Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 18 - 19 / 02.05.2005
Susanne Kailitz

Lieber alliierte Einigkeit als deutsche Einheit

Die Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam konnten den Kalten Krieg nicht verhindern

Es war ein eindeutiges Bild, das am Ende der Konferenz in den Köpfen der Teilnehmer blieb: Deutschland solle "zerstückelt werden und zerstückelt gehalten werden", und die Sowjetunion werde die "einzige bedeutende militärische und politische Kraft auf dem europäischen Kontinent" darstellen, das "übrige Europa wäre auf militärische und politische Impotenz reduziert". So fasste Charles Bohlen, der Dolmetscher des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, in einem Memorandum für den amerikanischen Botschafter in Moskau seine Eindrücke von dem Treffen der "Großen Drei" in Teheran zusammen.

Dort waren vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 erstmals die drei Hauptalliierten im Zweiten Weltkrieg zusammengetroffen, um Festlegungen für die Zeit nach einem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland zu treffen. Während in Europa noch der Krieg tobte, debattierten Franklin D. Roosevelt, Winston Churchill und Josef Stalin das weitere militärische Vorgehen und ihre Vorstellungen von der Nachkriegszeit - und waren sich dabei der Bedeutung ihrer Zusammenkunft bewusst. Der britische Premierminister Churchill formulierte selbstbewusst, es handele sich bei der Konferenz um die "gewaltigste Konzentration von Weltmächten, die es je in der Geschichte der Menschheit gegeben" habe.

Noch herrschte gute Stimmung

Die Stimmung war gut: Schnell einigten sich die Regierungschefs auf auf eine koordinierte militärische Operation, die die Errichtung einer zweiten Front durch die Alliierten in Frankreich und gleichzeitig eine sowjetische Offensive im Osten umfasste - und auf die Teilung Deutschlands. Hierbei vertraten Stalin, Roosevelt und Churchill jedoch höchst unterschiedliche Ansichten: Während der britische Premier eine Zweiteilung Deutschlands in eine nördliche und eine südliche Hälfte favorisierte, schwebte Roosevelt die Bildung fünf autonomer Einzelstaaten vor. Stalin, der sich bereits seit 1941 für eine deutsche Teilung und die Bildung eines schwachen Mitteleuropas ausgesprochen hatten stimmte dem amerikanischen Vorschlag zu, signalisierte aber durch Äußerungen, es sei notwendig, "die deutschen Stämme zu zersplittern", dass er auch noch weiter gehen würde. Der Diktator konnte zufrieden sein mit dem Ausgang des Treffens: Er kehrte mit der Sicherheit nach Hause zurück, dass man seinen Konzeptionen den alliierten Segen erteilt hatte und dass weder die Vereinigten Staaten noch Großbritannien die Sowjetunion zur Herausgabe der zwischen 1939 und 1941 gewonnenen Territorien nötigen würden. Ganz wohl schien seinen Verbündeten bei dieser neuen Freundschaft nicht zu sein. Der Stabschef des Präsidenten, Admiral William D. Leahy, fasste seine Eindrücke von den sowjetischen Plänen unmissverständlich zusammen, als er zu Roosevelts Ratgeber Harry Hopkins sagte: "Well, Harry, all I can say is, nice friends we have now."

Schon 14 Monate später war das Bündnis denn auch sichtbar brüchig geworden. Beim zweiten Treffen der "Großen Drei", das im Februar 1945 in Jalta stattfand, hatte sich die Situation gravierend verändert: Die Rote Armee hielt fast ganz Südosteuropa und Ungarn besetzt und war bereits auf deutschem Boden auf dem Weg nach Berlin. Auf der anderen Seite hatten die anglo-amerikanischen Truppen die deutsche Armee in der Normandie und Südfrankreich geschlagen und Frankreich, Belgien und Holland besetzt. Der Krieg schien entschieden. Nachdem man mehrere Jahre Seite an Seite gegen den einen Feind gekämpft hatte, gerieten nun andere politische Interessen ins Blick-feld - und diese differierten stark. Insbesondere die sowjetische Interessenlage hatte sich stark verändert. Nach seinen militärischen Erfolgen verfolgte Stalin nun das Ziel, die eroberten Gebiete zu einem Teil seines Imperiums zu machen. Bestes Beispiel dafür war seine Haltung in der Polenfrage. Dort hatte Stalin, ohne sich um den Willen des Volkes zu kümmern, eine Marionettenregierung eingesetzt und seinen Herrschaftsanspruch durchgesetzt. Großbritannien hingegen betrachtete das Erstarken des kommunistischen Diktators mit Misstrauen und befürchtete, sein "ideologischer Imperialismus" (Hermann Graml) könne das europäische Gleichgewicht vollkommen zerstören. Churchill sah es als seine Aufgabe an, eine kommunistische Alleinherrschaft in Polen zu verhindern - agierte dabei jedoch ohne Erfolg. Auch die Vereinigten Staaten verfolgten nun andere Ziele, als sie es in Teheran getan hatten. Der Einfluss derer, die glaubten, die USA müssten aus wirtschaftlichen und politischen Gründen ein Interesse an einem stabilen und prosperierenden Europa haben, hatte sich verstärkt. Auch Roosevelt neigte dem britischen Gleichgewichtsgedanken zu - und erkannte gleichzeitig, dass das amerikanische Interesse auf dem europäischen Kontinent ein weitgehendes Engagement erforderlich machen würde, da Großbritannien allein als "Weltpolizist" zu schwach sein würde, um die westlichen Ziele effektiv zu verfolgen. Schon im Oktober 1944 hatte der amerikanische Präsident seinem britischen Amtskollegen in einem Telegramm mitgeteilt: "Sie verstehen natürlich, dass es in diesem globalen Krieg buchstäblich keine Frage gibt, ob militärischer oder politischer Natur, an der die vereinigten Staaten nicht interessiert sind."

