Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 05-06 / 02.02.2004
Claudia Heine

Bundestag zeichnet Arbeiten zu Politik aus

Wissenschafts- und Medienpreis
"Man soll die Feste feiern, wie sie kommen". Mit diesen Worten eröffnete Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die Festveranstaltung, in deren Rahmen am 28. Januar der Medien- und Wissenschaftspreis des Deutschen Bundestages vergeben wurde. Es war nicht nur ein Jubiläum für diesen Preis, der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert, sondern in gewisser Weise auch für den Raum, in dem er verliehen wurde. Im Foyer des vor einigen Wochen erst eingeweihten Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, in dem die Gäste teilweise wie in einem antiken Theater auf den Treppenstufen saßen, fanden noch nicht viele Veranstaltungen statt.

Es wirkt doch irgendwie ganz angenehm", stellte Thierse mit Blick über das Publikum in den Raum hinein fest, bevor er dann auf den eigentlichen Anlass zu sprechen kam. Seit 1989 würdigt der Bundestag, zunächst mit dem Förderpreis und seit 1993 mit der Vergabe des Medien- und Wissenschaftspreises alle zwei Jahre hervorragende wissenschaftliche und publizistische Arbeiten, die zur Beschäftigung mit den Fragen des Parlamentarismus anregen. Ziel der Preise sollte und soll es sein, das Verständnis für parlamentarische Arbeit und ihrer Praxis in der Öffentlichkeit zu verbessern. Ein Anspruch, der vor dem Hintergrund allgemeiner "Politikverdrossenheit" in weiten Bevölkerungsteilen brandaktuell bleibt. Denn diese hat ihre Ursachen nicht zuletzt darin, dass viele das politische Geschäft als wenig nachvollziehbar erfahren. Die Preise sind mit jeweils 10.000 Euro dotiert und werden nach den Empfehlungen unabhängiger Jurys vergeben.

In diesem Jahr entschied sich die Jury des Medienpreises unter dem Vorsitz des Journalisten Helmut Herles, für eine Hörfunkreportage von Susanne Führer vom DeutschlandRadio Berlin. "Auf Vertrauen und Gewissen - Die Vertrauensfrage des Kanzlers und das Gewissen des Abgeordneten Klaus Barthel", so der Titel des Beitrages, dokumentiert sie fünf Arbeitstage des Abgeordneten und einen schwierigen Prozess der Entscheidung über einen möglichen Bundeswehreinsatz nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001. Gerade in Zeiten, in denen auch die politische Berichterstattung von "flotten Sprüchen" dominiert werde, sei es wichtig, "die verschlungenen Wege der parlamentarischen Arbeit" und die damit verbundenen Mühen "transparenter" zu machen, begründete Wolfgang Thierse die Preisvergabe. Denn: "Für eine lebendige Demokratie sei es notwendig, immer den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Er lobte Susanne Führer für ihren "sensiblen Umgang mit Zwischentönen" jenseits plakativer Umschreibungen".

Susanne Führer, seit vielen Jahren für den Hörfunk journalistisch tätig, arbeitete "nebenbei" unter anderem auch für die "Wochenpost". 1993 bereits erhielt sie den Kurt-Magnus-Preis der ARD zur Förderung des Nachwuchskräfte des deutschen Hörfunks, eine Entscheidung, "die sich gelohnt" habe, wie Helmut Herles in seiner Laudatio feststellte. Zu der Jury gehören neben Helmut Herles vom Bonner "General Anzeiger" auch Stephan-Andreas Casdorff "Der Tagesspiegel", sowie Henning Frank, freier journalist und Friedrich Karl-Fromme von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", nebst Gunter Hofmann von der "Zeit". Weitere Mitglieder der Jury sind Wolf von Lojewski vom ZDF, Ute Reichert-Flögel vom Deutschlandfunk und Martin E. Süskind von der "Berliner Zeitung".

Auf einen ebenso erfolgreichen Berufsweg wie Susanne Führer blickt auch der Träger des diesjährigen Wissenschaftspreises zurück. Der Politologe Andreas Maurer von der Stiftung Wissenschaft und Politik wurde für seine Dissertation "Parlamentarische Demokratie in der Europäischen Union - Der Beitrag des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente" ausgezeichnet. Zahlreiche Lehr- und Projekttätigkeiten im In- und Ausland gehören zu seiner Vita, ebenso wie ein "Masters of Arts in European Political and Administrative Studies" am Europa Kolleg in Brügge. Gerade mit Blick auf die Diskussionen um die EU-Osterweiterung oder eine gemeinsame Verfassung für Europa gewinne die Arbeit von Maurer an Bedeutung, so Thierse. Denn sie trägt dazu bei, die mangelnde Transparenz, die viele Menschen mit der Institution "Europa" verbinden, zu überwinden. An beide Preisträger richtete Thierse die Bitte, "weiter für den Parlamentarismus zu werben und ihn kritisch zu begleiten."

Uwe Thaysen, Vorsitzender der Jury des Wissenschaftspreises und Professor für Politikwissenschaft an der Universität Lüneburg, wertete die Studie Maurers als "aufmunternden Befund zu Beginn unseres Jahres 2004, in dem die nächste Wahl zum Europäischen Parlament ansteht". Sie bescheinige dem Europäischen Parlament einen "beachtlichen Erfolg in der Ausweitung seines Einflusses" und ermutige, "die Zukunft der parlamentarischen Demokratie in Europa nicht als Nullsummenspiel zu begreifen", so Thaysen in seiner Laudatio. Der Wissenschaftspreis, dessen Vorsitz routiert, wurde seit 1993 an 13 Personen verliehen. Mitglieder der Jury sind neben Thaysen die Professoren für Rechtwissenschaft Ulrich Karpen, Ute Sacksofsky und Hans-Peter Schneider, die Professoren für Geschichtswissenschaft Rudolf Morsey und Marie-Luise Recker, sowie der Professor für Politikwissenschaft Heinrich Oberreuter. Die eingereichten monographischen Arbeiten hatten in sieben Fällen den Status einer Dissertation, viermal wurden Habilitationen prämiert. Die Karrieren der Preisträger verliefen angesichts der aktuell zu beachtenden Schwierigkeiten, sich im geistewissenschaftlichen oder juristischen Bereich zu etablieren, äußerst positiv.

Transparenz in der Berichterstattung

Die Transparenz, von der während der Preisverleihung so oft die Rede war, fand ihren direkten Ausdruck durch das Gebäude des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, das wie die anderen Bauten im Berliner Regierungsviertel nicht abgeschottet vom "Rest" der Stadt existieren soll, sondern als integraler Bestandteil des Stadtlebens. Die große Freitreppe des Gebäudes wird nach Beendigung der Baumaßnahmen öffentlich zugänglich sein und so den Bürgern räumlich das Gefühl von mehr Transparenz vermitteln, denn man hat von dort zum Beispiel einen sehr guten Blick in die Europa-Rotunde des gegenüber liegenden Paul-Löbe-Hauses. Davon konnten sich auch die Gäste der Festveranstaltung überzeugen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.