Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 17 / 25.04.2005
Volker Koop

Es gibt keinen Krieg der Generationen

Die Jungen ausgepresst von den Alten - und umgekehrt?
Wer die Medien verfolgt, dem muss sich die Befürchtung aufdrängen, in der Bundesrepublik gebe es nicht nur einen Generationenkonflikt, sondern es stehe ein Krieg der Generationen unmittelbar bevor. Kaum ist die Erinnerung an einen Jung-Politiker verblasst, der älteren Menschen keine Hüftoperationen gönnen wollte, da fordert ein anderer die Alten in der Gesellschaft auf, "den Löffel abzugeben". Dazu kommen immer mehr junge Menschen zu Wort, die sich dagegen wenden, mit ihren Beiträgen die heutigen Renten zu finanzieren. Sie übersehen dabei geflissentlich, dass die heutigen Rentner jahrzehntelang selbst in die Versorgungssysteme einbezahlt haben und ihre Alterseinkünfte keinesfalls "Almosen" der Jungen sind.

Verfolgt man allein die vielfach zugespitzte Berichterstattung in den Medien", so sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Erika Lotz, "scheint die Spaltung der Gesellschaft in Jüngere oder Ältere über kurz oder lang bevorzustehen - die Jungen ausgepresst von egoistischen Alten und umgekehrt". Aber einen Pessimismus, der dann angebracht wäre, stimmte die Zustandbeschreibung, teilt die Sprecherin der Arbeitsgruppe Gesundheit und Soziale Sicherung der SPD-Bundestagsfraktion nicht. Denn mache man sich einmal die Mühe, mit den Betroffenen zu reden, werde schnell deutlich, dass diese plakativen Zuspitzungen kaum geteilt würden. Es sei im Gegenteil erfreulich zu sehen, wie selbstverständlich zum Beispiel von den Jüngeren der Wunsch der Älteren nach einem funktionierendem, alle notwendigen Leistungen gewährenden Gesundheitswesen geteilt werde. Auch eine ausreichende Altersversorgung stehe keineswegs in Abrede. Was aber nicht zu übersehen sei, sei die durchaus vorhandene Verunsicherung über die zukünftige Entwicklung der sozialen Sicherungssysteme. Hier hätten sich Politik und Medien aber auch einmal selbst zu mäßigen. Zum Beispiel sei der alleinige Hinweis auf einen dramatisch steigenden Altersquotienten unredlich: "So hatten 1970 hundert Erwerbstätige bereits für sechzig Junge und vierzig ältere Personen zu sorgen. Im Jahr 2050 wird dieser Wert voraussichtlich nur zwölf Prozent höher liegen, auch wenn sich das Verhältnis von Jüngeren zu Älteren verschiebt. Es heißt das Ganze zu sehen, auch wenn es nicht so plakativ und verkaufsfördernd ist." Nur so lasse sich auch vermeiden, dass übermäßige Profilierungs- oder Profitinteressen das trotz aller Unkenrufende funktionierende Gemein- und Sozialwesen gefährdeten.

Gesellschaft wird älter

Die anfangs erwähnten Aussagen von Möchtegern-Politikern findet Andreas Storm schädlich und im Tonfall unerträglich. Sie skizzierten ein Bild der Auseinandersetzung zwischen den Generationen, das mit der Wirklichkeit wenig gemein habe, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete, der zugleich Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit und Soziale Sicherung seiner Fraktion ist. Richtig sei, dass die Gesellschaft älter werde. Im Jahr 2000 seien knapp 17 Prozent der Deutschen älter als 65 Jahre gewesen, im Jahr 2040 würden es rund 31 Prozent sein. Umgekehrt gehe die Zahl der Erwerbstätigen zurück: von rund 39 Millionen im Jahr 2002 auf etwa 36 Millionen 2040. Andreas Storm: "Immer mehr Rentner stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber. Diese demographische Entwicklung lässt sich nicht weg reformieren. Aufgabe der Politik ist es, die zunehmenden Lasten der Alterssicherung fair auf die Generationen zu verteilen." Die Jüngeren dürften nicht durch zu hohe Beiträge überfordert werden, weil sie finanzielle Spielräume für die erforderliche eigenverantwortliche kapitalgedeckte Altersvorsorge brauchten. Gleichzeitig dürften die Älteren nicht vollständig von der Einkommensentwicklung der Aktiven abgekoppelt werden. Die Sorgen von Rentnern und Beitragszahlern müssten ernst genommen werden. Es dürfe kein Generationenkonflikt herbeigeredet werden, mit dem man kurzfristig öffentliche Aufmerksamkeit bekomme, aber nicht die langfristigen Finanzfragen löse, vor denen die Alterssicherung in Deutschland stehe.

