Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 33-34 / 09.08.2004
Barbara Borgloh und Miriam Böckel

Wenn aus Liebe rote Zahlen werden

Studie zu den wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung

Seit Jahren bleiben die Scheidungszahlen in Deutschland auf hohem Niveau. Im Durchschnitt wird derzeit jede dritte, in Großstädten sogar jede zweite Ehe, geschieden. Neben einer Reihe psychosozialer Probleme, die durch eine Scheidung verursacht werden können, stellen insbesondere die wirtschaftlichen Folgen eine Belastung für die Betroffenen dar. Eine Scheidung verursacht oft einen wirtschaftlichen Abstieg, der zu niedrigem Einkommen oder sogar zu Armut führen kann.

Nach dem geltenden Scheidungsrecht sollen wirtschaftliche Folgen einer Scheidung zunächst durch private Unterhaltszahlungen ausgeglichen werden. Von staatlicher Seite gibt es keinerlei gezielte Unterstützungen für Geschiedene. Geschiedene haben aber wie alle anderen Personen ein Anrecht auf Zahlungen wie Kindergeld oder Sozialhilfe. Lediglich bei unzureichenden Kindesunterhaltszahlungen wird zusätzlich ein Unterhaltsvorschuss gezahlt. Inwieweit diese angedachten Modelle privater oder staatlicher Unterstützung die finanziellen Folgen einer Scheidung tatsächlich auffangen, wird im Folgenden näher ausgeführt.

Zwei Haushalte - mehr Kosten

Eine finanzielle Mehrbelastung entsteht für beide Partner dadurch, dass nach der Trennung zwei getrennte Haushalte statt einem finanziert werden müssen. Da Mütter bereits während der Ehe häufig durch Kinderbetreuung in ihrer Erwerbstätigkeit eingeschränkt sind und die Kinder meist auch nach der Trennung versorgen, ist es wahrscheinlich, dass Frauen in stärkerem Maße von Einkommensverlusten betroffen sind als Männer. Auch bei Männern ist davon auszugehen, dass die erhöhten Haushaltsführungskosten und zu leistende Unterhaltsbeträge zu einer Verschlechterung der finanziellen Lage führen.

Weil für die Bundesrepublik Deutschland über die wirtschaftlichen Folgen einer Scheidung bisher kaum umfassende Daten vorlagen, gab das Bundesfamilienministerium eine Studie in Auftrag, die diese Forschungsdefizite aufheben sollte. Die Ergebnisse der Studie dokumentiert das Buch "Wenn aus Liebe rote Zahlen werden. Über die wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung" (Andreß/Borgloh/Güllner/Wilking: 2003, Westdeutscher Verlag).

Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Scheidung überhaupt einen Einfluss auf die Finanzsituation der Betroffenen hat. Für Frauen verschlechtert sich das Einkommensniveau im Jahr der ehelichen Trennung erheblich. Außerdem nimmt die Armutsquote deutlich zu. Bei Männern ist ebenfalls eine Verschlechterung der Einkommenssituation und ein Anstieg der Armutsquote zu beobachten, jedoch bei weitem nicht so drastisch wie bei Frauen. Die wesentlichen Veränderungen der finanziellen Situation erfolgen bereits mit der Trennung. Zum Zeitpunkt der Scheidung hat sich dann die wirtschaftliche Lage etwas stabilisiert.

Wie sehen nun die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage im Zusammenhang mit einer Trennung im Detail aus? Vergleicht man die Einkommenssituation eines Haushalts vor der Trennung mit der Einkommenssituation nach der Trennung, zeigt sich, dass die Hälfte der Frauen bei der Trennung etwas weniger als ein Drittel (27 Prozent) ihres Einkommens verliert. Männer hingegen müssen im Mittel nur auf vier Prozent ihres vorherigen Einkommens verzichten. Viele Männer haben also offenkundig Einkommensgewinne. Frauen sind somit in wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig die Verliererinnen der Scheidung. Neben den genannten Durchschnittsangaben ist jedoch die Fülle unterschiedlicher individueller Entwicklungen zu beachten: So erzielt knapp ein Viertel der Frauen Einkommensgewinne, während ein Teil der Männer auch deutliche Einkommensverluste hinnehmen muss. Wenn Kinder nach der Trennung im Haushalt wohnen, steht (pro Haushaltsmitglied) meist weniger Geld zur Verfügung als in Haushalten ohne Kinder. Dies gilt insbesondere für Mütter, aber auch Väter haben Einkommensverluste zu verzeichnen.

Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen nach einer Trennung wären noch gravierender, wenn kein Ausgleich durch Besteuerung, Unterhaltszahlungen und öffentliche Transfers stattfinden würde. Bei Männern macht sich vor allem die zusätzliche Belastung durch Unterhaltszahlungen bemerkbar. Mehr als die Hälfte von ihnen erfährt nach dem Abzug von Unterhaltszahlungen Einkommensverluste, während ohne Abzug von Unterhaltszahlungen die Einkommensgewinne überwiegen. Staatliche Transfers gleichen einen Teil dieser finanziellen Belastung wieder aus. Bei Frauen hingegen ist eine kontinuierliche Verbesserung der Einkommenssituation zu beobachten. Bei ihnen wirkt sich der Erhalt von Unterhaltszahlungen allerdings nur geringfügig aus. Erst die staatlichen Transfers können einen weitaus größeren Teil der negativen wirtschaftlichen Folgen auffangen. Jedoch werden auch hier die Verluste nur gemildert, aber nicht aufgehoben.

Unterhalt macht bei Frauen nur etwas mehr als ein Zehntel des gesamten Haushaltseinkommens aus, während der Anteil öffentlicher Leistungen mehr als ein Viertel und bei Frauen mit Kindern sogar mehr als ein Drittel betragen. Wie kommt es dazu, dass Unterhaltszahlungen einen so geringen Anteil am Haushaltseinkommen haben? Viele Väter sind zunächst bereit und in der Lage, den Unterhalt für ihre Kinder aufzubringen. Gut die Hälfte aller unterhaltsberechtigten Mütter erhält den Unterhalt für die Kinder auch regelmäßig und in voller Höhe. Ein Fünftel der Mütter aber erhält den Kindesunterhalt unregelmäßig oder in zu geringer Höhe und etwa ein Viertel muss völlig ohne Kindesunterhalt auskommen. Schlimmer sieht es bei dem Unterhalt aus, der den Frauen persönlich zusteht: Zwei Drittel der anspruchsberechtigten Frauen erhalten keinerlei Unterstützungsleistung von ihren getrennt lebenden Männern.

Obwohl mehr als 80 Prozent der Männer nach Abzug ihrer Unterhaltsverpflichtungen noch über ausreichend Einkommen verfügen, lässt die Zahlungsmoral seitens der Unterhaltspflichtigen zu wünschen übrig. Sie verbessert sich jedoch, wenn für alle Beteiligten tragbare Umgangsregelungen zwischen Vätern und ihren Kindern vereinbart werden. Unterhaltszahlungen bleiben nämlich vor allem dann aus, wenn wenig oder kein Kontakt zu den Kindern besteht. Etwa zehn bis 20 Prozent der Männer hingegen sind tatsächlich nicht in der Lage, den Unterhalt für ihre Kinder und/oder ihre getrennt lebende Partnerin aufzubringen.

Belastungen für den Staat reduzieren

Zusammenfassend kann im Hinblick auf die Einkommenssituation festgehalten werden, dass eine Trennung bei beiden Geschlechtern sowohl zu Einkommenseinbußen als auch zu Einkommensgewinnen führen kann. Insgesamt fallen die wirtschaftlichen Folgen von Trennungen für Frauen jedoch deutlich negativer aus als für Männer. In aller Regel werden diese wirtschaftlichen Verluste nicht durch Unterhaltszahlungen seitens der ehemaligen Ehemänner ausgeglichen. Vielmehr sind Frauen auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen.

Um diese ökonomischen Probleme zu entschärfen und damit die Belastungen für den Staat zu reduzieren, wäre es sinnvoll, die Frauenerwerbstätigkeit weiter zu fördern, die Kinderbetreuung auszubauen sowie die Anreizsysteme im Steuer- und Sozialsystem zu überarbeiten. Damit könnten Frauen ihren Lebensbedarf eher selbst erwirtschaften und wären unabhängig(er) vom ehemaligen Partner und/oder vom Staat. Auf der anderen Seite müsste gleichzeitig die finanzielle Leistungsfähigkeit der Männer gestärkt werden, indem eine gewisse Arbeitsplatzsicherheit garantiert würde. Barbara Borgloh und Miriam Böckel

Barbara Borgloh und Miriam Böckel sind Diplom-Soziologinnen und arbeiten an der Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie.


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