aktiv auf den Umsturz der Demokratie hinarbeiten würden.

Das Bekenntnis der NPD, keine Gewalt nutzen zu wollen, um ihre politischen Ziele durchzusetzen, erscheint als nur taktisch motiviert. Dies lässt sich den Parteiführungen der REP und der DVU nicht unterstellen. Diese Einstellung zur Gewalt ist ein Knackpunkt im Verhältnis von NPD, Neonationalsozialisten und Skinheads einerseits und der DVU andererseits. Die fehlende Abgrenzung der NPD zu gewaltbereiten Rechtsextremisten könnte dem Bündnis mit der DVU mittelfristig schaden. Sobald ein NPD-Mitglied eine rechtsextrem motivierte Straftat begeht und die Medien dies breit aufgreifen, wird es fraglich, ob das Bündnis mit der DVU hält.

Ohnehin erscheint diese Verbindung zerbrechlich. Die ideologischen Unterschiede zwischen der DVU und der NPD sind beträchtlich. Außerdem dürfte es Frey schwer fallen, sich dem Führungsanspruch der NPD in der "Volksfront" auf Dauer unterzuordnen. Ihm müsste mittelfristig klar werden, dass die NPD-Funktionäre sich der DVU als "Steigbügelhalter" in die Parlamente bedienen möchten, Frey und seine "Phantompartei" aber verachten.

Seit den 80er-Jahren erleben die rechtsextremistischen Parteien in Deutschland ein ständiges Auf und Ab. So waren die rechtsextremen Wahlerfolge in September 2004 nur neue "Strohfeuer", nicht aber der Beginn eines rechtsextremen "Flächenbrands". Dies bedeutet allerdings auch, dass auf das gegenwärtige Ab unweigerlich irgenwann ein Auf folgt. Die Annahme, dass in Zukunft keine Rechtsextremisten mehr in deutsche Parlamente einziehen, ist ebenso wirklichkeitsfremd wie die Warnung, Rechtsextremisten könnten immer mehr politischen Einfluss gewinnen und eines nicht allzu fernen Tages vielleicht gar regieren.


Der Autor lehrt als Privatdozent an der Technischen Universität Chemnitz im Fach Politkwissenschaft.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.