In der Beurteilung der Aussagen mancher Nachwuchs-Zyniker unterscheidet sich der FDP-Bundestagsabgeordnete Heinrich L. Kolb nicht von seinen Parlamentskollegen. Die polemischen Äußerungen seien sicher nicht Ausdruck der allgemeinen Stimmung unter den jungen Menschen, ist er überzeugt. Dies zeige auch die scharfe Kritik, die gerade von Jugendlichen daran geübt worden sei. Die große Mehrheit der Jugendlichen wisse, was die ältere Generation geleistet habe und was die jungen Menschen der so genannten Nachkriegsgeneration zu verdanken hätten. Eine Spaltung der Gesellschaft sei daher auch nicht zu befürchten. Der Sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion spricht sich dafür aus, die berechtigten Zukunftsängste der jungen Generation ernst zu nehmen. Es sei eine Tatsache, dass gerade diese Generation finanziellen Belastungen ausgesetzt sei und sein werde, wie es noch keine Generation vor ihr je gewesen sei. Heinrich L. Kolb: "Gleichzeitig war noch nie die Altersvorsorge einer ganzen Generation so unsicher, wie es für diese zutrifft. Wir müssen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen schaffen, die es den jungen Menschen ermöglicht, im Rahmen einer privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge auch ihren Lebensabend in Sicherheit und Würde zu gestalten. Unabdingbar dafür sind eine umfassende Steuerreform, stabile Beitragssätze und ein sicherer Arbeitsplatz, der ihnen dazu die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt."

Auch die Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, sieht den viel beschworenen "Krieg der Generationen" nicht und beruft sich dabei auf eine repräsentative Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Banken, wonach zwei Drittel der Befragten das Verhältnis zwischen Jung und Alt mit gut bewerten. Sogar diejenigen, die in der Alterung der Gesellschaft ein großes Problem sähen, charakterisierten das Klima zwischen den Generationen mehrheitlich positiv. Dennoch seien die polarisierenden Stimmen Signale, die gerade die Politik nicht überhören dürfe. Irmingard Schewe-Gerigk: "Solch enorme Veränderungen im Altersaufbau einer Gesellschaft wie sie zu erwarten sind, machen offensichtlich Angst. Noch nie hat es eine Gesellschaft mit so wenig jungen und so vielen alten Menschen gegeben. Das sind enorme Herausforderungen nicht nur für die Politik, sondern auch für die Einzelnen." Erhalt der sozialen Sicherungssysteme und Demokratie seien da nur zwei Stichworte, sagt die altenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und fährt fort: "Wir können es uns aber auch nicht länger leisten, auf die Potentiale der Älteren zu verzichten. Darum gehen die Bündnisgrünen diese Herausforderungen aktiv an und erarbeiten derzeit Antworten auf den demografischen Wandel, damit der ?Krieg der Generationen' eben nicht stattfindet." Dabei komme der Generationengerechtigkeit eine herausragende Rolle zu. Der Slogan: "Wir haben diese Welt nur von unseren Kindern geborgt", gelte nicht nur für einen schonenden Umgang mit der Umwelt, sondern auch für einen verantwortlichen Umgang mit den Finanzen.


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