Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 05-06 / 02.02.2004
Hartmut Hausmann

Georgien hat die EU fest im Blick, aber es ist noch einiges zu tun

Georgiens Präsident Saakaschwili vor dem Europarat
Ohne einen Zeitplan zu nennen hat Georgiens neuer Präsident Michail Saakaschwili in Straßburg ein klares Bekenntnis zu dem langfristigen Ziel einer Mitgliedschaft seines Landes in der EU abgelegt. In einer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, dem die erste Auslandsreise nach seinem Amtsantritt galt, betonte er, dass sein Land "irgendwann" Vollmitglied der Europäischen Union werde.

Auf Grund der guten Beziehungen zu Bulgarien solle dieses Land das Tor zur EU bilden. Er habe bereits erste Gespräche mit dem Hohen Beauftragten für die EU-Außen und Sicherheitspolitik, Javier Solana, und mit Kommissionspräsident Romano Prodi geführt.

Seine zweite Reise werde ihn voraussichtlich nach Moskau führen, um die Beziehung zwischen beiden Länden, die unter seinem Vorgänger sehr beschädigt worden seien, zu verbessern. Er hoffe, Russland zu dem vertraglich vereinbarten Truppenabzug aus Georgien bewegen zu können. Mit der Unterstützung der Rebellen in der Provinz Abchasien habe Moskau Georgien bestrafen wollen. Jetzt könne man jedoch gesunde Ansätze zum Umdenken auf russischer Seite feststellen können.

Als Unterstützung riefen die Europaratsparlamentarier die russischen Behörden auf, ihre auf dem OSZE-Gipfel in Istanbul vor fünf Jahren eingegangenen Verpflichtungen umzusetzen und ihre Truppen aus Georgien abzuziehen sowie ihre Militärstützpunkte zu schließen.

Neben dieser außenpolitischen Priorität aber haben die innenpolitischen Herausforderungen Vorrang. Zu seinem Reformprogramm, das er sofort nach der Regierungsbildung angehen will, gehört vor allem die Bekämpfung der Korruption. Bei den Reformen werde er keine Kompromisse eingehen. Es gehe darum, mit der großen Unterstützung des Volkes die Probleme mit voller Kraft anzugehen. Weitere Herausforderungen stellten die Liberalisierung der Wirtschaft, die Schaffung einer Selbstverwaltung und die Bekämpfung der Armut dar. Dabei zählt Saakaschwili auch auf die ins Ausland abgewanderten Landsleute, die er zur Rückkehr nach Georgien aufforderte.

Der 36 Jahre alte Saakaschwili, der fünf Sprachen fließend spricht und in Straßburg äußert selbstbewusst auftrat, aber sich für jede Diskussion offen zeigte, war erst am 4. Januar mit 96 Prozent der Stimmen in einer demokratisch einwandfreien Wahl zum neuen Präsidenten gewählt worden. Am 22. November 2003 hatte er seinen einstigen Ziehvater Eduard Schewardnadse, dem er Wahlbetrug vorwarf, mit der Organisation friedlicher Demonstrationen zum Rücktritt gezwungen.

Nach seinem Rücktritt als früherer Justizminister war er zu einem der schärfsten Kritiker seines Mentors geworden. Michail Saakaschwili gründete mit der Nationale Bewegung seine eigene Partei, die insbesondere mit dem Kampf gegen die Armut, Korruption und Vetternwirtschaft als ihren Hauptzielen um die Unterstützung der Menschen geworben hatte.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats forderte das Parlament in Georgien auf, noch vor den für den 28. März 2004 angesetzten Parlamentswahlen eine Änderung des Wahlgesetzes vorzunehmen. Dabei seien die Wahlverfahren zu vereinfachen und der Grundsatz des Wahlgeheimnisses müsse garantiert werden. Auch die Zusammensetzung der Wahlkommission müsse geändert werden, damit alle politischen Kräfte vertreten seien.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.