Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 39 / 20.09.2004
Helmut Loelhoeffel

Oskar Lafontaine

Kurz notiert

Auf dem Titel ist ein Foto von Oskar Lafontaine zu sehen, auf dem er aussieht wie eine Mischung aus Kaiser Nero und Marlon Brando, herrschsüchtig und überheblich. Der Inhalt des Buchs entspricht diesem Zerrbild nicht; alles in allem wird Lafontaine eher positiv dargestellt. Joachim Hoell hat nachdenkliche Hinweise nicht unterdrückt und zeigt Widersprüche im Verhalten Lafontaines auf, jedoch ist eine Grundsympathie für den derzeit umstrittensten Sozialdemokraten unübersehbar.

Lafontaine steht in der Schlagzeilen-Hitliste gerade weit vorne, jedenfalls vor Müntefering, und deshalb hat sich der kleine Dirk Lehrach Verlag, in dem auch schon Buchportraits über Gerhard Schröder und Franz Beckenbauer erschienen sind, einen denkbar günstigen Zeitpunkt für diese Publikation ausgesucht. Wer Lafontaines politisches Leben kompakt nachliest, wird erkennen, dass der 60-Jährige schon oft in der Ecke stand und dass immer bösartig über ihn hergezogen wurde, dass er aber mit den von ihm gegen die Mehrheitsströme verfolgten Sachthemen häufig grandios durchdrang.

So ist seine aktuelle Kampagne gegen "Hartz IV" eine Fortsetzung seines innerparteilichen Aufbegehrens in der Friedens-, Atom- Wirtschafts-, Ökologie- und Deutschlandpolitik. Oft hat er recht behalten; manchmal ist er, etwa wegen seiner Vereinigungs-Skepsis, bestraft worden. Und mit seinem verantwortungslosen Abgang als Bundesfinanzminister und Parteivorsitzender schadete er sich selbst.

Der Autor beschreibt Lafontaine als präsent, instinktsicher und wach, polemisierend, provozierend und polarisierend. Er breitet seine guten Phasen - den Aufstieg im Saarland und die kurze Zeit als SPD-Vorsitzender - aus, verschweigt aber auch schwache Momente - "Pensions-Affäre", "Rotlicht-Skandal" - nicht und lässt Einblicke in sein Privatleben ohne den Anschein eines Schlüssellochblicks zu. Nicht ganz klar wird der wahre Hintergrund des Konflikts mit Gerhard Schröder, dem sich Lafontaine entzog. Da gibt es Zeitzeugen, die mehr wissen.

Unerfindlich ist, warum Hoell zweimal, nach der Bundestagswahl von 1990 und nach dem Rücktritt 1999, "Höhenflüge" in Lafontaines Leben enden lässt, ja sogar den Rückzug als "starken Abgang" sieht. Trotz mancher eher dürftiger Passagen gibt diese Kurzbiografie einen ersten Überblick und wird Baustein sein für spätere Bewertungen des Menschen Oskar Lafontaine, der Streit nie aus dem Weg ging und Brüche nie gescheut hat. Helmut Loelhoeffel

Joachim Hoell

Provokation und Politik. Oskar Lafontaine - eine Biografie.

Lehrbach Verlag, Lehrbach 2004; 220 S., 19,80 Euro


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