Diese unterschiedlichen Interessen sorgten dafür, dass das Treffen in Jalta nicht frei von Spannungen war. Einigkeit bestand zwischen den drei Hauptalliierten jedoch darin, dass Deutschland entwaffnet und bestraft werden müsse. In einer "Deklaration über das befreite Europa" bekannten sich die Achsenmächte dazu, in den befreiten Ländern und ehemaligen Satellitenstaaaten "so bald als möglich durch freie Wahlen Regierungen zu errichten, welche dem Willen des Volkes entsprechen". Für seine Zusage, sich am Krieg gegen Japan zu beteiligen, kamen Großbritannien und die USA Stalin weit entgegen - und hofften so, die Entwicklung des sowjetischen Einflusses insbesondere in Osteuropa und auf dem Balkan kontrollieren zu können. Weniger Entgegenkommen zeigten die westlichen Alliierten bei der Frage der Reparationen. Stalin forderte eine umfangreiche Kompensation für die verheerenden Schäden, die die Sowjetunion in diesem Krieg erlitten hatte, aber weder Großbritannien noch die USA wollten einer Reparationsregelung zustimmen, die Deutschland langfristig schwächen würde. Die Vereinbarungen von Jalta blieben allerdings schöne Rethorik. Stalin ließ die Mitverantwortung Großbritanniens und der USA für Ost- und Südosteuropa, die er eben noch anerkannt hatte, "zu Makulatur werden, noch ehe die Signatur unter den Papieren von Jalta ganz trocken geworden war", so der Historiker Hermann Graml.

Weil daher die Spannungen zwischen den Mächten immer weiter zunahmen, schlug Churchill nur wenige Monate später ein drittes Treffen vor: Die Potsdamer Konferenz im Juli und August 1945 machte jedoch nur allzu deutlich, dass das Bündnis an seinem Ende war. Außer in Verfahrensfragen schien es unmöglich, zu Kompromissen zu gelangen. Zwar war man sich einig über die fünf Ds, die künftig für Deutschland gelten sollten - Denazifizierung, Demilitarisierung, Demokratisierung, Dezentralisierung und Dekartellisierung - aber zu konkreten politischen Übereinkünften gelangte man auf Schloss Cecilienhof, wo das Treffen stattfand, nicht. Großbritannien, vertreten zunächst durch Churchill und dann durch dessen Nachfolger Clement Attlee, und die USA, für die der neue Präsident Harry S. Truman angereist war, sahen das sowjetische Expansionsstreben mit Misstrauen - ließen aber gleichzeitig keine Schmälerung ihrer Interessen im Mittelmeerraum und dem mittleren Osten zu. Ebenso kompromisslos verhandelten die Mächte in der Reparationsfrage. Die Alliierten waren sich zwar einig, auf dem Territorium der vier Besatzungszonen die politische und wirtschaftliche Einheit zu erhalten, aber Stalin war nicht bereit, auf seine hohen Forderungen zu verzichten. Zudem hatte er Truman und Churchill bereits im Vorfeld mit seinem Willkürakt verärgert, Teile Ostdeutschlands an Polen zu übereignen, um es für seine Verluste zu entschädigen.

So drohte die Konferenz, für alle sichtbar, zu scheitern. Um diese Blamage zu verhindern, schlugen Truman und sein Außenminister James F. Byrnes eine Paketlösung vor: Die Sowjetunion sollte danach auf die Festlegung einer genauen Summe bei den Reparationen verzichten, sich aus ihrer eigenen Besatzungszone bedienen und zusätzlich Lieferungen aus den Westzonen erhalten. Im Gegenzug dafür würden die USA bereit sein, wie von Stalin gewünscht, die Lausitzer Neiße als neue polnische Westgrenze hinzunehmen. Der Kompromiss wurde angenommen. Im Potsdamer Protokoll wurde vage festgehalten: "Die Bezahlung der Reparationen soll dem deutschen Volke genügend Mittel belassen, um ohne eine Hilfe von außen zu existieren" - quasi ein Freibrief für Stalin, sich in seiner Besatzungszone nach Belieben zu bedienen. Zum wirtschaftlichen Schutz der Westzonen gab man ihm die sowjetische Zone zur freien Verfügung. Auf "endgültige Regelungen" zur Deutschlandfrage verzichtete das Potsdamer Protokoll. Die wirtschaftliche Einheit Deutschlands war so zerbrochen und im Zuge des Kalten Krieges, der bald nach der Potsdamer Konferenz in voller Härte ausbrach, war auch die politische Einheit des Landes keine realistische Option mehr. Die deutsche Teilung war damit zementiert - zur Rettung der Einigkeit der Alliierten nach außen hatte man die Einheit Deutschlands geopfert.


Susanne Kailitz ist Volontärin bei "Das Parlament".


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.