Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 48 / 22.11.2004
Thorsten Busch

Aufgekehrt...

GABI ist auch nicht mehr der Jüngste. Wenn man "Kürschners Volkshandbuch" glauben darf - und wer könnte an dessen Autorität in Sachen Politikerbiografien auch nur den leisesten Zweifel hegen - ist er mittlerweile 72 Jahre alt und damit der älteste Abgeordnete im Parlament. In diesem geradezu Respekt heischenden Alter geziemt es sich vielleicht nicht unbedingt, GABI abgekürzt zu werden, aber andererseits scheint der Titel "Größter Anzunehmender Bundes-Innenminister" nicht unangemessen für Otto Schily.

Sozialdemokratische Insider wissen zu berichten, dass das Bundesinnenministerium aufgelöst werde, sollte Otto Schily eines fernen Tages abtreten. Dann nämlich sei in diesem wichtigen Geschäftsbereich alles getan und erreicht. Wir hingegen hoffen, dass der Minister bis wenigstens 2014 zur Verfügung steht. Wäre doch auch schade um die vielen Arbeitsplätze, die andernfalls im beliebten Innenministerium gestrichen werden müssten.

Elegant leiten wir damit über zum leidigen Thema Alter, kombiniert mit dem sicher nicht weniger leidigen Thema Arbeitsplätze: Müsste sich ein frisch aus dem Bundesinnenministerium entlassener Jüngling von vielleicht 35 Lenzen nun um eine neue Stelle bemühen, er wäre ja gar nicht mehr vermittelbar. Eher bekäme er wohl eine Litanei von solcher Art zu hören: "35 Jahre! In der Stellenausschreibung stand doch ausdrücklich, dass wir hochqualifizierte Mitarbeiter suchen: Promotion, fünf Jahre Berufserfahrung, sechs Sprachen fließend - und natürlich unter 30!"

Das gibt zu denken. Und es geht doch auch anders: Johannes Heesters ist 100, Helmut Schmidt auch nicht mehr der Jüngste - trotzdem wirken diese Herren allemal fitter und tatendurstiger als mancher unserer Fußballnationalspieler. Vor allem geistig, versteht sich. Aber auch körperlich kann man im hohen Alter durchaus noch Überdurchschnittliches leisten: Glaubt man der Bibel, deren Autorität ja fast so unangreifbar ist wie jene des "Kürschners", so wurde ein gewisser Methusalem geschlagene 969 Jahre alt. Dies allein wäre ja noch nicht unbedingt der Rede wert, aber der pflichtbewusste Mann erkannte, was er seinem Gemeinwesen schuldig war, und zeugte noch in hohem Alter Nachwuchs. Das wäre doch mal ein Modell, dem wir in Deutschland reformsüchtig nacheifern sollten! Da erscheint der Titel "Methusalem-Komplott" gleich in ganz anderem Lichte.

Wir lernen also: Altern ist keine Schande und schon gar nicht tragisch. Der einzige, der aus gutem Grunde ein Problem mit dem Altern hat, ist Bundesfinanzminister Hans Eichel. Er sorgt sich jedoch nicht um sein eigenes Alter, zumal er immerhin zehn Jahre jünger ist als GABI, sondern um das seiner Staatsschulden. Die feiern nämlich gern, vornehmlich Geburtstag. Wozu sie dann mit Vorliebe ihre gesamte unerzogene Verwandtschaft einladen: die Zinsen. Und die werden mit zunehmendem Alter nicht gerade sympathischer.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.