Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 11 / 14.03.2005
bob

Besserer Zugang zu Krediten hilft bei der Armutsbekämpfung

Öffentliche Anhörung

Entwicklungszusammenarbeit. Die Entwicklung eines tragfähigen Mikrofinanzwesens als integraler Bestandteil des Finanzsystems stellt eine besondere Aufgabe für die deutsche öffentliche und private Entwicklungszusammenarbeit und für die Koordinierung der Entwicklungspolitik dar. Diese Meinung vertrat Professor Hans Dieter Seibel von der Universität zu Köln in seiner schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Thema "Armutsbekämpfung durch nachhaltiges Finanzwesen und Mikrofinanzierung" am 9. März.

Die ärmeren Bevölkerungsschichten, so Seibel weiter, fragten vorrangig die Einsammlung und sichere Aufbewahrung von Ersparnissen nach. Für eine nachhaltige Armutsbekämpfung und Kleinunternehmensförderung sei der Zugang zu Krediten unabdingbar. Er dürfe ordnungspolitisch nicht durch Zins- und Kreditobergrenzen beschränkt oder durch Zinssubventionen untergraben werden.

Florian Grohs von Oikocredit (einer internationalen Genossenschaft mit Sitz in den Niederlanden, die über 23 Regional- und Länderbüros und ein Genossenschaftskapital von 203 Millionen Euro verfügt) machte deutlich, Mikrofinanz habe "sehr viel erreicht" in den letzten 20 Jahren. Es habe sich gezeigt, dass arme Menschen dauerhaft und profitabel bedient werden könnten.

Damit möglichst viele Menschen Zugang zu Kleinkrediten bekämen, müssten sich mittelfristig Institutionen entwickeln, die von der Finanzaufsicht der jeweiligen Länder überwacht werden. Nur regulierte Mikrofinanzinstitutionen (MFI) könnten Spareinlagen mobilisieren.

Um weiter die Entwicklung von MFIs zu fördern, so Grohs weiter, müssten die Bankgesetze in vielen Ländern geändert werden. Seines Erachtens würden einige wenige MFIs sich zu Banken weiterentwickeln. Viele andere würden aber auch in der Zukunft als regulierte MFI erfolgreich weiterarbeiten.

Daher werde es wahrscheinlich auch weiterhin ein Nebeneinander von sehr vielen verschiedenen Finanzinstitutionen auf den Finanzmärkten der Entwicklungsländer geben. Heute erhielten 517 MFIs etwa 769,23 Millionen Euro (etwa 1 Milliarde US-Dollar) von staatlichen und privaten Geldgebern.

Peter Langkamp von der Sparkassenstiftung für internationale Kooperation führte aus, eine Stabilisierung vorhandener MFI sei anzustreben. Der Aufbau eines flächendeckenden Netzes solcher MFI sei sicherzustellen. Die Vereinbarkeit von sozialem Auftrag, Professionalität und Profitabilität müsse gewährleistet werden.

Präsenz vor Ort erforderlich

Eine lokale Präsenz bei den Kunden sei erforderlich. Dezentrale Entscheidungen und Steuerung des Kreditgeschäfts verringerten das Risiko. Der Staat als Architekt des Finanzsektors gebe eine Struktur vor und steuere die Umsetzung. Er gebe so eine gezielte Förderung, falls erforderlich, vor. Zur Integration von MFI in dem formellen Finanzsektor müsse der Staat aber unter anderem ein rechtliches Regelwerk für die MFI schaffen.

Professorin Brigitte Young von der Universität Münster argumentierte, Kenntnisse wie beispielsweise rechnerische Fähigkeiten, einfache Bankprinzipien oder in der Buchhaltung könnten eine emanzipatorische Funktion für Frauen und Arme haben. Diese Aspekte könnten so dazu beitragen, ein kollektives Bewusstsein über Machtverhältnisse zu erzeugen, die das tägliche Leben der Frauen und armen Bevölkerungsschichten beeinflussten.

Weiter meinte die Expertin, Mikrofinanzinstitutionen müssten organisatorische Kulturen, Managementstile, Anreizstrukturen und Personalstrukturen etablieren, die Frauen und Randgruppen motivierten, ihre Diskriminierung und Armut als strukturelles Problem zu erkennen. Aufgrund dieser Erkenntnisse müssten sie soziale Netzwerke und Solidarität ausbauen, die Frauen auch tatsächlich helfen, aus der Spirale von Abhängigkeit und Armut zu entkommen, so die Expertin.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.