Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 40 / 27.09.2004
kos

Unmut über Beitragserhöhung

Kranken- und Pflegeversicherung bei Betriebsrenten

Gesundheit und Soziale Sicherung. Auf deutliche Kritik stößt bei zahlreichen Sachverständigen die zu Jahresbeginn bei Betriebsrenten vorgenommene Verdoppelung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Zuge des Modernisierungsgesetzes zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bei einer Anhörung des Gesundheits- und Sozialausschusses am 22. September zu einem Antrag der FDP-Fraktion (15/2472), diese Anhebung wieder rückgängig zu machen, beklagten mehrere Experten, dass die Zusatzbelastung den allseits gewünschten Ausbau der betrieblichen Altersversorgung als Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung für viele Arbeitnehmer unattraktiv mache. In einer bei dem Hearing vorgelegten Stellungnahme wies der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) darauf hin, dass im Jahr 2004 die Abschlüsse von Direkt- und Pensionskassenversicherungen bereits massiv zurückgegangen seien. Trotz weithin übereinstimmender Kritik an der Beitragserhöhung für Betriebsrenten wurden bei der Anhörung auch grundsätzliche Differenzen über das Gesundheitswesen sichtbar, so etwa bei Arbeitgebern und Gewerkschaften.

Nach Angaben des Sozialverbands VdK und der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) gab es wegen der Verdoppelung der Beiträge für Betriebsrenten, deren Belastung im Schnitt von sieben auf knapp 14 Prozent und damit auf die Höhe des vollen Krankenkassenbeitrags stieg, einen enormen Ansturm von Telephonanfragen Betroffener, die großen Unmut über diese faktische Kürzung ihrer Versorgungsbezüge äußerten.

Wie Stefan Sieben vom Verband der Angestellten-Krankenkassen erläuterte, werden sich die Mehreinnahmen der gesetzlichen Krankenkassen als Folge der zusätzlichen Belastung der Betriebsrenten im Jahr 2004 auf rund 1,9 Milliarden Euro belaufen, was rechnerisch eine Senkung des Kassenbeitrags um 0,2 Prozentpunkte erlaube.

Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) räumte Eugen Müller ein, dass als Konsequenz der von der FDP geforderten Reduzierung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für Betriebsrenten auf das frühere Niveau des halben Kassenbeitrags dann in der GKV Geld fehlen würde. Ohnehin reduzierten sich die Beiträge der gesetzlichen Kassen nicht in dem Maße, wie dies aus wirtschaftlichen Gründen eigentlich notwendig und mit der Gesundheitsreform geplant gewesen sei. Man müsse, stimmte der BDA-Sprecher den anderen Sachverständigen zu, aber auch verhindern, dass wegen der hohen Beitragsbelastung der Betriebsrenten der Ausbau der betrieblichen Altersversorgung gebremst wird.

Gesundheitssystem umgestalten

Wie der GDV und aba-Repräsentant Stiefermann plädierte Müller dafür, das System der Krankenkassenbeiträge für Betriebsrenten analog der nachgelagerten Besteuerung bei der gesetzlichen Rente zu handhaben. BDA-Vertreter Müller und Andreas Zimmermann von der Union Leitender Angestellter machten sich im Übrigen dafür stark, das Gesundheitssystem gänzlich umzugestalten, die Kassenprämien vom Lohn zu entkoppeln und stattdessen eine einheitliche Pauschale unabhängig von der Einkommenshöhe des jeweiligen Beitragszahlers einzuführen.

Von einem "fatalen Ansehensverlust, den die betriebliche Altersversorgung durch die zusätzliche Beitragsbelastung erlitten hat", spricht der Deutsche Gewerkschaftsbund. In einer Stellungnahme setzte sich der DGB dafür ein, "diese Regelung zurückzunehmen oder zumindest lange Übergangsfristen vorzusehen". Allerdings kritisiert der DGB auch die Liberalen, deren Vorstoß zur Rücknahme der Beitragsverdoppelung auf Betriebsrenten nicht auf der Basis der solidarisch organisierten GKV stehe. Vielmehr wolle die FDP die gesetzliche Krankenversicherung privatisieren. kos


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