Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 20 / 17.05.2005
Uta Martensen

"Es gibt keinen Schlussstrich"

Vor 60 Jahren endeten der Zweite Weltkrieg und die NS-Diktatur

Mit einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung haben Bundestag und Bundesrat am 8. Mai im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes an das Ende des Zweiten Weltkrieges und der NS-Diktatur erinnert und der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung vom Jungen Klangforum Mitte Europa, in dem junge Musiker aus Tschechien, Polen und Deutschland vereint sind.

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wahrmacht am 8. Mai 1945 seien die meisten Deutschen erleichtert darüber gewesen, dass die Waffen schwiegen, stellte Bundespräsident Horst Köhler in seiner Ansprache fest, zugleich aber "wie betäubt von der Wucht der Niederlage". Allerdings habe das Ende des Krieges noch lange nicht das Ende des Leids gebracht. Das Unglück wirke bis heute fort. Die Deutschen blickten mit "Schrecken und Scham" zurück auf den von Deutschland entfesselten Krieg und den Zivilisationsbruch Holocaust, bekannte Köhler. "Wir haben die Verantwortung, die Erinnerung an all das Leid und seine Ursachen wach zu halten, und wir müssen dafür sorgen, dass es nie wieder dazu kommt. Es gibt keinen Schlussstrich", betonte der Bundespräsident.

Er gedachte, wie auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in seiner Einführungsrede, der sechs Millionen ermordeten Juden, der Sinti und Roma, der Kranken und behinderten Menschen, der politisch Andersdenkenden und der Homosexuellen, die verfolgt und ermordet wurden. In die Trauer um die Opfer der Gewalt, "die von Deutschland ausging und die auf Deutschland zurückschlug", schloss Köhler ausdrücklich auch die deutschen Opfer ein, "weil wir gerecht gegen alle Völker sein wollen, auch gegen unser eigenes".

Deutschland sei allerdings heute ein anderes Land als vor 60 Jahren, attestierte der Bundespräsident. Dieser Wandel im Äußeren, vor allem aber im Inneren sei ein Grund zu Freude und Dankbarkeit. "Diesen Dank", fuhr er fort, "schulden wir an erster Stelle den Völkern, die Deutschland besiegt und vom Nationalsozialismus befreit haben". Sie hätten Deutschland nach dem Krieg eine Chance gegeben. Besonders betonte er den Wert der transatlantischen Partnerschaft und "was wir gerade den Vereinigten Staaten von Amerika zu verdanken haben" sowie die guten, ja freundschaftlichen Beziehungen zum Staat Israel.

Europa sei heute geprägt von Freiheit, Demokratie und der Geltung der Menschenrechte, so Köhler. Erstmals in seiner Geschichte sei Deutschland rundum von Freunden und Partnern umgeben. "Zwischen uns ist Krieg unmöglich geworden."

Im Rückblick auf die vergangenen 60 Jahre äußerte Köhler die Gewissheit, "dass wir Deutschen den Weg zu unserer freien und demokratischen Gesellschaft aus eigener Begabung zur Freiheit gegangen sind". Deutschland habe sich als Nation wiedergefunden und könne mit Mut in die Zukunft blicken. Zwar gebe es leider auch Unbelehrbare, die zurück wollen zu Rassismus und Rechtsextremismus. "Aber sie haben keine Chance", gab der Bundespräsident sich überzeugt.

"Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird", zititierte Bundestagspräsident Thierse aus der Rede Richard von Weizsäckers zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. 20 Jahre später glaubten viele, er eingeschlossen, dass der ehrliche Umgang mit der verbrecherischen Vergangenheit "zu einem Teil unserer kollektiven Identität als Deutsche" geworden sei. Aus der Erinnerung und dem Gedenken ergebe sich die Verpflichtung zur Verteidigung der Demokratie.

Nach dem verlorenen Krieg sei die Niederlage Deutschlands vollständig gewesen. Der Neuaufbau, so Thierse weiter, habe nur durch eine ebenso vollständige Abkehr vom Faschismus gelingen können. Das wurde nach seinen Worten für das deutsche Volk zu einer Geschichte der Befreiung, die nach 45 Jahren, im Jahre 1990, mit der Wiedervereinigung vollendet wurde.


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